Anmerkungen zum fahrpersonalrechtlichen 24-Stunden-Zeitraum

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Transkript:

VERKEHRSWIRTSCHAFT Anmerkungen zum fahrpersonalrechtlichen 24-Stunden-Zeitraum Das Fahrpersonalrecht ist eine hoch komplexe Materie. Da bedarf es ab und zu eines Blickes über den Tellerrand oder auf Aspekte, die über die reine Information zu Sachfragen hinausgehen. Theorie und Praxis der Lenk- und Ruhezeiten sind in vielen Detailfragen nur schwer miteinander in Einklang zu bringen. Das äußerst sich regelmäßig darin, dass man bei der Befragung von drei Experten zu einem Sachverhalt auch drei abweichende Meinungen erhält. Diese Ausführungen widmen sich zeitlichen Dimensionen, namentlich dem Nebeneinander vom Bezugszeitraum "Kalendertag" und dem parallel existierenden "24-Stunden- Zeitraum". Diese haben nämlich nur auf den ersten Blick etwas miteinander zu tun - geht man in die Details, erwachsen daraus mitunter seltsam anmutende Fragestellungen und Folgen. Was hat ein 24-Stunden-Zeitraum mit einem Kalendertag zu tun? Quell mannigfaltigen Kopfzerbrechens und vieler Verwirrung ist der Umstand, dass im Fahrpersonalrecht nicht nur der Kalendertag (Zeitraum zwischen 00:00 Uhr und 24:00 Uhr), die Kalenderwoche (Zeitraum zwischen Montag 00:00 Uhr und Sonntag 24:00 Uhr) und die Doppelwoche (jede freie Kombination zweier zusammenhängender Kalenderwochen) maßgeblich sind, sondern auch einzelne und mehrere aneinanderhängende 24-Stunden-Zeiträume für die Beurteilung fahrpersonalrechtlicher Fragestellungen bedeutsam sind. 24-Stunden-Zeiträume sind dadurch charakterisiert, dass sie in dem Moment beginnen, in dem der Fahrer* nach einer eingelegten vollständigen Tages- oder Wochenruhezeit (die natürlich im Rahmen der gesetzlichen Vorgaben auch verkürzt oder gesplittet worden sein können) seine Arbeitstätigkeit, die auch eine Lenktätigkeit umfasst, wieder aufnimmt und spätestens 24 Stunden nach diesem Arbeitsbeginn wieder enden. Was kann und muss der Fahrer in diesem 24-Stunden-Zeitraum tun? Er KANN maximal neun bzw. zehn Stunden lenken, er MUSS wenn er entsprechend lange lenkt die vorgeschriebenen unterbrechungen einlegen und er MUSS seine tägliche Ruhezeit von mindestens elf bzw. neun Stunden einlegen. Legt der Fahrer im Anschluss an seine Lenktätigkeit eine wöchentliche Ruhezeit ein, zerfließen die Grenzen des 24-Stunden-Zeitraumes in einer Art, die in der Gesetzestheorie nicht ausformuliert ist - jedenfalls ist in diesen Fällen nur noch die Anfangszeit des 24-Stunden-Zeitraumes relevant, nicht mehr jedoch dessen Ende, da dieses im Rahmen der gesetzlichen Vorgaben zwingend außerhalb von 24 Stunden seit Beginn des ursprünglichen 24-Stunden- Zeitraumes liegt. Das heißt also, dass ein 24-Stunden-Zeitraum nicht zwingend 24 Stunden lang dauert in der Realität tut er dies übrigens in den seltesten Fällen. Zur Verdeutlichung ein Beispiel: Arbeitsbeginn beginn Fahrtunterbrechung Arbeit Fahrtunterbrechung Arbeit Arbeitsende und Beginn Ruhezeit 06:00 Uhr 06:30 Uhr 08:45 Uhr bis 09:00 Uhr 09:00 Uhr bis 10:00 Uhr 10:00 Uhr bis 10:30 Uhr 10:30 Uhr bis 11:00 Uhr 11:00 Uhr bis 11: 30 Uhr 11:30 Uhr bis 12:00 Uhr 12:00 Uhr bis 14:00 Uhr 14:00 Uhr

