Crystal Meth: Substanzcharakteristik, Epidemiologie und Konsumkontexte in der MSM-Community Prof. Dr. Daniel Deimel DÖAK 2015 Düsseldorf, 26.06.2015
Inhalt Crystal Meth: Substanzcharakteristik Substanzherkunft Prävalenzen zum Drogenkonsum bei MSM Clubdrug-Studie Konsumkontext: Fallvignette
Crystal Meth: Substanzcharakteristik Methylamphetamin ist AmphetaminDerivat. Diese Substanzen wirken auf das ZNS und setzen dort Dopamin und Noradrenalin frei. Herstellung: Sehr billig und relativ einfach. Verarbeitung von frei verkäuflichen ephedrinhaltige Erkältungsmittel, Jod und Phosphor zu einer kristallinen, rauchbaren Substanz. (Gouzoulis-Mayfrank & Bilke, 2012, Freye, 2014)
Crystal Meth: Historie 1893: Erste Synthese. Japanischer Chemiker Nagayoshi Nagai 1938: Deutsche Temmler-Werke. Medikament Pervitin gegen Asthma Bis 1988 auf dem deutschen Markt erhältlich. Pralinen mit Perventin fröhliche Hausfrau. Einsatz im 2. Weltkrieg durch die Wehrmacht als Panzerschokolade und Stuka -Tablette. Bekanntester Konsument: Heinrich Böll. Ab 1945 missbräuchliche Verwendung als Dopingmittel im Sport. (Freye, 2014, Stadtmission Chemnitz, 2014)
Crystal Meth: Konsumformen und Wirkungsdauer Konsumform Wirkungseintri0 Wirkungsdauer Oral Nach ca. 30 Minuten Nasal (sniefen) Inhala<v (Pfeife) Intravenös 3-10 Minuten Nach wenigen Sekunden Nach wenigen Sekunden 6-70 Stunden, je nach Applika<onsform und Dosis. Anal/Vaginal Uneinheitliche Angaben (Freye, 2014, eve & rave, 2015, Stadtmission Chemnitz, 2014)
Crystal Meth: Wirkungsweise Illustra<on & Anima<on: Robert Reinhold. www.movings.de hrps://www.youtube.com/watch?v=iy5vbof7v- w
Crystal Meth: positive Wirkungen Posi4ve Wirkeffekte Gesteigerte Energie Vermindertes SchlaZedürfnis Euphorie Gesteigerte Sexualität Vermindertes Hungergefühl Neutrale Wirkeffekte Gesteigerter Rededrang Gewichtsverlust Schwitzen Visuelle und auditorische Halluzina<onen (S<mmenhören) (Freye, 2014, S. 76)
Crystal Meth: Wirkungen Nega4ve Wirkeffekte Gestörtes Schlafmuster Anspannung der Kiefermuskulatur, Zähneknirschen Appe<tverlust (Anorexie), schlechte Ernährungslage zunehmender Gewichtsverlust Im Laufe der Zeit Libidoverlust Juckreiz, Hautnarben Übelkeit, Erbrechen, Durchfälle Kurzatmigkeit S<mmungsschwankungen Ängstlichkeit und Nervösität Aggressivität Panik, Misstrauen und Paranoia Unwillkürliche Körperbewegungen Falsches Empfinden von Macht und Größe (Gefühl der Erhabenheit) Aggressives und gewalrä<ges Verhalten Schwere Depressionen, Selbstmordtendenzen (Freye, 2014, S. 76)
Crystal Meth: Wirkungen Wirkeffekte bei gewohnheitsmäßigen Gebrauch Unabwendbare Nieren- und Lungenfunk<onsstörungen Mögliche ZNS- Ausfälle Permanente psychologische Probleme Leberschädigungen Schlaganfall Schwere Schlafstörungen bis zu 48 Stunden Extremer Hunger Psycho<sche Reak<onen Beklemmungsgefühle (Freye, 2014, S. 76)
Crystal Meth Starke Verbreitung von Crystal Meth im Südosten Deutschlands. (Abbildung: Bundeskriminalamt, 2013, S. 10)
Drogenkonsum von MSM: Epidemiologie 40% 35% 34% 30% 25% 20% 18% 15% 13% 10% 5% 0% Amylnitrit (Poppers) 6% 6% 5% 3% 3% 1% 1% Cannabis "Viagra" "Speed" Kokain Ecstasy GHB/GBL Ketamin Crystal LSD 12-Monatsprävalenz verschiedener Substanzen bei MSM in Deutschland. Daten der EMIS-Studie, n = 54.387 (Bochow et al., 2011, S. 126)
Drogenkonsum von MSM: Epidemiologie Sekundäranalyse EMIS-Daten: 1% der Befragten MSM konsumierten in den 4 Wochen vor der Befragung Chemsex-Drogen. Höchste Prävalenz im urbanen Raum: Zürich: 7,0%, Berlin: 5,3%, Köln/Bonn: 3,8%, Wien: 3,6% (Schmidt & Marcus, 2014)
Clubdrug-Studie: Forschungsdesign Explorative, multizentrische Studie mit qualitativem Forschungsansatz Inhaltsanalytische Auswertung von 14 leitfadengestützten Interviews mit MSM in Berlin, Köln und Frankfurt a.m. Katholische Hochschule NRW, Aachen; ISFF Frankfurt (Deimel & Stöver, 2015)
Clubdrug-Studie: Interviewleitfaden 35 Fragen zu 6 Themenbereichen Soziodemographische Daten Drogenkonsum Sexualität Herkunftsfamilie Diskriminierungserfahrungen MSM-Community (Deimel & Stöver, 2015)
