Entwicklungsbiologie 05

Ähnliche Dokumente
Entwicklungsbiologie 4

Genetische Kontrolle der Entwicklung mehrzelliger Eukaryonten

Teil I (Fischbach): Drosophila als Modellsystem der Entwicklungsgenetik

Zelldifferenzierung und Morphogenese

Festlegung von Zelltypen des Krebstieres Parhyale hawaiensis Cell type specification in the crustacean Paryhale hawaiensis

Entwicklungsbiologie und Reproduktionsbiologie von Mensch und Tieren

Genaktivierung und Genexpression

Entwicklungsbiologie und Reproduktionsbiologie von Mensch und Tieren

VL Einführung in die Gentechnologie. Erwin R. Schmidt Institut für Molekulargenetik Vorlesung #

Evolution und Entwicklung

Individualentwicklung

Entwicklung der Tiere

Zentrales Dogma der Biologie

aus: Janning u.a., Genetik (ISBN ) f 2008 Georg Thieme Verlag KG

Bibliografische Informationen digitalisiert durch

Einstieg: Fortpflanzung

Die Distanz zur Quelle bei der Musterbildung im Embryo

2 Etappen und Prinzipien der Entwicklung Etappen der Entwicklung in der Übersicht Allgemeine Prinzipien in Kurzfassung 28

Modul Biologische Grundlagen Kapitel I.2 Grundbegriffe der Genetik

Cajal Bodies und ihre Rolle bei Embryogenese und RNA-Bildung Cajal Bodies and their role in embryogenesis and RNA-Processing

Institut für Biochemie und Molekulare Medizin. Lecture 1 Translational components. Michael Altmann FS 2011

Epigenetik Was ist das?

Experimentelle Embryologie I

Entwicklungsbiologie 03

Laborbiologie WS14/15 Drosophila-Kreuzungsgenetik Teil I

Entwicklungsbiologie Master-Module

2. Übung: Chromosomentheorie

Hypothetisches Modell

Pinschertage der OG Bonn Grundlagen der Zucht

Seminar zur Grundvorlesung Genetik

Signale und Signalwege in Zellen

The Arabidopsis F-box protein TIR1 is an auxin receptor. Von Stefan Kepinski & Ottoline Leyser

Zellstrukturen und ihre Funktionen Zellkern (inkl. Chromosomen)

KV: Genexpression und Transkription Michael Altmann

KERNMODUL 3 ZELL- UND ENTWICKLUNGSBIOLOGISCHER KURS VL:

Neurale Entwicklung und Plastizität I

Inhalt Genexpression Microarrays E-Northern

Elisabeth Knust. Sonderforschungsbereich 590 Inhärente und adaptive Differenzierungsprozesse

Genetik. Allgemeine Genetik - Molekulare Genetik - Entwicklungsgenetik. Bearbeitet von Wilfried Janning, Elisabeth Knust

Gezielte Modifikation pflanzlicher Erbinformation mittels Designer-Endonukleasen

Seminar zur Grundvorlesung Genetik

Die Entwicklung von B Lymphozyten

Zellzyklus, Replikation und Chromosomen

In den Proteinen der Lebewesen treten in der Regel 20 verschiedene Aminosäuren auf. Deren Reihenfolge muss in der Nucleotidsequenz der mrna und damit

Springer-Lehrbuch. Für weitere Bände:

Praktikum der Molekulargenetik

Inhaltsverzeichnis. 39 Moderne Ansätze der Genomsequenzierung

27 Funktionelle Genomanalysen Sachverzeichnis

Übung 8. Vorlesung Bio-Engineering Sommersemester Kapitel Zellkommunikation

Neurale Entwicklung und Plastizität I

Genetik. Allgemeine Genetik Molekulare Genetik Entwicklungsgenetik. Wilfried Janning Elisabeth Knust. 370 Abbildungen 37 Tabellen

Transgene Tiere. Johannes Schenkel. 4y Springer. 2., überarbeitete und aktualisierte Auflage Mit 82 Abbildungen und 20 Tabellen

Thematik der molekularen Zellbiologie Studienjahr 2004/05. I. Semester

Inhaltsverzeichnis. Einführung. 1. Prokaryoten, Eukaryoten 4

GENETIK. für Studierende. Michaela Aubele. für Ahnungslose. Eine Einstiegshilfe. 2. Auflage. Dr. Michaela Aubele, München.

