Flucht. aus Nordkorea. Authentische Berichte von Flüchtlingen Lebensumstände hinter dem letzten eisernen Vorhang der Welt. Politik.

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Transkript:

Flucht Grazyna Fosar aus Nordkorea Authentische Berichte von Flüchtlingen Lebensumstände hinter dem letzten eisernen Vorhang der Welt 8 MATRIX 3000 Band 76 Juli / August 2013

... und dem kommunistischen Norden. Unterschiedliche Kleidung, gleicher Auftrag: Grenzsoldaten bewachen beiderseits des 38. Breitengrades... die Grenze zwischen dem kapitalistischen Süden Eine südkoreanische Soldatin schaut mit dem Fernrohr über die Grenze nach Nordkorea. Ins Bild eingeblendet sind einige bekannte Fluchtpunkte von Nord nach Süd. In den letzten Monaten rückte das kommunistische Nordkorea in den Blickpunkt der Weltöffentlichkeit. Der junge Diktator Kim Jong Un drohte den USA und Südkorea mit einem Nuklearkrieg. Die Gründe gemeinsame Manöver der USA und Südkoreas waren eher an den Haaren herbeigezogen. Interessanterweise hatten die Menschen in Südkorea in jenen dramatischen Tagen weniger Kriegsängste als der Rest der Welt. In ihren Augen ist Kim Jong Un nichts weiter als ein unreifer Lümmel, der nur ernst genommen werden will. Inzwischen hat Nordkorea seine Drohgebärden weitgehend beendet und die Raketenabschussrampen wieder abgebaut. Eine Gelegenheit, einmal einen Blick in die Welt nördlich des 38. Breitengrades zu werfen. Was spielt sich dort wirklich ab? Was ist nur amerikanische Propaganda, um sich einen weiteren Feind zu schaffen? Augenzeugen berichten über Zustände in Nordkorea, die für uns in Europa tatsächlich nur schwer vorstellbar sind. Vor mir, in einem tiefen Sessel, sitzt ein junger Mann - Jeans, T-Shirt und traurige Augen. Er ist nicht offen, und seine Sorglosigkeit wirkt gespielt. Er denkt intensiv über etwas nach und beobachtet mich diskret. Er ist freundlich und unsicher, etwas reserviert. Soll ich Deinen richtigen Namen benutzen? Nein, nenne mich nur W. K. Ich bin noch nicht bereit, mit meinem vollen Namen an die Öffentlichkeit zu gehen. Ich habe Angst. Es ist Dir gelungen, aus Nordkorea zu fliehen. Ist das sehr schwer? W.K.: Ja, seit 2011 ist die Kontrolle aller Bürger des Landes sehr streng. Es gibt regelmäßige Volkszählungen, um auf diese Weise festzustellen, wer nach Südkorea geflüchtet ist. Leider existiert auch ein Netz von Informatoren, also Menschen, die andere Menschen beobachten. Sie kommen sogar oft nach Hause und stellen Fragen: Wo ist Dein Bruder? Wo ist Deine Schwester? Alle haben Angst um die Familie, und deshalb sollte man, wenn man sich schon entscheidet zu fliehen, auch die ganze Familie mitnehmen. Fernsehen, wenn es Strom gibt Der junge Führer der Nordkoreas, Kim Jong II., ist in der Bevölkerung nicht so beliebt wie sein Großvater. Die Bevölkerung nennt ihn nur Kim Jong Un, nicht Großer Führer. Seit er an die Macht gekommen ist, wurde die Situation im Land noch schlimmer. Es gibt mehrere Quellen, die über das Leben in Nordkorea berichten. Dazu gehören konspirative Kreise, die in China arbeiten, manche Missionare, aber auch die Flüchtlinge selbst. Internationale Organisationen sammeln solche Berichte. Die Nordkoreaner wollen die Vereinigung. Sie wissen aber auch, dass im Süden keiner ein vereinigtes Korea will. In Nordkorea weiß man heute viel mehr über das Band 76 Juli / August 2013 MATRIX 3000 9

