Flexionsmerkmale und Markiertheit

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Prof. Dr. Peter Gallmann Jena, Sommer 2012 Flexionsmerkmale und Markiertheit Traditionelles Inventar der Flexionskategorien Bei der Flexion spielen bestimmte grammatische Merkmale eine besondere Rolle. Man spricht hier von Flexionsmerkmalen oder morphosyntaktischen Merkmalen. Traditionell steht man für das Deutsche die folgenden Merkmalklassen an: Merkmalklasse Person Numerus Genus Kasus Komparation Modus Tempus Einzelne Merkmale 1. Person, 2. Person, 3. Person Singular, Plural Maskulinum, Femininum, Neutrum Nominativ, Akkusativ, Dativ, Genitiv Positiv, Komparativ, Superlativ Indikativ, Imperativ, Konjunktiv I und II Präsens, Präteritum; Perfekt, Plusquamperfekt, Futur I, Futur II Zunächst stimmt diese Liste beim Tempus nicht: Perfekt, Plusquamperfekt sowie Futur I/II sind im Deutschen keine morphosyntaktischen, sondern lexikalisch-syntaktische Kategorien, das heißt, sie werden nicht mit Hilfe von Flexion, sondern mit Hilfe von Funktionswörtern gebildet (nämlich mit den Hilfsverben sein, haben, werden). Darüber hinaus trägt sie den Beziehungen unter den einzelnen Merkmalen zu wenig Rechnung. Markiertheit In der traditionellen Grammatik werden die die Werte einer Merkmalklasse quasi gleichberechtigt nebeneinandergestellt, zum Beispiel bei Numerus und Komparation: (1) a. Numerus: Singular Plural b. Komparation: Positiv Komparativ Superlativ Angemessener dürfte eine Darstellung sein, in der»normalwerte«(standardwerte, Defaultwerte, unspezifische Werte) und»sonderwerte«(spezifische Werte) angesetzt werden. Das zeichen >> ist im Folgenden zu lesen als:»hebt sich ab von «(2) a. markiert >> unmarkiert b. spezifisch >> unspezifisch c. auffällig >> unauffällig d. speziell >> allgemein e. Sonderfall >> Normalfall (Default) Oppositionen dieser Art lassen sich für unterschiedlichste Erscheinungen im gesamten Sprachsystem ansetzen. Die verbreitetste Terminologie ist diejenige der Markiertheit, also markiert >> unmarkiert. Sie gilt sowohl für den Gebrauch also auch für die Form (zum Beispiel Flexion, besondere Funktionswörter, besondere Wortstellung) als auch für die Funktion. Dabei besteht nur im Idealfall ein 1:1-Zusammenhang zwischen formaler und funktionaler Markiertheit. (Wenn Markiertheit nicht näher spezifiziert ist, meint man entgegen der wörtlichen Bedeutung! meist funktionale Markiertheit.)

Flexionsmerkmale und Markiertheit 2 Zum Beispiel Numerus, traditionelle Terminologie: (3) [Plural] >> [Singular] Der Normalwert muss strenggenommen nicht eigens angegeben werden: (4) [Plural] >> Schreibvariante mit Plus und Minus: (5) [+ Plural] >> [ Plural] Oder auch gemischt: (6) [+ Plural] >> [Singular] In der Fachliteratur findet man alles (und noch mehr ). Bei Dreifach-Oppositionen können zwei eigenständige markierte Werte vorliegen. Allgemein (in zwei Schreibvarianten): (7) a. [+X] >> [+Y] >> b. [+X, Y] >> [ X, +Y] >> [ X, Y] Es kann aber auch so etwas vorliegen: (8) a. [+X, +Y] >> [+ X] >> b. [+X, +Y] >> [+ X, Y] >> [ X, Y] In beiden Fällen ist zu fragen, warum die jeweils vierte denkbare Merkmalkombination nicht auftritt, in (7) also *[+X, +Y] und in (8) *[ X, +Y]. Anwendung: Welche Version passt besser auf die drei grammatischen Personen? (Traditionell: 1. Person, 2. Person, 3. Person) auf die drei Genera? (Traditionell: Maskulinum, Femininum, Neutrum) auf die drei Kategorien der Komparation? (Traditionell: Positiv, Komparativ, Superlativ) Formale Markiertheit Wie schon oben angesprochen, heben sich Wortformen mit einem»sonderwert«oft durch einen besonderen Marker von der Wortform mit dem Normalwert ab, sie sind also in einem wörtlichen Sinn markiert. (9) a. Feld Felder b. Nagel Nägel c. Wald Wälder Zuweilen gibt es aber weniger Formen als Merkmale. Man spricht hier von Synkretismus: (10) a. Muster = Muster b. Pfosten = Pfosten Ein besonders typisches Beispiel ist der Kasussynkretismus: (11) a. Was wünschen Sie? Was wünscht ihr? b. Ich bediene Sie gleich. Ich bediene euch gleich. c. Kann ich Ihnen helfen? Kann ich euch helfen?

