Mutter bei der Geburt eines Kindes über 35, in der Schweiz jede sechste, in Österreich jede neunte. Deutsche Mütter über 40 brachten im Jahr 2013 knapp drei Prozent der Neugeborenen zur Welt, insgesamt über 28 000 Kinder. Fast jedes 20. Neugeborene hat einen Vater, der über 50 Jahre alt ist. Tendenz steigend. In Österreich und der Schweiz sind die Zahlen ähnlich. Der Trend zum Spätgebären macht sich auch in der gesamten Europäischen Union bemerkbar: Im Jahr 2002 gebaren Frauen über 40 in den damals 27 Mitgliedsstaaten laut der Statistikbehörde Eurostat fast 128 000 Kinder, 2012 waren es bereits über 218 000 Kinder. In zehn Jahren wuchs die Anzahl»besonders später«kinder also um rund 70 Prozent. Es gibt viele Gründe, warum Menschen heute das Kinderkriegen aufschieben: Viele
jüngere Erwachsene haben zwischen 20 und 30 schlichtweg keine Zeit für eine Familiengründung. Sie müssen studieren, Praktika oder Volon tariate absolvieren und brauchen Zeit, bis sie beruflich halbwegs Fuß gefasst haben. Viele hochqualifizierte Frauen Anfang 30 wollen endlich ihren Anspruch auf berufliche Entfaltung einlösen die Babys müssen warten. Oft kommen ihnen auch ihre hohen Ansprüche an die eigene Lebensgestaltung in die Quere. Sie wollen erst ein Kind in die Welt setzen, wenn sie beruflich etabliert sind, den richtigen Partner gefunden und sich selbst zu einer rundum gereiften Persönlichkeit entwickelt haben. Der steigende Perfektionsanspruch verhindert mitunter den Nachwuchs. Denn die menschliche Fortpflanzung kennt keine uneingeschränkte Freiheit. Anything goes funktioniert hier nicht. Die
Biologie setzt später Mutterschaft und später Vaterschaft Grenzen. Spätestens mit 50 ist für Frauen Schluss, ab 40 sinken die Chancen rapide, dass es mit dem Kinderkriegen noch klappt. Statistisch sind 90 Prozent aller Frauen mit 45 Jahren unfruchtbar. Vier Jahre vorher kann schon jede Zweite kein Kind mehr bekommen. Zudem steigen mit dem Alter der Männer die Risiken für den Nachwuchs. Auch die Chancen, mit Hilfe der Reproduktionsmedizin ein gesundes Kind zu bekommen, sind, wie die Forschergruppe»Zukunft mit Kindern«im Jahr 2012 feststellte, nur»geringfügig höher«als bei einer natürlichen Empfängnis. Viele Paare überschätzen nach Ansicht der Forscher die Erfolgschancen dieser Methoden bei Weitem. In Deutschland kommt nur bei jeder fünften künstlichen Befruchtung ein Kind zustande unabhängig vom Alter der Frau.
Die Chancen schwinden zudem mit wachsendem Alter, wie eine im August 2015 veröffentlichte israelische Studie zeigt. Sie belegt, dass israelische Frauen seit 1994 viel öfter höhere Bildungsabschlüsse anstreben und später heiraten als früher. Die Autorinnen führen das darauf zurück, dass Israelinnen sich seit 1994 kostenlos künstlich befruchten lassen können. Es ist jedoch eine trügerische Hoffnung, weil gemäß einer weiteren Studie aus Israel aus dem Jahr 2009 nur acht Prozent der 42-Jährigen dank der In-vitro- Fertilisation (IVF) schwanger wurden, bei den 44-Jährigen waren es nur zwei Prozent, bei den 45-Jährigen null. Der Trend zum Aufschieben des Kinderkriegens hat in Deutschland besonders drastische Folgen: Im Jahr 2013 lag die hiesige Geburtenquote mit 1,4 Kindern pro Frau weit unter dem Durchschnitt der 31
führenden Industrieländer von 1,74. Laut einer im Juni 2015 veröffentlichten Studie des Hamburger Weltwirtschaftsinstituts hat Deutschland sogar die niedrigste Geburtenrate der Welt noch hinter Japan oder Portugal. Eine 2011 veröffentlichte Studie der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) führte dies vor allem darauf zurück, dass deutsche Frauen mit ihrer ersten Schwangerschaft immer länger warten. Dabei gelte:»je höher die akademische Bildung einer Frau, desto wahrscheinlicher ist es, dass sie ihren Kinderwunsch aufschiebt.«dabei fällt eine regionale Besonderheit auf: Ein Team aus Erziehungs- und Sozialwissenschaftlerinnen stellte in einer Studie zu späten Müttern in Ost- und Westdeutschland 2003 fest, dass in Westdeutschland eher hochqualifizierte