Die Unterschiede im Lebensstandard zwischen Nord- und Südkorea sind nach wie vor immens. Während die Bevölkerung im Süden einen mit Europa vergleichbaren Lebensstandard hat, werden in staatlichen Erziehungseinrichtungen in Nordkorea Kinder auf die Parteilinie dressiert und trotzdem nur schlecht versorgt. Auf den Straßen der Hauptstadt vegetieren hungernde Kinder vor sich hin. Ein Ex-Geheimdienstler berichtet Kim Young-Cheol, ehemaliger Major der People s Safety Agency in Nordkorea, war Chef des Inspektionsbüros, bevor ihm im Jahre 2008 die Flucht in den Süden gelang. Er berichtet über ein Regime des Terrors, in dem die Bestrafungskultur einen hohen Stellenwert hat. Es gab Zeiten, in denen es wöchentlich eine öffentliche Hinrichtung gab. Fast jeder Nordkoreaner, so Kims Bericht, hat schon mindestens einmal eine miterlebt. Die Bevölkerung erfährt nicht, welches Verbrechens der Delinquent angeklagt war, damit ein allgemeines Klima der Angst entsteht, dass es im Prinzip jeden treffen könnte. Kinder, die staatliche Kindergärten besuchen, werden dort einer Gehirnwäsche unterzogen und erhalten dafür kaum etwas zu essen. Sie werden strenger Disziplin und Kontrolle unterworfen, müssen selbst Holz fällen und ihre Wäsche im Fluss waschen. Kinder, die aus derartigen Kindergärten flüchten, leben meist auf den Straßen der Städte. In den strengen Wintern erfrieren viele von ihnen. Die Überwachung in Nordkorea ist total und erfolgt weitgehend noch durch Agenten und Informanten, nicht durch elektronische Überwachungssysteme wie im Westen. Jeder Agent der People s Safety Agency (PSA) und der National Security Agency (NSA) hat 200 Bürger zu überwachen. Das heißt, auf ca. 20 Millionen Nordkoreaner kommen rund 100.000 Geheimagenten. Jeder von ihnen beschäftigt noch bis zu 30 Informanten, so dass insgesamt 60 % der Bevölkerung Spitzeldienste leisten. Auf regelmäßig abgehaltenen Selbst- und gegenseitigen Kritiktreffen müssen sich die Anwesenden selbst kritisieren für mangelnde Loyalität oder Kooperation mit dem System. gf Leben in Südkorea als früher. Natürlich gibt es Propaganda gegen die USA und den Süden, aber in den Grenzgebieten kann man manchmal das südkoreanische Fernsehen empfangen und etwas über die Welt erfahren. Auch das Hören auf verbotenen Radiofrequenzen ist oft möglich. Leute ziehen die Gardinen an den Fenstern zu und versuchen etwas besser die Situation in der Welt und im eigenen Land zu verstehen. So etwas ist nur möglich, wenn es Strom gibt, also ca. 2 Stunden am Tag. Diese versteckte Bewegung ist noch relativ neu, es gibt sie erst seit ca. 15 Jahren. Mangel und Repression Das tägliche Leben ist in Nordkorea sehr schwer. Das größte Problem ist vor allem der ständige Mangel an Lebensmitteln. Früher gab es Talons für Lebensmittel, jetzt sind sie abgeschafft, und das bedeutet, jeder muss sich selbst um die tägliche Schüssel Reis kümmern. Die Leute sind auch müde von den Pflichten, die ihnen die Regierung ständig neu auferlegt. Es gibt keine Perspektiven. Kaum jemand glaubt wie früher, dass das Land ein selbständiges Paradies ist, was die Propaganda ständig den Menschen eingeredet hat. Im Jahre 2009 gab es eine Finanzreform, die eine unvorstellbare 10 MATRIX 3000 Band 76 Juli / August 2013

