Prof. Dr. Hans_Joachim Schmidt Vorlesung: Europa im 15. Jahrhundert, Herbstsemester 2014

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Transkript:

Prof. Dr. Hans_Joachim Schmidt Vorlesung: Europa im 15. Jahrhundert, Herbstsemester 2014 C) Herrschaft, Macht und Politik 2) Mühsame Selbstbehauptung von Reich und Kaisertum in Deutschland Als Kaiser Karl IV. im Jahre 1378 starb, folgte ihm sein ältester Sohn, der bereits zuvor von den Kurfürsten zum römischen König gewählt worden war, in der Herrschaft: Wenzel. Zum ersten Mal seit mehr als 100 Jahren ist damit der leibliche Erbe auch als Nachfolger im römischen Königtum anerkannt worden und damit die dynastische Kontinuität in der Reichsherrschaft gewahrt worden. Um die Kurfürsten für die Wahl Wenzels zu gewinnen, hatte der Kaiser ihnen enorme Geldmittel versprechen und auch auszahlen müssen. Wenige Tage vor dem Abbleben des alten Kaisers hatten die römischen Kardinäle mit der Wahl Clemens VII. zum Papst ein Schisma heraufbeschworen. Wenzel entschied sich rasch für Urban VI., den bereits im April 1378 Gewählten, also für Urban VI. Eine weitere schwere Hypothek für den jungen König Wenzel, der beim Tode seines Vaters 18 Jahre alt war, stellte die Regelung der Erbschaft durch seinen Vater dar. Wenzel sollte nur einen Teil der umfangreichen luxemburgischen Hausmachtterritorien erhalten. Insgesamt 6 Mitglieder seiner Familie wurden in Besitzungen der Luxemburger in Ost und West eingesetzt. Am 27. Febr. 1379 gründete er zusammen mit den vier rheinischen Kurfürsten in Frankfurt den Urbansbund, der das Reich zur Obödienz des in Rom residierenden Urbans VI. verpflichten sollte. Freilich ließ sich angesichts der Vielzahl von Landesherrschaft eine einheitliche Linie in der Schismafrage nicht durchsetzen. Ein weiterer Konfliktherd war die Politik der Städte im Reich. Der Gegensatz zwischen den Städten auf der einen Seite und adeligen Herren und Rittern auf der anderen Seite führte zu beständigen Fehden. Bündnisse wurden auf beiden Seiten geschlossen. Diese Situation hat König Wenzel zu nutzen gesucht, um einen allgemeinen Reichslandfrieden zu schaffen. Es wurde ein Vertragswerk aufgesetzt, das auf einem Nürnberger Hoftag am 11. März 1383 verabschiedet wurde. Allerdings waren allein die Fürsten beteiligt. Die Städte haben sich geweigert, der Einung beizutreten. Ein Eingreifen in ein immer mehr sich verfestigendes Territorialgefüge und in das regionale Hegemonialstreben der Fürsten wurde für den König dann immer schwieriger, wenn er in der betreffenden Region über keine eigenständige Machtgrundlagen verfügte. Das Auseinandertrifften von königsnahen und kölnigsfernen Landschaften wurde verstärkt. Dennoch hatte Wenzel durch den allgemeinen Landfrieden von Eger im Jahre 1389, in dem auch die Städte eingebunden waren, noch einen beeindruckenden Erfolg erzielt. Die Städte sahen aber immer mehr in eigenen Bündnissen ihre Interessen am besten gewahrt. Höhepunkt dieser Entwicklung war die im Jahre 1381 vollzogene

