Volkswirtschaftliche Effekte der Alkoholkrankheit I: Kosten für das Gesundheitswesen

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,5 82,8-96, ,7 62,6-80, ,7 56,7-76,8. Geschlecht. Männer 85,4 79,3-91,4 Frauen 65,9 57,8-74,0.

,3 70,4-88, ,7 68,4-85, ,3 68,2-86,4. Geschlecht. Männer 86,9 81,2-92,7 Frauen 68,3 60,2-76,5.

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Transkript:

Presseinformation Wien, am 18.04.2013 Volkswirtschaftliche Effekte der Alkoholkrankheit I: Kosten für das Gesundheitswesen Der gefährliche und schädliche Konsum von Alkohol leistet global einen bedeutenden Beitrag zu Todesfällen, Krankheiten und Verletzungen. 1 Einerseits entstehen Gesundheitsrisiken wie Alkoholabhängigkeit, Leberzirrhose, Krebs und Verletzungen für den Betroffenen selbst. Andererseits ergeben sich durch gefährlichen und schädlichen Alkoholkonsum Risiken für Dritte (Familienangehörige, Straßenverkehrsteilnehmer) bzw. Kosten für die Gesellschaft (medizinische Behandlung, Pflege, Invaliditäts- und Witwenpensionen, Arbeitseinschränkungen und Arbeitslosigkeit). Gerade in Österreich, das eines der Länder mit dem stärksten Alkoholkonsum im internationalen Vergleich darstellt (an dritter Stelle im OECD Ranking 2011), dürften die volkswirtschaftlichen Kosten durch die Alkoholkrankheit beträchtlich sein. Das IHS arbeitet derzeit an einer Studie, die diese Kosten beziffern soll. Erste Ergebnisse, nämlich die Kosten für das Gesundheitswesen, liegen nun vor. Einige Basisfakten sollen das Problem umreißen (nach Uhl et al. 2009): In Österreich konsumiert im Schnitt jeder vierte Mann (24%) und jede zehnte Frau (10%) täglich eine Alkoholmenge, die ein erhebliches Gesundheitsrisiko darstellt (Alkoholmissbrauch und chronischer Alkoholismus). Die Gefährdungsgrenze liegt bei Frauen bei einem durchschnittlichen Konsum von über 40g reinem Alkohol pro Tag (entspricht etwa einem Liter Bier oder einem halben Liter Wein) und bei Männern bei einem durchschnittlichen Konsum von über 60g reinem Alkohol pro Tag (entspricht etwa eineinhalb Litern Bier oder einem dreiviertel Liter Wein). Im Laufe des Lebens werden rund 10% der Österreicher alkoholkrank. 5% der Österreicher ab dem 16. Geburtstag sind als chronische Alkoholiker zu klassifizieren (= 350.000 Personen). 2 Die Alkoholkrankheit bildet ein bedeutendes, multifaktoriell und durch Lebens- und Arbeitsbedingungen bestimmtes Problem. Dies ist gerade in Hinblick auf die aktuelle Gesundheitsreform mit einem breiten public health und health in all policies Ansatz von großer Bedeutung. Die Alkoholkrankheit berührt im Querschnitt gleich mehrere der vom Gesundheitsministerium vorgestellten Rahmengesundheitsziele, die Schaffung gesundheitsförderlicher Lebens- und Arbeitsbedingungen für alle Bevölkerungsgruppen durch 1 OECD Factbook (2011): Economic, Environmental and Social Statistics. Paris. 2 Uhl A, Bachmayer S, Kobrna U, Puhm A, Springer A, Kopf N, Beiglböck W, Eisenbach-Stangl I, Preinsperger W, Musalek M (2009): Handbuch Alkohol Österreich. Zahlen. Daten. Fakten. Trends. Bundesministerium für Gesundheit. Wien 1