Inflation brachte. Das Geld wurde im Verhältnis 100 zu 1 ausgetauscht, und viele Menschen haben ihre ganzen Ersparnisse verloren. Das gesamte Wirtschaftssystem funktioniert nicht mehr. Richtig arbeiten nur die Betriebe, die für die Verteidigung oder die Funktion der chemischen Industrie wichtig sind. Oft geben Chinesen den Betrieben Aufträge für die Produktion, weil das für China billiger ist. Die Koreaner arbeiten dann illegal, d. h. schwarz, und bekommen von den Chinesen dafür etwas Reis oder auch etwas Geld. Mit der Zeit kam es auch zu steigendem Handel mit Drogen, mit den Resten der Maschinen aus den Fabriken, oder auch schlichtweg zu Raub. Der Handel wird auf den Basaren und Märkten betrieben. Jeder verkauft, was nur möglich ist. Korruption ist überall, und vor allem die Beamten nehmen Geld, sobald sie nur etwas für die Leute tun sollen. Eine Frau darf in Nordkorea nicht Fahrrad fahren, es gehört sich nicht. Da aber Busse und Züge nicht so oft fahren und für Benzin kaum jemand Geld hat, um mit dem Auto zu fahren - fahren die Frauen natürlich trotzdem mit dem Fahrrad. Wenn sie erwischt werden, geben sie dem Polizisten Schmiergeld, und er lässt sie frei. Ich fragte W. K.: Gibt es in Nordkorea heute noch Arbeitslager? W.K.: Früher gab es sechs. Jetzt soll es sieben politische Lager geben, habe ich gehört. Sie befinden sich in den Gebirgsregionen. Es gibt dort Kohle, Kupfer und Blei. Die Gefangenen arbeiten in der Förderung. In solchen Lagern findet ein Massensterben statt, von Hunger und zu schwerer Arbeit und Krankheiten. In Nordkorea gibt es auch sogenannte Zentren für Reedukation und Zwangsarbeit. Hierher kommen Menschen mit kleineren Verurteilungen für Bagatellverstöße gegen das Gesetz. Im Übergangslager dagegen sitzen meistens Menschen, die bei einem Fluchtversuch festgenommen wurden. In den letzten Citizens Alliance for North Korean Human Rights Die Citizens Alliance for North Korean Human Rights ist eine private Nichtregierungsorganisation (NGO), die am 4. Mai 1996 gegründet wurde. Die Gründungsmitglieder verständigten sich auf die folgenden fünf Prinzipien: - Die Mitgliedschaft basiert auf der gemeinsamen Überzeugung, dass die Nordkoreaner einen Anspruch auf die fundamentalen Freiheiten und Menschenrechte haben, die in der Universal Declaration of Human Rights niedergelegt sind, unabhängig von ihrer politischen Überzeugung. - Die Mitglieder sollen sich nach ihren Möglichkeiten um Finanzierung, Wissenserwerb und andere individuelle Aufgaben bemühen. - Anstrengungen werden unternommen zum Zweck der Ausbildung der jüngeren Generation, so dass die Arbeit der Bewegung weitergeht. - Bei der internationalen Öffentlichkeit soll das Bewusstsein geweckt werden, die Bewegung und ihre Ziele zu unterstützen, um die Menschenrechtssituation in Nordkorea zu verbessern. - Die Mitglieder sollen über die Zustände sprechen, sich um die Linderung von Leid bemühen und das Leben von Nordkoreanern retten. Gründer und Vorsitzender der Organisation ist Reverend Benjamin H. Yoon. gf Jahren kamen nach Südkorea ca. 2000 Flüchtlinge aus dem Norden. Wie bist Du aus Nordkorea geflohen? W.K.: Es gibt unterschiedliche Methoden. Alles hängt davon ab, ob man Beziehungen in China hat oder Bekannte, die einem Flüchtling helfen. Man kann sich einen sogenannten Broker mieten, der dafür verantwortlich ist, die Menschen über die Grenze zu bringen. Ein anderer Weg ist es, die Wachposten an der Grenze zu bestechen und dann in der Nacht einen der beiden Grenzflüsse zu China zu überqueren. Umerziehungs- und Arbeitslager sind in Nordkorea bis heute an der Tagesordnung. Viele Insassen sterben durch