Unterrichtsmaterialien in digitaler und in gedruckter Form. Auszug aus: Lernwerkstatt: Genetik & Vererbung. Das komplette Material finden Sie hier:

Cornel Mülhardt. Molekularbiologie/ Genomics

Abbildungs- und Tabellenverzeichnis Abkürzungsverzeichnis Genbezeichnung. 1. Einleitung 1

Übung 11 Genregulation bei Prokaryoten

Biologie I/B: Klassische und molekulare Genetik, molekulare Grundlagen der Entwicklung Theoretische Übungen SS 2016

Molekularbiologie und Genetik: Entwicklungsgenetik WS 2010/2011

In situ Hybridisierung

BnEhaSfsverzeichnis. 1 Was ist Genetik? 1. 2 Molekulare Grundlagen der Vererbung Verwertung genetischer Informationen 55

Biologie I/B: Klassische und molekulare Genetik, molekulare Grundlagen der Entwicklung Theoretische Übungen SS 2016

Inhaltsverzeichnis trna-genfamilien digitalisiert durch: 94 IDS Basel Bern. Graw, Jochen Genetik 2015

In situ Hybridisierung

Komponenten und Aufbau des Immunsystems Initiation von Immunantworten. lymphatische Organe. Erkennungsmechanismen. Lymphozytenentwicklung

3.5 Moderne Genetik - Vorgänge

Vorlesung Molekulare Humangenetik

2. Übung: Chromosomentheorie

Inhaltsverzeichnis. Teil I: Allgemeine Genetik: Merkmale, Gene und Chromosomen. Einführung Die DNA ein Riesenmolekül... 7

Genomics. Ernst W. Mayr Fakultät für Informatik TU München

5.Epigenetische Regulierung

Transgene Organismen

Kursexperiment Genkartierung in Caenorhabditis elegans. Peder Zipperlen-ThomasBerset

Ausbildung zum Bienenwirtschaftsmeister Mai 2012 Christian Boigenzahn

RNA-binding proteins and micrornas in the mammalian embryo

Chimäre. χίμαιρα. Ziege

Komponenten und Aufbau des Immunsystems Initiation von Immunantworten. lymphatische Organe. Erkennungsmechanismen. Lymphozytenentwicklung

Zell- und Molekularbiologie im Überblick

Biologie I/B: Klassische und molekulare Genetik, molekulare Grundlagen der Entwicklung Tutorium SS 2016

Glossar Bio- Gentechnologie

Allgemeine Genetik. Molekulare Genetik. Entwicklungsgenetik

Komponenten und Aufbau des Immunsystems Initiation von Immunantworten. lymphatische Organe. Erkennungsmechanismen. Lymphozytenentwicklung

The auxin-insensitive bodenlos mutation affects primary root formation and apicalbasal patterning in the Arabidopsis embryo

Evolution, Genetik und Erfahrung

1 Einleitung Geschichte der DNase I DNase I: Proteinstruktur und Isoformen DNase I: Biochemische Eigenschaften 6

Vorwort Seite 4. Einleitung Seite 5. Kapitel I: Zelluläre Grundlagen der Vererbung Seiten 6 28 VORSCHAU. Kapitel II: Vom Gen zum Merkmal Seiten 29 35

Gentechnische Methoden

and Genetics (MPI-CBG) Dresden

CRISPR-Cas9: Prinzipien und Anwendung der Genomeditierung

Transgene Tiere. Beispiele: - Das Gen für Wachstumshormon (GH) wurde mit einem starke Promotor in das Genom der Maus eingepflanzt.

Entwicklungs /gewebespezifische Genexpression

Biopsychologische Forschung

Transkript:

