Brave Mädchen spannende / coole Jungs?

Ähnliche Dokumente
Mädchen auf Kurs, Jungs neben der Spur? Antworten auf geschlechterspezifische Verhaltens- und Leistungsunterschiede

Geschlechtsspezifische Bildung & Partizipation

Wortkarten zum PRD-Zielvokabular-Poster für LoGoFoXX 60

Jungs und Mädchen im naturwissenschaftlichtechnischen

Universität Bielefeld, AG 4: Schulentwicklung und Schulforschung. Eine Schule für. Mädchen und Jungen

Was macht Kinder stark?

Brauchen Jungen Männer? Symposium Nr. 19 Jungenarbeit und Gender

ENTWICKLUNGSPSYCHOLOGIE & SOZIALISATION. Mädchenschachpatent 2015 in Nußloch Referentin: Melanie Ohme

Reflexive Koedukation

Gender und Beruf - Karrieren und Barrieren

Bayerisches Staatsministerium für Unterricht und Kultus. Geschlechtergerechte Hauptschule

von Corinna Schütz, 2004

Stereotype Geschlechterrollen in den Medien (SGM)

Für eine geschlechtergerechte Schule

Fachdiskussion I: Neue Bildungswege! Werden Burschen im Bildungssystem benachteiligt?

Inhalt Autismusspektrumsstörung: Eltern verstehen hilfreich kommunizieren

Mädchen-Jungen: Chancengleichheit Geschlechterbewusste Pädagogik in der Kita Claudia Lutze

Barbara Stauber. Zwischen Erfolgs- und Looser-Skript: Lebenslagen und Bewältigungsstrategien von Mädchen und jungen Frauen

DAS SPIELT DOCH BEI DEN KLEINSTEN NOCH KEINE ROLLE ODER?

1

werden später eingeschult als Mädchen sie dominieren unter den Sitzenbleibern (65 % der ohne HS-Abschluss sind männlich)

Von Stärken und Schwächen: Zur Genese fachbezogener Selbstkonzepte

Entwicklungspsychologie im Kindes- und Jugendalter

Sinn und Unsinn von Vorurteilen

Bettina Srocke Mädchen und Mathematik

Weibliche Kommunikation ist stark! Heike Dankwart 2016

Schülerfragebogen Standardüberprüfung Deutsch 4. Schulstufe 2015


Einstellungen und Lebenslagen von Mädchen heute

Männer-Erfahrungen und Frauen-Erfahrungen

Fähigkeiten und Bedürfnisse von Kindern und Jugendlichen

Medienkompetenz von Kindern und Jugendlichen. Dr. phil. Eveline Hipeli Am 22. August 2014 UZH, Familien und neue Medien

Geschlechtsuntypische Berufs- und Studienwahlen bei jungen Frauen

Mit welcher Haltung begegnen wir Mädchen und Jungen

Klischees und feine Unterschiede

Mein Praktikumsbegleiter

Grenzen setzen (Thomas Grüner 1 )

Wege zu einer geschlechtergerechten Schule. Dr. Jürgen Budde Prof. Dr. Hannelore Faulstich-Wieland Januar 2008

(Alles) Anders als gedacht. Warum und unter welchen Bedingungen Frauen die Familie ernähren

Studienbuch Gender & Diversity

Thema: Sprache und Geschlecht

Transmenschen. Das Wichtigste in Kürze

A Erfolg ist kein Zufall, Vorbereitung einer Präsentation

Der Stellenwert von Attraktivität und Schönheit in der Gesellschaft

Geschlechterstereotype: Ursachen, Merkmale, Effekte. Dr. Marc Gärtner, Berlin

Entwicklung in der Kindheit (4 6 Jahre)

Die Relevanz der Genderkategorie in Theologie und Religionspädagogik

Workshop 1 Zwischen: Du kannst mir gar nichts sagen und Lehrerinnen sind viel netter - Frauen in der Arbeit mit Jungen

Wie Väter ihre Kinder prägen

Berufswahlverhalten von Jugendlichen Bildungs(Miss)erfolge von Jungen und Berufswahlverhalten bei Jungen/männlichen Jugendlichen

Macho ADE Ö1 Radiosendung

Forschungsprojekt Stereotype Geschlechterrollen in den Medien Online Studie: Geschlechterrollenwahrnehmung in Videospielen

Fragebogen für Schülerinnen und Schüler der 8. Jahrgangsstufe

Zuviel Stress zuviel Druck! Einblicke in die Juvenir-Studie 4.0. Sören Mohr Freiburg,

A Erfolg ist kein Zufall, Vorbereitung einer Präsentation

Bereich des Faches Schwerpunkt Kompetenzerwartung Lesen mit Texten und Medien umgehen

Erfolgreich Gespräche führen

Wir sollten lernen. mit den Augen. des Kindes zu sehen. mit den Ohren. des Kindes zu hören. mit dem Herzen. des Kindes zu fühlen.

