Präsentismus und Krankenstand in Europa: Ergebnisse des European Working Conditions Survey

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Transkript:

Präsentismus und Krankenstand in Europa: Ergebnisse des European Working Conditions Survey Institut für Soziologie, Karl Franzens Universität Graz Johanna.muckenhuber@uni-graz.at

Daten 5 th European Working Conditions Survey (EWCS) (2010 ) 42.798 ArbeiterInnen aus 34 Ländern (EU27, Norwegen, Kroatien, Mazedonien, Türkei, Albanien, Montenegro) Ca. 1000 ArbeiterInnen / Land Persönliche Befragung durch Gallup Europe Mehrstufige Zufallsstichprobe

Variablen innerhalb der letzten 12 Monate: Anzahl Krankenstandstage Präsentismus: Arbeit trotz Krankheit (nein/ ja) Wohlbefinden Allgemeiner Gesundheitszustand Anzahl an selbst berichteten Krankheiten

Variablen Unabhängige Variablen(UV): Mikrolevel 3 Skalen in Anlehnung an das Anforderungs-Kontroll Modell Psychische Arbeitsbelastungen : 10 Items, α= 0.62. Physische Arbeitsbelastungen : 14 Items,, α= 0.84. Entscheidungsfreiheit : 8 Items α= 0.61. Standardisierung der Skalen auf 0-100 Hoher Wert: starke Arbeitsbelastungen bzw. große Entscheidungsfreiheit Sozio-ökonomischerund sozio-demographischerstatus Bildung, Geschlecht, Alter MakrolevelUV: HDI : Metrisch, range: 0 bis 100 (100: sehr hohe Entwicklung) Länderidenitifikationsvariable: auf Nominal-Niveau zur Subjekt-Identifizierung im Modell.

Zahlen für Präsentismus und Krankenstand europaweit: Trotz Krankheit in der Arbeit: 40,9% der Männer und 44,6% der Frauen Anzahl an Krankenstandstagen in den letzten 12 Monaten (Mittelwert und Standardabweichung: Männer: 5,4 (18,34) Frauen: 6,59 (20,50)

Präsentismus in den europäischen Ländern Präsentismus in % Männer Frauen Männer Frauen Belgium 44,9% 50,1% Netherlands 38,8% 39,7% Bulgaria 21,4% 22,9% Austria 33,7% 33,0% Czech Republic Denmark 34,3% 38,4% Poland 23,3% 26,3% Portugal 54,7% 56,8% 19,5% 27,7% Germany 37,2% 41,6% Romania 29,6% 45,3% Estonia Slovenia 36,2% 44,9% 54,5% 63,3% Greece 31,2% 32,3% Slovakia 40,3% 49,8% Spain Finland 37,4% 37,1% 48,7% 49,5% France 47,6% 48,3% Sweden 55,5% 52,9% Ireland United 42,9% 41,4% Kingdom 50,0% 47,6% Italy 23,5% 28,0% Croatia 32,1% 43,1% Cyprus FYROM 38,6% 45,5% 41,2% 48,3% Latvia 36,8% 44,6% Turkey 49,0% 53,0% Lithuania Norway 30,5% 35,1% 44,2% 49,0% Luxembourg 42,4% 49,5% Albania 49,1% 55,4% Hungary 32,4% 41,3% Kosovo 36,7% 45,6% Malta 55,1% 56,2% Montenegro 69,6% 71,9%

Krankenstand in den europäischen Ländern Mittelwert der Krankenstandstage Männer Frauen Männer Frauen Belgium 7 9 Netherlands 8 8 Bulgaria 5 6 Austria 8 8 Czech Republic Denmark 6 8 Poland 8 8 6 8 Portugal 6 7 Germany 6 7 Romania 2 4 Estonia 4 6 Slovenia 9 10 Greece 2 2 Slovakia 5 6 Spain 3 5 Finland 8 12 France 6 7 Sweden 5 7 Ireland 4 3 United Kingdom 4 5 Italy 4 5 Croatia 9 7 Cyprus 6 6 FYROM 4 5 Latvia 5 5 Turkey 3 2 Lithuania 6 6 Norway 8 12 Luxembourg 6 6 Albania 3 4 Hungary 5 6 Kosovo 2 2 Malta 6 5 Montenegro 3 4

Zusammenhänge: allgemeiner Gesundheitszustand mit Präsentismus und Krankenstand Männer und Frauen: Bei berichtetem Präsentismus wird ein schlechterer allgemeiner Gesundheitszustand angegeben. Der allgemeine Gesundheitszustand wird mit steigender Anzahl an Krankenstandstagen schlechter angegeben. Stärkere Zusammenhänge mit Krankstand als mit Präsentismus. Geschlechterunterschiede der Zusammenhänge mit Präsentismus: Stärkere Zusammenhänge bei Frauen als bei Männern. Die Zusammenhänge sind signifikant jedoch relativ schwach.

