Ausschussprotokoll Nordrhein-Westfalen APr 16/ Wahlperiode

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Transkript:

Landtag Ausschussprotokoll Nordrhein-Westfalen APr 16/635 16. Wahlperiode 02.09.2014 Parlamentarisches Kontrollgremium 3. Sitzung (öffentlich) 2. September 2014 Düsseldorf Haus des Landtags 14:00 Uhr bis 15:20 Uhr Vorsitz: Hans-Willi Körfges (SPD) Protokoll: Eva-Maria Bartylla Verhandlungspunkte und Ergebnisse: Vor Eintritt in die Tagesordnung 3 Feststellung der Beschlussfähigkeit des Gremiums 1 Aktuelle Sicherheitslage 4 Sachstandsbericht des Ministeriums für Inneres und Kommunales Bericht von Minister Ralf Jäger (MIK) Bericht von MDgt Burkhard Freier (MIK) Diskussion 2 Präventives Vorgehen gegen salafistische Bestrebungen 11 Bericht des Ministeriums für Inneres und Kommunales Bericht von Minister Ralf Jäger (MIK)

Landtag Nordrhein-Westfalen - 2 - APr 16/635 Diskussion 3 Analyse der Ergebnisse der Kommunal- und Europawahlen 2014 16 Bericht des Ministeriums für Inneres und Kommunales MDgt Burkhard Freier (MIK) berichtet. 4 Föderation der türkisch-demokratischen Idealistenvereine in Europa e.v. (ADÜTDF)/Graue Wölfe 21 Bericht des Ministeriums für Inneres und Kommunales MDgt Burkhard Freier (MIK) berichtet. 5 Verschiedenes 26 * * *

Landtag Nordrhein-Westfalen - 3 - APr 16/635 Aus der Diskussion Vor Eintritt in die Tagesordnung stellt Vorsitzender Hans-Willi Körfges die Beschlussfähigkeit des Parlamentarischen Kontrollgremiums fest.

Landtag Nordrhein-Westfalen - 4 - APr 16/635 1 Aktuelle Sicherheitslage Sachstandsbericht des Ministeriums für Inneres und Kommunales Minister Ralf Jäger (MIK) führt aus: Ich möchte mich bei der aktuellen Sicherheitslage auf zwei Themenbereiche konzentrieren, und zwar Salafismus und Rechtsextremismus, weil das zwei Phänomene sind von herausragender Bedeutung auch für die Arbeit des Verfassungsschutzes. Wir müssen beim Salafismus von einer ernst zu nehmenden Gefahr für die innere Sicherheit in Deutschland ausgehen. Deutschland und auch Nordrhein-Westfalen liegen im Zielspektrum islamistisch-terroristischer Bestrebungen. Es gibt eine abstrakte Gefährdung in Deutschland. Das lässt sich auch an der Zahl der bisher nur versuchten Anschläge festmachen, die überwiegend erfolgreich verhindert werden konnten. Wir müssen aber feststellen, dass es eine erhebliche Zunahme der Anhänger der salafistischen Szene und in deren Netzwerken in ganz Europa gibt. Alleine aus den EU-Staaten sind insgesamt 2.500 Anhänger oder gewaltbereite Salafisten nach Syrien ausgereist. Daran kann man erkennen, dass die Lageentwicklungen in Syrien und dem Nordirak auch ganz unmittelbare Auswirkungen auf Westeuropa haben. Es gibt eine, wie ich finde, beispiellose Propagandawelle der Salafisten im In- und Ausland insbesondere über soziale Netzwerke. Die Propaganda insbesondere aus dem Ausland über soziale Medien eingespielt sind zum Teil Darstellungen brutalster Art. Die Folgen sind eine zunehmende Radikalisierung und eine zunehmende Grundstimmung in der Szene in Europa, aber auch in Deutschland natürlich und dann auch in Nordrhein-Westfalen. Wir haben eine Zunahme der Ausreisen für den Dschihad in Syrien und in Teilen Iraks, insbesondere über die Drehscheibe Türkei. Aus dem Bund sind über 400 gewaltbereite Salafisten ausgereist, um am Dschihad insbesondere in Syrien teilzunehmen. Aus Nordrhein-Westfalen waren es 130. Von denen, die zurückkehren, geht eine abstrakte Gefahr aus. Ich würde die Rückkehrer in drei Gruppen einteilen wollen. Das sind die Desillusionierten, die festgestellt haben, dass sie faktisch als Kanonenfutter missbraucht wurden. Die zweite Gruppe sind die Traumatisierten mit Kampf- und Kriegserfahrung. Die dritte Gruppe sind die zusätzlich Radikalisierten, die geübt sind im Umgang mit Waffen und Sprengstoff und als Helden in der Szene gelten und natürlich ein sicherheitspolitisches Risiko darstellen. Die Sicherheitsbehörden der Länder und des Bundes arbeiten sehr eng zusammen, um gerade die dritte Gruppe, die ich genannt habe, auch intensiv zu beobachten.

