ÖIES Aktuell ESVP-Mission im Tschad und der Zentralafrikanischen Republik von Eva Strickmann

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Österreichisches Institut für Europäische Sicherheitspolitik Schloss Hunyadi, Schlossgasse 6, A-2344 Maria Enzersdorf Tel: +43 2236 41196, Fax: +43 2236 411969, institute@oeies.or.at ÖIES Aktuell ESVP-Mission im Tschad und der Zentralafrikanischen Republik von Eva Strickmann 16. Jänner 2008 Die EU bereitet sich derzeit auf einen autonomen ESVP-Einsatz in den beiden westlichen Nachbarländern des Sudan, im Tschad und der Zentralafrikanischen Republik, vor. Trotz intensiver Vorbereitungen seit dem Sommer 2007 konnte der Großteil der Truppe nicht wie geplant zum Ende des Jahres ins Einsatzgebiet entsendet werden, da Zusagen für wichtige Kapazitäten fehlten, insbesondere im Bereich des taktischen Lufttransports. Nachdem bei der letzten Truppenstellerkonferenz am 11. Jänner 2008 entscheidende Fortschritte erzielt wurden, befindet sich die EU nun in der letzten Planungsphase. Mit einem Beginn der Mission EUFOR Tchad/RCA wird zum Februar gerechnet. Die EU will durch die als Überbrückung geplante Operation zu einem stabileren Sicherheitsumfeld in der Region beitragen und Maßnahmen in Zusammenarbeit mit den Vereinten Nationen ergreifen. Sie setzt sich das Ziel, durch die Präsenz von rund 3,500 EUFOR-Soldaten im Grenzgebiet zu Darfur die Aktivitäten bewaffneter Truppen zu unterbinden und zu einer Verbesserung der humanitären Situation beizutragen. Dies wird aufgrund einer komplexen Konfliktsituation, hoher Anforderungen an die Mission und eines begrenzten politischen Ambitionsniveaus keine leichte Aufgabe für die EU sein. Hintergrund des Einsatzes Nachdem die sudanesische Regierung im Juli 2007 dem Plan einer Hybridmission von AU und VN Truppen in Darfur (UNAMID) zugestimmt hatte, intensivierten sich die Bemühungen der Vereinten Nationen und der Europäischen Union, parallel zu UNAMID eine Stabilisierungsmission im westlichen Grenzgebiet zu Darfur zu planen. Die Notwendigkeit für eine solche Operation ergibt sich aufgrund einer Vielzahl von Faktoren. Zum einen sind insbesondere diese beiden Nachbarländer des Sudan durch anhaltende Flüchtlingsströme destabilisiert worden. Bislang flüchteten 236,000 Menschen aus Darfur nach Tschad und 150,000 in die Zentralafrikanische Republik (ZAR). Aus dem Grenzgebiet in der ZAR suchten knapp 45,000 Menschen im Tschad Zuflucht, darüber hinaus gibt es im Tschad 173,000 Binnenflüchtlinge. In der Region der Großen Seen, insbesondere im Länderdreieck Sudan-Tschad-Zentralafrikanische Republik werden die größten Flüchtlingsströme in Afrika verzeichnet. Allein im Osten des Tschad existieren elf größere Flüchtlingslager mit jeweils 10,000 bis 32,000 Menschen. Ein anderer wesentlicher Aspekt ist, dass die bewaffneten Auseinandersetzungen im Darfur auf das Grenzgebiet der beiden Staaten überzugreifen begannen und die Region dadurch zusätzlich destabilisiert wurde. Als Folge der beiden Entwicklungen, aber auch aufgrund interner 1

Probleme, haben sich die humanitäre Situation und die Sicherheitslage der Zivilbevölkerung dramatisch verschlechtert. Von zentraler Bedeutung ist darüber hinaus, dass durch die Stabilisierungsmaßnahmen im Tschad und der ZAR die UNAMID-Mission unterstützt werden kann, was dringend erforderlich erscheint. Obwohl Norwegen, Schweden, Dänemark, Frankreich und die Niederlande eine militärische Beteiligung an UNAMID angeboten haben, wird eine aktive europäische Beteiligung an der Mission in Darfur abgelehnt. Die sudanesische Regierung akzeptiert als nicht-afrikanische Truppensteller einzig Pakistan, Bangladesch und China, auch eine Beteiligung von Nepal und Thailand ist nach wie vor fraglich. Problematisch ist, dass die chinesischen Soldaten 1 von den diversen Rebellengruppen