Jane Stark Stills Faszienkonzepte



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Jane Stark Stills Faszienkonzepte Reading excerpt Stills Faszienkonzepte of Jane Stark Publisher: Jolandos Verlag http://www.narayana-verlag.com/b6516 In the Narayana webshop you can find all english books on homeopathy, alternative medicine and a healthy life. Copying excerpts is not permitted. Narayana Verlag GmbH, Blumenplatz 2, D-79400 Kandern, Germany Tel. +49 7626 9749 700 Email info@narayana-verlag.com http://www.narayana-verlag.com

Jane Stark Stills Faszienkonzepte Eine Studie Aus dem Kanadischen von Dr. Martin Pöttner Überarbeitet von Elisabeth Melachroinakes Titel der Originalausgabe Still s Fascia 2004, Jane Stark 4328 11th Concession RR #1 Moffat, ON L0P 1J0 Canada ISBN 978-3-936679724

Inhalt Erster Band Danksagung................................................................... 15 Abstract..................................................................... 17 Einleitung..................................................................... 19 Kapitel 1 Methodologie..................................................... 27 Vorgehensweise und Quellen beim historischen Erforschen der Person Still... 29 Vorgehensweise und Quellen beim historischen Rückverfolgen der Faszienkonzepte................................................................ 45 Vorgehensweise und Interviewpartner beim Vergleich: Stills Faszienkonzepte und die moderne osteopathische Praxis................. 50 Zusammenfassung............................................................. 59 Kapitel 2 Still verstehen.................................................... 61 Sein Leben..................................................................... 61 Seine Person.................................................................... 78 Sein Werk und seine Ausdrucksweise.......................................... 87 Bestimmende Einflüsse....................................................... 109 Seine Ära..................................................................... 114 Zusammenfassung: Still verstehen............................................ 166 Kapitel 3 Über die Faszien................................................. 169 Die Geschichte des Begriffs Faszie.......................................... 169 Stills Kontakt mit Faszienkonzepten.......................................... 182 Zu Stills Zeiten übliche Therapien und deren Einfluss auf ihn................ 190

Verzeichnis der Tabellen und Abbildungen Abbildung: Die Elemente eines komplexen System S. 211 Tabelle I: Quellen für eine historisch fundierte Darstellung von Stills Leben und Person S. 33 Tabelle II: Für das Faszien-Kapitel verwendete Quellen S. 48 Tabelle III: Liste der ursprünglich ausgewählten und der empfohlenen Osteopathen S. 52 Tabelle IV: Liste der interviewten Osteopath/inn/en und der externen Experten S. 54 Tabelle V: Liste der externen Experten S. 55 Tabelle VI: Stills Sicht vom Menschen S. 135 Tabelle VII: Die Herkunft des Faszienbegriffs Expertenaussagen und -definitionen S. 173 Tabelle VIII: Vergleich zwischen den strukturellen Eigenschaften eines komplexen Systems und Stills Faszien-System S. 216 Tabelle IX: Vergleich zwischen den funktionellen Eigenschaften eines komplexen Systems und Stills Faszien-System S. 217 Tabelle X: Textstellen aus Research and Practice, wo Still Krankheiten aufzeigt, an denen Faszien beteiligt sind S. 238 Tabelle XI: Stills Sicht vom Körper und moderne Begrifflichkeit S. 284 Tabelle XII: Stills dreifach differenzierte Einheit im Vergleich mit heutigen Begriffen S. 284 Tabelle XIII: Wann/wie fand Ihr erster Kontakt mit A. T. Stills Lehren statt? S. 288 Tabelle XIV: Haben Sie seitdem A. T. Stills Werk weiter gelesen oder studiert? S. 290 Tabelle XV: Wie häufig denken Sie an A. T. Stills Werk? S. 292 Tabelle XVI: Sind Sie mit Stills Verwendung des Ausdrucks Biogen vertraut? S. 293 Tabelle XVII: Antworten auf Fragebogen-Frage 4: Nehmen Sie routinemäßig eine Einschätzung und Behandlung der Faszien vor? S. 295 Tabelle XVIII: Was bedeutet für Sie Einschätzen der Faszien? S. 298 Tabelle XIX: Können Sie die Faszien berühren? Wenn ja, wie wissen Sie das? S. 301 Tabelle XX: Können Sie die Faszien sehen oder wahrnehmen, ohne den Patienten zu be rühren? Wenn ja, wie? S. 305 Tabelle XXI: Wie fühlen sich gesunde Faszien für Sie an? S. 308 Tabelle XXII: Finden Sie, dass alle Ihre Patienten eine Faszien-Behandlung benötigen? Wenn ja, warum? S. 311 Tabelle XXIII: Was ist Ihr Ziel, wenn Sie die Faszien behandeln? S. 314 Tabelle XXIV: Wie wissen Sie, dass Sie erfolgreich waren? S. 317 Tabelle XXV: Wie verstehen Sie den Zusammenhang zwischen Faszien und Vitalität? S. 320 Tabelle XXVI: Antworten auf das erste physische Zitat S. 323 Tabelle XXVII: Antworten auf das zweite physische Zitat S. 324 Tabelle XXVIII: Antworten auf die beiden philosophischen Zitate S. 326 Tabelle XXIX: Antworten auf das erste philosophische Zitat S. 328 Tabelle XXX: Antworten auf das zweite philosophische Zitat S. 330 Tabelle XXXI: Antworten auf die beiden spirituellen Zitate S. 332