2 Vereinigung des Rheinischen und des Schwäbischen Städtebundes. Drei Jahre später vereinigte sich der sächsische Städtebund. Die militärische Macht der Städte war indes nicht ausreichend, um den Fürsten standzuhalten. Der Städtekrieg 1388 und 1389 zeigte dies überdeutlich. Er zwang die Städte nach einigen Niederlagen, sich unter Verzicht eigener Bündnisse dem Landfrieden zu unterwerfen. Anders in der Schweiz: dort Sieg der verbündeten Gemeinden der Eidgenossenschaft in Sempach 1386 gegen die Habsburger Wenzel wurde immer mehr auf seine Position als König von Böhmen, damit auf sein zwar bedeutendes, aber außerhalb der traditionellen Entscheidungsorte des Reiches liegendes Territorium beschränkt. Gänzlich illusorisch war damit das Vorhaben, die Kaiserkrone zu erringen. Ohne in die Verhältnisse Italiens und der päpstlichen Kurie in Rom effektiv einzugreifen, ohne auch in Deutschland den Kontakt zu den üblicherweise auf Kooperation mit dem König angewiesenen kleineren Adelsherrschaften und den Städten aufrechtzuerhalten, verharrte Wenzel in Untätigkeit, was die Gestaltung der Herrschaft im Reich betraf. Dies hatte Gründe. Vor allem die schwierige Lage in Böhmen erforderte dort die Anwesenheit des Königs. Daß dort, in seinem Stammland, die Opposition zahlreicher Adeliger besonders groß war und daß diese Opposition auch dem König zu trotzen imstande war, sollte sich letztlich als die größe Hypothek für das römische Königtum Wenzels erweisen und schließlich auch seinen Sturz als römischer König einleiten. Bereits 1384 und 1385 erhob in Böhmen eine Adelsfronde ihr Haupt. Unterstützt wurde sie von Jobst von Mähren, einem Cousin von Wenzel. Ein weiterer Aufstand des Adels 1394 bis 1397 hatte noch ernsthaftere Konsequenzen. Die Rebellion gipfelte in der Gefangennahme des Königs am 8. Mai 1394. Bis zum Herbst desselben Jahres blieb er in der Hand des Adels. Zeitweise ist er sogar nach Österreich verschleppt worden. In das schwer zu entwirrende Chaos der böhmischen Ereignisse begannen die Herzöge von Österreich und die Markgrafen von Meißen einzugreifen - angeblich, um den König aus seiner Gefangenschaft zu befreien, aber auch, um die eigenen adeligen Anhänger gegen eine möglicherweise wiedererstarkende böhmische Königsherrschaft zu schützen. Wenzel verlor nun auch die Unterstützung der rheinischen Kurfürsten. Diese, die noch 1394 - während der Gefangenschafts Wenzels - loyal zum König gestanden hatten, traten seit 1396/97 offen in eine rasch sich verschärfende Opposition. Kennzeichen dieser Opposition wurde die häufige Einberufung sog. königsloser Tage. Die offenkundige Nutzlosigkeit, das Nicht-Handeln, die fehlende Präsenz des Königs im Reich gegeben war, wurde zum Anlaß und zum Anklagegrund gegen den König Wenzel, den die spätere Chronistik den Faulen nennen sollte. Die Opposition zielte bald auf ein rheinischwittelsbachischen Gegenkönigtum kurfürstlicher Prägung hin, nach dem Stil der Könige mit schwacher Hausmacht, wie es von 1272 bis 1346 bestanden hatte. Schon am Ende des Jahres 1394 wurden die ersten Verhandlungen für ein Gegenkönigtum aufgenommen.