Landtag Nordrhein-Westfalen - 5 - APr 16/635 Aber bei aller deutlichen abstrakten Gefahr noch einmal der Hinweis: Es gibt keine konkreten Hinweise auf Anschlagsplanungen. Aber das, was im Fachjargon das Grundrauschen aus dieser Szene genannt wird, hat deutlich zugenommen. Deshalb versuchen wir, auf zweierlei Art und Weise gegenzusteuern. Das tun wir einerseits durch Repression, nämlich konsequente Überwachung, aber andererseits auch durch den Versuch, Ausreisen zu verhindern. Das gelingt nicht häufig, aber da, wo wir beispielsweise das Passgesetz oder das Ordnungsrecht nutzen können, wenden wir es auch konsequent an, um Ausreisen nach Möglichkeit zu verhindern. Das Zweite ist Prävention. Wir versuchen, die Menschen, die drohen, in diese Szene abzugleiten, herauszuholen. Ich will jetzt noch auf den Bereich Rechtsextremismus eingehen. Das Personenpotenzial insbesondere im Parteienspektrum Rechts ist seit 2001 gesunken. Die aktionsorientierten Rechtsextremisten und autonomen Nationalisten sind dagegen mehr geworden. Das heißt, es gibt einen Trend in der Szene, sich weniger einbinden zu lassen in feste Parteienstrukturen, sondern sich eher aktions- und erlebnisorientiert losen Verbünden anzuschließen. Die Gewaltbereitschaft in dieser Szene ist auf hohem Niveau stagnierend. Wir gehen davon aus, dass jeder zweite Rechtsextremist auch gewaltbereit ist. Wir wissen inzwischen auch durch entsprechende statistische Erhebungen, dass auf eine Straftat politisch motiviert rechts eines Täters drei Straftaten der Allgemeinkriminalität bei der gleichen Person kommen. Das macht deutlich: Die sind nicht nur politisch gewaltbereit, sondern sind allgemein gefährlich, weil sie in hohem Maße auch Straftaten der allgemeinen Kriminalität begehen. Auch hier versuchen wir, gegenzusteuern, was ausländer-, asyl- und islamfeindliche Propaganda aus dieser Szene angeht. Wir versuchen, aufzuklären, zu sensibilisieren. Wir haben am 22. Oktober diesen Jahres mit dem Koordinierungsrat der Muslime, in dem ja die wesentlichen bedeutenden Muslimverbände zusammengeschlossen sind, in Köln eine gemeinsame Tagung mit dem Verfassungsschutz zum Thema Antimuslimischer Rassismus eine gesamtgesellschaftliche Herausforderung. Meine Damen und Herren, zuletzt noch zur NPD: Erfreulicherweise ist sie knapp am Wiedereinzug in den Sächsischen Landtag gescheitert. Das ändert aber nichts an der Beurteilung der Gefährlichkeit dieser Partei für die Demokratie. Auch wenn deren Personenpotenzial und Finanzpotenzial in Nordrhein-Westfalen gesunken sind, muss man nach wie vor feststellen, dass die NPD gerade in Ostdeutschland versucht, tief in die gesellschaftliche Mitte vorzudringen, und dort eine relevante politische Kraft darstellt und dass selbstverständlich die Länderinnenminister nach wie vor der Auffassung sind, das Parteienverbot weiter zu betreiben. Daran hat es sowohl auf der SPD-Seite als auch auf der CDU-Seite bisher keinerlei Infragestellung gegeben.