in Darfur mehrheitlich nicht akzeptiert werden. Die Erfolgschancen der Hybridmission in Darfur sind derzeit sehr fragwürdig, neben den fehlenden personellen und materiellen Ressourcen auch aus dem Grunde, dass die Natur des Konflikts sehr viel komplexer geworden ist und eine politische Lösung bei den letzten Friedensverhandlungen Ende Oktober in Libyen erneut in weite Ferne gerückt ist. Es besteht zudem die Gefahr, dass der Konflikt in Darfur zukünftig auch von arabischen Rebellengruppen mitbestimmt wird, die sich nicht mehr auf die Wahrung ihrer Interessen durch die Zentralregierung in Khartum verlassen wollen. Des Weiteren ist eine fortschreitende Ausweitung der Kampfhandlungen auf die östlich von Darfur gelegene Region Kordofan möglich. 2 Aus diesen Gründen ist es wichtig, dass durch einen Einsatz in den beiden westlichen Nachbarländern zu einer Lösung der humanitären Probleme beigetragen wird und durch die Stabilisierung der Grenzregion gleichzeitig die Erfolgschancen von UNAMID erhöht werden. Mandat Auf Initiative Frankreichs wurden zwischen der EU, den VN und den Regierungen Tschads und der ZAR seit Juli 2007 Details für eine mögliche ESVP-Mission ausgearbeitet. Die geplante Operation EUFOR Tchad/RCA beruht auf einem einstimmigen Beschluss im Rat der EU und wurde ebenfalls am 25. September 2007 durch ein Mandat des VN- Sicherheitsrats autorisiert. 3 Die Resolution sieht einen einjährigen Einsatz ab Erklärung der vorläufigen Einsatzbereitschaft durch die EU im Osten des Tschad und Nordosten der ZAR vor. Die EU plant, nach einem halben Jahr (voraussichtlich Anfang August 2008) eine Überprüfung des Mandats vorzunehmen. Die EU-Truppen sollen eine Überbrückungsmission durchführen, im Anschluss wird derzeit eine Überführung in eine VN-Friedensmission geplant. 4 Die Resolution verweist auf die Aktivitäten bewaffneter Gruppen im Grenzgebiet zwischen Tschad, der ZAR und dem Sudan, den mangelnden Schutz der Zivilbevölkerung sowie die Verletzung von Menschenrechten und völkerrechtlichen Bestimmungen. Betont wird, dass die anhaltenden gewalttätigen Auseinandersetzungen in Darfur und dem Grenzgebiet die Sicherheitslage in der Region weiter verschlechtern könnten und eine Bedrohung der 1 2 3 4 Der Großteil der insgesamt 300 chinesischen Soldaten ist bereits im Einsatzgebiet. Zur aktuellen Sicherheitslage in Darfur siehe: International Crisis Group, Darfur s New Security Reality, Africa Report No. 134, 26 November 2007, http://www.crisisgroup.org/home/index.cfm?id=5180&l=1. United Nations Security Council, Resolution 1778, 25 September 2007, http://daccessdds.un.org/doc/undoc/gen/n07/516/15/pdf/n0751615.pdf?openelement. General and External Affairs Council, 15.-16. Oktober 2007, Press Release 13720/07, S. 10-12, http://www.consilium.europa.eu/uedocs/cms_data/docs/pressdata/en/gena/96535.pdf. 2

internationalen Sicherheit darstellen. Ebenso wird hervorgehoben, dass die Regierungen im Tschad und der ZAR die Hauptverantwortung für die Sicherheit der Zivilbevölkerung tragen. Eine Verbesserung der Beziehungen zwischen Sudan, Tschad und ZAR sowie eine politische Lösung des Darfur-Konflikts werden als entscheidende Faktoren für eine langfristige Stabilisierung der gesamten Region gesehen. Die VN-Resolution mandatiert eine multidimensionale Präsenz im Tschad und der ZAR, die neben der militärischen ESVP-Operation aus der VN-Polizeimission MINURCAT bestehen wird. Parallel zu EUFOR werden im Rahmen von MINURCAT 300 Polizisten und 50 Verbindungsoffiziere entsendet. Die VN-Kräfte werden sich auf die Ausbildung neuer Polizeieinheiten im Tschad konzentrieren und in den Flüchtlingslagern vor Ort zu einer Verbesserung der Sicherheitslage beitragen. 