3 Am 20. August 1400 setzte ein Fürstentag in Oberlahnstein bei Koblenz Wenzel ab. Am folgenden Tag wählten die Kurfürsten einen neuen König: einen aus ihrer Mitte, den Pfalzgrafen Rupprecht. Wenzel aber gab sich keineswegs geschlagen. Er war weiterhin böhmicher König, er beanspruchte, weiterhin auch römisch-deutscher König zu sein. Er überlebte sogar seinen Konkurrenten Rupprecht, der 1410 starb. Die Abwahl Wenzels war ein Novum in der deutschen Geschichte. Nicht daß es nicht schon vorher eine Absage an einen regierenden Herrscher gegeben hätte. Diesmal aber erfolgte die Abwahl ohne daß seitens des Papstes dazu aufgefordert worden war, diesmal handelten die Fürsten aus eigenem Antrieb, diesmal lautete der Hauptvorwurf nicht Abfall von der Kirche, sondern Wenzel wurde Schädigung des Reiches vorgeworfen. Auch die Herrschaft Rupprechts geriet schnell in Schwierigkeiten. Zu seinen Vorteilen gehörte zum ersten, daß seine Hauslande im Zentrum der Reichspolitik lagen, als am Mittelrhein. Ein weiterer Vorteil bestand in der Unterstützung der 1386 gegründeten Universität Heidelberg. Sie lieferte dem König vor allem den größten Teil der von ihm benötigten Aber sein Feldzug gegen Mailand im Bunde mit Florenz geführt scheiterte ebenso wie sein Versuch, die Kaiserkrone zu erwerben. Schlimmer noch als diese Rückschläge in Italien war die Oppositon deutscher Fürsten gegen ihn. Im Jahre 1405 schlossen sich unter Führung von Erbischof Johann von Mainz der Markgraf von Baden, der Graf von Württemberg und schwäbische Städte zum Marbacher Bund gegen den König zusammen. Angesichts der weiter bestehenden Feindschaft von Wenzel und der faktischen Einflußlosigkeit Rupprechts im Norden Deutschlands war damit der politische Spielraum des Königs sehr eingeschränkt. Als er 1410 starb, war die Situation ungeklärt. Wenzel hielt an seinen Ansprüchen fest. Dies tat er auch dann noch, als sein Brüder, Sigismund, König von Ungarn, von einem Teil der Kurfürsten zum römisch-deutschen König gewählt wurde und ein anderer Teil wiederum den Vetter Sigismunds, Jobst von Mähren wählte. Jetzt gab es drei, die Anspruch auf den Königstitel erhoben - der Sitauation in der Kirche ähnlich, wo zu dieser Zeit auch drei Päpste gegeneinander standen. Indes, durch den frühen Tod von Jobst gelangte schließlich Sigismund, der ja schon seit 1387 König von Ungarn war, zu einer überlegenen Position. Er konnte sich nun auch mit seinem Bruder Wenzel einigen, diesen zum Verzicht auf die römische Königswürde bewegen. In einer Nachwahl im Jahre 1411 erlangte Sigismund diesmal die einmütige Zustimmung. Unangefochten konnte er sein römisch-deutsches Königtum ausüben. Sigismund gelang es, die Würde und die Machtstellung des römisch-deutschen Königtums zum Teil wenigsten wiederherzustellen. Die Konzeption einer großdynastischen Königsherrschaft, die auf der Akkumulation verschiedener Länder und auch außerdeutscher Gebiete beruhte, sollte im weiteren Verlauf des 15. Jahrhunderts die Grundlage des Königtums werden, verbunden indes mit einer nunmehr engen Kooperation mit den Fürsten des Reiches. Sigismund, zur Zeit seiner Wahl gar nicht im Besitz einer deutschen

4 Landesherrschaft, aber als König von Ungarn gleichwohl einer der mächtigsten Herrscher, war auf die Kooperation mit den Fürsten im Reich angewiesen. Sigismund gelang es, die entscheidenden Schritte zu unternehmen, um das Konzil zu Konstanz 1414 einzuberufen. Die Rolle des römischen Königs, die römische Kirche zu schützen und für die Einheit der Kirche einzutreten, konnte wiederbelebt werden. Eine enorme Steigerung des Prestiges war die Folge. Sigismund war der Betreiber und Beschützer dieser Konzilsversammlung, die von 1414 bis 1418 in Konstanz tagte. Sigismund reiste bis nach