Vorwort Er [der Osteopath] erkennt, dass er all die das Leben störenden Ursachen finden kann, die Krankheiten hervorrufen und wachsen lassen, die Samen von Krankheit und Tod. 1 * Andrew Taylor Still benutzte den Begriff Faszien wechselweise mit dem Begriff Membranen. Er bezog sich demnach bei der Verwendung dieser beiden Begriffe auf fibröse oder seröse und/oder auf muköse Membranen (Schleimhäute). Obgleich es ungewöhnlich ist, in einer Einführung gleich die Schlussfolgerung voranzustellen, sind deren Auswirkungen für die Osteopathie zu bedeutend, um sie erst ans Ende dieser umfangreichen, von Viola Frymann DO, FAAO, FCA als eine hervorragende Tiefenstudie der philosophischen Fundamente der Osteopathie bezeichneten Arbeit zu setzen, deren Hauptteil zur besagten Schlussfolgerung führt und sie bestätigt. A. T. Still studierte Gott und Erfahrung und das Große Buch der Natur. Er folgte den Wahrheiten in der Natur, beschrieb diese aber auf seine ganz eigene Art. Mit Faszien oder Membranen meinte er wie gesagt sowohl fibröse bzw. seröse wie auch muköse Membranen, wobei unter fibrösen Membranen die Aponeurosen bzw. das Periost zu verstehen sind, unter serösen Membranen das Peritoneum sowie die Mesenterien und unter mukösen Membranen die epitheliale Auskleidung der Verdauungs-, Atmungs- und Fortpflanzungssysteme. Diese Art der Membranen-Klassifizierung ähnelt mehr jener von Xavier Bichat (1771 1802) als der histologischen Einteilung unserer Tage, die fibröse und seröse Membranen als Bindegewebe bezeichnet, wohingegen die mukösen Membranen dem Epithelgewebe zugeordnet werden. Mit dem wiederauflebenden Interesse an Stills Original-Philosophie kann eine erneute, aus dem damaligen Kontext heraus erfolgende Bewertung seines Werks helfen, einige seiner bisher unterschätzten Äußerungen besser zu verstehen. So bekommen beispielsweise auf die Rolle der Faszien bezogene Feststellungen wie Durch ihre Aktion leben wir, durch ihr Versagen schrumpfen oder schwellen und sterben wir eine reichere Bedeutung, wenn man berücksichtigt, dass hier auch die epithelialen Auskleidungen der Organe gemeint sind. * Sämtliche Anmerkungen auf Seite 399 ff.

Vorwort 11 den Faszien zugeschrieben hat, ein ganz eigenes Verständnis besaß wie einen Edelstein und dass nur dann, wenn man all diese einzelnen Juwelen zu einem Ganzen zusammensetzte, die Faszienkonzepte der Osteopathen jene von A. T. Still widerspiegelten. Wenn Osteopathen den menschlichen Körper als funktionelle Einheit betrachten, könnte umgekehrt der menschliche Körper von den vereinten Bemühungen der Osteopathen profitieren, sich untereinander über ihre Arbeit auszutauschen, um gemeinsam die Mysterien und Antworten zu entdecken, die in der göttlichen Konstruktion und Funktionsweise des Körpers verborgen sind. Möge die vorliegende Studie der erste Schritt sein auf dem Weg zu einer Einigkeit im osteopathischen Denken. Jane Stark September 2006

Danksagung Nachfolgend sind alphabetisch die Namen der Personen aufgelistet, die mich beim Erstellen der vorliegenden Studie unterstützt haben, indem sie mir Hilfe und Rat boten, mich inspirierten oder beim Korrekturlesen halfen: Rueben P. Bell, D.O., University of New England, College of Osteopathy: inhaltliche Beratung, Korrektur Robert Davis, Ph. D., Pikeville, Kentucky: philosophische und historische Einsichten Walter Davidson, Adair County Historical Society in Kirksville, Missouri, Kirksville, Missouri: Unterstützung bei der Recherche Jerry Dickey, D.O., F.A.A.O., Forthworth, Texas: historische Einsichten Jean Drouin, Toronto, Ontario: persönliche Unterstützung, Korrektur Philippe Druelle, D.O., Montreal, Quebec: Gründer und Präsident des Canadian College of Osteopathy, Toronto, Canada: Inspiration, Ermutigung Norman Gevitz, Ph. D., Michigan State University, College of Osteopathic Medicine, Athens, Ohio: kritische Besprechung von Ideen Guy Goldston, Guelph, Ontario: Korrektur Ruth Gotthardt Ph. D., Whitehorse, Yukon Territories: redaktionelle Unterstützung und Korrektur Kristin Honey, Guelph, Ontario: Korrektur John M. Jones III, DO, Philadelphia College of Osteopathic Medicine, Philadelphia, Pennsylvania: historische Einsichten und kritische Besprechung von Ideen Harold I. Magoun Jr., DO, F.A.A.O., Englewood, Colorado: historische Einsichten Michael M. Patterson, Ph. D, NOVA Southeastern University, College of Osteopathic Medicine, North Miami Beach, Florida: Betreuer der Studie Marcee Rosenzweig, DO M. P., Toronto, Ontario: Korrektur Ida Sorci, Bibliotheksleiterin, Library/Archives of the American Osteopathic Association, Chicago, Illinois: Unterstützung bei der Forschung Julie Saint Pierre, DO, Montreal, Quebec: Übersetzung des [englischen] Abstracts Ed Stiles, DO, F.A.A.O., Pikeville College of Osteopathic Medicine, Pikeville, Kentucky: Historische Einsichten. Robert Stark, Moffat, Ontario: persönliche Unterstützung Pierre Tricot, D.O., Frankreich: französische Übersetzungen