Kernäquivalenz Entwicklungsbiologie 05 Ernst A. Wimmer Abteilung Entwicklungsbiologie Annahme auf Grund der Gleichverteilung der verdoppelten Chromosomen in der Mitose. Aber: Wenn jeder Nukleus dem Nukleus der Zygote entspricht, dann sollte jeder Nukleus auch totipotent sein. Totipotenz: Eigenschaft von Zellen oder Zellkernen, die noch alle Entwicklungsmöglichkeiten besitzen, noch nicht determiniert sind. Nachweis: Kerntransplantationsexperimente, Klonen Kernäquivalenz: Klonen von Amphibien Spaltung: Genetik - Entwicklungsbiologie ursprüngliche Genetik (Morgan) noch als Teil der Embryologie (Entwicklungsbiologie) gesehen. in den 1930ern wurde Genetik eine eigenständige Disziplin. Zunehmende Feindseligkeit zwischen Genetikern und Embryologen. Eine genetische Theorie der Entwicklung kann es erst geben wenn geklärt ist: Wenn alle Zellen dieselbe Erbinformation tragen, wie differenzieren sie sich? Differentielle Genexpression 1. Wie Umweltbedingte Einflüsse die Entwicklung steuern können, z.b. Umweltbedingte Sex-Bestimmung (Temperatur bei Reptilien). 2. Wie Gene die frühen Stadien der Embryonalentwicklung steuern. 3. Wie Chromosomen, die in allen Zellen identisch sind, unterschiedliche und sich verändernde Zellcytoplasmen hervorbringen können, die nötig sind, um die Differenzierung der Zellen zu ermöglichen. Theodor Boveri: Mendelismus Chromosomentheorie der Vererbung Theodor Boveri: Wechselwirkung zwischen Cytoplasma und Kern Nicht eine bestimmte Zahl, sondern eine bestimmte Kombination von Chromosomen sind für eine normale Entwicklung notwendig. Und dies bedeutet nichts anderes, als daß die einzelnen Chromosomen verschiedene Qualitäten besitzen müssen 1910 So scheint mir der Fall von Ascaris ein einfaches Paradigma dafür darzustellen, wie die Wechselwirkung von Protoplasma und Kern in der Ontogenese zu denken ist und auf welche Weise aus der äußerst geringen Ungleichartigkeit des Eiprotoplasmas, durch Auslöseeinwirkungen auf den Kern und Rückwirkungen auf das Protoplasma, die schließlich so gewaltigen Verschiedenheiten der entstehenden Zellen hervorgehen können. Grundkonzept der Differentiellen Genexpression 1

Differentielle Genexpression Jeder Zellnukleus enthält das gesamte Genom, das im befruchteten Ei neu zusammengefügt wurde. Die nicht genutzten Gene in differenzierten Zellen sind nicht zerstört oder mutiert und behalten grundsätzlich das Potential exprimiert zu werden. In jeder Zelle ist nur ein geringer Prozentsatz des Genoms exprimiert. Dies bedeutet, dass der Anteil an synthetisierter RNA in jeder Zelle spezifisch für diesen Zelltyp ist. Differentielle Genexpression Vom Differenzierungszustand abhängige Transkription unterschiedlicher Gene. Wird während der Determination programmiert. Differentielle Genexpression: Nachweis Differentielle Genexpression: Nachweis In situ Hybridisierung Whole mount (Totalpräparate) In situ Hybridisierung (WMISH) Differentielle Genexpression: Nachweis In situ Hybridisierung mit radioaktiv markierten Sonden Differentielle Genexpression Rezeptor-Aktivierung Transkriptionsfaktor-Aktivierung Nukleare Lokalisierung Chromatin-Dekompaktierung Transkriptions-Initition und 5 -Capping Koppelung: Transkription und RNA-Prozessierung RNA-Spleißen 3 -Polyadenylierung Verpackung der mrna mrna-export Translation Protein-Faltung Protein-Modifikation 2

Moderne Modellorganismen Genetische Modellorganismen Zucht und Handhabbarkeit im Labor. Zahl der Nachkommen Kurzer Entwicklungszyklus Möglichkeit zur Manipulation (Transplantationen, Mikroinjektion, Mutagenese) Möglichkeit zur Einzel-Verkreuzung Transgenese: Einfügung von rekombinierten Genen Drosophila melanogaster Lebenszyklus Shockwave: Life Cycle Embryonalentwicklung FLYMOVE http://flymove.uni-muenster.de 3

Genetik der Entwicklungsbiologie Systematische Mutagenisierung und Durchmusterung von Fliegenembryonen Entdeckung sogenannter Eipolaritätsgene: Maternaleffektgene Effekt tritt auf bei Nachkommen von homozygoten Müttern z.b. bicoid 4

