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[Audio: schwierige zeit (2), 00:00:17,16] Ich glaube schon, dass ich gezeigt habe, das es gerade in schwierigen Situationen eine Charakterstärke ist, einen kühlen Kopf zu bewahren, Entscheidungen herbeizuführen und nicht zu flüchten. Insofern glaube ich schon,dass ich letzten Jahr den Beweis geliefert habe, das ich in der Lage bin, das Land in extrem schwierigen Situationen zu führen. Mappus also steht und kämpft und wiederholt gebetsmühlenartig, wie gut es die Menschen in Baden-Würtemberg haben. Der Wirtschaft geht es im Land der Tüftler und Autobauer blendend, so der Ministerpräsident, die Arbeitslosigkeit ist niedrig, die Jugendarbeitslosigkeit die niedrigste in Europa, das Bildungssystem bekommt bei den Pisa-Tests Bestnoten, vier Hochschulen im Land sind Eliteunis. Von Mannheim bis zum Bodensee predigt Mappus diese Aussagen in Turnhallen, Bürgerhäusern, Festzelten oder Gaststätten. Er bringt es auf die etwas seltsame Formel, Baden-Württemberg sei : [Audio: fortschritt voraus (1), 00:00:15,07] immer einen Fortschritt voraus Es ist zweifellos richtig. Baden-Württemberg steht im Ländervergleich gut da. Die florierenden Unternehmen, die funktionierenden Schulen und die vom Land nach Kräften geförderten Innovationen haben im Ländle zu beträchtlichem Wohlstand geführt. Wohlstand, der auch bei den sogenannten kleinen Leuten ankommt. Wer einen Job bei Daimler, Bosch oder Porsche hat, hat keinen Grund zur Klage und viele von ihnen sind seit Jahren treue CDU-Wähler. Zweifellos hat auch Stefan Mappus als langjähriges Mitglied des Landtages und der Landesregierung zu diesem Erfolg beigetragen. Er sitzt seit 15 Jahren im Parlament, er war Staatssekretär, Umweltminister, Fraktionsvorsitzender und er wurde am 10. Februar 2010 mit 43 Jahren Ministerpräsident.

Seitdem allerdings lief es für den frisch gebackenen Regierungschef alles andere als rund. Mappus selbst sagt im Rückblick [Audio: schwierige zeit (1), 00:00:18,16] Ich hatte im letzten Jahr in Situationen gehabt, die es - glaube ich - in dieser Häufigkeit für einen Ministerpräsidenten in Baden-Württemberg noch nicht gab. Ich hatte vom ersten Tag an ein Problem nach dem anderen auf dem Tisch: Daten-CD, Energiekonsens, Stuttgart 21, jetzt kommt das aktuelle Thema mit Japan hinzu. Es waren tatsächlich schwierige Entscheidungen, die der Ministerpräsident zu treffen hatte, und für die er in jedem einzelnen Fall massiv kritisiert wurde. Bei einer CD mit Daten von baden-württembergischen Steuersündern, die dem Land aus der Schweiz angeboten wurde, sprach er sich auf Druck des Koalitionspartners FDP gegen den Ankauf aus. Auf diese Weise entgingen der Landeskasse Millionen an Steuergeldern. Bei Stuttgart 21 unterschätzte er lange die Stimmung bei den Menschen und trug mit seinem Weiter-So Kurs zumindest zu der Eskalation am 30. September bei, als im Stuttgarter Schlossgarten Wasserwerfer, Pfefferspray und Schlagstöcke gegen Bahnhofsgegner eingesetzt wurden. Dann erst, nach Meinung der Opposition viel zu spät, lenkte er ein und schlug die Schlichtung mit Heiner Geißler vor. Beim Ankauf des Aktienpakets der ENBW agierte er am Parlament vorbei, zudem könnte die 5-Milliarden-Investition dem Land auf die Füße fallen, wenn der Aktienkurs wegen des hohen Atomstromanteils des Energiekonzerns in den Keller rutscht. Und beim Thema Atom sitzt er in der Glaubwürdigkeitsfalle: Noch vor einem knappen Jahr hatte er sich massiv für die Laufzeitverlängerung der Kraftwerke stark gemacht, nach der Katastrophe in dem japanischen