Abstract In der vorliegenden Arbeit, die helfen soll, eine Andrew Taylor Stills Faszienkonzepte betreffende Lücke in der osteopathischen Literatur zu schließen, wurden zwei qualitative Forschungsansätze verwendet: ein literaturbasierter und ein interviewbasierter. Eine Zusammenschau der Ergebnisse aus diesen beiden Ansätzen soll aufzeigen, welche Bedeutung Still den Faszien gab und wie seine Konzepte von einer Stichprobe heute praktizierender Osteopathen bzw. osteopathischer Ärzte verstanden werden. Die literaturgestützte Forschung liefert eine Skizze von Stills Leben, um sein Wesen zu erfassen und die Einflüsse aufzuzeigen, die seinen Charakter und seinen Stil formten. Zu diesen Einflüssen gehörten seine Familie, die Lebensweise der Pioniere, Lektüre, der amerikanische Bürgerkrieg, die spiritistische Bewegung im Amerika des 19. Jahrhunderts sowie Freundschaften, die ihm halfen, sein Denken und seine Weltsicht auszubilden. Es wurde auch untersucht, inwiefern die Geschichte des Begriffs Faszien und die verschiedenen, zu Stills Zeit populären mechanischen Therapien seine Faszienkonzepte beeinflusst haben. Die verwendete Textbasis umfasst alle bekannten und veröffentlichten Schriften von Still, seine relevanten nichtveröffentlichten Texte sowie die damalige medizinische Literatur. Auf dieser Basis werden Stills Faszienkonzepte vor dem Hintergrund der Philosophien und intellektuellen Strömungen seiner Zeit sorgfältig identifiziert und definiert. Für die interviewgestützte Forschung wurden 37 Osteopathen und osteopathische Ärzte verschiedener Nationalität ausgewählt, die jeweils eine mindestens 20-jährige osteopathische Praxis vorzuweisen hatten und in den Interviews ihre Ansichten über Still, über die Faszien und über Stills Faszienkonzepte darlegen sollten. Bei der Analyse und Synthese dieser Interviews ergab sich ein beachtlicher Unterschied zwischen Stills Faszienkonzepten und denen der Befragten. Von wenigen Ausnahmen abgesehen ließ sich ein allgemeines Nichtübereinstimmen in Bezug auf die getreue Fortführung von Stills Faszienkonzepten feststellen. Die Autorin kam deshalb zu der Überzeugung, dass der osteopathische Berufsstand aus einem erneuerten Verständnis Stills und seiner Philosophie Gewinn ziehen würde, besonders im Bereich Faszien.

Einleitung Wer die Osteopathie verstehen will, muss Andrew Taylor Stills Werk verstehen und in diesem Zusammenhang auch etwas über die unmittelbaren Vorgänger dieses Mannes wissen. Wie sah die medizinische Welt aus, in der sich Stills Augen öffneten und in die sie mit der schärfsten Kritik der Geschichte blickten? 1 Worum es in der vorliegenden Studie geht, ist ein umfassendes und kritisches Untersuchen von Stills Faszienkonzepten, die wir zu diesem Zweck in physische, philosophische und spirituelle Konzepte unterteilen. Eine derartige Arbeit gibt es unter den zur Osteopathie veröffentlichten Werken bislang nicht. Kleinere Artikel zu Stills physischen Faszienkonzepten enthält die noch im Aufbau befindliche Datenbank Ostmed (Ostmed, The Osteopathic Literature Database, 2003). Einige Osteopathen oder osteopathische Ärzte (in der Folge stets einheitlich Osteopathen genannt), die über Stills Faszienkonzepte schrieben im Einzelnen sind das: Truhlar, Arbuckle, Kerr, McConnell und gelegentlich sogar Magoun senior, zitierten in ihren Texten zwar Stills Gedanken zum Thema Faszien, unternahmen aber kaum je den Versuch, deren Bedeutung zu interpretieren. Zu den prominentesten Osteopathen, die sich zu Stills Faszienkonzepten schriftlich geäußert haben, gehören Arthur Becker, Fredrick Becker, Roland Becker und Angus Cathie. Harold I. Magoun senior DO, stellte in seinem berühmten Abhandlung über Stills physische Faszienkonzepte fest, dass Still damals das Faszienproblem sogar besser verstanden habe als einige Spitzenleute in der heutigen Forschung.2 Weniger bekannt, obgleich einer der bedeutendsten Unterstützer von Still, ist Charles H. Kauffmann DO, der in den 1940er- und den frühen 1950er-Jahren ein Dutzend Artikel zu Stills Faszienkonzepten schrieb. Kauffmann besaß Zugang zu Stills seltenem dritten Buch The Philosophy and Mechanical Principles of Osteopathy. Keinerlei osteopathische Literatur liegt zu Stills philosophischen und spirituellen Faszienkonzepten vor. William Garner Sutherland äußerte zu Stills Sicht des Lebensprinzips,3 das dieser im Kontext der Faszien erörtert hat: Dr. Still gab sein Bestes, um uns in das Phänomen einzuführen. Doch wir waren dafür nicht aufnahmefähig 4. Und auch Rollin E. Becker DO zitierte Sutherland in diesem Sinne: Ich habe oft darauf hingewiesen, dass wir in der Osteopathie etwas verloren haben, das Still mitzuteilen versuchte, und zwar das Spirituelle, das er in die Wissenschaft der Osteopathie einschließen wollte.5