Flexionsmerkmale und Markiertheit 3 Obwohl in den drei syntaktischen Kontexten jeweils nur zwei Formen in Opposition zueinander stehen, müssen offensichtlich drei Kasus angesetzt werden, da die Formen unterschiedliche Distribution aufweisen. Bei Sie liegt denn auch ein Synkretismus Nominativ/Akkusativ, bei euch ein Synkretismus Akkusativ/Dativ vor. Bekanntlich ist Deutsch freundlicherweise bei maskulinen Artikelwörtern und Pronomen im Singular etwas expliziter ( Maskulinprobe): (12) a. Was wünscht er? b. Ich bediene ihn gleich. c. Kann ich ihm helfen? Bei Oppositionen von markierten und unmarkierten Kategorien gilt ein universelles Prinzip: (13) Spezifizitätsprinzip Wenn in einem bestimmten Kontext die Wahl zwischen einem markierten (= spezifischen) und einem weniger markierten (= weniger spezifischen) Element besteht, ist das markierte zu wählen. Wenn die Opposition aus irgendeinem Grund nicht zum Tragen kommt, erscheint immer die unmarkierte Kategorie. Die entsprechenden Elemente sind dann hinsichtlich der besagten Opposition bzw. hinsichtlich der markierten Kategorie unterspezifiziert. Das kann semantische Gründe haben: Nomen, die auf etwas Nichtzählbares referieren, stehen im Singular (14) der Beton, die Milch, die Armut Adjektive, die auf eine nichtgraduierbare Eigenschaft verweisen, stehen im Positiv (man beachte aber die Freiheiten im übertragenen Gebrauch): (15) eine achteckige Münze; die europäischen Staaten Das Interrogativum, mit dem man allgemein nach Personen fragt, entspricht formal dem Maskulinum des Demonstrativums. Offenbar ist das Femininum markierter als das Maskulinum: (16) a. wer / / was b. der / die / das Es gibt aber auch formale Lücken, die den Zufällen des Sprachwandels geschuldet sind: Nomen, die keine besondere Akkusativform haben, erscheinen in Akkusativphrasen in derselben Form wie in Nominativphrasen (und nicht etwa wie in Genitivphrasen): (17) a. (der) Student (den) Studenten b. (der) Schüler (den) Schüler // nicht: (den) *Schülers Abweichungen fallen auf und werden in Grammatiken eigens erwähnt: (18) a. Pluraliatantum: die Trümmer, die Eltern, die Karpaten b. der einzigste Vorteil, in keinster Weise

Flexionsmerkmale und Markiertheit 4 Beispiel I: Personalpronomen Traditionell: (19) 1. Person 2. Person 3. Person Nach dem Konzept der Markiertheit gibt es hier einen unmarkierten und zwei markierte Werte mit unterschiedlichem Rang: (20) a. [+ 1. Person] >> [+ 2. Person] >> [3. Person] Dummerweise hat Deutsch keine Formen mit der Merkmalkombination [+ 1. Person, + 2. Person]. Im Konfliktfall kommt die Gewichtung in (20) zum Zug: Das Merkmal [+ 1. Person] hat den Vorrang vor [+ 2. Person], vgl. etwa in (21) die Aufforderung an eine angesprochene Gruppe ( 2. Person), der der Sprecher ( 1. Person) selbst angehört. (21) Gehen wir! (= Ihr und ich sollten gehen.) Auch übertragen (je nachdem ein Empathie- oder ein Kontrollsignal): (22) a. Wie geht es uns denn heute? b. Jetzt nehmen wir noch diese drei Tabletten! Das Beispiel zeigt übrigens auch, wie wichtig es ist, semantische Kategorien von morphosyntaktischen zu trennen; es gibt hier so gut wie nie strikte 1:1-Zuordnungen: (23) Deutsch: Semantik morphosyntaktische Kategorie a. Sprecher [+ 1. Person] b. Angesprochener [+ 2. Person] c. Sprecher & Angesprochene [+ 1. Person] In manchen Sprachen gibt es zwei Pronomen für unser einheitliches wir, zum Beispiel Tok Pisin (Neuguinea). In solchen Sprachen schließen sich [+ 1. Person] und [+ 2. Person] nicht gegenseitig aus. (24) Tok Pisin: Semantik morphosyntaktische Kategorie a. Sprecher [+ 1. Person] b. Angesprochener [+ 2. Person] c. Sprecher & Angesprochene [+ 1. Person, + 2. Person] Die entsprechenden Formen: (25) a. mipela = 1. Person exklusive = [+ 1. Person] b. yumi = 1. Person inklusive = [+ 1. Person, + 2. Person] Das deutsche wir ist also im Gegensatz zu den Entsprechungen im Tok Pisin hinsichtlich der Kategorie [+ 2. Person] unterspezifiziert.