Ruhezeit Ende und Beginn Arbeitzeit 01:00 Uhr am Folgetag Summe Arbeitszeit Summe Summe Ruhezeit + Pause 1,5 Stunden 5,75 Stunden 11,75 Stunden Gesamtdauer 19 Stunden Alles bewegt sich im legalen Rahmen, auch die Vorschriften des Arbeitszeitgesetzes werden eingehalten. Es wird deutlich, dass der um 06:00 Uhr beginnende 24-Stunden-Zeitraum bereits nach 19 Stunden beendet ist und um 01:00 Uhr am Folgetag ein neuer 24-Stunden-Zeitraum beginnt bzw. beginnen kann. Da es sich bei den Vorgaben zur täglichen (und wöchentlichen) Ruhezeit ja um Mindestvorgaben handelt, hätte der Fahrer die Ruhezeit natürlich auch noch ausweiten und den Beginn des nächsten 24-Stunden-Zeitraumes somit weiter in die Zukunft verschieben können. Oben war von Verwirrung und Kopfzerbrechen die Rede was ist daran also kompliziert? Die Betrachtung einzelner 24-Stunden- Zeiträume ist überhaupt nicht kompliziert - erst wenn mehrere 24-Stunden-Zeiträume aufeinander folgen, die ergänzenden gesetzlichen Zeitvorgaben bezüglich der maximalen (doppel-) kalenderwöchentlichen en und Regelungen zu den einzulegenden wöchentlichen Ruhezeiten hinzukommen (ganz zu schweigen von den Ausgleichsvorschriften für verkürzte wöchentliche Ruhezeiten), wird es anspruchsvoll. Die Verordnung (EG) Nr. 561/2006 besagt unter anderem, dass: eine tägliche Ruhezeit regelmäßig mindestens elf zusammenhängende Stunden betragen muss und drei Mal pro Kalenderwoche eine Reduzierung auf mindestens neun zusammenhängende Stunden möglich ist (keine Ausgleichspflicht der Minderstunden ), eine tägliche Ruhezeit gesplittet werden kann, wobei der erste Abschnitt mindestens drei zusammenhängende Stunden und der zweite Abschnitt mindestens neun zusammenhängende Stunden betragen muss, in einer Kalenderwoche maximal 56 Stunden gelenkt werden darf, in einer Doppelwoche maximal 90 Stunden gelenkt werden darf, in einer Kalenderwoche mindestens eine regelmäßige (mindestens 45 zusammenhängende Stunden andauernde) oder eine verkürzte (mindestens 24 zusammenhängende Stunden andauernde) Wochenruhezeit einzulegen ist, die Stundendifferenz einer verkürzten Wochenruhezeit zu einer regelmäßigen Wochenruhezeit bis zum Ende der dritten Folgewoche ausgeglichen werden muss (z.b. 30 Stunden verkürzte Wochenruhezeit eingelegt, 15 Stunden müssen an eine mindestens neunstündige Ruhezeit angehängt werden), auf eine verkürzte Wochenruhezeit eine regelmäßige Wochenruhezeit folgen muss, unterwegs im Fahrzeug verbrachte Wochenruhezeiten nur als verkürzte Wochenruhezeiten anzusehen sind (unabhängig von ihrer tatsächlichen Dauer), spätestens am Ende von sechs 24-Stunden-Zeiträumen (nach dem Ende der vorausgegangenen wöchentlichen Ruhezeit) eine wöchentliche Ruhezeit eingelegt werden muss und eine Wochenruhezeit, die zwei Kalenderwochen tangiert, nur einer der beiden Kalenderwochen zugeordnet werden darf. Für sich gesehen sind diese Regelungen alle noch weitestgehend nachvollziehbar. Erst in der Kombination erwachsen daraus Anforderungen, über die man durchaus den Überblick verlieren kann. Natürlich helfen die Software-Anwendungen in vielen Fällen bei der Ermittlung der noch zur Verfügung stehenden Zeitkontingente und der Einsatzplanung der Fahrer. Jedoch ergeben sich in der Realität Szenarien, bei denen auch eine Software an Ihre Grenzen stößt und die es notwendig machen, die Gegebenheiten mit der Hand am Arm zu prüfen. (konstruiertes) Beispiel: Ein Fahrer beginnt nach einer regelmäßigen Wochenruhezeit am Montag um 06:00 Uhr seine Arbeit. Er fährt sofort los, beendet nach einer Stunde Fahrtzeit seine Arbeitstätigkeit und geht sofort in eine elfstündige Ruhezeit über. Direkt im Anschluss an diese Ruhezeit beginnt er erneut mit einer Lenktätigkeit, die ebenso exakt eine Stunde andauert. Im Anschluss legt der Fahrer wieder