Hunger, Krankheit und Misshandlungen. Das sind der Tumen und der Jalu. Ich wählte zusammen mit meinem Bruder den Jalu. Eine Frau kostet so viel wie eine Kuh Viele der koreanischen Flüchtlinge werden auf der chinesischen Seite verhaftet und zurück nach Korea geschickt, sie landen dann in den Lagern. Besonders schlimm ist das Schicksal der Frauen, wenn sie auf der Flucht erwischt werden: Sie werden von Verbrechern an chinesische Bauern verkauft. Die Transaktion ist einfach: Eine Frau kostet so viel wie eine Kuh. Sie muss dann Kinder zur Welt bringen und auf der Farm helfen, d.h. körperlich schwer arbeiten. Viele Frauen, die in die Hände der Verbrecher fallen, landen aber auch später im Bordell. Das neue Leben in Südkorea Wer Glück hat und es bis nach Südkorea schafft, auf den wartet allerdings auch kein Paradies. Die Flüchtlinge sind trotzdem zufrieden mit dem, was sie hier bekommen. Vor allem, wie sie sagen - sie fühlen endlich keine Angst mehr. Die Regierung in Seoul unterstützt im Rahmen ihrer Möglichkeiten die Menschen aus dem Norden. Sie bekommen finanzielle Hilfen für eine Wohnung, Sozialhilfe und die Möglichkeit einer Schulung oder Umschulung, um einen Beruf ausüben zu können und bald selbst eine Arbeit zu haben. Sie bekommen viele Vergünstigungen bei der Arbeitssuche oder der Suche nach einem Studienplatz. In Südkorea spielen private Beziehungen und Connections eine wichtige Rolle. Politik Band 76 Juli / August 2013 MATRIX 3000 11

Die Menschen, die man kennt, sind die Freunde, mit denen man zur Schule ging oder mit denen man studiert hat, die lädt man ein, wenn sie Positionen haben, die im Leben helfen können. Die Menschen aus dem Norden haben diese Beziehungen nicht. Das macht ihr Leben schwieriger. Die Bekanntschaften fehlen. Auch ihre Erlebnisse im Leben und die unterschiedlichen Lebensbedingungen bilden eine Art Mauer. Die Menschen aus dem Süden können oft die aus dem Norden nicht verstehen. Die Teilung Koreas Die ostasiatische Halbinsel Korea war bis Anfang des 20. Jahrhunderts ein unabhängiges Königreich, bis das Land 1910 von Japan annektiert wurde. Nach dem Ende des zweiten Weltkrieges kam es zur Spaltung, da der Norden nach der Befreiung von der japanischen Herrschaft von der Sowjetarmee und der Süden von US-Truppen besetzt wurde. Die Grenzlinie verlief wie heute am 38. Breitengrad. Eine Vereinigung der beiden Besatzungszonen zu einem einheitlichen Staat gelang auch mit Hilfe der Vereinten Nationen nicht. Eine solche Wiedervereinigung wurde seit jeher eher vom kommunistischen Nordkorea als vom kapitalistischen Südkorea angestrebt. 1950 kam es sogar zu einer militärischen Intervention des Nordens in Südkorea, um dies mit militärischen Mitteln zu erzwingen. Die Truppen des Südens wurden von der US-Army massiv unterstützt, was durch UN- Resolutionen abgedeckt war. Der Norden hingegen erhielt Militärhilfe von der gerade neu gegründeten Volksrepublik China. Nach drei Jahren wurde der Koreakrieg durch ein Waffenstillstandsabkommen beendet, das die Machtverhältnisse auf der Halbinsel so beließ, wie sie waren. gf Leider haben viele Menschen in Südkorea auch Vorurteile gegen die Menschen aus dem Norden. Besonders die ältere Generation, die den Koreakrieg noch nicht vergessen hat. Es fällt schwer, einen objektiven Bericht über Süd- und Nordkorea zu schreiben. Wir alle kennen die Thematik aus den westlichen Medien und aus den Erzählungen, die von