Clubdrug-Studie: Stichprobe Altersverteilung 4: 26-35 Jahre 6: 36-45 Jahre 4: 46-60 Jahre Gesundheit 12: Angabe HIV+ Drogenkonsum 9: Erfahrung mit Crystal Meth 8: Erfahrungen mit i.v. Drogenkonsum (Crystal Meth, Ketamin, Heroin, Kokain) 6: Hauptdroge: Crystal Meth Häufig Mischkonsum: Crystal Meth + GHB, + Viagra, + THC, + Poppers. 10 9 8 7 6 5 4 3 2 1 0 9 Lebenszeit letzten 12 Monate Crystal Meth 8 4 letzten 30 Tage 1 Täglich/alle 2 Tage
Clubdrug-Studie: Interview B01 Crystal Meth Alkohol Tabak Kokain THC Amphetamine Mephedron GHB/ GBL Lebenszeit X X X X X X X X X X X X Ecstasy Viagra Amylnitrit Ketamin Benzodiazepi ne Heroin 12 Monate X X X -- X X -- X X X X -- 30 Tage täglich/ alle 2 Tage X X X -- -- X -- X -- X X -- -- X -- -- -- -- -- -- -- -- X -- nie X X Mischkonsum regelhan Episodischer Konsum Hauptdroge: Crystal Meth i.v. Konsum Konsumkontext sexuelle Erfahrungen Konsumkontext Tanzen/Party
Interview B01: Hauptdroge Zur Qualität des Crystal Meth Konsums aber dieser Kick, den du da kriegst, wenn du das dir das erste Mal in der Vene spritzt, das ist der Wahnsinn. Das ist einfach nur der Wahnsinn, da bist du einfach nur noch eine geile Nutte. Also du machst nur Sex und du denkst nur noch an Sex da, ja da kommt halt/ Welcher normale Mann kann drei Tage durchficken? Ohne Punkt und Komma? Nobody B01, Z. 439-442.
Interview B01: Konsumkontext Sexualität und Drogenkonsum Ja, das ist einfach Mittel zum Zweck, um alle sexuellen Facetten auszuleben und viele sexuelle Facetten, die man hat, könnte man ohne diese Droge gar nicht machen, weil das weder der Mensch noch Körper aushält. Das geht überhaupt nicht. [...] Und hier in Berlin ist es so, du gehst auf eine Sexparty, haust dir die Drogen rein und du hast von Donnerstagabend bis Montagmorgen Sex. Mit 20 verschiedenen Männern, drei Tage durch. Das ist nicht normal. Das ist keine Normalität. Das ist einfach künstlich herbeigeführt durch die Drogen. Und all diese Spielarten, die man wirklich manchmal auf Sexpartys/ Die haben die dann gewürgt oder so sadomasochistische Spiele oder so. Nüchtern hätten die das niemals zugelassen. Never. B01, Z. 555-567
Clubdrug-Studie: Interview B02 Benzodiazepine Lebenszeit 12 Monate 30 Tage täglich/ alle 2 Tage nie Crystal Meth Alkohol Tabak Kokain THC Amphetamine Mephedron GHB/ GBL 12 12 20 16 16 30 32 18 16 32 20 20 16 X X X X X X X X X X X -- -- X X X X X -- X X X X -- -- -- X -- -- -- -- -- -- -- -- -- -- -- -- Ecstasy Viagra Amylnitrit Ketamin Heroin X Mischkonsum regelhan Episodischer Konsum Hauptdroge: Kokain Konsum in Gesellschan Konsumkontext Tanzen/Party Konsumkontext sexuelle Erfahrungen Konsumkontext Freunde treffen/genuss
Interview B02: Sex und Drogen Häufiger Sex mit Drogen, als drogenfreien Sex Also der normale Sex ist halt so ein bisschen uninteressant geworden, sagen wir mal so. Weil ich hab ja schon ewig viel häufiger Sex mit Drogen als ohne. Und da verliert man dann auch so ein bisschen das Interesse dran. Also es ist auch häufig in meinem Freundeskreis so. B02, Z. 217-223
Interview B02: Erfahrung von Entgrenzung I Erfahrung mit Crystal Meth Einmal, ich glaub das war das erste Mal, dass ich so richtig eine große Menge Crystal Meth konsumiert hatte. Und da war ich dann auch in so einem Umfeld, also das war so ein, Playroom heißt das [...] das kann man anmieten, das ist halt so für Sex da, mit allen möglichen Toys und weiß der Geier. Und da war ich dann drei Tage lang drin und hab mit allen möglichen Typen gevögelt....
Interview B02: Erfahrung von Entgrenzung II [Drei Tage am Stück?] Ja. Und hab alles mal ausprobiert, was ich schon länger ausprobieren wollte und nie getan hab, um mich auch zu schützen. Also ich bin immer noch HIV negativ. Und bin da wahnsinnig viele Risiken eingegangen und bin dann da raus gelaufen und dachte: Ach du Scheiße, was war das jetzt? B02, Z. 308-318
Fazit Crystal Meth ist eine hochpotente Droge, welche eine starke Außenwirkung hat. Crystal Meth ist in Teilen der MSM Community verbreitet. Unter Crystal Meth singt die Hemmschwelle, sich in sexuelle Risikosituationen zu begeben. Spezifische Präventions- und Beratungsangebote sollten entwickelt und implementiert werden. Vernetzung zwischen AIDS-Hilfen und Suchtberatungsstellen auf lokaler Ebene sollte ausgebaut werden.
Kontakt Kooperationspartner Prof. Dr. Daniel Deimel Katholische Hochschule NRW Abteilung Aachen Robert-Schuman-Str. 25 52066 Aachen E-Mail: d.deimel@katho-nrw.de Web: clubdrugstudie.wordpress.com