PD Dr. Frank Almai Epochenschwellen im Vergleich: 1550, 1720, 1800, 1900

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Transkript:

Institut für Germanistik Professur für Neuere deutsche Literatur und Kulturgeschichte : 1550, 1720, 1800, 1900 9. Vorlesung: Block III: 1800: Klassik und Romantik III

Gliederung 2.2 Romantik und Wissenschaft 2.3 Die neue Mythologie 2.4 Romantik und Religion 2.5 Romantik und die Dichtung des Mittelalters 2

Gotthilf Heinrich von Schubert (1780 1860) 3

Franz Anton Mesmer (1734-1815) 4

Daniel Chodowiecki Kupferstich, 1795 (eine junge Dame wird magnetisiert ) 5

Novalis: Zum Experimentieren gehört Naturgenie, das ist, wunderartige Fähigkeit, den Sinn der Natur zu treffen und in ihrem Geiste zu handeln. Der echte Beobachter ist Künstler er ahndet das Bedeutende und weiß aus dem seltsamen, vorüberstreichenden Gemisch von Erscheinungen die wichtigsten herauszufühlen. Novalis: Aus den medizinisch-naturwissenschaftlichen Studien. In: Hans Joachim Mähl (Hg.): Novalis. Werke, Tagebücher und Briefe. Band 2. Das philosophisch-theoretische Werk. München: Hanser 1978. S. 471. 6

Das Märchen von Hyazinth und Rosenblütchen umfaßt sieben Phasen und erklärt das Naturverständnis von Novalis: 1. Einheit und Heimat 2. Einbruch des Fremden (als Naturforschung und Buchgelehrsamkeit ; die empirische Naturwissenschaft) 3. Trennung von der Geliebten 4. Prophezeiung (durch das weibliche Naturprinzip, die Alte) 5. Reise durch die Natur 6. Gespräch mit Blumen als Vorstufe einer (neuen) Einheit 7. Vereinigung im Traum, aus dem eine neue Wirklichkeit (Kinder) entsteht. 7

Friedrich Schlegel in seiner Rede über die Mythologie (1800): Alle Gedichte des Altertums schließen sich eines an das andere, bis sich aus immer größeren Massen und Gliedern das Ganze bildet; alles greift ineinander, und überall ist ein und derselbe Geist nur anders ausgedrückt. Und so ist es wahrlich kein leeres Bilde, zu sagen: die alte Poesie sei ein einziges, unteilbares, vollendetes Gedicht. Warum sollte nicht wieder werden, was schon gewesen ist? Auf eine andere Weise, versteht sich. Und warum nicht auf eine schönere, größere? Friedrich von Schlegel: Kritische Friedrich-Schlegel-Ausgabe. Erste Abteilung: Kritische Neuausgabe. Band 2. München, Paderborn, Wien, Zürich: Schöningh 1967. S. 311-329. 8

Eichendorff: Mondnacht Es war, als hätt der Himmel Die Erde still geküßt, Daß sie im Blütenschimmer Von ihm nun träumen müßt. Die Luft ging durch die Felder, Die Ähren wogten sacht, Es rauschten leis die Wälder, So sternklar war die Nacht. Und meine Seele spannte Weit ihre Flügel aus, Flog durch die stillen Lande, Als flöge sie nach Haus. Joseph von Eichendorff: Werke. Band 1. Gedichte, Versepen. Hrsg. von Hartwig Schultz. Frankfurt am Main: Deutscher Klassiker Verlag 1987. S.322f. 9

Novalis: Die Christenheit oder Europa Es waren schöne glänzende Zeiten, wo Europa ein christliches Land war, wo Eine Christenheit diesen menschlich gestalteten Welttheil bewohnte; Ein großes gemeinschaftliches Interesse verband die entlegensten Provinzen dieses weiten geistlichen Reiches. Ohne große weltliche Besitztümer lenkte und vereinigte Ein Oberhaupt die großen politischen Kräfte. Novalis: Fragmente und Studien. Die Christenheit oder Europa. Novalis (Friedrich von Hardenberg). Hrsg. von Carl Paschek. Stuttgart: Reclam 1991. S.67. 10

Joseph Görres: Glauben und Wissen (1805): Wie die Grundfesten der Erde auf den gewaltigen Urgebirgen ruhen, so ruht unser Wissen auf den einfachen großen Überlieferungen, die wie Gebirge aus der alten, grauen Urzeit zu uns herüberziehen. Joseph Görres: Glauben und Wissen. München: Scherersche Kunst- und Buchhandlung 1805. S. 15. 11

Tieck: aus der Vorrede der Sammlung Minnelieder aus dem Schwäbischen Zeitalter: Wir müssen annehmen, daß der Sinn für die Poesie in jener Zeit ebenso innig, als empfänglich und vielumfassend war; [ ] alte Tradition, Liebe und Religion vereinigten die verschiedensten Gemüther zu einem Interesse. Ludwig Tieck: Minnelieder aus dem schwäbischen Zeitalter. Reprogr. Nachdr. der Ausgabe Berlin 1803. Hildesheim: Olms 1966. S. 10. 12