Kernkraftwerk Fukushima musste er eine 180-Grad-Wende hinlegen, die er so begründet: [Audio: Atomwende, 00:00:21,00] Wir hatten seit dem letzten Wochenende eine andere Situation, in der dieses Thema auch emotional anders diskutiert wird. Und ich war für die Laufzeitverlängerung, aus guten Gründen wie ich meine, und deshalb empfinde ich jetzt bei diesem Thema eine besondere Verantwortung bei diesem Thema. Und deshalb ist es jetzt richtig, ein Moratorium zu machen, nachzudenken, wie geht es weiter. Das alles führte dazu, dass die Zustimmung zur CDU und zu Mappus bröckelte. Kam die Partei bei der letzten Landtagswahl 2006 noch auf 44,2 Prozent der Stimmen, rutschte sie zu Hochzeiten der Stuttgart-21- Auseinandersetzung im vergangenen Oktober in den Umfragen auf 34 Prozent. Zwar hatten sich die Umfragewerte bis vor zwei Wochen wieder über 40 Prozent stabilisiert. Aber nach Fukushima ging es wieder in die Keller. Die Christdemokraten müssen um die Macht bangen. Auf der andere Seite kamen die Grünen mit ihrem Spitzenkandidaten Winfried Kretschmann im Herbst erstmals auf 32 Prozent, und es sah so aus, als ob Kretschmann der erste grüne Ministerpräsident werden könnte. Winfried Kretschmann ist 62 Jahre alt und ein Urgestein der Grünen in Baden-Württemberg. Der gelernte Biologie- und Chemielehrer war schon 1979 bei der Gründung der Partei in Baden-Würtemberg dabei. [Audio: Kretschmann Liebe zur Natur, 00:00:14,92] Das klingt jetzt ein bisschen pathetisch, aber mein Anspruch war die Liebe zu Natur. Deswegen bin ich den Grünen beigetreten. Mein Anspruch war, den Artenreichtum und die Vielfalt der Natur zu erhalten. Im Unterschied zu Mappus, den er übrigens duzt, ist Kretschmann vom

Typ her eher nachdenklich und zurückhaltend. Was aber nicht heißt, dass er in Landtagsdebatten oder auf Wahlkampfveranstaltungen nicht kämpferisch auftreten kann: [Audio: Kretschmann Wahlkampf, 00:00:17,04] Die CDU braucht endlich eine Zeit der Buße und Bekehrung. Wenn man auf den harten Oppositionsbänken sitzt, das regt das Hirn an. Da kommt man auch wieder auf gute Gedanken, das sehen Sie ja an uns! Die Grünen sind in Baden-Württemberg seit Jahrzehnten stark. Ihr Wählerspektrum reicht im Ländle bis weit in die Mittelschicht hinein. Besonders in Universitätsstädten, vorneweg in Freiburg und Tübingen, wo sie die Oberbürgermeister stellen, sind sie längst nicht mehr der kleine Koalitionspartner, sondern stellen die Mehrheiten. Die Grünen haben davon profitiert, dass die Union mit ihrem konservativen Profil in den Ballungsräumen an Zustimmung verloren hat. Aber auch außerhalb der Städte sind sie mittlerweile für viele Menschen eine Alternative zu den bürgerlichen Parteien geworden. Selbst in der Landeshauptstadt Stuttgart stellen die sie seit den Kommunalwahlen im Jahr 2009 die größte Fraktion im Gemeinderat - unter anderem, weil sie seit Jahr und Tag gegen den tiefer gelegten Bahnhof Stuttgart 21 sind. Der Protest gegen Stuttgart 21 ist zwar seit der Schlichtung unter einer Geißler deutlich leiser geworden, aber für Kretschmann bleibt der umstrittene Bahnhof eines der großen Themen in diese Wahlkampf [Audio: Kretschmann 21, 00:00:16,20] Es spielt jedenfalls eine wichtige Rolle bei der Wahlentscheidung. Es war uns immer klar. Andere Themen sind auch wichtig wie Bildung und Wirtschaft. Das Thema ist zwar ein bisschen aus den Medien verschwunden aber nicht aus dem Bewusstsein der Leute

Der grüne Tübinger Oberbürgermeister Boris Palmer, einer der bekanntesten Stuttgart 21 -Kritiker spitzte es in der vorigen Woche auf einer Wahlkampfveranstaltung in Stuttgart so zu: [Audio: Palmer Fazit, 00:00:23,28] Es gibt ein Fazit, das ist ganz ernst gemeint. Es lautet: Wählen gehen und oben bleiben. Und ich sage Ihnen, Sie hatten mit einer Stimme noch nie die Möglichkeit, gleichzeitig die Atomkraftwerke, den Tunnelbahnhof und den Mappus abzuschalten. Machen Sie's! Thematisch punkten die Grünen derzeit mit genau diesen Themen: Stuttgart 21, Atomausstieg und Mappus. Palmer, Kretschmann und andere greifen den Regierungsstil von Ministerpräsident Mapus massiv an. Sie werfen ihm vor, dass er zu sehr Napoleon und zu wenig Demokrat sei: [Audio: Kretschmann Stil (1), 00:00:13,75] Ich sehe bei Mappus, er will immer eine Politik der schnellen Erfolge machen im Hauruck-Verfahren. Ganz wie jetzt bei der ENBW am Parlament vorbei. Nach dem Stand der neuesten Umfragen ist aber noch nicht klar, welche der beiden Oppositionsparteien Grüne und SPD bei der Wahl die Nase vorn hat, sprich: Im Fall eines Machtwechsels den Ministerpräsidenten stellen würde. Vom Herbst 2010 bis in den Februar lagen die Grünen vorne. Dann holte die SPD auf und lag einige Prozentpunkte vor ihnen. Seit dem Reaktorunglück in Fukushima haben die Grünen die SPD wieder überholt. Laut einer Emnid-Umfrage vom vergangenen Wochen kamen die Grünen auf 25, die SPD auf 22 Prozent. Zu einem aber hat das Kopf-an-Kopf-Rennen der Oppositionsparteien in den vergangenen Woche geführt: SPD-Spitzenkandidat Nils Schmid rückte in Licht der Öffentlichkeit:

[Audio: Schmid ich, 00:00:22,94] Ich will Ministerpräsident sein, der zuhört, nachdenkt und dann entscheidet. Das Problem beim Herrn Mappus ist, dass er allzu oft das umgekehrt macht und die Folgen können wir dann besichtigen. Und ich will auch ein Ministerpräsident sein, der den Bürgern mit Respekt gegenübertritt und nicht als Schaumschläger oder Blender, wie Mappus oder Guttenberg. Der 38-jährige Schmid ist das Gegenteil von einem Arbeiterführer und kommt auf den ersten Blick wenig landesväterlich daher. Er ist promovierter Jurist, sitzt seit zehn Jahren im Landtag und hat sich auch bei CDU und FDP einen guten Ruf als Finanzpolitiker erarbeitet. Er galt in den vergangenen Jahren zwar immer als hochkompetent, aber auch als ein wenig farblos. Dennoch schaffte er es, sich geschickt als Gegenmodell zu Mappus zu positionieren. Dort der Rambo, hier der Bürgerversteher. Bei der SPD- Klientel, die in Baden-Württemberg lange nichts zu lachen hatte, kommt das gut an: [Audio: Schmid Umfrage, 00:00:22,34] Es war überzeugend, wie er gesprochen hat. Und habe ihn schon mehrfach gehört, und habe jetzt festgestellt, dass da eine große Steigerung dabei ist / Ich bin schon seit Jahren ein echter Nils-Schmid- Fan, und denke, so einen Finanzfachmann können wir jetzt brauchen im Land. / Zu intellektuell würde ich ihn jetzt nicht empfinden. Im Vergleich zu Mappus ist er dem jetzt um Längen voraus, aber trotzdem nicht zu intellektuell. In der Tat zeigte sich dann beim Fernsehduell des Südwestrundfunks in der vorigen Woche, dass Schmid Ministerpräsident Mappus auf Augenhöhe begegnet.