Kooperation aller Politik- und Gesellschaftsbereiche (Ziel 1), die Stärkung der Gesundheitskompetenz der Bevölkerung (Ziel 3) sowie die Förderung der psychosozialen Gesundheit in allen Bevölkerungsgruppen (Ziel 9). 3 Daten zu den Kosten der Alkoholkrankheit lagen jedoch bislang nicht vor. In unserem Modell zur Berechnung der Volkswirtschaftlichen Effekte wird ein Vergleich des Status Quo mit einer Gesellschaft ohne Personen mit einem Alkoholkonsum oberhalb der Gefährdungsgrenze angestellt. Es wird also nicht von einer alkoholfreien Gesellschaft ausgegangen, sondern von einer Gesellschaft mit verantwortungsbewusstem Umgang mit Alkohol. Die Daten für die Häufigkeit von Alkoholkonsum über der Gefährdungsgrenze pro Altersgruppe, die sogenannten relativen Risiken 4 aus der medizinischen Literatur und die Gesundheitsausgabenprofile sowie Krankheitskosten werden in einem mathematischen Modell zusammengeführt. Es kann damit berechnet werden, welche Kosten für das Gesundheitswesen derzeit durch übermäßigen Alkoholkonsum entstehen und welche Kosten für die Bevölkerung des Jahres 2011 in den Folgejahren durch späteres Eintreten alkoholassoziierter Krankheiten entstehen. Die Alkoholkrankheit verursachte im Jahr 2011 Kosten von 375 Mio. Euro alleine an direkten medizinischen Kosten. Das sind 1,4% aller Kosten im Gesundheitswesen. Rechnet man die medizinischen Kosten einer Bevölkerung des Jahres 2011, die durch Alkohol in Zukunft anfallen, mit, so entstehen (zu heutigem Wert) Kosten von 1,518 Mrd. Euro. Den Krankenkassen entstehen zusätzlich 6,52 Mio. Euro an Krankengeldzahlungen. Das sind 1,2% aller Krankengeldzahlungen. Die zukünftigen Krankengeldzahlungen zu heutigen Werten sind 139 Mio. Euro. 3 www.gesundheitsziele-oesterreich.at 4 Wieviel häufiger erkrankt jemand, der übermäßig Alkohol trinkt? 2

Abbildung 1: Altersprofil der gesamten laufenden Gesundheitsausgaben (ohne LTC), pro Kopf in Euro, 2011 Quelle: IHS HealthEcon (2013). Abbildung 2: Differenz der Gesundheitsausgaben Nicht-Alkoholiker vs. Status quo im Altersprofil pro Kopf in Euro, 2011 Quelle: IHS HealthEcon (2013). 3

Österreich liegt an dritter Stelle im Alkoholkonsum unter den OECD-Ländern Generell (zu) lockerer Umgang, wenig Beschränkungen Die schädlichen Folgen von übermäßigem Alkoholkonsum für das Gesundheitswesen sind beträchtlich Sie werden häufig unterschätzt und tabuisiert unsere Berechnungen sollen einen Beitrag leisten, dies zu ändern Dies gilt auch generell für psychische Erkrankungen in Österreich, wobei viele dieser Erkrankungen durch Alkoholismus verdeckt werden (coping) Die Datenlage für Österreich ist dementsprechend verbesserungswürdig Rückfragehinweis: IHS, Stumpergasse 56, 1060 Wien, Fax: 01/59991-162, http://www.ihs.ac.at Dr. Thomas Czypionka, Tel. 01/59991-127, thomas-czypionka@ihs.ac.at Tanja Gewis (Public Relations), gewis@ihs.ac.at, Tel.: 01/59991-122 4

Presseinformation 18.04.2013 Volkswirtschaftliche Effekte der Alkoholkrankheit Teil 1: Kosten für das Gesundheitswesen T. Czypionka, M. Pock, G. Röhrling, C. Sigl Institut für Höhere Studien (IHS), Wien HealthEcon

Daten und Fakten 2

Aktualität Immer wieder Medienberichte zu Alkoholmissbrauch und dessen Folgen Gesundheitsziele in der Gesundheitsreform: Breiter public health Ansatz, health in all policies Beispiele: Ziel 1 - Gesundheitsförderliche Lebens- und Arbeitsbedingungen für alle Bevölkerungsgruppen durch Kooperation aller Politik- und Gesellschaftsbereiche schaffen Ziel 3 - Gesundheitskompetenz der Bevölkerung stärken Ziel 9 - Psychosoziale Gesundheit in allen Bevölkerungsgruppen fördern Alkoholkrankheit als bedeutendes, multifaktoriell und durch Lebens- und Arbeitsbedingungen bestimmtes Problem Gleichzeitig mangelnde Datenlage bzgl. volkswirtschaftlicher Kosten 3