5 Dazu gehört unter anderem, dass eine Rekrutierung von Kämpfern durch Rebellengruppen und Angriffe von marodierenden Banden verhindert werden. Die EU-Truppen werden nicht direkt in den Flüchtlingslagern stationiert sein, sondern die Außengebiete der Lager sichern. Auch findet kein Einsatz der EUFOR im unmittelbaren Grenzgebiet zu Darfur statt, dort werden entsprechend einer Vorgabe der Regierung in N Djamena tschadische Streitkräfte eingesetzt. Der Schwerpunkt der EUFOR-Mission wird im Osten des Tschad sein, in der ZAR wird ein Teil des französischen Kontingents eingesetzt. Aufgaben der ESVP-Mission sind der Schutz der Zivilbevölkerung, der Flüchtlinge, der Hilfsorganisationen und der VN-Einrichtungen sowie die Unterstützung bei der Durchführung humanitärer Hilfe. Durch den Einsatz soll ein sicheres Umfeld geschaffen werden, in dem insbesondere eine Rückkehr der Binnenflüchtlinge und ein wirtschaftlicher und sozialer Wiederaufbau in den Grenzregionen ermöglicht werden soll. Situation im Tschad und der Zentralafrikanischen Republik Der Darfur-Konflikt hat zwar einen direkten Einfluss auf die Situation in den beiden westlichen Nachbarländern, dennoch sind die aktuellen Probleme nicht nur auf die Flüchtlingsströme und das Übergreifen der Gewalt aus der Darfur-Region zurückzuführen. Beide Staaten sind seit Erlangung der Unabhängigkeit von Frankreich 6 im Jahr 1960 durch instabile Strukturen, eine Fragmentierung der Gesellschaft sowie der Parteien, gewalttätige Machtübernahmen und bewaffnete Auseinandersetzungen zwischen Regierungstruppen und Rebellen gekennzeichnet. Im Tschad besteht seit der Kolonialzeit ein Konflikt zwischen den überwiegend arabischen Stämmen im Norden und den mehrheitlich schwarzafrikanischen, christlich-animistisch geprägten Stämmen im Süden. Die Situation erinnert an den Konflikt zwischen Nord- und Südsudan, im Gegensatz zum Sudan ist der Süden des Landes aber wohlhabender und politisch einflussreicher als der Norden. Der Süden verfügt über bedeutende Erdölvorkommen, die seit 2003 gefördert werden. 5 6 Die VN-Kräfte werden eng mit dem UNHCR, den Streitkräften, der Gendarmerie, den Justizbehörden und den Regierungen in beiden Ländern zusammenarbeiten. Frankreich hat die Entwicklungen in beiden Ländern auch nach der Unabhängigkeit entscheidend mitbestimmt und intervenierte im Tschad seit Ausbruch des Bürgerkrieges 1966 und in der ZAR vor allem zur Beendigung der Herrschaft Jean-Bédel Bokassas im Jahre 1979. Die beiden aktuellen Regierungen werden von Frankreich unterstützt. Frankreich hat insgesamt rund 1500 Soldaten permanent in beiden Ländern stationiert. 3

Die politische Situation wird durch autoritäre Strukturen, Demokratiedefizite, ständig wechselnde Allianzen in der Opposition und ein hohes Maß an Korruption bestimmt. Die ethnisch sehr komplex zusammengesetzte Zivilbevölkerung (knapp 10 Millionen) hat bislang noch keine friedliche Machtübernahme erlebt. Im Frühjahr 2007 hat sich Präsident Déby darauf eingelassen, einen innenpolitischen Dialog mit den Oppositionsparteien zu beginnen und Wahlen für das Jahr 2009 zu planen. Dem Dialog steht die Mehrzahl der Rebellengruppen aber eher skeptisch gegenüber. Immer wieder kommt es zu bewaffneten Auseinandersetzungen zwischen der tschadischen Armee und Rebellentruppen, zuletzt zum Jahreswechsel. 7 Die Zentralafrikanische Republik, die mit einer Bevölkerung von 4.2 Millionen ein wenig größer als Frankreich und halb so groß wie der Tschad ist, weist seit den letzten freien Wahlen im Mai 2005 eine etwas stabilere innenpolitische Situation auf. Dennoch sind die staatlichen Strukturen ähnlich fragil wie im Tschad und die Zivilbevölkerung ist schutzlos. Die Regierungsarmee konnte gegen die Aktivitäten von sudanesischen, tschadischen 8 und zentralafrikanischen Rebellengruppen und die Destabilisierung des Grenzgebiets im Nordosten des Landes bislang nichts ausrichten. Präsident Bozizé hat sich 2003 an die Macht geputscht; ein interner politischer Dialog beginnt auch in der ZAR nur sehr zögerlich. Trotz eines hohen wirtschaftlichen Potentials aufgrund bedeutender Ressourcen insbesondere Gold, Diamanten und Uran lebt die Bevölkerung in größter Armut und die humanitäre Situation hat sich in den letzten Jahren dramatisch verschlechtert. 