Dr. Anna Buschmeyer

Systemische Elternarbeit

Nachdenken über Heterogenität im Schulsport. 13. Wuppertaler Schulsportsymposion Prof. Dr. Judith Frohn Nachdenken über Heterogenität im Schulsport

Shere Hite. Hite Report. Erotik und Sexualität in der Familie. Aus dem Amerikanischen von Helmut Dierlamm, Sonja Göttler und Karin Laue.

Ein handlungspsychologisches Modell der beruflichen Entwicklung. Seminar: Erwerbsbiographien der Zukunft Referentin: Sarah Quappen 9.11.

JUNGS im Blick - Geschlechterbewusstes Handeln in der Schulsozialarbeit

7. Sie hatte lange nichts gesagt, aber jetzt wollte sie nicht mehr sch und berichten, was passiert ist.

Was ist ein Computerspiel Warum spielen wir? Wie gefährlich sind Gewaltdarstellungen? Computerspielen als Verhaltenssucht Was kann ich dagegen tun?

Zuviel Stress zuviel Druck! Einblicke in die Juvenir-Studie 4.0. Sören Mohr Chur,

A Erfolg ist kein Zufall, Vorbereitung einer Präsentation

Nimm Dein Glück selbst in die Hand

GESCHLECHTERBEZOGENES ARBEITEN

DW: DEUTSCH LERNEN / DEUTSCH XXL / DEUTSCH IM FOKUS / SPRACHBAR

Unterrichtsmaterialien in digitaler und in gedruckter Form. Auszug aus: Lernwerkstatt: Sexualerziehung in der Grundschule

Die Trainingsraum-Methode

IN 2 x 3 SCHRITTEN ZU EINER STABILEN, BESTÄNDIGEN PARTNERSCHAFT!

Stärkung der Paare im Übergang zur Elternschaft

in jeder Frau: "Eine Frau erkennt die Hexe in sich selbst, sobald eine Stimme in ihrem Inneren eine kräftige Stimme hört, die ihr rät, das Gegenteil

Themenpapier Cross Work

Bubenarbeit Sportunterricht zwischen Männlichkeitsbeweis und sozialem Lernen. Text und Fotos: Mag. Manfred Brandfellner

Eva Küstner Fachpsychologin Diabetes DDG Klinikum Offenbach ADE-Tagung, Fortbildung für Schulungskräfte Mainz

Werkmappe Genderkompetenz. Materialien für geschlechtergerechtes Unterrichten. Elisabeth Grünewald-Huber Anne von Gunten

Vorlesung. Legal Gender Studies. Theoretische Grundlagen der Geschlechterstudien im Recht. Dr.iur. Michelle Cottier MA. Legal Gender Studies

Für den gewerkschaftlichen Kontext adaptiert von der AG Gender Mainstreaming des VÖGB.

Lehrererwartungen und der Bildungserfolg von Kindern mit Migrationshintergrund

Einmal das Leben schenken ist nicht genug. Was wir zu einem erfüllten Leben unserer Kinder beitragen können

Typisch Mann, typisch Frau! Sind wir wirklich gleichberechtigt? VORANSICHT

Trainingsraumkonzept. der Friedrich-Ebert-Schule

Minijob für Mama Karriere für Papa? Friedrich-Ebert-Stiftung Forum Politik und Gesellschaft- Christina Schildmann

Karriere und Geschlecht

Partnerschaft und Familie. Brixen, Vortragende: Mag. Dr. Cathrin Schiestl Universität Innsbruck

ich bin David Tripolina 2016 by riva Verlag, Münchner Verlagsgruppe GmbH, München Nähere Informationen unter:

Ausgewählte Fachliteratur für den Kindergarten Bereich geschlechterbewusste Pädagogik

Genderrollen und Degendering in der Sozialarbeit

Wie wird der Fragebogen ausgefüllt?