Einleitung 21 Still-Biografin Carol Trowbridge (1991) eingegangen. Das ist notwendig, weil man, um Stills Faszienkonzepte zu verstehen, seinen einzigartigen Charakter, der sich in seiner Ausdrucksweise und Wortwahl widerspiegelt, vor dem Hintergrund zeitgenössischer Einflüsse und Strömungen betrachten muss. Er [Still] war ein komplexer Mensch. Seine Schriften sind oft schwer zu verstehen. Sie sind in der Sprache seiner Zeit geschrieben und enthalten viele Allegorien. 10 Sein symbolischer und allegorischer Schreibstil erlaubt es nur einem geneigten Leser, die Bedeutung seiner Sprache und den darunterliegenden eigentlichen Sinn zu erfassen. Und es gibt einen Sinn, auch wenn Andersdenkende diese Werke nicht verstehen können. 11 Der erste Absatz des Kapitels Faszien in Stills Philosophy of Osteopathy lautet: Krankheit wird offensichtlich als Gas-, Flüssigkeits- oder Feststoffatome gesät. Zunächst ist eine geeignete Stelle zum Deponieren des aktiven Lebensprinzips nötig, was immer dies sein mag. Dann muss das Lebewesen, das entwickelt werden soll, eine ansprechende Art von Ernährung bekommen. Folglich müssen wir den Teil des Körpers finden, der durch Aktion und geeignete Ernährung mithelfen kann, das Lebewesen im fötalen Leben zu entwickeln. Vernunft weist den Verstand zunächst auf die Regeln des menschlichen Lebens während der Schwangerschaft hin und wir betrachten, als Denkbasis, das sich bewegende Atom, das werdende Lebewesen, dessen Lebenskeim wir nur durch das stärkste Mikroskop sehen können. Es sieht aus wie ein Atom weißer Fasern oder ein abgelöstes Teilchen einer Faszie. Es verlässt einen Elternteil als Faszienatom und muss, um leben und wachsen zu können, in einem freundlichen Umfeld hausen und mit solcher Nahrung versorgt werden, wie sie in Eiweiß, Fibrin und Lymphe sowie in den Nerven generierenden Kräften und Qualitäten enthalten ist, während es auf der Stelle mit dem Aufbauen einer geeigneten Form beginnt, in der es leben und gedeihen kann. Und da die Faszien bestens mit Nerven, Blut und weißen Korpuskeln ausgestattet sind, ist es nur logisch, den Teil zu suchen, der überwiegend aus Faszie besteht, und anzunehmen, dass der Keim sich dort zum Ernährtwerden und Wachsen aufhält. 12 Liest man diesen Absatz, entstehen sofort eine Reihe von Fragen. Wovon spricht Still im ersten Satz? Was meint er mit dem aktiven Lebensprinzip? Wieso spricht er in einem Kapitel über Faszien vom fötalen Leben? Was heißt menschliches Leben während der Schwangerschaft? Wie definiert Still den Ausdruck Keim und was ist dann ein vitaler Keim? Am wichtigsten aber ist die Frage, was dies alles mit dem zu tun hat, was wir heute unter Faszien verstehen. Der Rest des Still schen Faszien- Kapitels ist nicht weniger kryptisch, kaum mit Interpunktionen versehen und ent-

Einleitung 23 und bei ihm studiert haben. Es gibt niemanden mehr, der irgendeine direkte Erfahrung mit ihm, seinen Lehren oder seinen Ideen gemacht hat. Seine Kinder, von denen fünf Osteopathen waren, leben nicht mehr. Seine Enkel, darunter neun Osteopathen, sind ebenfalls alle verstorben. Obwohl über die verschiedenen Disziplinen der Osteopathie, wie osteoartikuläre Anpassung, viszerale Osteopathie, kraniale Osteopathie, muskuläre Energie und Counterstrain, eine Menge Lehrbücher geschrieben worden sind, verblieb das Gebiet Faszien relativ spärlich dokumentiert und schlecht definiert. Trotz des Mangels an maßgeblichen Referenzwerken, die eine klare Interpretation von Stills Faszienkonzepten bieten, existiert aber eine überquellende Terminologie, die fasziale Zustände beschreibt. Zu den heute üblichen, umschreibenden Ausdrücken für fasziale Probleme gehören Einschränkung, Spannung, Zug, Läsion, Verklebung, Stoß, ease and bind, gewöhnliches Kompensationsmuster, ungewöhnliches Kompensationsmuster und nicht kompensiertes fasziales Muster. Noch verwirrender wird diese Terminologie durch die Austauschbarkeit bzw. die fehlende Unterscheidung myofaszialer und faszialer Anwendungen. In den letzten 15 Jahren wurden von anderen Osteopathen neue Einschätzungs- und Behandlungstechniken für Faszien eingeführt wie das Fascial Distortion Model von Stephen Typaldos D.O. (1994) und das Bioelectric Fascial Activation Model von Judith O Connell D.O. (1998). In der vorliegenden Studie wird die Meinung vertreten, dass es erforderlich ist, Stills Originalanschauungen zum Thema Faszien neu, und zwar im Kontext seines Lebens, seiner Zeit und der ihn beeinflussenden Faktoren, zu betrachten, um die Faszien so, wie er sie ursprünglich definiert hat, besser zu verstehen. Diese Meinung teilen auch andere Osteopathen, z. B. Jocelyn C. P. Proby: Ich glaube kaum, dass wir Dr. Stills Ideen begreifen können, wenn wir sie nicht vor dem historischen Hintergrund sehen. 17 oder Stills erster Biograf E. R. Booth: Vieles, was Dr. Still zu dem machte, was er war und noch ist, lässt sich auf seine Lebensumstände zurückführen. 18 Entscheidend ist aber, dass Stills Anschauungen eben nicht nur von diesen Lebensumständen, sondern auch von seinem Wesen geprägt wurden. Carl McConnell, zu Stills Lebzeiten Professor an dessen American College of Osteopathy, schrieb: Um Dr. Stills Werk angemessen würdigen zu können, müssen wir seine spirituelle und mentale Disposition mitbedenken. Seine Wahrheitsliebe, eine tiefe spirituelle Einsicht in die Werke der Natur, deren physische Form nur eine äußerliche Offenbarung ist, und Mut: Das sind, wie wir es sehen, seine wichtigsten spirituellen und mentalen Eigenschaften. 19