Perpignan, um mit dem aragonesischen König, bis nach Paris, um mit dem französischen König, bis nach London, um mit dem englischen König zu verhandeln. Aber auch Sigismund waren Grenzen gesetzt. Dies zeigte sich inbesondere als nach dem Tod seines Bruders Wenzel, der ja weiterhin König von Böhmen blieb, also nach nach dessen Tod im Jahre 1420, Sigismund vergeblich versuchte, dieses Königreich für sich zu sichern. Die Anhänger von Jan Hus, des tschechischen Reformators, der 1415 vom Konstanzer Konzil als Häretiker verurteilt und hingerichtet wurde, weigerten sich, Sigismund als neuen König anzuerkennen. Die Hussiten stellten Heere auf. Diese waren so erfolgreich, daß mehrere Kriegszüge Sigismunds scheiterten und daß auch veritable Kreuzzüge allesamt scheiterten. Im Gegenteil gingen die hussitischen Heere zu Offensive über. Weitreichende Feldzüge gingen von Böhmen aus bis weit nach Süddeutschland, nach Schlesien, nach Brandenburg, ja bis nach Pommern. Auch die Versuche von Sigismund, in Italien die alten Reichsrechte wieder zu aktivieren, gelang nicht.. Gleichwohl ein wichtiges Ergebnis hatte der Italienaufenthalt: Sigismund wurde am 31. Mai 1433 in Rom vom Papst zum Kaiser gekrönt. In Rom noch lange zu bleiben, war aber weder ihm noch dem Papst vergönnt. Ein Aufstand vertrieb beide. Papst Eugen IV. mußt lange Jahre vor allem in Florenz ausharrren. Inzwischen - seit dem Jahre 1431 - war in Basel erneut ein Konzil zusammengetreten. Unter anderem suchte es ein Lösung der leidigen Hussitenfrage zu erreichen, was gelang. Im Jahre 1433 gewährte das Konzil den Hussiten Zugeständnisse. Unter anderem wurde der Laienkelch zugestanden. Ein Teil der Hussiten akzeptierte die Konzessionen. Erst jetzt konnte Sigismund es wagen, sein Königreich Böhmen zu unterwerfen. Er verbündete sich mit den gemäßigten Hussiten, denjenigen, die die vom Konzil zu Basel gewährten Bedingungen annahmen. Die radikaleren Hussiten, die sich nach ihrer Festung Tabor Taboriten nannten, wurden gemeinsam von den Heeren Sigismunds und der gemäßigten Hussiten geschlagen. Dies geschah im Jahre 1434 - also unmittelbar nach der Verkündigung der Basler Kompaktaten. Wiederum zwei Jahre später zieht Sigismund in Böhmen ein. Endlich konnte er sein Königreich betreten, das Land, dessen Königstitel er schon seit 1420 führte. Lange konnte er sich des Besitzes Böhmens nicht erfreuen. Seine Herrschaft blieb prekär. Der

5 mächtige Adel und die Städte besaßen Machtpositionen, die sie nicht aufgaben. Die religiöse Situation war schwierig. Die Hussiten bauten, gestützt auf die Anerkennung ihrer Stellung, ihre Kirche aus. Fast zwei Jahre nach dem Einzug ins böhmische Königreich starb Kaiser Sigismund am 9. Dez. 1437. Einen Sohn hinterließ Sigismund nicht. Aber einen Schwiegersohn: Herzog Albrecht von Österreich. Ihn wählten die Kurfürsten einstimmig zum neuen römischen König: Als Albrecht II. ging dieser Habsburger in die Geschichte ein. Niemand konnte ahnen, daß er der erste einer mehrere Jahrhunderte währenden Reihe von ausschließlich habsburgischen Königen und Kaisern werden sollte. Daß die Habsburger das Erbe der Luxemburger Dynastie, der Sigismund angehörte, antraten, war aber schon damals unverkennbar. Albrecht erhob auch Ansprüche auf die anderen Königsthrone, die Sigismund innegehabt hatte: Auf den ungarischen und den böhmischen. Es sollte sich schon 1438 die spätere Konstellation anzeigen, die Österreich, Ungarn und Böhmen in eine dynastische Einheit führen sollte. Noch aber war es nicht soweit. Die Ansprüche zu realisieren, gelang dem Habsburger Albrecht nicht. Dies war wohl allein deswegen nicht möglich, weil er früh verstarb, bereits 1439. Also bereits im Jahr nach seiner Königswahl. Ein männlicher Erbe gab es zunächst nicht. Erst vier Monate nach Albrechts Tod - also posthum - gebar seine Witwe einen Sohn: Ladislaus. Auf diesem Kind ruhten nun die vereinigten Erbansprüche Aber sowohl in Ungarn als auch in Böhmen mußte die Herrschaft einheimischen Aspiranten überlassen werden. Einem Kind die Herrschaft zu überlassen, kam auch im deutschen Reich nicht in Frage. Zumindest aber kam erneut ein Habsburger zum Zuge, freilich aus einer anderen Linie. Am 2. Februar 1440 wählten die Kurfürstehn den 25jährigen Herzog von der Steiermark zum deutschen König. Sein Name war Friedich III. Er sollte der am längsten regierende römisch-deutsche König des Mittelalters werden. Bis zu seinem Tod im Jahre 1493, also 53 Jahre lang bekleidete er diese Würde, seit 1452 war er auch römischer Kaiser. Indes, effektiv Herschaft ausüben, konnte er nur während kurzer Zeitspannen seiner Regierung. Matthias Corvinus, König von Ungarn gehörte zu seinen erbittersten Gegnern; ihm mußte Friedrich sogar zetiweise Niederösterreich einschließlich der beiden Residenzstädte Wien und Wiener Neustadt überlassen. Gegen die Bugunderherzöge, insbesondere gegen Karl den Kühnen konnte er sich nur mühsam behaupten. Er war auch keineswegs der einzige Habsburger, der Herrschaft ausübte. Sigismund aus einer anderen habsburgischen Linie verfügte über Tirol und die Besitzungen am Oberrhein. Habsburgische Besitzungen, die ihm als Erben der Luxemburger Dynastie duch Erbvertrag hätten zufallen sollen, gingen verloren. So das Königreich Böhmen, wo Georg Podiebrad, einer der Anführer der Hussiten, sich 1440 als Gubernator bestätiigen ließ und sich 1457 selbst als König ausrief. Ungarn zu beherrschen scheiterte ebenfalls. Dort hatten

6 Johann Hunyádi mit Hilfe der ungarischen Stände als Reichsverweser und Gubernator effektiv die Herrschaft inne. Sein Nachfolge wurde sein Sohn Matthias Corvinus, den eine Fürstenversammlung der ungarischen Magnaten 1458 zum König wählte.. Fürstentreffen zu Trier im Sommer 1473 mit Herzog Karl dem Kühnen von Burgund. Dieses Fürstentreffen war der Beginn des Erfolges von Friedrich III. Denn sein Rang als Kaiser war nicht zu überbieten. Und deswegen war Karl so bestrebt, für seine eigene Dynastie diesen Rang zu erlangen. Diesem Ziel sollte die Heirat seines einziges Kindes, seiner Tochter Maria mit dem Sohn Friedrichs, des späteren Kaisers Maximilian dienen. Und diese Heirat kam tatsächlich zustande, unter der Bedingung aber, daß Friedrich seinem gefährlichen Konkurrenten Karl die römische Königswürde in Aussicht stellte. Freilich niemand konnte ahnen, daß weniger als vier Jahre später, im Januar 1477 Herzog Karl der Kühne durch Schweizer Soldaten seine dritte Niederlage in Folge einstecken mußte und dabei dem Schlachtfeld vor der lothrinngischen Stadt Nancy sein Leben lassen mußte. Erbe war seine Tochter Maria, Erbe war damit zugleich dessen Ehemann Maximilian, der Sohn des so glücklos scheinenden Kaisers Friedrich. In den Bereich habsburgischer Macht fiel damit der große umfangreiche burgundische Besitz, damit die Herrschaft über die ertragreichsten Länder des mittlleren und westlichn Europa, über die städtereichen Landschaften Flanderns und Brabants. Freilich, das Erbe war zunächst einmal nur Anspruch. Der Anspruch mußte verteidigt werden, vor allem gegenüber dem französischen König Ludwig XI., dann aber auch gegenüber den burgundischen Untertanen selbst, vor allem gegenüber den selbstbewußten Stadtgemeinden. Was Friedrich III. schließlich rettete, war die Tatsache, daß er alle seine Gegner überlebte, auch Matthias, der drei Jahre vor ihm starb, im Jahrre 1490 - in Wien übrigens - so daß Friedrich III. sich dann doch noch Österreich aneignen konnte, dieses Landes, das seit 1278 unter der Herrschaft der Habsburgischen Familie stand.