Predigt am 2. Sonntag nach Epiphanias (15.01.2017) zu 2. Mose, 33,17b-23 Abendmahlsgottesdienst mit Verabschiedung des Kirchengemeinderates I. Rückblick Liebe Gemeinde, heute steht der Rückblick im Mittelpunkt, nicht nur weil wir den Kirchenvorsteherinnen und Kirchenvorstehern aus der letzten Legislaturperiode danken und sie verabschieden wollen, sondern auch, weil es der heutige Predigttext naheliegt. Dieser Predigttext steht im Kontrast zur jüngsten Vergangenheit im Kirchenjahr, nämlich der Weihnachtszeit voller Bilder und Sinnlichkeit der Tannenbaum, das Jesusbaby in der Krippe, die Lichter, der Tannengeruch. Wir kommen gerade aus einer Zeit, in der wir mit Bildern gesättigt wurden. Wir haben aus dem Vollen geschöpft. Die Chormusik in diesem Gottesdienst zeugt noch davon. Wie soll ich dich empfangen? hörten wir zu Beginn. Der Engel hat aus Gottes Macht Maria diesen Gruß gebracht spielte eben vor der Predigt noch einmal auf das Wunder der Empfängnis Gottes an, und zum Auszug wird Christus besungen mit Regers Wie schön leuchtet der Morgenstern. Das kündet von der Epiphaniaszeit, in der wir uns aktuell befinden. Epiphanias ist griechisch und bedeutet Erscheinung. Wie kann uns Gott erscheinen, wenn die so konkreten Weihnachtlichen Bilder vom Kind in der Krippe in den Hintergrund rücken? Die Epiphaniaszeit bietet eine gute Gelegenheit, über unterschiedliche Erscheinungsformen Gottes nachzudenken. Dazu gehören auch solche, die flüchtiger sind oder ohne konkrete Bilder auskommen. In dieser Weise kann auch der heutige Predigttext gelesen werden, der das alttestamentliche Bilderverbot in einer Erzählung illustriert und eine Möglichkeit schildert, wie Gottes Herrlichkeit im Rückblick erscheinen kann. Hören Sie selbst (2. Mose 33,17b-23): 17 Der HERR sprach zu Mose: du hast Gnade vor meinen Augen gefunden, und ich kenne dich mit Namen. 18 Und Mose sprach: Lass mich deine Herrlichkeit sehen! 19 Und er sprach: Ich will vor deinem Angesicht all meine Güte vorübergehen lassen und will vor dir kundtun den Namen des HERRN: Wem ich gnädig bin, dem bin ich gnädig, und wessen ich mich erbarme, dessen erbarme ich mich. 20 Und er sprach weiter: Mein Angesicht kannst du nicht sehen; denn kein Mensch wird leben, der mich sieht. 1
21 Und der HERR sprach weiter: Siehe, es ist ein Raum bei mir, da sollst du auf dem Fels stehen. 22 Wenn dann meine Herrlichkeit vorübergeht, will ich dich in die Felskluft stellen und meine Hand über dir halten, bis ich vorübergegangen bin. 23 Dann will ich meine Hand von dir tun und du darfst hinter mir her sehen; aber mein Angesicht kann man nicht sehen. II. Moses übermenschlicher Wunsch und Gottes passgenaue Antwort Diese Geschichte weckt in mir zuerst Bilder von majestätischer Natur. Vor meinem inneren Auge entfaltet sich eine langgezogene Felsenschlucht. Tief hinab reicht der Graben, der von hohen, zerklüfteten Felsenwänden begrenzt wird. Hier und dort Felsvorsprünge und scharfkantige Abgründe. Irgendwo oben auf einer Klippe ein kleiner Punkt. Rückt mein Blick aus der Vogelperspektive näher, erkenne ich Mose, der sich groß und mächtig fühlt, in direktem Kontakt mit Gott. Gerade wurde er von Gott mit folgenden Worten gewürdigt: du hast Gnade vor meinen Augen gefunden, und ich kenne dich mit Namen. Mose fühlt sich vermutlich