Transkript:

PH Chur 10. April 2014 Brave Mädchen spannende / coole Jungs? Wie Mädchen zu Mädchen gemacht werden und Jungen zu Jungen und welche Nachteile damit entstehen Elisabeth Grünewald-Huber elisabeth.gruenewald@phbern.ch Vorname Name Autor/-in 16.04.14 1

Luzius Wildhaber, Basler Staatsrechtsprofessor, Europ. Gerichtshof Strassburg, Prof. Yale Law School: Die Gleichberechtigung der Geschlechter ist der Bereich, auf den ich in der Schweiz den Finger am meisten drauflegen würde. Das betrifft unser Denken, die Praxis und die Förderung. 2

Frage 1:! Sind Mädchen braver und Buben spannender? 3

Frage 2: Wie kommt es, dass... Mädchen trotz besserer Schulnoten tiefere Selbstkonzepte entwickeln und später im Beruf schlechter reüssieren als Männer? Buben trotz schlechterer Noten starke Selbstkonzepte entwickeln und später im Beruf müheloser und weiter voran kommen als Frauen oder randständig werden? 4

Anlage oder Umwelt? Biologie als Ursache von Unterschieden Männer können angeblich nicht zuhören, Frauen nicht einparken (=> Bestseller von A. und B. Pease: einfache Antworten) Erziehung als Ursache 1. die Unterschiede sind innerhalb eines Geschlechts grösser als zwischen ihnen. 2. das Gehirn wird aufgrund der Lebenspraxis ausgeformt. 3. Frauen und Männer haben grundsätzlich dieselben Fähigkeiten. 5

Aktuelle Forschung Lebenspraxis formt das Gehirn => Taxifahrer_innen haben andere Hirnstrukturen als z.b. Musiker_innen! Island: Raumvorstellungsvermögen von Mädchen und Buben ist gleich gut (= Alltagsfähigkeit). 6

Aktuelle Forschung Lebenspraxis beeinflusst Hormone Vor und nach Geburt eines Kindes gleicht sich bei den Eltern der Hormonspiegel an (beim Mann vermehrt weibliche Hormone). Bei der Geburt erhalten Mutter und Kind zusätzliches Testosteron. Frauen (und Männer) in hohen Ämtern produzieren vermehrt Testosteron. Sportliche Spitzenleistungen setzen Testosteron voraus (bei beiden Geschlechtern). 7

Anlage oder Umwelt?! Kleine biologische Unterschiede grosse Folgen für Bildungschancen Berufsverläufe finanzielle Situation Privatleben u.s.w. Wir werden nicht als Frauen und Männer geboren, sondern dazu gemacht => doing gender 8

doing gender Kinder lernen vom 1. Lebenstag an - parallel zur Muttersprache die geltende Grammatik der Zwei- geschlechtlichkeit. Vgl. Baby-X Tests! Vgl. Umgang von Vätern mit männlichen und weiblichen Babys! 9

Alltag in rosa und blau => Lebensskripts in rosa und blau Tätigkeiten, Berufe Sportarten, Hobbys Musikinstrumente, Musikstile... Lebensbereiche, Orte... (z.b. privat - öffentlich) Kleidung, Haare, Schmuck Gestik, Mimik, Körperhaltungen... Gefühle! Verhalten (Bsp. schweigen reden, lachen - weinen) Farben, Symbole Gegenstände Werbung, Medien Verhalten... 10

doing gender! Mädchen: angepasst brav, lieb hilfsbereit vorsichtig schön, sexy! Buben: unangepasst / frech ( Schlingel, richtiger Bub ) wagemutig spannend / cool auf Publikum und Applaus angewiesen Beide: fremd bestimmt statt selbstbestimmt! eingeschränkt in ihrer Entwicklung 11

Beispiel:! Lars (16) sucht Freundin: Eishockey ist cool. Findest du das auch? Liebst du es auch, übers Eis zu fegen? Dann schwimmen wir auf der gleichen Welle! Ich heisse Lars und bin 16 Jahre alt. Willst du mich im Stadion anfeuern? => Buben bereiten sich auf die Meisterschaft vor, Mädchen auf die Partnerschaft. 12

Schule in rosa und blau Wie aus Erwartungen Wirklichkeit wird! Literatur: Peter H. Ludwig / Heidrun Ludwig (Hg.) (2007): Erwartungen In himmelblau und rosarot. Effekte, Determinanten und Konsequenzen von Geschlechterdifferenzen in der Schule. Juventa Verlag Dasselbe zuhause, wenn Eltern unterschiedliche Erwartungen an Töchter und Söhne haben! 13