Einleitung 25 Faszien und untersucht die Rolle der Faszien in anderen zu Stills Zeit bekannten mechanotherapeutischen Methoden. Es beleuchtet Stills Umgang mit den Faszien vor dem Hintergrund seiner medizinischen Ausbildung und seines Pionierlebens und führt die Gewebetypen auf, die Still in den Begriff Faszien einschloss. Schließlich wird eine repräsentative Auswahl seiner Äußerungen zum Thema Faszien interpretiert. Die Kapitel 2 und 3 befassen sich also mit der ersten Forschungsfrage: Wie entwickelte Still seine Faszienkonzepte und wie sahen sie aus? Mit der zweiten Frage Wie werden Stills Faszienkonzepte, insbesondere die philosophischen und spirituellen, von erfahrenen Osteopathen verstanden und in der manipulativen Praxis umgesetzt? beschäftigt sich Kapitel 4, Interviews mit erfahrenen Osteopathen, das die Antworten von 37 erfahrenen Osteopathen und osteopathischen Ärzten auf 20 Fragen vorstellt, die schwerpunktmäßig auf das Faszienverständnis der Befragten abzielten sowie auf deren Meinung zu dem verborgenen Sinn in Stills Äußerungen über die Faszien. Kapitel 5, Stills Faszienkonzepte und die moderne osteopathische Praxis, vergleicht schließlich die im Rahmen des literaturgestützten Forschungsansatzes erarbeitete Interpretation von Stills Faszienkonzepten mit den bei der interviewgestützten Untersuchung eingeholten Antworten und dreht sich somit um die dritte und letzte Forschungsfrage: Weichen heutige Faszienkonzepte wesentlich von Stills Original-Konzepten ab? Was bedeutet dies für die Osteopathie? Die dazu interviewten Osteopathen besaßen praktische Erfahrung in Manipulativ-Techniken und hatten Gelegenheit, diese Techniken sowie die osteopathische Philosophie von Kollegen zu erlernen, die nur eine oder zwei Generationen von A. T. Still entfernt gewesen waren. Das Kapitel macht deutlich, wo Stills Faszienkonzepte (so wie die Autorin der vorliegenden Studie sie aufgrund eingehender literaturgestützter Forschung interpretiert) und die Konzepte der Befragten konvergieren oder divergieren, diskutiert die Bedeutung der Untersuchungsergebnisse, erörtert, inwiefern sie die gegenwärtige Osteopathie beeinflussen, und gibt einige Anregungen für die Zukunft. Die Faszien kommen überall im Menschen vor und gleichen sich in allen Bereichen. Vor der Welt tut sich das größte Problem auf, der angenehmste Gedanke. Dem Philospohen erscheint es einleuchtend, absolut, dass er den materiellen Mensch und den Aufenthaltsort seines spirituellen Wesens vor sich hat. Sie[die Faszien] sind das Haus Gottes, die Wohnstätte des Unendlichen soweit es den Menschen betrifft. 20 Dieses Still-Zitat wirft eine Reihe von Fragen auf: Teilt der osteopathische Berufsstand heute immer noch Stills Anschauungen in Bezug auf die Wichtigkeit der Fas-

Kapitel 1 Methodologie Dieses Kapitel skizziert die methodischen Schritte beim Entwerfen, Gliedern, Gestalten und Schreiben der vorliegenden Studie. Die in dieser Arbeit angewendete Methode der qualitativen historischen Forschung erlaubt laut Bailey 1 eine ganzheitliche Beschreibung und Analyse eines bestimmten Phänomens in unserem Fall also eine qualitative Untersuchung der Faszienkonzepte von Andrew Taylor Still. Historische Forschung wurde hier verstanden als systematische Zusammenstellung von Daten und kritische Darstellung, Bewertung und Interpretation von Fakten, die auf Personen, Ereignisse und Begebenheiten der Vergangenheit bezogen sind. 2 Im Mittelpunkt der Forschungsarbeit standen drei Fragen: Wie entwickelte Still seine Faszienkonzepte und wie sahen sie aus? Wie werden diese Konzepte, insbesondere die philosophischen und spirituellen, von erfahrenen Osteopathen verstanden und in der manipulativen Praxis angewendet? Weichen heutige Faszienkonzepte wesentlich von Stills Konzepten ab und was bedeutet dies für die Osteopathie? Diesen Fragen wurde mithilfe zweier Methoden der literatur- und der interviewgestützten Forschung nachgegangen. Zur Untersuchung der ersten Frage wurde unter Einbeziehung veröffentlichten und unveröffentlichten Materials (Bücher, Aufsätze, Briefe, Interviews, Websites) literaturgestützte Forschung in zwei Schritten betrieben: Schritt eins beschäftigt sich mit Stills Leben aus historischer Sicht, betrachtet die Geistesströmungen im 19. Jahrhundert, die ihn beeinflusst haben könnten, und entwirft schließlich ein Bild von Stills Wesen. Schritt zwei verfolgt in Stills Schriften sämtliche Stellen, die sich auf Faszien beziehen, beginnend mit der Prägung dieses Begriffs bis hin zu den um 1900 veröffentlichten Äußerungen von Still zum Thema Faszien. Die interviewgestützte Forschung diente dazu, von erfahrenen Osteopathen und osteopathischen Ärzten deren Ansichten über frühere und heutige Faszienkonzepte einzuholen. Dazu wurde ein unstrukturierter Interviewentwurf 3 verwendet, der es erlaubte, die Informationen (in diesem Fall also die Faszienkonzepte heutiger Osteopathen sowie deren Interpretationen von Stills Faszienkonzepten) zu erfassen und eingehend zu analysieren. Als Abschluss der Studie wurden die erfassten Informa tionen in Erzählform wiedergegeben, um so die Fragen eins und zwei zu beantworten.