9 Die Regierungen im Tschad und der ZAR kooperieren eng, insbesondere vor dem Hintergrund der geplanten EUFOR und VN-Operationen. 10 Die Beziehungen zwischen den beiden Staaten und dem Sudan sind aber aufgrund der Unterstützung von verschiedenen Rebellenaktivitäten in den Nachbarländern äußerst angespannt. 11 Zuletzt wurden die Spannungen durch Angriffe der tschadischen Luftwaffe auf Rebellenstellungen im sudanesischen Grenzgebiet Anfang Jänner erhöht. Vorbereitung der Mission Wenige Tage nachdem das VN-Mandat erteilt wurde, einigten sich die EU- Verteidigungsminister Ende September in Évora auf konkrete Schritte zur Planung der 7 8 9 10 11 Für eine umfassende Analyse der Situation im Chad siehe: Paul-Simon Handy, Chad: wading through a domestic political crisis in a turbulent region, Institute for Security Studies, Dezember 2007, http://www.iss.co.za/dynamic/administration/file_manager/file_links/sitrepchaddec07.pdf?link_i d=22&slink_id=5296&link_type=12&slink_type=13&tmpl_id=3; Gérard Prunier, Chad s Tragedy, September 2007, http://www.opendemocracy.net/article/democracy_power/africa/chad_tragedy; International Crisis Group, Tschad: Vers le retour de la guerre? Juni 2006, http://www.crisisgroup.org/library/documents/africa/horn_of_africa/111_tchad_vers_le_retour_de_la_gu erre.pdf Tschadische Rebellengruppen haben im Nordosten der ZAR mit Hilfe der sudanesischen Regierung Stützpunkte errichtet, um ihre Stellung gegen Präsident Déby zu stärken und Umsturzversuche vorzubereiten. Dies zeigt, wie sehr die verschiedenen Konflikte in der Region miteinander verbunden sind und umfassende Lösungsansätze erforderlich machen. Zur Vertiefung siehe: Toby Lanzer, Central Africa Fragile Frontier, in: Chatham House (Ed.), The World Today, October 2007, pp. 25-27. Die beiden Staatschefs einigten sich unter anderem, eine gemeinsame Grenzkontrolle zwischen den beiden Staaten einzurichten. Vgl. European Diplomacy & Defence, No. 78, 13 November 2007, S. 2. Gérard Prunier, Chad, the CAR and Darfur: dynamics of conflict, April 2007, http://www.opendemocracy.net/democracy-africa_democracy/chad_conflict_4538.jsp. 4

Mission. Am 15. Oktober 2007 wurde vom EU-Rat die für die Durchführung von EUFOR Tchad/RCA erforderliche Common Action beschlossen. Die Koordination der Mission erfolgt auf der EU-Ebene. Die operative Führung wurde dem irischen Generalleutnant Patrick Nash übertragen, der die Mission von dem der EU zur Verfügung gestellten französischen Hauptquartier Mont Valérien bei Paris aus führen wird. Oberbefehlshaber vor Ort ist der französische Brigadegeneral Jean-Philippe Ganascia. Generalleutnant Nash war für die Ausarbeitung eines Operationskonzepts (CONOPS) verantwortlich, das den Delegationen der beteiligten Staaten, dem EU Militärstab, dem EU Militärkomitee und dem Politischen und Sicherheitspolitischen Komitee (PSK) Anfang November vorgelegt wurde. Auf der Grundlage des Operationskonzepts wurden ein Operationsplan und die Regeln für den Einsatz (Rules of Engagement, ROE) erstellt, die vom Rat für allgemeine Angelegenheiten und auswärtige Beziehungen (GAERC) nach Konsultationen mit dem PSK und dem EU Militärkomitee voraussichtlich am 28. Jänner 2008 angenommen werden. Nachdem der Beginn der Mission durch Kapazitätsengpässe verzögert wurde und auch die vierte Truppenstellerkonferenz am 19. Dezember 2007 ohne wichtige Ergebnisse zu Ende ging, wurde die Frist für weitere Zusagen auf den Jahresanfang verschoben. Bei einem letzten Truppenstellertreffen am 