Morphogengradienten und Musterbildung Musterbildung: Etablierung einer klar gegliederten räumlichen Anordnung von Zellaktivitäten. Morphogen: Substanz auf die Zellen bei unterschiedlichen Schwellenwerten unterschiedlich reagieren Positionsinformation: Lageinformation, durch die Zellen ihre Lage im Keim mitgeteilt bekommen. Diese Information kann von benachbarten Zellen ausgehen oder von ferneren Morphogensendern. Morphogengradient und Musterbildung Das Tricolore -Modell Lewis Wolpert, 1978 Morphogenkonzentration legt an jedem Punkt eine exakte Positionsinformation fest. Schwellenwertkonzentrationen: Konzentration, oberhalb der Zellen anders reagieren als unterhalb. Der morphogenetische Gradient von BICOID Genetik der Entwicklungsbiologie Systematische Mutagenisierung und Durchmusterung von Fliegenembryonen Entdeckung der zygotischen Segmentierungsgene: Lückengene (Gap-Gene) Paar-Regel-Gene Segmentpolaritätsgene Drosophila Larve Lückengene (Gap-Gene) Fehlen mehrerer zusammenhängender Segmente 5

Lückengene (Gap-Gene) Expression in einem weiten Bereich des Embryos Paar-Regel-Gene Fehlen jedes zweiten Segmentäquivalents hunchback / Krüppel Paar-Regel-Gene Expression in sich wiederholenden Streifen Segmentpolaritätsgene Fehlen eines Teilbereichs jeden Segments, wird durch den verbleibenden Spiegelbildlich ersetzt. Segmentpolaritätsgene Expression in einem Teilbereich jeden Segments. Genetik der Entwicklungsbiologie Systematische Mutagenisierung und Durchmusterung von Fliegenembryonen Entdeckung der zygotischen Segmentierungsgene: Lückengene (Gap-Gene) Paar-Regel-Gene Segmentpolaritätsgene führen zur Metamerisierung des Embryos 6

Genetik der Entwicklungsbiologie Systematische Mutagenisierung und Durchmusterung von Fliegenembryonen Homöotische Transformationen Antennapedia Entdeckung der Homöotischen Selektorgene führen zur Segmentspezifizierung Homöotische Transformationen Expression homöotische Selektorgene Ultrabithorax Nobelpreis 1995 für Physiologie oder Medizin Homöotische Selektorgene und ihre Funktion blieben im Laufe der Evolution weitgehend unverändert Edward B. Lewis Christiane Nüsslein-Volhard Eric F. Wieschaus Für ihre Entdeckungen in Bezug auf die genetische Kontrolle der frühen Embryonalentwicklung 7

Genetische Modellorganismen Modellorganismus: Fadenwurm Caenorhabditis elegans Zellgenealogie von Caenorhabditis elegans Zellgenealogie von Caenorhabditis elegans Modellorganismus: Caenorhabditis elegans Eutelie (Zellkonstanz): invariante Anzahl von Zellen (558 somatische Zellen) Invarianter Zellstammbaum Genetik: selbstfertilisierender Hermaphrodit Entdeckung des entwicklungsbiologisch notwendigen Zelltodes: 131x programmierter Zelltod (Apoptosis) 8

Apoptosis: Programmierter Zelltod Nobelpreis 2002 für Physiologie oder Medizin Zellen durchlaufen genetisches Programm, das zum Selbstmord führt Entdeckung bei eutelischem Organismus C. elegans Aber auch in anderen Spezies entscheidend bei Entwicklungsprozessen beteiligt: Gehirnentwicklung Sydney Brenner H. Robert Horvitz John E. Sulston Bildung des Zehen- und Fingerzwischenraums Für ihre Entdeckungen in Bezug auf die genetische Kontrolle der Organentwicklung und des programmierten Zelltodes Genetische Modellorganismen Modellorganismus: Ackerschmalwand Arabidopsis thaliana 1 mm 9

Blüten-ABC Blüten-ABC Blüten-ABC Genetische Modellorganismen 10

Modellorganismus: Mus musculus (Maus) Keine experimentelle Embryologie Ausgefeilte Genetik Nähe zum Menschen: Säugetier Embryonale Stammzellen Homologe Rekombination: gezielter Gen-Knock-Out möglich Modellorganismus: Danio rerio (Zebrabärbling) Experimentelle Embryologie Genetik Nähe zum Menschen: Wirbeltier Morpholinos: gezielter Gen-Knock-Down möglich Vertebraten Modellorganismen 11

Modellorganismus: Krallenfrosch Xenopus laevis Experimentelle Embryologie Biochemie Keine Genetik: Tetraploidie Xenopus tropicalis - diploid - Transgenese möglich 1 mm Modellorganismus: Gallus gallus (Huhn) Modellorganismus: Gallus gallus (Huhn) Experimentelle Embryologie Experimentelle Embryologie Wachtel-Chimären: markierte Transplatationen 12