Methodik: Begriffsdefinition: Die Kategorien Input-Output-Statistik des Alkoholkonsums Fastabstinente Personen mit geringem Alkoholkonsum Personen, die ihr Leben lang (fast) keinen Alkohol getrunken haben; konkret: maximal einmal pro Vierteljahr Alkohol zu sich genommen. Kein Gesundheitsproblem unter der Harmlosigkeitsgrenze. Harmlosigkeitsgrenze Gefährdungsgrenze Personen mit mittlerem Alkoholkonsum Personen mit problematischem Alkoholkonsum Es könnte ein Gesundheitsproblem bestehen Konsum liegt zwischen Harmlosigkeitsgrenze und Gefährdungsgrenze. Erhebliches Gesundheitsproblem Konsum über der Gefährdungsgrenze. Chronische AlkoholikerInnen Personen die nach ICD-10 als Alkoholabhängige zu klassifizieren sind. Harmlosigkeitsgrenze: Frauen > 16g Alkohol pro Tag Männer: > 24g Alkohol pro Tag Gefährdungsgrenze: Frauen > 40g Alkohol pro Tag Männer: > 60g Alkohol pro Tag Umrechnung: 20g Alkohol = ½ Liter Bier = ¼ Liter Wein Quelle: IHS HealthEcon nach Uhl et al. 2009 4

Daten & Fakten: Kategorien des Alkoholkonsums und deren Häufigkeit in Österreich, 2008 15-99-Jährige Kategorie Männer Frauen gesamt Unter der Harmlosigkeitsgrenze Im letzten Jahr und früher (fast) abstinent primäre Abstinenz Im letzten Jahr (fast) abstinent aber früher nicht abstinent sekundäre Abstinenz 13% 23% 18% 19% 29% 24% Geringer Alkoholkonsum 26% 26% 26% Zwischen den Grenzen Mittlerer Alkoholkonsum 18% 12% 15% Über der Gefährdungsgrenze Problematischer Alkoholkonsum (Alkoholmissbrauch) 16% 8% 12% Chronischer Alkoholismus 8% 2% 5% In Österreich konsumiert im Schnitt jeder vierte Mann (24%) und jede zehnte Frau (10%) täglich eine Alkoholmenge, die ein erhebliches Gesundheitsrisiko darstellt (Alkoholmissbrauch und chronischer Alkoholismus). Quelle: Repräsentativerhebung 2008 nach Uhl et al. 2009 Feuerlein et al. 1998 5

Daten & Fakten: Altersprofil der Prävalenz der Alkoholkrankheit nach Geschlecht 35,0% 30,0% 25,0% Männer Frauen Gesamt 20,0% 15,0% 10,0% 5,0% 0,0% 15-19 20-24 25-29 30-34 35-39 40-44 45-49 50-54 55-59 60-64 65-69 70-74 75-79 80-84 85-89 90 + Quelle: IHS HealthEcon 2013, berechnet anhand Uhl et al. 2009 6

Daten & Fakten: Methodik: Die Input-Output-Statistik Internationaler Vergleich Pro-Kopf-Alkoholkonsum der Bevölkerung ab 15 Jahren in Litern Alkohol pro Jahr, 2009 15 12 9 6 3 0 Quelle: OECD 2011 7

Methodik: Daten und Fakten: Die Input-Output-Statistik Österreichische Rechtslage in Verbindung mit Alkohol Verkauf von Alkohol: Werbung: Mindestalter seit 2013 einheitlich für alle Bundesländer: Branntweine ab 18 Jahren; andere alkoholische Getränke ab 16 Jahren Keine Ausgabe von Alkohol an Automaten in der Öffentlichkeit (d.h. zugänglich für Kinder/Jugendliche) Keine Ausgabe von Alkohol an Alkoholisierte Keine Verkaufsrestriktionen (bezogen auf Ort, Zeit, spezifische Events) National festgelegte maximale Alkoholkonzentration im Blut im Straßenverkehr: 0,01 % für Führerscheinneulinge, Buslenker, Fahrschullehrer, LKW über 7,5t 0,05 % generell 0,08 % für Fahrradfahrer Rechtlich verbindliche Regulierungen zu Werbungen und Produktplatzierung Keine rechtlich verbindlichen Regulierungen zu Sponsoring und Verkaufsförderung 8

Daten & Fakten: Steuereinnahmen alkoholischer Getränke in Österreich in Mio. Euro, 1997-2011 350 300 250 189 200 Schaumweinsteuer Biersteuer 150 Alkoholsteuer 100 50 132 0 1997 1998 1999 2000 2001 2002 2003 2004 2005 2006 2007 2008 2009 2010 2011 Quelle: Statistik Austria - Steuern und Sozialbeiträge in Österreich 2012 9

