Phil 4,4-7 21. 12. 2003 1 4. Advent Freut euch in dem Herrn, und abermals sage ich euch: Freut euch! Was für eine Ermunterung heute am 4. Advent. In mir kommen 2 sehr unterschiedliche Gedanken hoch, wenn ich diese Aufforderung der Bibel höre. Zum einen spüre ich eine wirklich echte und tiefe Freude, die da weitergegeben wird. Paulus meint ernst, was er hier sagt, er trägt diese Freude in sich und will sie weitergeben. Und bei mir kommt sie auch nach 2000 Jahren noch an. Warum kommt sie an? Vor allem natürlich dadurch, dass ich weiß, in welcher Situation Paulus diese Worte geschrieben hat. Er saß nämlich im Gefängnis. Er musste damit rechnen wegen Volksverhetzung zu sterben. Ein Urteil, das aus heutiger Sicht sicherlich völlig unangemessen ist, allein dafür, dass er christliche Gedanken verkündet. Doch das war damals so. In dieser Situation hatte er wohl aber doch die Möglichkeit einen Brief an seine Brüder und Schwestern in Philippi zu schreiben. Vielleicht war es für ihn so etwas wie eine Art Testament, das er hinterlassen wollte. Wir wissen, dass er frei kam, dass er später noch andere Gedanken schreiben konnte. Aber in diesem Moment war es für ihn Endzeitstimmung. Doch diese Endzeitstimmung war nicht besetzt von Verzweiflung und Angst, von Hoffnungslosigkeit und Resignation, sondern es war zutiefst bestimmt von Freude und Hoffnung. Warum? werden wir uns fragen. Nun, weil Paulus und mit ihm viele andere Christen davon ausgingen, dass die Wiederkunft Christi und damit die Veränderung der Welt im Sinne Gottes direkt bevorstand. Wenn zu diesem Zeitpunkt auch Leiden zu
2 ertragen waren, so war das nichts gegen die Hoffnungen, die die Christen im Herzen trugen und die das Leben in einem ganz anderen Licht erscheinen ließen. Insofern spricht aus den Worten: Freut euch im Herrn allezeit, eine wirkliche, tiefe empfundene Freude, die bis heute hin spürbar ist. Sie strahlt aus, vom Gefängnis des 1. Jahrhunderts bis in die freie Welt des 21. Jahrhunderts. Von solcher Freude möchte ich auch erfüllt sein, eine Freude, die durch alle schwierigen Seiten des Lebens hindurch trägt, die über alle Tagesereignisse des kleinen und großen Lebens hinaus reicht. Nur - und da stellt sich dann der zweite Gedanke ein - kann man eine solche Freude befehlen, kann man äußerlich dazu ermutigen? Ist Freude nicht so etwas wie Liebe, die sich einfach einstellt, sondern die sich ergibt? Liebe kann ich nicht einfordern und auch Freude kann ich nicht einfordern. Entweder ich freue mich oder ich freue mich nicht. So erleben wir es zumindest. Einfordern oder befehlen können wir nicht, aber wir können zur Liebe ermutigen. Und wir können zur Freude ermutigen. Ich kann Hinweise geben, warum es richtig ist, Liebe zu entwickeln, ich kann Gründe aufzeigen, warum wir Grund zur Freude haben, warum die Freude das Grundelement unseres Lebens sein kann. Freut euch im Herrn allezeit, in diesem Satz steckt schon ein ganz wichtiger Hinweis. Es geht bei der christlichen Freude nicht um ein allgemeines sich Freuen, sondern um ein sich Freuen im Herrn. Christliche Freude besteht nicht darin, dass unsere Lebensumstände freudig sind, dass wir also ein Leben
3 führen, das freudvoll ist. Gerade Paulus hatte nun wahrlich keinen Grund zur Freude und doch war er voller Freude. Allerdings in einer Art, die für uns nicht mehr so möglich ist. Er konnte noch an eine baldige Ankunft Jesu glauben, uns fällt das nach 2000 Jahren schon ein wenig schwer. Wir gehen eher davon aus, dass sich in dieser Weise nichts ändert. Der Herr ist nahe! das war für Paulus noch ein Ruf dahingehend, sein Leben auf dieses Kommen auszurichten. Für uns klingt es er nach: Weihnachten ist nahe am 4. Advent. Aber vielleicht dürfen wir eben diesen Satz auch nicht einfach zeitlich verstehen, wie es Paulus getan hat, sondern wir müssen ihn personal verstehen. Jesus Christus kommt uns nahe, Gott ist uns nahe. Er ist wohl nicht direkt greifbar, nicht vorzeigbar, das muss immer wieder gesagt werden, aber er ist nahe, er ist gegenwärtig, seine Wahrheit, seine Wirklichkeit ist mitten unter uns. Die Menschlichkeit Gottes ist unter uns, sie ist wirksam. Darum geht es auch am 4. Advent, dem letzten Sonntag vor dem Weihnachtsfest. Daran will erinnert werden, wenn Paulus zur Freude im Herrn allezeit erinnert. Die biblischen Geschichten, die wir erzählen, dienen ja nicht nur dazu längst Vergangenes in Erinnerung zu rufen. Sie sollen eine andauernde Wirklichkeit beschreiben, die unabhängig ist von irgendwelchen Festen, die Menschen einmal festgelegt haben. Und eine der bedeutendsten Wahrheiten und Wirklichkeiten ist eben, dass Gottes Gegenwart unter uns Menschen lebendig ist. Mir wird das immer deutlich in dem Lied von Jochen Klepper, die Nacht ist vorgedrungen. Ich fände es schön, wenn wir die