Zusammenhänge: Wohlbefinden mit Präsentismus und Krankenstand Männer und Frauen: Bei berichtetem Präsentismus wird geringeres Wohlbefinden angegeben. Mit steigender Anzahl an Krankenstandstagen wird ein schlechteres Wohlbefinden angegeben. Stärkere Zusammenhänge mit Präsentismus als mit Krankenstand. Geschlechterunterschiede der Zusammenhänge mit Präsentismus: Stärkere Zusammenhänge bei Frauen als bei Männern. Die Zusammenhänge sind signifikant jedoch relativ schwach.

Zusammenhänge: Anzahl an Gesundheitsproblemen mit Präsentismus und Krankenstand Männer und Frauen: Bei berichtetem Präsentismus wird eine höhere Anzahl an Gesundheitsproblemen angegeben. Mit steigender Anzahl an Krankenstandstagen wird eine höhere Anzahl an Gesundheitsproblemen angegeben. Stärkere Zusammenhänge mit Präsentismus als mit Krankenstand. Geschlechterunterschiede der Zusammenhänge mit Präsentismus: Stärkere Zusammenhänge bei Frauen als bei Männern. Die Zusammenhänge sind signifikant jedoch relativ schwach.

Anforderungs-Kontroll-Modell von Karasek und Theorell 3 Hypothesen: 1. Negativer Einfluss von psychologischen und physischen Arbeitsbelastungen auf die Gesundheit. 2. Positiver Einfluss von Entscheidungsfreiheit auf die Gesundheit. 3. Puffer-Effekt von Entscheidungsfreiheit auf die Auswirkungen psychischer und physischer Arbeitsbelastungen auf die Gesundheit.

Zusammenhang: Präsentismus, Krankenstand mit Arbeitsbelastungen Teilweise Bestätigung der Karasek / Theorell -Hypothesen: Mehr psychosoziale Arbeitsbelastungen mehr Krankenstand (ohne cross-level Interaktionen) Puffer-Effekt von Entscheidungsfreiheit: Mehr Entscheidungsfreiheit > weniger Krankenstand trotz psychischer Arbeitsbelastungen Karaseks Hypothesen mit Präsentismus nicht bestätigt Mehr psychsoziale Arbeitsbelastungen > mehr Präsentismus Mehr Entscheidungsfreiheit > mehr Präsentismus trotz psychischer Arbeitsbelastungen

Ergebnisse mit Makrovariablen Höherer HDI > Weniger Krankenstand Kein signifikanter Zusammenhang zwischen dem HDI und Präsentismus

Ergebnisse: Cross-Level Interaktionen

Cross-level Interaktionen Stärkerer Zusammenhang von psychischen Arbeitsanforderungen mit Krankenstand in Ländern mit hohem HDI. Länder mit geringem HDI: mehr psy demands > weniger Krankenstand 4. Länder mit hohem HDI: mehr psy demands > mehr Krankenstand 5. Mehr Entscheidungsspielraum > mehr Präsentismus 6. Aber: Schwächerer Zusammenhang von Entscheidungsspielraum mit Präsentismus in Ländern mit sehr geringem HDI. Abb. 1 zeigt: steilere Regressionsgerade für Länder mit sehr hohem oder hohem HDI

In Ländern mit höherem HDI wirken sich psychische Arbeitsbelastungen stärker auf die Anzahl von Krankenstandstagen aus als in Ländern mit geringem HDI. Gegensatz zu Karaseks Hypothese: In Ländern mit geringem HDI: Mehr psychische Belastungen > etwas weniger Krankenstand Karaseks Hypothese gilt anscheinend nur für high-hdi Länder.

In Ländern mit höherem HDI ist der Zusammenhang zwischen Entscheidungsfreiheit und Präsentismus stärker als in Ländern mit geringem HDI.

Diskussion Vorsicht bei der Interpretation dieser internationalen Vergleichszahlen und Zusammenhänge Länder- und Kulturspezifische Unterschiede in der Selbsteinschätzung der Krankheit trotz derer gearbeitet wurde sind möglich

Diskussion Weniger Krankenstand in high-hdi-ländern Bessere Arbeits- und Lebensbedingungen Erklärungen für stärkeren Einfluss von psychische Belastungen auf Krankenstand in high-hdi Ländern im Gegensatz zu low HDI Ländern. Unterschiede in rechtlichen Rahmenbedingungen für Krankenstand (psychische Erkrankungen). Unterschiede in kultureller Akzeptanz von psychischen Problemen als Krankheit Unterschiede in Wahrnehmung von Arbeitsplatzsicherheit Erklärungsansätze müssen als neue Forschungsfragen bzw. Hypothesen geprüft werden.

Diskussion Präsentismus kann im Sinne des Modells von Karasek / Theorell nicht als Proxy für Gesundheit angenommen werden. Präsentismus könnte als spezieller Aspekt eines gesundheitsrelevantem Habitus verstanden werden mit Auswirkungen auf die Gesundheit

Danke für Ihre Aufmerksamkeit. Bei weiteren Fragen wenden Sie sich bitte an mich. johanna.muckenhuber@uni-graz.at