Erwartungen an Kinder => Wirklichkeit (Ludwig u. Ludwig)! Erwartungen ê Selbstkonzept ê fachspezifische Interessen, Motivation, Attribution (= Verarbeitung von Erfolg und Misserfolg) ê Fähigkeiten, Leistung + Verhalten 14

Stereotype Erwartungen => Wirklichkeit (Pygmalion-Effekt) Experiment: Information an Lehrer_innen, dass gewisse Schüler_innen besonders begabt seien. Zuvor zufällige Auswahl dieser S + S. Ergebnis nach einem halben / ganzen Jahr: die entsprechenden S + S hatten deutlich bessere Leistungen! = heimlichen Lehrplan: Erwartungen generieren Wirklichkeit! 15

Heimlichen Lehrplan - Forschungsergebnisse Soziale Milieus: höhere Erwartungen an sozial privilegierte Kinder höhere Erwartungen an Schweizer Kinder als ausländische Kinder Geschlechter: Mädchen für fleissig aber nicht sehr begabt gehalten => tiefe Selbstkonzepte! Buben für begabt, aber faul gehalten => geringer Lerneinsatz und (zu) positive Leistungsselbstbilder 16

Heimlicher Lehrplan: Erwartungen an das Verhalten richtige Jungs sind frech / (vor)laut, raumgreifend, wenig diszipliniert und konzentriert, durchsetzungsfähig, egoistisch, wagemutig, spannend Mädchen sind gemäss heimlichem Lehrplan körperlich ruhig, mit wenig Raum zufrieden, Grenzen respektierend, diszipliniert, konzentriert, hilfsbereit / sozial, brav / langweilig 17

Heimlicher Lehrplan: Unterschiedliche Sanktionen Forschungsergebnisse: Mädchen werden rascher sanktioniert, wenn sie männliches Verhalten zeigen (z.b. Unmut äussern, aufmüpfig sind, kämpfen, konkurrieren u.ä.) Jungen erhalten v.a. von ihren Peers negative Reaktionen, wenn sie weibliches Verhalten zeigen (weinen, mitfühlend oder fürsorglich sind, nachgeben statt zu kämpfen u.ä.) => Wahl: (Anerkennung durch) Schule oder Peers? 18

Akzeptanz von Änderungen! Insgesamt leichter für Mädchen, männliches Terrain zu betreten... als für Buben, weibliches Terrain! Gründe: - höherwertige Männlichkeit - fragile / instabile Männlichkeit 19

Instabile Männlichkeit Studien USA etc.: Männer reagieren ängstlicher auf eine Bedrohung ihrer Geschlechtsidentität als Frauen. Mann-Sein ist ein labilerer Zustand als Frau-Sein. Status Mann muss permanent verdient werden und kann schnell abhanden kommen => Schule: Regelverletzungen als Männlichkeitsbeweis => Männer hinken den Frauen einen Entwicklungsschritt hinterher - sie brauchen eine männliche Simone de Beauvoir. (Joseph A. Vandello u.a. (2008): Precarious manhood. In: Psychologie Heute, April 2009, 8f) 20

Folgen in der Schule! Mädchen holen in männlichen Fächern auf : Je gleichgestellter eine Gesellschaft, desto besser sind Mädchen in Mathematik (PISA). Buben können die tieferen Leistungen im Lesen (u.a. weiblichen Fächern) bisher nicht verbessern. 21

Es braucht... Stereotype abbauen und Weiblichkeit aufwerten Mädchen und Buben alle Optionen offenhalten ihre Selbstbestimmung fördern. Gesellschaftliche und eigene Erwartungen an Mädchen und Buben wahrnehmen, reflektieren und verändern! 22

Fazit! Buben können genauso konstruktiv (brav) sein wie Mädchen und Mädchen so cool (spannend) wie Buben...... wenn wir sie lassen J Für ein erfolgreiches Leben braucht es (je nach Situation) die richtige Dosierung von Beidem! 23

Herzlichen Dank für Ihre Aufmerksamkeit! Ich wünsche Ihnen viel Experimentierfreude bei der Umsetzung J 24

Anhang: Quelle der einleitenden Aktivität (2 Texte mit vertauschten Rollen) Elisabeth Grünewald-Huber / Anne von Gunten : Werkmappe Gendertraining Materialien für geschlechtergerechtes Unterrichten. Zürich: Pestalozzianum Verlag. 2. Auflage, 2011 S. 143 144 Geschlechterarrangement Arbeitsteilung eines Paares aus Vorname Name Autor/-in 16.04.14 25