Landtag Nordrhein-Westfalen - 6 - APr 16/635 MDgt Burkhard Freier (MIK) ergänzt: Sehr geehrte Damen und Herren! Ich würde übergehen zu den anderen beiden Extremismusbereichen. Wie ist der neue Stand? Aus der Sicht des Verfassungsschutzes ist der Linksextremismus nach wie vor in Nordrhein-Westfalen kein Schwerpunkt, wenn man das mit den anderen Bereichen vergleicht. Im Linksextremismus sinken die Gewaltzahlen der politisch motivierten Kriminalität. Wir haben jetzt in der neuen Statistik des ersten Halbjahres 2014 in der übrigen politisch motivierten Kriminalität bei Linksextremisten einen leichten Anstieg. Das hängt mit den Wahlen zusammen. Aber nach wie vor ist Nordrhein-Westfalen deswegen kein Schwerpunkt. Es gibt keine orts- oder zeitgebundenen Strukturen und Organisationen. Was sich in den letzten Monaten geändert hat, ist der Bereich Ausländerextremismus. Das liegt an der Lage im Nordirak. Die aktuelle Entwicklung ist, dass die PKK, also die Arbeiterpartei Kurdistans, die hier in Deutschland mit einem Betätigungsverbot belegt ist, auf der EU-Terrorliste steht. Sie nutzt im Moment den Bürgerkrieg. Sie kämpft gegen die Gruppe IS. Da schließen sich nicht nur die nordirakischen Peschmerga zusammen, sondern sie werden unterstützt von den militärischen Armen der PKK, aber auch der anderen Organisationen, zum Beispiel der syrischen PKK. Wir haben erstmals im Juni und im Juli Aufrufe der Jugendorganisationen der PKK gehabt, und zwar Aufrufe an Jugendliche aus Europa, sich an diesem bewaffneten Kampf für sechs Monate zu beteiligen. Wir beobachten das sehr genau, haben aber im Moment keine Erkenntnisse, ob Jugendliche tatsächlich diesem Ruf folgen. Jedenfalls erfolgen erstmals in einer größeren Zahl solche Aufrufe aus dem Bereich der PKK. Zu der Partei DIE RECHTE, die für uns in Nordrhein-Westfalen einen der Schwerpunkte in der Beobachtung des Rechtsextremismus bildet, würde ich gleich gerne im Zusammenhang mit den Wahlen kommen. Vorsitzender Hans-Willi Körfges spricht mögliche Wiedereinreiseverbote an und fragt, was der Minister von der Wirksamkeit solcher Vorschläge halte. Viele der jungen Menschen, die ausreisten, hätten ja eine deutsche Staatsangehörigkeit. Sie habe zunächst eine Frage zum Thema Salafismus, so Verena Schäffer (GRÜ- NE). Es sei ausgeführt worden, dass auch Ausreisen in den Irak stattfänden. Bisher sei ja immer nur von Syrien die Rede gewesen. Sie interessierten die Zahlen, also sozusagen die Auswirkungen des Konfliktes im Irak auf die Szene hier. Zum Thema Antisemitismus und den Moscheebränden in Bielefeld wolle sie gerne wissen, ob man eine veränderte Sicherheitslage für Juden und Muslime angesichts des Nahostkonfliktes in Nordrhein-Westfalen feststellen könne. Zum Thema Rechtsextremismus : Am 23. August habe zum zweiten Jahrestag des Verbots des NWDO eine Demonstration in Dortmund stattgefunden. Hoffentlich seien