Im Wahlkampf kritisiert Schmid zum einen den Regierungsstil von Mappus, zum anderen setzt er auf klassisch sozialdemokratische Themen. Er will mehr soziale Gerechtigkeit und verspricht, sich gegen Leih- und Zeitarbeit einzusetzen [Audio: Schmid Leiharbeit (1), 00:00:21,26] Jetzt müssen die Früchte des Aufbruchs auch bei den Beschäftigten ankommen. Es kann nicht sein, dass Seite an Seite am selben Band einer von der Stammbelegschaft arbeitet und einer von einer Fremdfirma, der weniger Geld und weniger Urlaub bekommt. Das stört den Betriebsfrieden und ist auch kein Beitrag zur Bekämpfung des Fachkräftemangels. Deshalb bin ich dafür, dass wir die Leiharbeit wieder stärker einschränken. Auch bei der Bildungspolitik will die SPD Akzente setzen, tut sich hier allerdings nicht wirklich leicht. Noch vor einigen Monaten forderten die Bildungspolitiker der SPD eine 10-jährige Basisschule, die in der Konsequenz die Abschaffung von Grundschule, Hauptschule und Gymnasium bedeuten würde. Als sich dann aber die Umfragewerte zugunsten der SPD änderten und ein möglicher Wahlsieg in Sicht kam, wurde das Konzept abgemildert. Die SPD setzt sich nun für mehr Sprachförderung im Kindergarten ein und allem vor für kostenfreie Kindergartenplätze. Allerdings soll es den kostenlosen Kindergarten erst im Laufe der nächsten Jahre geben, denn der Finanzpolitiker Schmid will keine zusätzliche Verschuldung des Landes. Durch Umschichtungen im Haushalt und zusätzliche Einnahmen durch mehr Steuerprüfungen will er dann auch sein zweites bildungspolitisches Ziel umsetzen: Die Abschaffung der Studiengebühren. [Audio: Schmid Studiengebühren (1), 00:00:16,29]

Wir haben aus der Praxis von Studiengebühren erfahren müssen, dass sie abschreckend wirken und eine zusätzliche Belastung von Familien sind. Die ganzen theoretischen Debatten, wie man das mit irgendwelchen Krediten hinbekommt, die wurden in Praxis nicht erfolgreich umgesetzt. Deswegen bin ich der Überzeugung, man muss diese Studiengebühren abschaffen. Ich werde das tun, das kostet etwa 100 Millionen Euro. Das werde ich den Hochschulen selbstverständlich ersetzen. Die deutlichsten Gegenpositionen zur SPD nicht nur bei den bildungspolitischen Themen hat der jetzige Juniorpartner in der Koalition, die FDP. Spitzenkandidat Ulrich Goll argumentiert, dass die Haushaltskonsolidierung auch bei der Bildung vorgehen muss: [Audio: Goll gebühren, 00:00:14,71] Es ist so leicht, das immer auf Sicht zu fahren. Es ist so leicht zu sagen, wir schaffen jetzt Studiengebühren und Kindergartengebühren ab, wir entlasten jetzt die Leute und tun so, als würde alles nichts kosten So hat man's in Nordrheinwestfalen gemacht. und das Ergebnis könne man derzeit besichtigen. Der Liberale Ulrich Goll ist seit 1996 mit einer kleinen Unterbrechung baden-württembergischer Justizminister und hat das Ressort in dieser Zeit durchaus erfolgreich und geräuschlos geleitet. Der 60-Jährige ist - durchaus vergleichbar mit SPD-Mann Schmid - eher ein Mann der leisen Töne, der aber gleichwohl recht selbstbewusst sagt, dass wichtige Erfolge der Koalition auf die FDP zurückgehen. [Audio: Goll geräuschlos, 00:00:25,99] Mir wird gelegentlich vorgeworfen, dass ich eher ein Freund geräuschloser Entscheidungen bin. Das stimmt auch. Aber wir laufen