Flexionsmerkmale und Markiertheit 5 Beispiel II: Person und Numerus beim Verb Auch die Flexion der finiten Verbformen nach Person und Numerus kann mit der Annahme von allgemeinen (unmarkierten) und spezifischen (markierten) Werten sowie mit der Möglichkeit von Unterspezifikation einfacher beschrieben werden. In»Sparschreibung«: (26) Schulgrammatik Version mit Unterspezifikation ich suchte ich such-te [1. Person] [1. Person] [+ 1. Person] [Singular] [Singular] du suchtest du such-test [2. Person] [2. Person] [+ 2. Person] [+ 2. Person] [Singular] [Singular] er/sie suchte er/sie such-te [3. Person] [3. Person] [Singular] [Singular] wir suchten wir such-te-n [1. Person] [1. Person] [+ 1. Person] [Plural] [Plural] [+ Plural] [+ Plural] ihr suchtet ihr such-te-t [2. Person] [2. Person] [+ 2. Person] [+ 2. Person] [Plural] [Plural] [+ Plural] [+ Plural] sie suchten sie such-te-n [3. Person] [3. Person] [Plural] [Plural] [+ Plural] [+ Plural] Das heißt, bei Verben gibt es im Präteritum nur die folgenden Person/Numerus-Formen. (27) (ich/er/sie/es) such-te (du) such-te-st [+ 2. Person] (wir/sie) such-te-n [+ Plural] (ihr) such-te-t [+ 2. Person, + Plural] Endungen: (28) te [+ Präteritum], -st [+2. Person], -n [+ Plural], -t [+2. Person, + Plural] Dasselbe in Tabellenform: (29) Person [+ 2. Person] Numerus [+ Plural] such-te such-te-n [+ Plural] such-te-st [+ 2. Person] such-te-t [+ 2. Person] [+ Plural] Die deutschen Verbformen sind also abgesehen vom Indikativ Präsens hinsichtlich des Merkmals [+ 1. Person] unterspezifiziert.

Flexionsmerkmale und Markiertheit 6 Beispiel III: Dekomposition morphosyntaktischer Merkmale These: Manche traditionelle Flexionskategorien sind um ein Bild aus der Chemie zu bemühen Verbindungen, bestehen also aus»atomen«. Man spricht bei dieser Zerlegung in elementare Kategorien auch von Dekomposition. So kann man im Deutschen das folgende Numerus/Genus-System ansetzen, bei dem die traditionelle Kategorie Plural dekomponiert ist (so nicht ohne Weiteres auf andere Sprachen übertragbar, zum Beispiel ganz sicher nicht auf Sprachen wie das Lateinische oder das Italienische): (30) = Neutrum [+ mask] = Maskulinum [+ fem] = Femininum [+ mask, + fem] = Plural Zum Beispiel: (31) a. das Neue b. [+ mask] der Neue der Studierende c. [+ fem] die Neue die Studierende d. [+ mask, + fem] die Neuen die Studierenden Es gilt das Spezifizitätsprinzip und außerdem die folgende Rangordnung (Ranking): (32) [+ fem] >> [+ mask] Flexionsparadigmen können lückenhaft sein, so fehlt zum Beispiel im Deutschen bei allen Pronomen und Artikelwörtern (außer 1./2. Person) sowie bei allen starken Adjektiven im Nominativ, Akkusativ und Genitiv eine spezifische Pluralform. In einem Kontext, in dem die Pluralform fehlt, ist nach dem Spezifizitätsprinzip sowie der Rangordnung (32) die Form mit Merkmal [+ fem] zu wählen; vgl. (33) sowie die Artikelformen in (31): (33) die Männer sie Beim Personalpronomen ergibt sich daher das folgende Paradigma: (34) Personalpronomen: Synkretismus aufgrund von Unterspezifikation = Neutrum [+ mask] [+ fem] [+ mask, + fem] = Nominativ es er sie [+ Akkusativ] ihn [+ Dativ] ihm ihr ihnen [+ Genitiv] seiner ihrer Darüber hinaus erkennt man, dass offensichtlich teilweise auch Unterspezifikation hinsichtlich Kasus vorliegt (Kasussynkretismus aufgrund von Unterspezifikation). Mehr zur Deklination von Pronomen, Artikelwort und Adjektiv sowie zur hier nicht ausgeführten Möglichkeit der Dekomposition der vier Kasus siehe die entsprechenden Skripts.