Methodologie 29 Von einer bloßen Möglichkeit spricht man dann, wenn eine Primärquelle keiner kritischen Bewertung unterzogen worden ist oder nur Sekundär- oder Tertiärquellen verfügbar waren. Die Daten für historische Forschung stammen aus Primär- und Sekundärquellen.9 Eine Primärquelle wird definiert als Originalbericht von einem Ereignis. Unter Sekundärquelle versteht man eine Informationsquelle, die zumindest einen Schritt von der Primärquelle entfernt ist. Für die hier vorliegendene Studie wurden nach dem Ratschlag des Betreuers auch solche Personen als Primärquellen eingestuft, die zwar keine eigene Theorie entwickelt, jedoch über 20 Jahre hindurch intensiv praktiziert haben und somit als reife und erfahrene Osteopathen bezeichnet werden können. Vorgehensweise und Quellen beim historischen Erforschen der Person Still Diese Stufe des Forschungsprojekts diente zur Beantwortung der ersten Forschungsfrage: Wie entwickelte Still seine Faszienkonzepte und wie sehen diese aus? Dazu wurde die Behauptung aufgestellt, dass der Versuch, Still als Mensch zu verstehen, zu einer tieferen Einsicht in die Entwicklung seiner Konzepte verhelfen kann. Stills erster Biograf, E. R. Booth10, seine jüngste Biografin, Carol Trowbridge11, und der Osteopathie-Forscher Norman Gevitz12 fanden es erforderlich, zunächst Stills Leben, seine Zeit und ihn beeinflussende Faktoren zu beschreiben. Ihre Aufzeichnungen werden in dieser Studie durch weitere, teils von ihnen nicht verwendete, teils ihnen nicht zugängliche Dokumente und Quellen ergänzt. Das somit aus biografischen und historischen Quellen entwickelte Porträt des Menschen Still bildet den Rahmen für eine sachkundige Interpretation seiner Faszienkonzepte. Untersuchung der Lebens- und Zeitumstände Die Untersuchung von Stills Leben und Zeit wurde folgendermaßen gegliedert: Sein Leben Dieser Abschnitt berichtet der Reihe nach, wo Still wann lebte, und umfasst bedeutende Ereignisse in seinem Leben wie Geburten, Heiraten, Todesfälle, einflussreiche Freundschaften, die Kriegsteilnahme, die Entwicklung der Osteopathie, seine Schule und schließlich seinen Tod. Das liefert den notwendigen chronologischen und geografischen Hintergrund, um seine Aufenthaltsorte und

Methodologie 31 Quellen und Hilfsmittel Die geschichtliche Darstellung von Stills Leben fußt auf vielfältigen Quellen wie Zeitschriftenartikeln, unveröffentlichten Aufsätzen, Dokumenten, Zeitungsberichten, Briefen, aufgezeichneten Erinnerungen und Büchern, von denen viele älter als 100 Jahre sind. Hinzu kamen wissenschaftlich fundierte und vertrauenswürdige Internetseiten, elektronische Kommunikation und persönliche Gespräche mit verschiedenen Experten. Nach dem Lesen oder Befragen wurden aus den gesammelten Informationen bestimmte Themen oder Passagen exzerpiert, kategorisiert, elektronisch gespeichert und dann in gegliederter Erzähl-Form dargestellt. Tabelle I (folgende Doppelseite) erfasst überblickartig die beim Aufbau dieses Kapitels herangezogenen Quellen und deren Verwendung. Eine detaillierte Darstellung dieser Quellen folgt im Anschluss. Autobiografie Stills erstes Buch, The Autobiography of Dr. A. T. Still, erschienen erstmals 1897, in zweiter Auflage 1908, bietet nur einen begrenzten Einblick in sein Erwachsenenleben, weil es bereits 20 Jahre vor seinem Tod veröffentlicht wurde und außerdem zur Hälfte aus abgedruckten Reden besteht, die Still bei Graduiertenfeiern oder anlässlich von Jahrestagen zur Gründung der Osteopathie gehalten hat. Viele der hinteren Kapitel dieser Autobiografie finden sich auch in früheren Ausgaben des Journal of Osteopathy.13 Leider war es der Autorin nicht möglich, ein vollständiges Exemplar der ersten Auflage zu erhalten, obgleich ein solches im Internet auf der Webseite des Meridian Institute verfügbar ist (vgl. http://www.meridianinstitute.com). Wo immer es möglich war, wurden für die Aufzeichnung seiner Lebensgeschichte Stills Selbstbeschreibungen herangezogen, obwohl sich seine Autobiografie als nur skizzenhaft erwies und er offenbar sehr stark ausgewählt hatte, was er dort darstellen bzw. nicht darstellen wollte. Biografien Was das biografische Material anbelangt, stützte sich die Autorin weitgehend auf die im Folgenden chronologisch aufgeführten Sekundärquellen, die zwar nicht alle ausschließlich über Still persönlich schreiben, aber doch oft wertvolle Einblicke in sein Familienleben gewähren.