ermächtigt durch diesen besonderen Blick Gottes auf seine Person und traut sich, Gott eine übermenschliche Bitte zu stellen: Lass mich deine Herrlichkeit sehen! Diese Bitte wirkt ebenso groß und weit wie die Felsenlandschaft, meilenweit. Und ebenso wie Mose innerhalb dieser Szenerie klein wie ein Punkt wirkt, erscheint er auch für diese große Bitte zu klein. Doch Gott wird weder ärgerlich noch belächelt er seine Bitte. Anstatt Moses Wunsch abzulehnen, begrenzt er ihn. Gott macht ihn passgenau für den Mensch Mose, indem er auf seine Bitte antwortet: Ich will vor deinem Angesicht all meine Güte vorübergehen lassen und will vor dir kundtun den Namen des HERRN: Wem ich gnädig bin, dem bin ich gnädig, und wessen ich mich erbarme, dessen erbarme ich mich. Und er sprach weiter: Mein Angesicht kannst du nicht sehen; denn kein Mensch wird leben, der mich sieht. Seinen Namen tut Gott kund, ebenso wie er ja auch den Namen des Moses kennt. Und seine Güte wird er an ihm vorüber ziehen lassen. Doch ihm direkt ins Angesicht zu sehen, das wäre zu viel des Guten. III. Gott als Schutz und Schirm Um Mose seinen Wunsch dennoch zu erfüllen, lässt Gott sich etwas Besonderes einfallen. Eigens für ihn konzipiert er einen Schutzraum: 2
21 Und der HERR sprach weiter: Siehe, es ist ein Raum bei mir, da sollst du auf dem Fels stehen. 22 Wenn dann meine Herrlichkeit vorübergeht, will ich dich in die Felskluft stellen und meine Hand über dir halten, bis ich vorübergegangen bin. 23 Dann will ich meine Hand von dir tun und du darfst hinter mir her sehen; aber mein Angesicht kann man nicht sehen. Gott hält einen Raum für Mose bereit, eine Felsenkluft, in der er geschützt ist. Zusätzlich schirmt Gott Mose mit seiner Hand ab. Wie ein Schirm gegen zu viel Sonne will Gott seine Hand über Mose halten, um ihn so vor seiner eigenen blendend hellen Herrlichkeit zu bewahren. Und erst, wenn Gott vorüber gegangen ist, nimmt er die Hand weg von Mose, so dass dieser der Herrlichkeit Gottes hinterherblicken kann. Ganz ähnlich wie man auch nur beim Untergang der Sonne, wenn unsere Erdhalbkugel ihr den Rücken zuwendet, direkt in ihr Licht blicken kann, ohne sich die Augen zu verblitzen. IV. Herrlichkeit des Lebens erschließt sich oft erst im Rückblick Im Rückblick also erkennt Mose Gottes Herrlichkeit. Wann, habe ich mich gefragt, erkenne ich im Rückblick Gottes Herrlichkeit und Güte? Häufig sind herrliche Momente gelingenden Lebens tatsächlich erst im Rückblick zu erkennen. Als bestes Beispiel fällt mir die Zeit mit den Kindern ein, wenn sie noch sehr klein sind. Viele Eltern kennen diese Phasen, gerade im Winter, wenn ein Infekt die Familie reihum erwischt, und man nach einer Reihe durchwachter Nächte übermüdet und am Rande seiner Kräfte das Familienleben als anstrengend empfindet. Für Irritationen können dann die freundlichen Bemerkungen von Eltern mit älteren Kindern sorgen, die versichern, dass diese Zeit, in der die Kinder so klein sind, die schönste Zeit sei. Mittlerweile sind meine Kinder bereits aus der Kleinkindphase heraus gewachsen, und tatsächlich kann ich mich schon jetzt kaum noch an die durchwachten Nächte erinnern; stattdessen rückt die Erinnerung das schöne Gefühl in den Vordergrund, dauernd von der Präsenz unserer Jungs umgeben gewesen zu sein, wohingegen sie jetzt in Vorschule und Schule auch schon ganz eigene Wege gehen. Eine andere häufige Erfahrung, die ihre Herrlichkeit erst im Rückblick offenbart, ist die eigene Jugendzeit. Wie anstrengend kann es sein, in der Schule mitzukommen, die richtigen Freunde zu finden, dazu der Streit mit den Eltern, das Gefühlschaos rund ums Verlieben und erst der Liebeskummer! Und doch sprechen viele Menschen über ihre Schul- und Jugendzeit viele Jahrzehnte später als die 3