11. Jänner 2008 konnten die noch ausstehenden Lücken in der Ausrüstung geschlossen werden. Frankreich erklärte sich zu einer deutlichen Aufstockung seines personellen und materiellen Beitrags und zu einer Führungsrolle im Bereich Logistik bereit und sagte gemeinsam mit Polen und Belgien zu, die fehlenden Hubschrauber und Transportflugzeuge zur Verfügung zu stellen (Frankreich: 9 Hubschrauber, 2 Drohnen, 1 Versorgungseinheit und 1 Luftüberwachungsradar; Polen: 2 Hubschrauber; Belgien: 1 C-130). Damit werden die bereits zuvor zugesagten Lufttransportkapazitäten von Portugal (1 C-130), Spanien (2 CASA C-295) und Griechenland (1 C-130) ergänzt. Darüber hinaus wurde bestätigt, dass sich Italien mit der Entsendung eines dritten Feldkrankenhauses an der Mission beteiligen wird. Eventuell wird dies aber auch von Österreich zur Verfügung gestellt, der personelle Beitrag Österreichs würde sich dadurch auf 170 erhöhen. 12 Noch sind allerdings nicht alle Finanzierungsschwierigkeiten geklärt. Voraussetzung für den polnischen Beitrag sei beispielsweise eine finanzielle Unterstützung im Bereich Logistik, die entweder durch Frankreich oder das EU-Finanzierungsinstrument Athena garantiert werden müsste, so Polens Verteidigungsminister Bogdan Klich. 13 Insgesamt werden 14 EU-Mitgliedsstaaten an der Mission teilnehmen, weitere 7 EU- Staaten werden mit Verbindungsoffizieren im operationellen Hauptquartier in Mont Valérien vertreten sein. Bis zur Erreichung der vollen Einsatzbereitschaft, was zu Mitte Mai 2008 geplant ist, soll die Truppe auf 3,700 Mann aufgestockt werden. Mit dem Personal in Mont Valérien und der strategischen Reserve wird eine Gesamtstärke von 4,300 angestrebt. Das größte Kontingent wird von Frankreich gestellt (2,100). Die weiteren größeren Truppensteller sind Irland (400), Polen (400), Schweden (200), Österreich (160-170), Rumänien (120), Belgien (100), Finnland (60) und Slowenien (15). Die Niederlande haben 12 13 EU prepares Chad/CAR peacekeeping mission, Jane s Defence Weekly, 14 January 2008; European Diplomacy & Defence, No. 92, 15 January 2008. Frankreich und Polen werden gemeinsam eine Finanzierung der Logistik-Elemente über Athena beantragen. Siehe European Diplomacy & Defence, No. 81, 22 November 2007. 5

eine Entsendung von 100 Soldaten angekündigt, die Zusage muss aber noch auf der politischen Ebene bestätigt werden. 14 Ausblick Die erste Phase der Operation die Entsendung der Soldaten ins Einsatzgebiet wird sich voraussichtlich bis Anfang Februar verzögern, da die volle logistische Unterstützung später als geplant zugesagt wurde. Damit wird sich auch der Beginn der VN-Mission MINURCAT verschieben, da MINURCAT auf den Schutz und die Kapazitäten der EUFOR-Kräfte angewiesen ist. Der Prozess, ausreichend Ressourcen verfügbar zu machen, gestaltete sich als sehr schwierig, was auf ein durchschnittlich geringes politisches Ambitionsniveau der EU-Mitgliedsstaaten für ein Engagement im Rahmen von EUFOR Tchad/RCA zurückzuführen ist. Vor dem Hintergrund der schwierigen Einigung auf die Zusage von Lufttransportkapazitäten ist es wichtig, langfristig über Lösungsansätze für künftige Operationen nachzudenken und auf der EU-Ebene dringend Fortschritte zu erzielen. 15 Dass letztendlich weitere Kapazitäten im Bereich des taktischen Lufttransports zugesagt wurden, ist für die Operation von äußerster Wichtigkeit, um in der weitläufigen Region von rund 200,000 km² mit schwierigen klimatischen und geographischen Bedingungen und kaum vorhandener Infrastruktur schnell reagieren zu können. Die Mobilität der Truppe ist ein zentraler Aspekt für den Erfolg der Mission. Eine bedeutende Helikopter-Präsenz ist darüber hinaus ein Force Multiplier, was für die verhältnismäßig kleine EUFOR-Truppe, die sich auf eine Strategie der Abschreckung fokussiert ( The show of force