Zeitschriftenartikel Andere Autoren The Journal of the American Osteopathic Association, The D.O., The Cosmopolitan Osteopath, Osteopathic Physician, The Bulletin. Verfügbar nur über NCOH und The American Academy of Osteopathy. Unveröffentlichte Aufsätze/ Skizzen A. T. Still CE Still jun. Nur NCOH Nur NCOH Dokumente zu Still Verschiedene ATS (Andrew Taylor Still) Document Collection. Nur NCOH Verlorengegangene (?) Werke A. T. Still Augenzeugenberichte (ansonsten nicht mehr verfügbar) durch Schlussfolgerungen Persönliche Bibliothek Verschiedene Titel von Büchern, in verschiedenen Bibliotheken durchgesehen Aufzeichnungen Landratsämter Die meisten Berichte stammen aus Sekundärquellen. Historische Bücher Historiker Verfügbar über Fernleihe oder Internet Andere Bücher Verschiedene Verfügbar über Fernleihe Internet Verschiedene Breit genutzt, gut zugänglich Expertenmeinungen Verschiedene Gespräche, Briefe oder elektronischer Briefwechsel ein wenig Tabelle I: Quellen für eine historisch fundierte Darstellung von Stills Leben und Persönlichkeit

Methodologie 35 Marovia Clark Meine Freunde und Kinder baten mich öfters, über mein Leben in Kansas zu schreiben. 18 Marovia Still Clark, ebenfalls eine von Stills jüngeren Schwestern, schrieb Reminiscence of the Early Events in Osteopathic History. Ihre kuriosen Geschichten sind undatiert. Dieser Text, dem Stil nach ein unveröffentlichtes Manuskript, ist nur über das NCOH zugänglich. M. A. Lane Der Schlüssel zum Verständnis von A. T. Stills Werk als Leistung eines wissenschaftlichen Reformers liegt in seinem ungewöhnlichen, beindruckend originellen Verstand. 19 Das von M. A. Lane verfasste, etwa 1925 erschienene Buch Dr. A. T. Still Founder of Osteopathy, in dessen Vorwort Lane als erfahrener Osteopath charakterisiert wird, der aufgrund eigener Forschungstätigkeit schon eine fundierte Reputation in der biologischen Wissenschaft 20 besitzt, besteht aus 10 einzelnen Aufsätzen über Still, die verschiedene Lebensabschnitte behandeln. Der Autor verzichtet auf Quellenverweise, versucht aber, Stills wissenschaftliche Ideen glaubwürdig darzustellen. Das Thema Faszien klammert er aus. Weil sich das Werk in jedem Kapitel zunächst Stills Wesen widmet, bevor Stills Ideen erörtert werden, diente es bei der Erstellung dieser Studie als Vorlage. Barbara Vaughn Kennedy Stellen Sie sich die Sorge für fünf Kinder vor, eins davon ein Wickelkind, während man bei Sturm auf Trampelpfaden das Land durchquert, Flüsse durchwatet, im Freien campiert, bei gutem Wetter täglich einen Weg von 18 bis 20 km zurücklegt und ständig auf Hindernisse trifft, die zu überwinden sind. 21 Die nur elf Seiten umfassenden, nicht veröffentlichten und undatierten Aufzeichnungen von Stills Schwester Barbara Vaughn mit dem Titel Family History,22 in denen es um die frühen Jahre von Stills Eltern, vor allem aber um seine Mutter und ihre Kinder geht, hat Stills Nichte Barbara Vaughn Kennedy 1933 auf der Schreibmaschine abgetippt.

Methodologie 37 dem das meiste Material stammt, als jemand beschrieben wird, der sich vielleicht gelegentlich eine literarische Freiheit erlaubt hat, obwohl man sagen kann, dass sie [sc. Charles Still senior und Grant Hildreth] in ihrem Alter zu ein bisschen Ausschmückung und Selbstbeweihräucherung durchaus berechtigt waren. 26 Carol Trowbridge Am besten versteht man Still, wenn man ihn sich in der Welt seiner Zeit vorstellt 27 Das im Jahr 1991 von der Historikerin Carol Trowbridge veröffentlichte Buch Andrew Taylor Still 1838 1917 ist die jüngste Still-Biografie. Sie basiert auf achtjähriger, sorgfältiger und gut dokumentierter Forschung. Trowbridge verwendete zahlreiche Primärquellen, die sie in Archiven und bei historischen Gesellschaften im ganzen Land ausfindig machte. Außerdem stellten ihr Stills Enkelinnen Jane Denslow und Elizabeth Laughlin bereitwillig Quellenmaterial zur Verfügung. Der osteopathische Berufsstand ist Carol Trowbridge zu Dank verpflichtet für ihre umfangreiche geschichtliche Darstellung des amerikanischen Mittelwestens im 19. Jahrhundert, einer Ära, die Still prägte und in der sein Lebenswerk, die Osteopathie, entstand. Geschichten der Osteopathie Obgleich sich die Werke über die Geschichte der Osteopathie und die Still-Biografien teilweise überschneiden, sind neben der bereits oben erwähnten, ebenfalls als Zugang zur Osteopathie-Historie geltenden Biografie von Booth doch die fünf nachfolgend beschriebenen Bücher die geschichtlichen Haupt-Quellen: Grant Hildreth Dr. Hildreth stand Still zweifellos näher als jeder andere Osteopath. 28 Arthur Grant Hildreth, dessen Werk The Lengthening Shadow of Andrew Taylor Still erstmals 1938 veröffentlicht wurde, war eine Generation jünger als Still, weshalb der Wert seiner biografischen Erinnerungen in der Darstellung des älteren Still, also des Osteopathen, liegt. Hildreths Worten zufolge sollte sein Buch dazu dienen, dem Leser zu helfen eine genauere Kenntnis vom Charakter und vom Geist dieses Mannes zu erlangen, der der Welt die Osteopathie geschenkt hat 29. Da Hildreth Stills geschätzter Kollege und Freund war, stammen die meisten seiner biografischen und historischen