mal eine elfstündige Ruhezeit ein. Mittlerweile ist es also 06:00 Uhr am Dienstag, es sind nach dem Arbeitsbeginn am Montag um 06:00 Uhr exakt 24 Stunden vergangen. Fragestellung: Wie viele 24-Stunden-Zeiträume sind mittlerweile verbraucht? Antwortmöglichkeit 1: Es wurden bereits zwei 24-Stunden-Zeiträume in Anspruch genommen, da in Folge der ersten Lenktätigkeit eine vollständige (regelmäßige) tägliche Ruhezeit eingelegt wurde und im Anschluss daran ein neuer, für die Berechnung der Lenk- und Ruhezeiten maßgeblicher 24-Stunden-Zeitraum angeschlossen hat. Auch dieser zweite 24-Stunden-Zeitraum wurde vollständig ausgefüllt, da neben einer Lenktätigkeit auch wieder eine vollständige tägliche Ruhezeit in den Aufzeichnungen vorzufinden ist. Antwortmöglichkeit 2: Es wurde erst ein 24-Stunden-Zeitraum verbraucht, da die erste elfstündige Ruhezeit nur den ersten, mindestens dreistündigen Part einer gesplitteten Tagesruhezeit darstellt und die zweite elfstündige Ruhezeit dem mindestens neuenstündigen zweiten Part der gesplitteten Tagesruhezeit entspricht. Die en sind voll im gesetzlichen Rahmen und auch der insgesamt zur Verfügung stehende Zeitraum von 24 Stunden seit Ende der letzten (wöchentlichen) Ruhezeit wird vollumfänglich eingehalten. Damit aber nicht genug. Stellt sich nämlich die Frage, wie oft der Fahrer diesen Wechsel einer einstündigen, gefolgt von einer elfstündigen Ruhezeit praktizieren darf? Sechs Mal bei einer Interpretation im Sinne der Antwort 1 oder zwölf Mal, wenn die Rechtslage wie in Antwort 2 ausgelegt wird? Leider verfügt die IHK nicht über ein Simulationstool und entsprechende Softwareprodukte zur Auswertung der beschriebenen Szenarien. Unabhängig davon spricht die Rechtslage aber ganz klar für Antwortoption 2. Interessant wäre nur, ob die am Markt verfügbaren Softwarelösungen auch in diesem Sinne programmiert sind. Sollte dies nicht der Fall sein, wäre das für die Praxis aus Fahrer- und Unternehmenssicht sicher nicht allzu relevant, da es sich ja um ein konstruiertes Beispiel handelt. Fatal wäre es hingegen, wenn die Softwarelösungen, die seitens der Kontroll- und Bußgeldbehörden verwendet werden, hierzu zu einem anderen Ergebnis kommen. Schließlich hört man ja immer wieder, dass Bußgeldbescheide "auf Knopfdruck" erstellt werden und die bebußten Verstöße gar nicht (mehr) auf inhaltliche/rechtliche Richtigkeit geprüft werden. Zwischenfazit: Ein 24-Stunden-Zeitraum hat grundsätzlich überhaupt nichts mit einem Kalendertag zu tun! Ein weiteres Thema: Schichtzeit versus Arbeitszeit Auch das mit gemischten Gefühlen zu betrachtende Thema der Schichtzeit, das stets im Zusammenhang mit der Arbeitszeitgesetzgebung zu sehen ist, geht vermeintlich auf den 24-Stunden-Zeitraum zurück. Zunächst ist festzuhalten, dass auf deutschem Hoheitsgebiet das Arbeitszeitgesetz gilt. Auf europäischer Rechtsebene gibt es mit der Richtlinie 2002/15/EG ein in nationales Recht umgesetztes Regelwerk, dass gleichlautende Grenzen für die Beschäftigungsdauer eines Arbeitnehmers vorgibt. Ja sogar die Arbeitszeit selbstfahrender Unternehmer im gewerblichen Güterkraft- und Personenverkehr ist mittlerweile eingeschränkt worden (siehe Verknüpfung