Mein dritter Monat in Chile geht schon fast wieder vorbei. Ich bin drei Monate und zwanzig Tage bereits hier und es wird Zeit für meinen dritten Rundbrief. Als erstes möchte ich erzählen, dass ich mich richtig wohl fühle! Die Sonne scheint, ich verstehe mich sehr gut mit meinen Arbeitskollegen, habe viele neue und interessante Menschen kennengelernt, von denen auch einige zu Freunden geworden sind, unternehme schöne Sachen und fühle mich rundum chilenisch. Daher möchte ich euch nun auch die chilenische Kultur etwas näherbringen: Ich werde von der deutschen Kultur ausgehen, da diese mir am vertrautesten ist und es ohnehin unmöglich ist eine Kultur objektiv zu beschreiben, weshalb es einfacher ist, ein wenig zu vergleichen. Es gibt keine gravierenden Unterschiede zu Deutschland, im Allgemeinen kommt mir Chile ziemlich europäisch vor. Santiago ist voll von Hochhäusern, Einkaufsstraßen, Kulturangeboten, modernen Vierteln mit Bars und Cafés und hat ein ausgebautes Verkehrsnetz. Doch in den Verhaltensweisen der Menschen lassen sich Unterschiede erkennen: Die Chilenen sind im Allgemeinen fröhlicher und witziger, obwohl mir auch erzählt wurde, dass sie im Vergleich zu anderen Ländern Südamerikas weniger lebendig sind. Mit Fremden zu sprechen ist normal und die Männer schauen den Frauen auf der Straße viel mehr hinterher oder rufen einem sogar Komplimente zu. Außerdem wird viel geteilt, was ich für eine schöne Angewohnheit halte, denn wenn du etwas isst oder trinkst, wird dies auch den Menschen angeboten, mit denen du in dem Augenblick zusammen bist. So hat man zwar weniger von seinem eigenen Essen, aber dafür bekommt man auch von anderen viel angeboten. Die Chilenen sind ebenfalls bekannt für ihre Vorliebe zu Schimpfwörtern und dem besonderes Spanisch, das sie sprechen. Zum Beispiel wird das s oft verschluckt oder Worte ganz abgekürzt (zum Beispiel Cómo tai anstatt Cómo estas? ). Zu den sozialen Umständen muss man sagen, dass der Unterschied zwischen Arm und Reich groß ist. Es gibt viele Leute, die sehr gut verdienen und leben wie in Stadtteilen wie Providencia oder Vitacura. Viele andere halten sich so gut sie können über Wasser und leben in Häusern mit Erdboden und fehlendem fließenden Wasser und erleben regelmäßig Schießereien, die meistens durch Konflikte im Drogengeschäft entstehen, wie zum Beispiel in La Legua (, wo der Kindergarten liegt, in dem ich arbeite). Viele sagen, dass diese Ungleichheit mit der Zeit der Diktatur zusammenhänge. Damals wurden entgegen der Klassenneutralität des Neoliberalismus Einkommen und Vermögen zu Ungunsten der ärmeren Schicht umverteilt, was zu jahrelanger Arbeitslosigkeit und gedrückten Löhnen führte. Der Neoliberalismus, der in Diktaturzeiten (1973 1990) herrschte, brachte die Menschen ebenfalls dazu nur noch das eigene persönliche Wohlergehen zum Maßstab aller Dinge zu machen, sodass Solidarität, wie sie in Chile vor 1973 sehr verbreitet war, nicht mehr so kommun ist. Auch das teure Bildungs und Gsundheitssystem durch Privatisierung sind Erbe aus Diktaturzeiten. So muss man hier für gute Bildung viel bezahlen, was es für ärmere Familien schwierig macht, beruflich aufzusteigen. So viel erstmal zu der Kultur. Kommen wir zu meiner Arbeit hier: Wir hatten nun bereits zwei Partizipationen an Karnevals, da hier wenn ein Stadtteil Geburtstag hat kein Straßenfest wie in Deutschland sondern ein Karneval veranstaltet wird. Beim zweiten, der der Geburtstag der Yungay war, hat es geregnet und es war das zweite Mal, dass es geregnet hat, seitdem ich in Chile bin. Ziemlich lustig, weil es im Novermber auch eigentlich nie regnet. Es war trotzdem schön, im Regen zu tanzen und in den grauen Tag etwas Farbe zu bringen. Das gute war, dass die Farben durch den Regen leuchteten und die Kinder trotz Regen und Kälte mitgemacht haben. Wäre auch schade gewesen, den Karneval abzusagen bei der ganzen Arbeit, die wir uns seit Monaten deshalb gemacht hatten.
Die Mädchen aus der Tanzgruppe Das Caleta Team Yungay als Revolutionäre verkleidet (Ich war Sophie Scholl, auch wenn man es nicht sofort erkennt) Regenkarneval
Nach dem Karneval ist es ruhig geworden in der Caleta. Vor allem weil die Kinder jetzt in die großen Sommerferien gehen, sind sie mit Prüfungen und Feiern beschäftigt und kommen nicht mehr so oft. Da auch Weihnachten immer näher rückt, basteln wir sowohl im Kindergarten als auch in der Caleta Weihnachtsschmuck. Außerdem haben wir in unserem taller am Dienstag die Kinderrechte besprochen, wozu die Kinder malen und sich kleine Theaterstücke ausdenken sollten. Jedes Kind hat ein Kinderrecht an die Tafel geschrieben und es waren schlaue Sachen wie das Recht auf Bildung oder das Recht auf Leben und Glücklichsein.
Außerdem hat mich die Reise und Entdeckerlust gepackt: Im November habe ich mit vier weiteren deutschen Freiwilligen, die ich hier kennengelernt habe, Mendoza (Argentinien) besucht. Dafür sind wir einmal über die Anden gefahren, was jedoch nachts war, weshalb ich von der Landschaft nichts sah. Mendoza ist eine sehr schöne und ruhige Stadt. Es gibt sehr schöne Plätze und die Straßen sind voller grüner Bäume, was an der guten Bewässerungsanlage durch kleine Bäche liegt. Der Park General San Martín Plaza Independencia
Plaza España Den Nikolaus und dritten Advent (, welche hier nicht gefeiert werden,) habe ich in einem Camp in der Nähe von Valparaíso verbracht, an einem Strand, der den Namen Las Docas trägt. Als wir ankamen, konnten wir nichts anderes tun, als an den Strand zu rennen, rumzuspringen und vor Freude zu schreien, so schön war die Aussicht. Die Bucht ist von Felsen eingerahmt und ziemlich außerhalb. Es gibt dort nichts außer Natur. Der Pazifik war unglaublich kalt und stürmisch, was uns aber nicht daran hinderte baden zu gehen. Hiermit verabschiede ich mich, sage allen, die fleißig gespendet haben, ein großes Dankeschön und sende einen Weihnachtsgruß ins kalte Deutschland, Ana