Methodologie 39 Zusammenfassung Insgesamt erfassen diese Bücher und Schriftstücke einen großen Teil von Stills Familien- und Lebensgeschichte. Die Materialien wurden zunächst gelesen, um einen ersten Eindruck zu bekommen, und dann erneut gesichtet, um bestimmte, Stills Leben betreffende Fakten und Beeinflussungen, seine Ideen, sein wiederholtes Verwenden bestimmter Wörter oder Redewendungen usf. zu markieren. Sofern in diesen Büchern, insbesondere bei Gevitz und Trowbridge, Primärquellen angeführt sind, die für die vorliegende Studie von Bedeutung waren, ist die Autorin diesen Quellenverweisen nachgegangen primär über das NCOH und mittels Fernleihe. Daneben wurden aufgrund des wissenschaftlichen Charakters der Werke von Gevitz und Trowbridge gelegentlich auch diese beiden Autoren zitiert. Weitere osteopathische Bücher Titel und Veröffentlichungen früher, während Stills Lebenszeit von Studenten verfasster osteopathischer Bücher wurden aus der Datenbank von MOBIUS bezogen, einem Verband akademischer Bibliotheken, dem fünfzig Colleges und Universitäten des Staates Missouri angehören, darunter auch die A. T. Still Memorial Library in Kirksville. Erst sehr spät im Verlauf der Arbeiten an der vorliegenden Studie wurde OST- MED, eine neue Datenbank für osteopathische Literatur zugänglich, die über einen bibliografischen Index Zugriff auf osteopathisch-medizinische Literatur bietet. OSTMED entstand aus einem fünfjährigen, von der American Osteopathic Association und der American Association of Colleges of Osteopathic Medicine gesponserten Projekt.36 Über die Website des Meridian Institute (2001) waren einige frühe osteopathische Bücher zugänglich, die allerdings nur wenige biografische Informationen enthielten und deshalb vor allem im Hinblick auf das Thema Stills Faszienkonzepte genauer durchgesehen wurden. Zeitschriftenartikel Um 1905 gab es mehr als 20, zumeist allerdings nur regional verbreitete osteopathische Zeitschriften.37 Es war unmöglich, diese Zeitschriften ganz durchzugehen, zumal nicht alle einen umfassenden Index besaßen, der die Suche hätte beschleunigen

Methodologie 41 der Jahre von verschiedenen Spendern zugegangen ist. Beim NCOH handelt es sich um die früheren Special Collections der A. T. Still Memorial Library, die seit 1997 vom Museum geführt wird. Der Hauptanteil des aus überwiegend aus Originalen bestehenden Materials wurde dem NCOH von Elizabeth Laughlin, der Witwe von Stills Enkel George Andrew Laughlin, 1990 geschenkt. Es umfasst Stills eigenhändige Schriften (hand- und maschinengeschriebene Essays, Reden und Briefe), Briefe an Still, Todesanzeigen, Beileidsbezeugungen und Ähnliches, das sich auf Stills Tod 1917 bezieht, dazu verschiedene Dokumente, die Still betreffen, enthält aber auch Belegexemplare von anderswo verwahrtem Material. Dokumente, bei denen es fraglich sie, ob Still sie verfasst hat, tragen einen entsprechenden Vermerk.39 Das Material ist zwar weitgehend undatiert, liefert aber wertvolle Einblicke in A. T. Stills Philosophie, nicht nur, was die Osteopathie anbelangt, sondern noch wichtiger auch in Bezug auf seine philosophischen Untersuchungen über das Wesen von Leben und Sterblichkeit. Charles E. Still, Jr. Collection Die Charles E. Still Jr. Collection wurde im August 1995 von Doris Still, Charles Witwe, gespendet. Es handelt sich um ungefähr 1,20 Aktenmeter Texte und Fotos, wovon sich rund 95 % nicht direkt auf A. T. Still beziehen. Die verbleibenden 5 % (zwischen 200 und 250 Seiten) bestehen aus Briefen, die Charles Vater von Osteopathen angefordert hatte, die Still kannten.40 Irvin Korr erklärte, Charles Still senior habe dieses Material für ein Buch verwenden wollen, stattdessen sei es aber 60 Jahre lang ungenutzt in einem Metallbehältnis aufbewahrt worden.41 Diese Briefe stellen vor allem deshalb eine unschätzbare Ressource dar, weil sie keinem anderen Biografen außer Charles E. Still junior zur Verfügung standen, der ihr Potenzial aber nicht nutzte, um A. T. Stills Charakter und die Einflüsse, die ihn geformt haben, zu enthüllen. Die ATS Document Collection Die ATS Document Collection (Andrew Taylor Still Document Collection), die Dokumente aus Stills Leben, z. B. Militärzeit und Pension betreffende Unterlagen und medizinische sowie urheberrechtliche Urkunden, enthält, war besonders hilfreich beim Recherchieren der genauen Veröffentlichungdaten von Stills Büchern und lieferte Belege für seine in Missouri ausgestellten medizinischen Zulassungen.