unter 'Mehr zu diesem Thema'). Nach den arbeitszeitrechtlichen Vorschriften ist bei durchschnittlich acht Stunden Arbeit pro Tag Schluss, eine Ausdehnung auf täglich maximal zehn Stunden ist bei Einhaltung des 8-Stunden-Durchschnitts innerhalb festgelegter Ausgleichszeiträume möglich. Diese 10-Stunden-Begrenzung stellt also die grundsätzliche Obergrenze der Arbeitstätigkeit nach geltendem Recht dar. Auch der Umstand, dass das Fahrpersonalrecht als sogenanntes lex specialis dem Arbeitszeitrecht übergeordnet ist, ändert an dieser Tatsache nichts. Für die Praxis bedeutet dies, dass ein Fahrer, der seine von neun Stunden voll ausschöpft, noch maximal eine Stunde mit anderen Arbeiten verbringen kann. Wird die auf zehn Stunden ausgeweitet, bleibt keinerlei Spielraum für andere Arbeiten mehr. Nun kommt die Praxis und somit der 24-Stunden-Zeitraum in Spiel. Lässt man die Arbeitszeitgesetzgebung außer Acht, und das scheint für viele, wenn nicht gar die Mehrheit Fahrer zuzutreffen, ergibt sich folgende Rechnung: 24 Stunden minus elf (oder neun) Stunden Ruhezeit ergibt 13 (oder 15) Stunden für Arbeitstätigkeiten. Diese Rechenweise hat sich bei vielen Unternehmen etabliert, Wettbewerbsdruck und mangelnde Kontrolle hat diese Auslegung verfestigt. Mit der Arbeitszeitgesetzgebung geht das natürlich in keiner Weise konform. Es erscheint aber nicht allzu weit hergeholt, dass ohne das Konstrukt des 24-Stunden-

Zeitraumes eine solche Rechnung nicht angestellt werden könnte. Vor dem Hintergrund, dass die Sozialvorschriften neben einer Steigerung der Verkehrssicherheit und anderen Zielen auch insbesondere den Schutz der Arbeitnehmer vor überlangen Arbeitszeiten, die ja direkte Auswirkung auf die Straßenverkehrssicherheit haben, bezwecken, ist dieses 24-Stunden-Zeitraum-Konstrukt zusätzlicher Kritik ausgeliefert. Aber seitens des Gesetzgebers endet das widersprüchliche Verhalten an dieser Stelle nicht. Über das Instrument der Bereitschaftszeiten ergibt sich eine Handhabe, den Fahrer während der resultierenden 13 bzw. 15 Stunden auch tatsächlich im Rahmen seiner Arbeitstätigkeit einzusetzen. Für jene Fahrer, die Fahrzeuge bewegen, die unter die Verordnung (EG) Nr. 561/2006 fallen, hat der Gesetzgeber besondere Regelungen bezüglich der Bereitschaftszeit eingeräumt. Ist dem Fahrer die Dauer einer Wartezeit, während der er (offiziell) nicht arbeitet, im Voraus bzw. direkt vor Beginn der Wartezeit bekannt, zählt dieser Zeitraum weder als Arbeits- noch als Ruhezeit oder als Pause. Die Tätigkeit wird also unterbrochen, ohne dass die anderen Zeitkontingente, insbesondere die zur Verfügung stehende Arbeitszeit, gemindert wird. Dass heißt nicht, dass ein Fahrer 13 oder 15 Stunden arbeitet, aber zwischen Arbeitsbeginn und Arbeitsende liegen dann eben bis zu 15 Stunden. Auf der einen Seite kann bezweifelt werden, dass der Zeitraum im Vorfeld oder direkt zu Beginn der Wartezeit stets exakt beziffert werden kann. Bekommt der Fahrer die Information, er müsse 30 Minuten bis zur Entladung warten, tatsächlich geht es aber bereits nach 20 Minuten weiter, würde es sich bei einer engen Auslegung, von der grundsätzlich auszugehen ist, nicht um eine Bereitschaftszeit, sondern um Arbeitszeit handeln. In gleicher Weise würde sich eine tatsächliche 40-minütige Wartezeit auswirken. Auf der anderen Seite kann eine wirksame Kontrolle der Thematik nur sehr eingeschränkt