Daten & Fakten: Alkoholunfälle, Verletzte und Getötete im österr. Straßenverkehr, 2008-2011 Rund 7 % aller Unfällen bzw. der Gesamtzahl an Verletzten im österreichischen Straßenverkehr gehen auf Alkohol zurück. Ungefähr 10 % von allen, im Verkehr getöteten Personen sind durch Alkoholunfälle bedingt. Quelle: Statistik Austria, Statistik der Straßenverkehrsunfälle 2012 10

Daten & Fakten: Zusammenfassung 51 % der in Österreich konsumierten Reinalkoholmenge wird in Form von Bier konsumiert, 32 % durch Wein und 14% durch Spirituosen. 17 % der Bevölkerung (Anteil oberhalb der Gefährdungsgrenze) verkonsumieren 73 % der Alkoholmenge. Im Laufe des Lebens werden rund 10 % der Österreicher alkoholkrank. 5 % der Österreicher ab dem 16. Geburtstag sind als chronische Alkoholiker zu klassifizieren (= 350.000 Staatsbürger). 10 % aller Todesfälle in Österreich (in einem Jahr) sind Alkoholiker (= 8.000 Personen). Eine Reduktion der konsumierten Menge an Alkohol pro Person unter die Gefährdungsgrenze, würde den Durchschnittskonsum um ca. 35 % senken. Quelle: Uhl et al. 2009 11

Fragestellung und Methodik 12

Methodik: Fragestellung: Die Input-Output-Statistik Volkswirtschaftliche Effekte der Alkoholkrankheit in Österreich Der gefährliche und schädliche Konsum von Alkohol leistet global einen bedeutenden Beitrag zu Todesfällen, Krankheiten und Verletzungen: Für den Trinker selber durch Gesundheitsrisiken wie Alkoholabhängigkeit, Leberzirrhose, Krebs und Verletzungen; und auch für andere durch gefährliche Aktionen alkoholisierter Personen. (WHO 2011 dt. Übersetzung) Wie hoch sind die ökonomischen Kosten von überhöhtem Alkoholkonsum in Österreich? Überwiegen die Kosten den ökonomischen Nutzen? Dies ist verknüpft mit der Frage, wie hoch sind die direkten Kosten eines Alkoholkranken und wie hoch bewertet man seinen Produktivitätsausfall (Humankapital-Ansatz).! Es wird nicht von einer alkoholfreien Gesellschaft ausgegangen: Sondern von einer Gesellschaft mit rein verantwortungsbewusstem Umgang mit Alkohol. Vergleich des Status Quo mit einer Gesellschaft ohne Personen mit einem Alkoholkonsum oberhalb der Gefährdungsgrenze. 13

Methodik: Fragestellung: Die Input-Output-Statistik Direkte & indirekte Kosten von Alkoholismus Direkte medizinische Kosten: Ressourcenverbrauch im Gesundheitssystem Ambulante bzw. stationäre Behandlung Arzneimittel Rehabilitation Pflege Direkte nicht-medizinische Kosten: direkt durch Krankheit bedingt, aber nicht medizinisch Kranken- & Pflegegelder Pensionsgelder aufgrund von frühzeitiger Pensionierung Fahrtkosten zur Behandlung Wohnungsadaptionen Diätkosten, etc. Indirekte Kosten: ökonomische Effekte durch erhöhte Mortalität und Morbidität (Humankapital-Ansatz). Produktivitätsverlust durch: Vorzeitigen Arbeitsausfall Erhöhte Krankenstände Vorzeitige Pensionierung Tod des Erwerbstätigen 14

Methodik: Die Input-Output-Statistik Modell & Methodik: Kosten im Gesundheitswesen Relative Risiken Aus der medizinischen Literatur werden für alle Folgeerkrankungen durch Alkohol sogenannte relative Risiken ermittelt: Wie viel wahrscheinlicher ist es, dass bei einem Konsum über der Gefährdungsgrenze eine bestimmte Krankheit auftritt? Altersausgabenprofil Aus Daten der Sozialversicherung und der Spitäler werden die Gesundheitsausgaben nach Altersgruppe für Österreich berechnet Krankheitskosten Da für Österreich keine Krankheitskostenrechnung existiert, werden die relativen Kosten einzelner Erkrankungen im deutschen Gesundheitssystem mittels des IHS-eigenen Altersausgabenprofils auf Österreich übertragen. Zusätzlich werden Daten zur Häufigkeit von alkoholassoziierten Krankheiten aus den Spitalsabrechnungen herangezogen Modellierung Die Daten für die Häufigkeit für Alkoholkonsum über der Gefährdungsgrenze pro Altersgruppe, die relativen Risiken und die Gesundheitsausgabenprofile sowie Krankheitskosten werden in einem mathematischen Modell zusammengeführt. Es kann berechnet werden, welche Kosten für das Gesundheitswesen derzeit durch übermäßigen Alkoholkonsum entstehen und welche Kosten für die Bevölkerung des Jahres 2011 in den Folgejahren durch späteres Eintreten alkoholassoziierter Krankheiten entstehen. 15