avoids the use of force ), einen strategischen Vorteil darstellen könnte: die EU hat sich das Ziel gesetzt, mit rund 3700 Soldaten zu einem stabileren Sicherheitsumfeld für knapp 450,000 Flüchtlinge und Binnenvertriebene beizutragen und die 350 VN-Kräfte sowie VN-Einrichtungen zu schützen. Durch eine entsprechende Helikopterflotte können die EU-Soldaten mehr Präsenz zeigen. Ausreichend Luftkapazitäten sind auch für die Versorgung der Truppe unabdingbar, da große Mengen an Wasser, Treibstoff und Lebensmitteln über weite Distanzen transportiert werden müssen. Ob die Ressourcen ausreichen, wird sich zeigen: Auch die zweite Phase von EUFOR Tchad/RCA die Operation vor Ort zur Erreichung der gesetzten Ziele wird folglich eine Herausforderung darstellen. 16 Die Abschlussphase der Mission muss ebenfalls gut vorbereitet werden. Die EU hat seit Beginn der Planungen betont, dass sie eine Überbrückungsmission durchführen wird und dass nach einem Jahr eine Überführung in eine VN-Friedensmission geplant ist. Es ist davon auszugehen, dass längerfristige Maßnahmen erforderlich sein werden, da die Region 14 15 16 European Diplomacy & Defence, No. 92, 15 January 2008. Für den strategischen Lufttransport bietet es sich an, für ESVP-Operationen vermehrt auf zivile Transportkapazitäten zurückzugreifen und die Kooperation mit Fluggesellschaften auszubauen. Priorität sollte bei der Anschaffung neuer Lufttransportkapazitäten dem Kauf von taktischen Fähigkeiten, insbesondere Hubschraubern, zukommen. In diesem Zusammenhang ist die Initiative der Europäischen Verteidigungsagentur, das deutsch-französische Projekt für den Bau eines mittleren Transporthubschraubers auch für andere interessierte europäische Länder zu öffnen, von besonderer Bedeutung. In einer kürzlich erschienen Studie wird vertieft auf diese Problematiken eingegangen: Bjoern H. Seibert, African Adventure? Assessing the European Union s Military Intervention in Chad and the Central African Republic, MIT Security Studies Program Working Paper, November 2007, http://web.mit.edu/ssp/publications/working_papers/wp_07-1.pdf. 6

nicht innerhalb eines Jahres nachhaltig stabilisiert werden kann. Fraglich ist, ob nach einem Jahr die erforderlichen personellen und materiellen Kapazitäten vorhanden sind, um eine VN-Friedensmission durchzuführen. 17 Bringen darüber hinaus genügend VN- Mitgliedsstaaten den politischen Willen auf, sich langfristig in der Region zu engagieren? Die EU sollte im Rahmen der kürzlich erneuerten Kooperation EU-Afrika den Entwurf eines weiterführenden regionalen Konfliktmanagementkonzepts initiieren. Als Alternative zu einer VN-Friedensmission könnte, ebenso wie in Darfur, eine Hybridmission aus Truppen der Vereinten Nationen und der Afrikanischen Union angedacht werden. In einem solchen Rahmen ist ein substantieller europäischer Beitrag, insbesondere ausreichend logistische Unterstützung, von großer Wichtigkeit. Auf der EU-Ebene sollte aus diesen Gründen langfristig überlegt werden, wie EUFOR Tchad/RCA als nunmehr größte ESVP-Mission in Afrika den erhofften Erfolg bringen kann und wie die EU zukünftig zu Sicherheit und Stabilität in Afrika beitragen will. In diesem Zusammenhang erscheint es dringend erforderlich, dass die Zukunftsfähigkeit der Konzepte und Instrumente im Bereich der ESVP, insbesondere das EU Battlegroup- Konzept, diskutiert wird. In der zentralafrikanischen Region öffnet sich durch die UNAMID-Hybridmission in Darfur und die Operation EUFOR Tchad/RCA ein Fenster der Möglichkeiten. Es besteht die Chance, dass für den Großteil der Bevölkerung in der Region langfristig ein stabileres Sicherheitsumfeld geschaffen wird und dass auch politische Lösungen für die Konflikte vorangetrieben werden. Dafür ist aber ein glaubwürdiges europäisches Engagement erforderlich. 17 Zur Vertiefung siehe ebd. 7