den Flüchtlingen kommen. Die bombastischen Bilder, die uns manchmal aus Nordkorea erreichen, mit den großen Städten und den glücklichen, lächelnden Kindern sind natürlich auch nicht echt. Alles spricht auch in diesem Fall dafür: Die Wahrheit ist da draußen. K O R E A Der Großraum rund um Seoul gehört zu den größten Ballungsräumen der Welt. Wolkenkratzer großer multinationaler Konzerne wie Samsung beherrschen das Stadtbild. H E U T E Südkoreas Präsidentin Park Geun Hye gibt sich gern folkloristisch. Südkorea offizieller Name Republik Korea gehört zu den fünf sogenannten Tigerstaaten und ist damit eines der wirtschaftsstärksten Länder Ostasiens. Das Pro-Kopf-Bruttoinlandsprodukt entspricht derzeit dem eines durchschnittlichen EU-Staates. Das war nicht immer so. Nach dem Koreakrieg war die industrielle Infrastruktur weitgehend zerstört, wodurch Südkorea zu einem armen Agrarstaat auf dem Niveau eines Entwicklungslandes wurde. Das politische System war jahrzehntelang von autokratisch regierenden und korrupten Potentaten sowie von Militärdiktaturen geprägt. Erst Ende der achtziger Jahre des 20. Jahrhunderts kam es zu wirklichen demokratischen Reformen. Seit den sechziger Jahren kam es zu einer wirtschaftlichen Entwicklung mit explosiven Ausmaßen. Südkorea ist heute ein international bedeutender Produzent von Unterhaltungselektronik, Autos und anderen Konsumgütern. Weltweit operierende Großkonzerne wie Samsung haben hier ihren Firmensitz. Der Großraum um die Hauptstadt Seoul ist mit über 23 Millionen Einwohnern der (nach Tokio) zweitgrößte Ballungsraum der Welt. Die demokratischen Strukturen können sicher nicht mit europäischen Maßstäben gemessen werden, die Korruption ist nach wie vor hoch. Doch der Lebensstandard der Bevölkerung ist stark angestiegen, die Lebenserwartung liegt bei über 75 Jahren und damit über dem europäischen Durchschnitt. Nordkorea offizieller Name Demokratische Volksrepublik Korea ist einer der letzten noch bestehenden kommunistischen Staaten und gilt derzeit als das politisch restriktivste System der Welt. Gleichzeitig wird die Staatsführung seit den Zeiten von Staatsgründer Kim Il Sung wie in einer Erbmonarchie stets vom Vater an den Sohn weitergereicht. Nach dem Tode von Kim Jong Il, dem Sohn von Kim Il Sung, regiert seit 2011 dessen erst 30jähriger Sohn Kim Jong Un das Land. Unter seiner selbstherrlichen Ägide haben sich die politischen Verhältnisse im Land erheblich verschlechtert. Nordkorea steckt immense Geldsummen in das Militär sowie in die Entwicklung von Militärtechnologie, wodurch das ansonsten bettelarme Land sogar in den Besitz von Atomwaffen geriet und damit eine von weltweit nur neun offiziell bestätigten Nuklearmächten ist neben den Großmächten USA, Russland, Großbritannien, Frankreich und China sowie Indien, Pakistan und Israel. Die politischen Verhältnisse im Land sind unvorstellbar, wenn man den Berichten von Flüchtlingen glauben darf. An der Grenze nach Südkorea herrscht Schießbefehl. Öffentliche Hinrichtungen, Zwangsarbeits- und Umerziehungslager sind an der Tagesordnung. Die Versorgung der Bevölkerung, selbst mit elementaren Gütern des täglichen Bedarfs, gilt als katastrophal. gf 12 MATRIX 3000 Band 76 Juli / August 2013 In Nordkorea sind nur die chemische und die militärische Industrie noch einigermaßen funktionsfähig. Nordkoreas Diktator Kim Jong Un regiert sein Land mit eiserner Härte und selbstherrlicher Willkür.