dadurch immer so ein bisschen Gefahr, dass man nicht so sieht, dass wir von unserem liberalen Programm so viel durchgesetzt haben in den letzten 5 Jahren. Wir können mit den Ergebnissen in den letzten 5 Jahre wunderbar leben. Aber die Kompromisse zum Beispiel beim Polizeigesetz, die sind eben immer geräuschlos gefunden worden. Goll ist ein guter Argumentierer und er schafft es, seine Zuhörer zu fesseln, aber ein Volksredner ist nicht. Außerdem geht das Gerücht um, dass er nicht mehr die ganze Legislaturperiode dabei bleiben will. Und insofern ist die Tatsache, dass er zum Spitzenkandidat gemacht wurde, auch Ausdruck des Personalproblems der Liberalen im Südwesten. Wirtschaftsminister Ernst Pfister kandidiert nicht mehr, Fraktionschef Hans-Ulrich Rülke gilt als blass und darüber hinaus sind keine liberalen Persönlichkeiten, die sich aufdrängen, in Sicht. Die Themen Personal und Umfragen bestimmen auch die Diskussion um die Linkspartei. Was das Personal angeht, hat die Linke mit dem Gewerkschafssekretär Roland Hamm einen durchaus vorzeigbaren Spitzenkandidaten, der sich eloquent für die sozial Schwachen einsetzt, und sich SPD und Grünen als Partner anbietet. [Audio: Hamm gut, 00:00:19,58] Wir werden den richtigen Inhalten, damit es in Baden-Württemberg an vielen Stellen wieder besser wird, wie es im Programm der SPD und im Programm der Grünen steht, wir werden es daran nicht scheitern lassen. Und wir werden auch unter Beweis stellen, dass wir für die richtigen Positionen auch in der Lage sind, regierungsfähige Politik zu machen. Die Wahlkampfauftritte der zweiten Spitzengenossin, der Deutsch- Argentinierin Marta Aparicio, hören sich jedoch anders an und zeigen, dass der Weg zur regierungsfähigen Partei für einige Genossen noch weit ist. [Audio: Aparcio geschnitten (1), 00:00:15,09]

Liebe Companeros, die Linke kämpft, weil sie nicht mehr zulassen will, das Beschäftigte und Erwerbslose weiter erpresst und mit neuen Maßnahmen schikaniert werden. Eine der großen Frage dieser Landtagswahl ist also, ob die Linkspartei in Baden-Württemberg die 5-Prozent-Hürde nimmt oder nicht. Die 4 im Landtag vertretenen Parteien haben jedenfalls gleich zwei Probleme mit der Linkspartei. SPD und Grüne wollen ihr einerseits nichts zu tun haben. Andererseits aber stecken sie in der Falle, dass sie bei Einzug der ungeliebten Partei in den Landtag nur mit ihr den Regierungswechsel hinbekommen könnten - weshalb sich Nils Schmid und Winfried Kretschmann winden, um keine Zusammenarbeit mit den Linken ausschließen zu müssen. [Audio: Schmid Linkspartei (1), 00:00:21,40] Jede Stimme für die Linkspartei ist eine vergebene Stimme für den echten Wechsel. Und ich will nun wirklich nicht mit der Linkspartei regieren. Ich hab gar keine Lust darauf. / Wir müssen in der Lage sein, auch in unübersichtlichen Situationen, die wir nicht wollen, gesprächsfähig zu sein. Und dafür gilt die Aussage, dass wir da keine "Ausschließeritis" machen. CDU und FDP auf der anderen Seite müssen befürchten, dass sie beim Einzug der Linken in den Landtag keine Mehrheit zusammenbekommen, und Stefan Mappus fährt folglich im Wahlkampf eine Art Rote-Söckle- Kampagne: [Audio: Mappus zu Linkspartei, 00:00:17,49] Es darf kein Zweifel bestehen. Wenn die SPD und die Grünen eine Chance haben, mit der Linken eine Regierung zu machen da tun sie's. Dann ist egal, ob die regierungsfähig sind oder nicht, denn die sind ja selber nicht regierungsunfähig. Das machen die.

Was das Wahlergebnis und seine Folgen angeht, gibt es aus Sicht von CDU und FDP im Grunde nur 2 Möglichkeiten. Entweder Schwarz und Gelb haben gemeinsam eine Mehrheit oder es wird eine linke Koalition geben. Ob nun die SPD oder die Grünen vorne sind, sind ob die Linkspartei dabei ist oder nicht. Andere Optionen, die im Fall des Einzugs der Linken rechnerisch möglich wären, wie etwa eine Große Koalition oder Schwarz-Grün kommen für Mappus, wie er sagt, nach dem Wahlabend nicht infrage. Bis dahin aber wird der Wahlkampf weitergehen und dabei ist seit der Katastrophe in Fukushima klar, dass er mit dem Atomausstieg ein neues Thema gefunden hat. Es spricht vieles dafür, dass die Frage, wie die Wähler bei diesem Thema das Agieren der Parteien beurteilen, schließlich das Zünglein an der Waage sein könnte. Die Position von SPD und Grünen sind klar. Ministerpräsident Mappus ist am vorletzten Samstag vom Atombefürworter zum Gegner geworden und die Wahl wird auch eine Abstimmung über die Frage sein, ob die Bürger ihm das abnehmen.