schönste Zeit ihres Lebens. Ähnliches kann für Ausbildungs- oder Studienzeiten gelten. Währenddessen erscheint einem die Zeit vielleicht anstrengend oder sogar entbehrungsreich, und erst im Rückblick erkennt man die pralle Herrlichkeit intensiven Lebens und Erlebens. Dann gibt es noch die Widerfahrnisse im Leben, die sogenannten Schicksalsschläge: Verlust, eine schwere Krankheit, ein Arbeitsplatz, der nicht passt. Manchmal kommt es vor, dass man im Rückblick auch in diesen schweren Zeiten Gottes Spur erkennt. Das kann einem niemand von außen zuschreiben, und es passiert auch nicht immer, aber es kann geschehen: Gott stellt uns in einen Schutzraum und lässt uns auf Schweres zurückblicken, das in der Vergangenheit passiert ist. Dazu schirmt er uns mit der Hand von allem Schrecklichen ab, so dass wir gerade so viel vom Vergangenen anschauen, wie wir aushalten können. Und dann kann darin Gottes Spur aufleuchten. V. Rückblick auf die Zeit im Kirchengemeinderat Wie mag es für Sie, liebe Kirchenvorsteherinnen und Kirchenvorsteher aussehen, wenn Sie auf Ihre vergangene Zeit im Kirchengemeinderat zurück blicken? Ich kann mir vorstellen, dass Sie auf vieles zurück schauen können, was gelungen ist, wo Ihre Arbeit und Ihr Einsatz Früchte getragen haben. Vermutlich wird es aber auch Dinge geben, die mühsam waren, bei denen die Ergebnisse nicht in dem Maße sichtbar wurden, wie Sie es sich gewünscht hätten. Nicht alle guten Taten lassen sich in Kirchengemeinderatsbeschlüssen messen. Vieles hinterlässt eine gute Spur, die erst im Nachhinein erkennbar ist, ganz ähnlich wie Gottes Herrlichkeit und Güte. Gemeinsam mit vielen weiteren Ehren- und Hauptamtlichen haben Sie in St. Nikolai dafür gesorgt, dass Menschen sich hier willkommen fühlen. Ob beim Kirchencafé am ersten Sonntag jeden Monats, beim Gemeindefest oder beim Basar. Auch unseren Gästen im Winternotprogramm und den Geflüchteten hilft eine große Zahl von engagierten Menschen. In vielfältiger Weise haben Sie sich während der letzten verlängerten Wahlperiode von acht Jahren um unsere Gemeinde gekümmert. Ob in Ausschüssen, im Gottesdienst, in Gesprächen mit hauptamtlichen und ehrenamtlichen Mitarbeitenden - sie haben viel Zeit eingesetzt, viel Verantwortung im Leitungsgremium der Gemeinde übernommen und sich um ein gutes Miteinander in der Gemeinde bemüht. Von den Menschen, die sich wie Sie ehrenamtlich einsetzen, lebt unsere Gemeinde, und dafür danken Ihnen alle, die hier hauptamtlich arbeiten. 4
Ich wünsche Ihnen, dass Sie alles in allem zufrieden auf die zurückliegende Zeit im Kirchengemeinderat blicken können. Und uns allen wünsche ich immer wieder wie Mose einen Rückzugsraum, einen geschützten Ort, an dem wir beschirmt von Gottes Hand zurück blicken können auf das Gewesene und dankbar die Spuren Gottes in unserem Leben erkennen können. Amen. 5