Landtag Nordrhein-Westfalen - 7 - APr 16/635 keine Demonstrationen zum Antikriegstag geplant. Der sei ja gestern gewesen. Im Moment sehe es ja so aus, dass auch am nächsten Wochenende dazu keine Demonstration stattfinde. Stattdessen hätten die Rechten in Hamm für den 3. Oktober eine Demo angemeldet. Sie interessiere, ob es eine Verlagerung der Strategie oder des Demonstrationsverhaltens in der rechtsextremen Szene in Nordrhein-Westfalen gebe. Denn diese Antikriegstagdemos seien ja auch immer bundesweit beworben worden und hätten einen festen Punkt im Aufmarschkalender der Neonazis bundesweit dargestellt. Auf die Frage von Dr. Robert Orth (FDP) antwortet MDgt Burkhard Freier (MIK), die genannte Zahl der Ausreisenden meine nicht nur Menschen mit deutschem Pass, sondern Ausreisende aller Nationalitäten. Dr. Robert Orth (FDP) meint, bei denjenigen ohne deutsche Nationalität stelle sich ja dann die Frage, wie weit verhindert werden könne, dass die wieder einreisten. Er schließe sich da der Frage des Kollegen Körfges an. Ihn interessiere auch, wie man auf diese Zahlen komme und wie valide die seien. Denn bei freien Grenzen in Europa wisse man ja nicht, wo sich die Bürgerinnen und Bürger aufhielten. Vor anderthalb Jahren habe ein Aussteigerprogramm begonnen. Seitdem habe man aber nicht einmal von einem einzigen Aussteiger gehört. Dagegen höre man ständig von steigenden Zahlen im Bereich Salafismus. Er wolle gerne wissen, ob bereits Notwendigkeiten erkennbar seien, dieses Aussteigerprogramm zu verändern. In Anbetracht der Tagesordnung schlägt Vorsitzender Hans-Willi Körfges vor, die letzte Frage auf den zweiten Tagesordnungspunkt zu verschieben. Minister Ralf Jäger (MIK) legt dar, Herr Körfges habe ihn gefragt, was er von der Diskussion während der Sommerpause halte, die Wiedereinreise zu verweigern. Bei etwa 75 bis 80 % derjenigen, bei denen eine Ausreise festgestellt worden sei, handele es sich um deutsche Staatsbürger. Bei den Übrigen handele es sich in der Regel um Ausländer mit einem gesicherten Aufenthaltsstatus. Das, was da vonseiten einiger Unionspolitiker während der Sommerpause diskutiert worden sei, sei verfassungsrechtlich schlichtweg nicht umsetzbar. Das sei auch richtigerweise nicht umsetzbar. Das sei ein Nebenkriegsschauplatz, der allenfalls ein Sommerloch gefüllt habe, aber sicherheitspolitisch überhaupt nichts nach vorne gebracht habe. Herr Freier werde gleich noch ergänzen, wie man an diese Zahlen komme. Grundsätzlich sei festzustellen, dass die Personen in eine Region ausreisten, die sich jeder staatlichen Kontrolle entzogen habe. Dadurch sei auch die Informationslage, was die vor Ort ganz individuell machten, übersichtlich. Es sei denn, sie brüsteten sich beispielsweise selbst über Facebook oder Internet mit Taten, die sie in Syrien begangen hätten, oder andere Dienste lieferten Informationen. Man könne also

Landtag Nordrhein-Westfalen - 8 - APr 16/635 nicht bei jedem, der zurückkehre, identifizieren, ob er an kriegerischen Handlungen teilgenommen habe oder nicht. Der Konflikt im Gazastreifen sei medial etwas überlagert von den kriegerischen Auseinandersetzungen mit IS in Syrien, aber vor allem im Nordirak. Dadurch verzeichne man einen Rückgang demonstrativen Geschehens im Zusammenhang mit der Rolle Israels und mit dem Gazastreifenkonflikt. Gleichwohl seien die Sicherheitsmaßnahmen für alle jüdischen Einrichtungen in Nordrhein-Westfalen, die ohnehin schon auf einem sehr hohen Niveau seien, noch einmal verstärkt worden. MDgt Burkhard Freier (MIK) fügt hinzu, die nächste Demonstration der Partei DIE RECHTE sei für den 3. