Zürich, 20. März 2002 Medienmitteilung von SWISS ENGINEERING STV, GSB HWV/FH und FH-Vision Die Fachhochschulen fit für Bologna machen: Berufsverbände setzen sich für eine Stärkung des dualen Bildungssystems ein Die Einführung der zweistufigen Studiengänge mit Bachelor- und Master-Abschlüssen ist auch in der Schweiz bald Realität. Dabei stellt sich die für unser duales Bildungssystem brisante Frage, ob die Fachhochschulen zum Master-Degree führen oder "nur" als Abschlüsse der ersten Stufe ("Bachelor") einzustufen sind. Die drei Berufsverbände SWISS ENGINEERING STV (Schweizerischer Technischer Verband), die Gesellschaft Schweizerischer Betriebsökonomen HWV/FH (GSB HWV/FH) und die FH-VISION haben beim Zürcher Rechtsprofessor Tobias Jaag ein Gutachten in Auftrag gegeben, welches nun in Form des "Memorandum betreffend Bologna-Deklaration / Fachhochschulen" vorliegt. Fachhochschul-Abschlüsse als Master Berufslehre auf drei Jahre fixieren Das Rechtsgutachten kommt zum Schluss, dass verschiedene Möglichkeiten von Master-Abschlüssen an Fachhochschulen geschaffen werden müssen, wenn eine Schwächung des dualen Bildungssystems - und damit eine Verminderung der Attraktivität der Berufslehre - verhindert werden soll. Das Gutachten unterstreicht die Bedeutung der Ausbildungsdauer als Kriterium für die Gleichwertigkeit der Abschlüsse und der Attraktivität der Berufslehre. Folglich muss auch geprüft werden, die Berufslehre auf generell drei Jahre zu fixieren. Die drei Berufsverbände SWISS ENGINEERING STV, GSB HWV/FH und FHVISION veröffentlichen dieses Gutachten als Beitrag zu einer breiten, offenen bildungspolitischen Diskussion in der Schweiz. Sie leiten aus diesem Memorandum folgende vier Postulate ab: 1. Die Umsetzung der Bologna-Deklaration ist notwendig Wir unterstützen die Einrichtung von Bachelor- und Masterstudiengängen an den Fachhochschulen nach dem Grundsatz der zweistufigen Ausbildung. Nur dies fördert die internationale Durchlässigkeit und die gegenseitige, gleichwertige und internationale Anerkennung.
Seite 2 von 5 2. Wir wollen den Weg der Berufslehre stärken Die heutigen Absolventinnen und Absolventen von Fachhochschulen werden auf dem Arbeitsmarkt mit jenen von Universitäten und ETH gleichgestellt. Folglich ist es attraktiv, den Weg der Berufslehre zu wählen. Die Umsetzung der Bologna-Deklaration in der Schweiz birgt aber die Gefahr, dass die Fachhochschule abgewertet und die Berufslehre geschwächt wird. Dies insbesondere, wenn ein heutiger Fachhochschulabschluss aufgrund des dreijährigen Studiums einem Bachelor-Abschluss gleichgesetzt wird oder ohne Berücksichtigung der Inhalte als Basis für Masterstudiengänge bezeichnet wird. Wir fordern deshalb eine Überprüfung der für die Ausbildung relevanten Inhalte und eine Umsetzung der Bologna-Deklaration, welche unser duales Bildungssystem berücksichtigt und stärkt (z.b. dreijährige Berufslehre, Integration von Berufspraxis in Fachhochschulstudium, Berücksichtigung von Nachdiplomstudien für Masterdegrees). 