stattfinden. Im Arbeitszeitgesetz ist nur geregelt, wann es sich um eine Bereitschaftszeit handeln kann ein Nachweis, etwa in der Form, dass der Fahrer die ihm benannte Wartezeit schriftlich festhalten oder seiner Disposition melden muss, findet sich im Gesetzestext nicht. Für einen Kontrollbeamten ergibt sich somit kein stichhaltiger Hinweis, ob die Bereitschaftszeit rechtskonform als solche ausgewiesen wurde oder nicht. Der Fahrer hat legal alle Möglichkeiten, im Nachhinein die faktische Wartezeit als die ursprünglich verkündete auszugeben. Nebenbei dürfte dies auch einer der vielen Gründen sein, weshalb der Beruf des Kraftfahrers derart unattraktiv erscheint, dass in den nächsten Jahren und Jahrzehnten ein massiver Mangel an Kraftfahrern vorherrschen wird. Außerdem senkt das Instrument der Bereitschaftszeit den Druck auf die Akteure und hier insbesondere die Empfänger und Verlader, die Logistikketten zu optimieren und das vermeintlich drängendste Problem - lange Wartezeiten an den Rampen - anzugehen. Ganz nach dem Motto: soll der Fahrer eben auf die Be- oder Entladung warten er kann ja auf Bereitschaftszeit umstellen. Würde diese Möglichkeit gekappt und die Arbeitsdauer der Fahrer dadurch auf ein sozialverträgliches Maß verringert, hätten die Fahrer einen attraktiveren Arbeitsplatz und auch die Rampenproblematik, um deren Linderung sich sogar das BMVBS müht, würde aufgrund der neuen Gegebenheiten wahrscheinlich innerhalb kurzer Zeit gelöst werden. Drittens könnte sich ein positiver Effekt für die Straßenverkehrssicherheit einstellen, da Fahrer, die (regelmäßig) 13- oder 15- Stunden-Schichten erbringen, sicher nicht die ausgeschlafensten sind. Paradoxerweise können übrigens Fahrer von leichten Nutzfahrzeugen (bis zu einem zulässigen Gesamtgewicht von 3.500 kg oder mit maximal acht Fahrgastsitzplätzen, von denen im Falle eines Unfalls ein deutlich geringeres Risiko ausgeht als von schweren Nutzfahrzeugen), Wartezeiten nicht als Bereitschaftszeiten ausweisen. Hier zählen diese immer als Arbeitszeit. Im Ergebnis bleibt festzuhalten, dass die "Erfindung" des fahrpersonalrechtlichen 24-Stunden-Zeitraumes einen flexibleren Einsatz des Fahrpersonals ermöglicht und somit auch den individuellen betrieblichen Gegebenheiten und dem generellen Geschäftsgebaren im Logistiksektor zu Gute kommt. Die Kehrseite der Medaille sind aber eine massive Steigerung der Komplexität des Fahrpersonalrechtes sowie direkte und indirekte negative Folgen für das Fahrpersonal und die Straßenverkehrssicherheit. Stand: Februar 2013 * Wenn hier vom Fahrer die Rede ist, ist natürlich immer auch an die Fahrerin gedacht. DOKUMENT-NR. 121017

MEHR ZU DIESEM THEMA Arbeitszeitvorschriften gelten seit 1. November 2012 für selbstständige Kraftfahrer (Dokument-Nr.: 115857) Rechtsgrundlagen für Verkehr und Transport (Dokument-Nr.: 20336) Sozialvorschriften (Lenk- und Ruhezeiten) im Straßenverkehr (Dokument-Nr.: 20097) Downloads Broschüre Sozialvorschriften im Straßenverkehr (PDF, 990 KB) (Dokument-Nr.: 19870) ANSPRECHPARTNER IHK Region Stuttgart Götz Bopp Telefon: 0711 2005-1240 Fax: 0711 2005-1429 goetz.bopp@stuttgart.ihk.de Industrie- und Handelskammer Region Stuttgart Für die Richtigkeit der in dieser Website enthaltenen Angaben können wir trotz sorgfältiger Prüfung keine Gewähr übernehmen. Weitere Informationen, auch zu Datenschutz und Haftung, finden Sie im Impressum.