Ergebnisse 16

Ergebnisse: Altersprofil der gesamten laufenden Gesundheitsausgaben (ohne LTC), pro Kopf in Euro, 2011 Gesamte laufende Gesundheitsausgaben (ohne LTC), pro Kopf, in Euro 12000 10000 8000 6000 4000 2000 Männer Frauen Gesamt 0 0 1-4 5-9 10-14 15-19 20-24 25-29 30-34 35-39 40-44 45-49 50-54 55-59 60-64 65-69 70-74 75-79 80-84 85-89 90+ Quelle: IHS HealthEcon 2013 17

Ergebnisse: Differenz der Gesundheitsausgaben Nicht-Alkoholiker vs. Status quo im Altersprofil pro Kopf in Euro, 2011 180 160 Differenz GA Nicht-Alkoholiker vs. Status quo Männer pro Kopf, in Euro 140 120 100 80 60 Differenz GA Nicht-Alkoholiker vs. Status quo Frauen 40 20 0 0 1-4 5-9 10-14 15-19 20-24 25-29 30-34 35-39 40-44 45-49 50-54 55-59 60-64 65-69 70-74 75-79 80-84 85-89 90+ Quelle: IHS HealthEcon 2013 18

Ergebnisse: Kosten der Alkoholkrankheit für das Gesundheitswesen Die Alkoholkrankheit verursachte im Jahr 2011 Kosten von 375 Mio. Euro alleine an direkten medizinischen Kosten Das sind 1,4% aller Kosten im Gesundheitswesen! Rechnet man die medizinischen Kosten einer Bevölkerung des Jahres 2011, die durch Alkohol in Zukunft anfallen mit, so entstehen (zu heutigem Wert) Kosten von 1,518 Mrd. Euro Den Krankenkassen entstehen zusätzlich 6,52 Mio. Euro an Krankengeldzahlungen. Das sind 1,2% aller Krankengeldzahlungen. Die zukünftigen Krankengeldzahlungen zu heutigen Werten sind 139 Mio. Euro 19

Methodik: Einschränkungen Die Input-Output-Statistik Unwägbarkeiten und Datenmängel Aus einzelnen Unwägbarkeiten/Mängel an Daten entstehen Quellen für Über- oder Unterschätzung: z.b, sind nur Krankheiten erfasst, für die epidemiologische Studien die Assoziation mit Alkohol in relativen Risiken erforscht haben. Dies betrifft insbesondere das Fetale Alkoholsyndrom (bleibender Schaden bei Neugeborenen durch Alkoholismus der Mutter): Rund 13 % der Schwangeren weisen einen Alkoholkonsum oberhalb der Harmlosigkeitsgrenze auf! Generell ist die Datenlage bei (Sucht-) Erkrankungen in Österreich sehr dürftig (Planungsgrundlage??) Ceteris-paribus-Betrachtung Das bedeutet, dass wir die Kosten der Alkoholkrankheit erfassen, ohne aber Reaktionen auf eine tatsächliche Restriktion im Konsum zu berücksichtigen. Eine Restriktion des Alkoholkonsums wird andere Methoden des Umgangs mit zugrundliegenden Problemen erfordern. Es ist denkbar, dass z.b. eine zugrundeliegende Depression nicht mehr durch Alkohol behandelt wird und daher im Gesundheitssystem Kosten verursacht. Die Zahlen können daher auch so interpretiert werden: Kann der Alkoholkonsum entsprechend reduziert werden, steht das Geld für die Prävention der Alkoholkrankheit und deren tieferliegende Ursachen (psychische Probleme, soziale Umstände, ) zur Verfügung. 20