3. Gleichlange Spiesse für Fachhochschulen und Universitäten! Gleichlange Ausbildungsgänge ab dem siebten Schuljahr sollen zu gleichwertigen Ausbildungsabschlüssen führen. Nur wenn das Bologna-Abkommen in diesem Sinne umgesetzt wird, trägt es zur Stärkung der Berufslehre bei. 4. Politik, Wirtschaft und Verwaltung sind gefordert Die Umsetzung der Bologna-Deklaration und die damit verbundene Einrichtung von Bachelor- und Masterstudiengänge nach dem Grundsatz der zweistufigen Ausbildung erfordert neue und innovative Lösungen in der Schweizer Hochschullandschaft. Bildungspolitiker, Wirtschaftsvertreter und Verwaltungen sind nun auf allen Stufen gefordert, Lösungen auszuarbeiten. Die generelle Dauer der Berufslehre von drei Jahren, die Integration der Berufspraxis sowie die berufsbezogene Beurteilung der notwendigen, berufsbefähigenden Stufe eines Studiums (Bachelor und/oder Master) sind dabei wesentliche Meilensteine Das vollständige Memorandum kann als pdf-file heruntergeladen werden unter: www.swissengineering.ch; www.gsbhwv.ch und www.fh-vision.ch Für Auskünfte stehen zur Verfügung: Andreas Hugi, Generalsekretär SWISS ENGINEERING STV, Tel. 01 268 37 77, 079 675 55 21 Toni Schmid, Geschäftsführer GSB HWV, Tel. 01 260 98 98, 079 299 82 55 Seite 2
Seite 3 von 5 Memorandum betreffend Bologna-Deklaration und Fachhochschulen von Professor Dr. Tobias Jaag, Universität Zürich (11. März 2002). Zusammenfassung Was ist die Bologna-Deklaration? Die so genannte Bologna-Deklaration wurde im Juni 1999 von den Bildungsministern aus insgesamt 29 europäischen Staaten darunter auch der Schweiz - unterzeichnet. In der Deklaration werden Richtlinien definiert, anhand derer ein europäischer Hochschulraum geschaffen werden soll. Teil dieses europäischen Hochschulraums sollen sowohl die Universitäten wie auch die anderen Institutionen der Hochschulstufe der einzelnen Länder sein. Eine der Massnahmen zur Verwirklichung dieses europäischen Hochschulraums stellt die Einführung zweizyklischer Studiengänge an den einzelnen Hochschulen dar. Der erste Zyklus soll nach dem Wortlaut der Deklaration mindestens drei Jahre dauern ( Bachelor ) und der zweite zu einem Master und/oder Doktorat führen. Diese Studiendauern stellen lediglich Richtzeiten dar. Zu beachten ist überdies, dass nach der Deklaration sowohl an den Universitäten als auch an anderen Hochschulinstitutionen (bspw. Fachhochschulen) Master-Grade als Abschlusstitel erworben werden können. Die Bologna-Deklaration ist rechtlich unverbindlich und als politische Absichtserklärung der unterzeichnenden Minister zu qualifizieren. Die Umsetzung der Postulate der Deklaration untersteht somit dem freien bildungspolitischen Willen der betroffenen Länder. Es ist jedoch zu erwarten und bereits Tatsache, dass sich die Ideen der Bologna-Deklaration, insbesondere das Modell eines zweizyklischen Studiensystems, in Europa zunehmend durchsetzen bzw. durchsetzen werden. Die Fachhochschulen gleichwertig aber andersartig Das Hochschulwesen der Schweiz lässt sich unterteilen in Fachhochschulen und universitäre Hochschulen (ETH und kantonale Universitäten). Das Studium an einer Fachhochschule dauert in der Regel drei, dasjenige an einer universitären Hochschule vier bis fünf Jahre. Die heute bestehenden Fachhochschulen wurden durch das Fachhochschulgesetz des Bundes geschaffen. Dies unter anderem mit dem Zweck, den Berufsbildungsweg gegenüber der gymnasial-universitären Ausbildung aufzuwerten. Nach dem klaren Willen des Gesetzgebers sollten beide Ausbildungswege gleichwertig aber andersartig ausgestaltet werden. Dieser Begriff wird in der Botschaft zum eidg. Fachhochschulgesetz mehrfach verwendet. Was bedeutet die Bologna-Deklaration für die Fachhochschulen? Nach Ansicht von Tobias Jaag, Professor für öffentliches Recht an der Universität Zürich, besteht für die Legislative der bildungspolitische Auftrag, die Voraussetzungen zu schaffen, dass an den Fachhochschulen ebenfalls als Master bezeichnete Grade Seite 3
Seite 4 von 5 erworben werden können. Dies vor allem deshalb, weil es zu einer Abwertung des Berufsbildungsweges käme, wenn an den Fachhochschulen nur als Bachelor bezeichnete Abschlusstitel verliehen werden könnten. Dass auch Fachhochschulen Master-Grade erteilen können, wurde im Rahmen des Bologna-Prozesses betont und wird von anderen Ländern mit vergleichbaren Bildungssystemen bereits demonstriert (Deutschland). Für die Einführung von Master-Graden an den Fachhochschulen bestehen verschiedene Möglichkeiten. In jedem Fall ist der Grundsatz gleichwertig aber andersartig gemäss dem Motiv des Fachhochschulgesetzgebers zu berücksichtigen. Folgend ein Auszug von Varianten sowie eine kurze Würdigung: Variante 1: Fachhochschule = Master Eine blosse Neubezeichnung der bisherigen Fachhochschulabschlüsse als Master- Grade ohne Verlängerung der Fachhochschulstudiendauer schafft die Gefahr, dass diese Fachhochschuldiplome dereinst auf internationaler Ebene nur als Titel der Bachelor-Stufe anerkannt werden. Variante 2: Errichtung zweistufiger Studiengänge an Fachhochschulen Die Fachhochschulen richten die zweistufige Ausbildung ein. Die Einrichtung von Bachelor- und Masterstudiengängen muss folglich die Überprüfung des Vorbaus (Berufslehre), der heutigen Voraussetzungen (Berufspraxis) sowie der heutigen Inhalte des Fachhochschulstudiums einbeziehen. Während die erste Stufe gemäss Bologna- Deklaration ein dreijähriges Studium voraussetzt und als Zulassung an ein Masterstudium gilt, sind betreffend Dauer wie auch Inhalte keine Normen definiert. Dennoch verlangt die internationale Anerkennung eine adäquate Vergleichbarkeit. Variante 3: Berufsmaturität auf Ebene Fachhochschulen Eine weitere Variante ist, die Berufsmaturitätsausbildung in die Fachhochschulstudiengänge einzugliedern. Die Ausbildung wird damit zu einem eigentlichen "Grundstudium" für die anschliessende Bachelor-Stufe aufgewertet. Fazit Mit der Errichtung der zweistufigen Ausbildung werden die formellen Kriterien der Bologna-Deklaration erfüllt, und es können gleichzeitig die Studienstrukturen der Fachhochschulen an diejenigen der übrigen Hochschulen angeglichen werden. Diese Massnahme hat allerdings den nachteiligen Effekt, dass die Ausbildungsdauer bis zum Abschluss als "Master" an einer Fachhochschule im Vergleich zum gymnasialen Ausbildungsweg länger wird. Dieser Nachteil kann - im Sinne einer "flankierenden Massnahme" - dadurch ausgeglichen werden, dass die Dauer der Berufslehre (generell oder nur in einzelnen Berufsbereichen) auf drei Jahre reduziert wird und die Berufspraxis nach Berufsmatura in das Fachhochschulstudium integriert wird. Mit den vorgeschlagenen Massnahmen wird eine Abwertung des Berufsbildungswegs gegenüber dem gymnasialen Ausbildungsweg vermieden. Gleichzeitig kann so dem Seite 4
Seite 5 von 5 bildungspolitischen Postulat der gleichwertigen aber andersartigen Ausgestaltung des dualen Bildungssystems der Schweiz entsprochen werden. Das vollständige Memorandum kann als pdf-file heruntergeladen werden unter: www.swissengineering.ch www.gsbhwv.ch www.fh-vision.ch oder telefonisch bestellt werden unter 01-268 37 11 (SWISSENGINEERING STV) oder 01-260 98 98 (GSB HWV/FH) Seite 5