4 Verse 1,3 und 4 von diesem Lied an dieser Stelle gemeinsam singen würden, damit jeder von uns diese Gedanken einmal ausgesprochen zu hat. Dieses Lied ist für mich erfüllt von tiefer christlicher Freude, wie ich sie an anderen Stelle kaum beschrieben finde. Diese Verse sind für mich durchdrungen von einer ganz tiefen Ernsthaftigkeit und Lebensnähe, die mir gerade dadurch sehr viel Mut machen, am christlichen Glauben festzuhalten. Die Nacht ist vorgedrungen, der Tag ist nicht mehr fern. Jochen Klepper weiß 1938 wie schwierig die Lebenssituation der Menschen ist. Er selber steht unter stärkstem Druck, seine Frau ist Jüdin, er ist von der Judenverfolgung direkt mit betroffen. Leider konnte er selber diesem Druck am Ende doch nicht standhalten. Er hat 4 Jahre später zusammen mit seiner Frau Selbstmord begangen. Doch 1938 hat ihn der Gedanke an Weihnachten, dass da ein Licht in die Welt gekommen ist, das alle Dunkelheit vertreiben kann, noch dazu gebracht, zu einem Lobgesang aufzurufen. Trotz des Wissens um das Ende von Jochen Klepper ist dieses Lied für mich einer der wichtigsten Adventsgedanken. Wenn wir uns auch in der Situation der Nacht befinden, wenn wir auch unser Leben mehr im Finstern als im Hellen sehen mögen, die Mitternacht ist immer überschritten, es geht dank unseres Gottes immer auf den Tag zu. Selbst mitten im Karfreitag scheint irgendwie auch schon das Licht von Ostern, mitten in der Dunkelheit der Trauer, des Leides und der Not scheint doch auch das Licht des Advent, das Licht des Kommens Jesu. Noch manche Nacht wird fallen auf
5 Menschenleid und -schuld, doch wandert schon mit allen der Stern der Gotteshuld. Schöner und lebensnäher kann man es nicht in Worte fassen. Klepper verspricht keine heile Welt, Weihnachten ist nicht die Idylle eines heilen Lebens. Die dunklen Zeiten begleiten uns weiter und auch an Weihnachten und da spüren wir sie besonders. Da werden wir ja auch gerade sehr aufmerksam für dieses Zeiten. Und doch ist das eben nicht alles. Es gibt diesen Stern von Bethlehem, es gibt dieses Licht in der finstern Nacht und dieses Wort des Engels: Fürchte dich nicht. Es wandert nun mit allen der Stern der Gotteshuld. Beglänzt von seinem Lichte, hält euch kein Dunkel mehr, von Gottes Angesichte kam euch die Rettung her. Darum feiern wir ja auch Weihnachten, darum gehen wir mit kleinen Schritten, Kerze für Kerze auf Weihnachten zu, dass wir dies erkennen und begreifen für unser Leben: Es gibt ein Licht in jedem Dunkel, wir können trotz aller Finsternisse dieses Lebens dennoch Freude empfinden. Und das gilt dann auch nicht nur in der Adventszeit, das gilt jeden Tag unseres Lebens, das ganze Jahr hindurch. Der Herr ist nahe. Sorgt euch um nichts, sondern in allem lasst eure Bitten in Gebet und Flehen mit Danksagung vor Gott kundwerden. Das ist dann die Lebensseite dieser so freudvollen Gedanken, die uns heute vor Augen gestellt werden. Wir werden aufgefordert unser Leben intensiv zu betrachten, es anzuschauen darauf hin, wo wir denn für dieses Leben Danke sagen können. Bitten, beten, flehen, das sind Lebensäußerungen, die Gott suchen, die Leben suchen. Aber das ist nur die eine Seite des Lebens. So sehr wir auch bei Gott Hilfe und Beistand suchen und von ihm her auch
6 brauchen, so sehr gilt sicher auch immer: Wir sind nie ganz am Ende, es gibt so vieles wofür wir auch inmitten des Betens und Flehens dankbar sein können. Ein Leben, das sich selber von Jesus Christus her versteht, von diesem menschlichen Zeichen der Zuwendung Gottes bis in den Tod hinein, das wird diese Dankbarkeit auch immer wieder spüren, wird sie zum Ausdruck bringen. Darin wird dann auch Glaube sichtbar, ein Glaube, der das ganze Vertrauen auf den setzt, der uns zugewandt ist. Diese Dankbarkeit lässt uns immer wieder nach vorne schauen, lässt uns Freude und Lebenshoffnung entwickeln. So wie Paulus auf die Wiederkunft Jesu Christi gewartet hat, so auch mögen wir auf eine bessere Welt warten und hoffen. Aber wir dürfen schon heute so leben, als gäbe es sie schon. Wir leben nämlich unter dem Stern Jesu. Das macht uns dankbar, das macht uns freudig. Amen
Liturgischer Ablauf Orgelvorspiel Lied: 17, 1-4 Psalm: 102 Eingangsliturgie Gebet Gütiger Gott! Du kommst uns nahe, auf dass das Dunkel Hell werden, auf 7 dass die Niedrigen erhöht werden. Du stärkst, was schwach ist und du trocknest die Tränen derer, die Leid tragen. Inmitten von Armut und Not hören wir die Botschaft der Freude. Dafür danken wir dir und bitten dich, lass uns daran teilhaben. Öffne uns für diese Botschaft und mach uns bereit sie mit anderen zu teilen. Das bitten wir... Lesung Phil 4, 4-7 Lied: 9, 1,2,5,6 Lesung: Lk 1, 46-55 Glaubensbekenntnis Lied: 4,1-4 Predigt Lied:16, 1, 3, 4 Predigt Lied: 13, 1-3 Abkündigungen Fürbittengebet Vaterunser Segen 163
Jürgen Grote - Am Pfarrgarten 5-38274 Elbe 8