Methodik: Die Input-Output-Statistik Schlussfolgerungen und Ausblick Schlussfolgerungen Österreich an dritter Stelle im Alkoholkonsum unter den OECD-Ländern Generell (zu) lockerer Umgang, wenig Beschränkungen Die schädlichen Folgen von übermäßigem Alkoholkonsum für das Gesundheitswesen sind beträchtlich Sie werden häufig unterschätzt und tabuisiert unsere Berechnungen sollen einen Beitrag leisten, dies zu ändern Dies gilt auch generell für psychische Erkrankungen in Österreich, wobei viele dieser Erkrankungen durch Alkoholismus verdeckt werden (coping) Die Datenlage für Österreich ist dementsprechend verbesserungswürdig Ausblick Noch nicht berechnet sind Kosten, die entstehen durch frühzeitige Pensionierung Pflegegeldaufwände Arbeitsausfälle Unfälle Zu diesen Themen wird es eine zweite Präsentation geben 21

Wir danken für Ihre Aufmerksamkeit T. Czypionka, M. Pock, G. Röhrling, C. Sigl Institut für Höhere Studien (IHS), Wien HealthEcon

Jeder 10. Österreicher 1 leidet im Laufe seines Lebens an Alkoholkrankheit Alkoholkonsum im Ländervergleich 2 Tschechische Republik 16,6 Slowakei 14,6 Ungarn 13,5 Österreich 13,0 Deutschland 12,9 Frankreich 12,7 Finnland 12,2 Großbritannien 12,1 Italien 9,6 Schweden 9,1 Ø Alkoholkonsum in der EU: 12,5 Liter reiner Alkohol Behandlung 360.000 Österreicher sind alkoholkrank 3,4 nur 8% 5 werden behandelt. Folgeerkrankungen ngen 6 Mit steigender Menge des Alkohols erhöht sich das Risiko für: SCHLAGANFALL DEPRESSION BLUTHOCHDRUCK VERLETZUNGEN KREBS z.b. Mund und Kehlkopf / Speiseröhre / Leber / Brust Reduzierte Lebenserwartung Alkoholkranke sterben 15 20 Jahre früher 1 6 13 fach erhöhtes Suizidrisiko 7 5 10 Alkoholtote jeden Tag 8,9

Grenzwerte für Alkoholkonsum / Tag Österreichisches Standardglas = 20g Reinalkohol * 3 Frauen Männer Harmlosigkeitsgrenze 3 Reinalkohol / Tag 24g 16g 60g 40g Gefährdungsgrenze 3 Reinalkohol / Tag * laut Bundesministerium für Gesundheit (BMG) Reinalkohol pro Getränk 10 Wein 1/8 l Achterl Bier 0,3 l Seiterl Sekt 0,1 l Piccolo Sekt 0,2 l Æ 10g Æ 12g Æ 10g Æ 20g Wein 1/4 l Vierterl Bier 0,5 l Krügerl Schnaps 2 cl Alko-Pop 275 ml Æ 20g Æ 20g Æ 7g Æ 12g G gen des BM Empfehlun NALME-0008, 3/2013 1 2 3 4 1 rschreiten e b ü t h ic n keitsgrenze ro Woche Harmlosig p e g a T ie re lf ns 2 alkoho uf Mindeste ige sollten a t h ic w e rg e nd Üb Raucher u hten hend verzic e g it e w l o h Alko Der ganz normale Alkoholkonsum, BMG 2007. Alcohol in the European Union, WHO 2012. Handbuch Alkohol Österreich - Band 1, BMG 2011. Berechnet aus Bevölkerungszahlen 2011 der Statistik Austria (5% der über 15 Jährigen: 7,5% der Männer, 2,5% der Frauen). 5 Alonso et al., Acta Psychiatr Scand Suppl. 2004;(420):47-54. 6 Rehm et al., Addiction. 2003;98(9):1209-28. 7 Konsensus-Statement, ÖGPB 2011. 8 Alcohol consumption, alcohol dependence and attributable burden of disease in Europe, CAMH 2012. 9 Berechnet aus Mortalitätsstatistik 2011 der Statistik Austria (Summe aus 16% der Todesfälle bei Männern und 8% bei Frauen im Alter von 15-64 Jahre bzw. 5% aller Todesfälle der über 15 Jährigen) ml x [%] 10 Berechnung Reinalkohol in Gramm: x 0,8 = Reinalkohol in Gramm (1l Ethanol = ca. 0,8kg Reinalkohol) 100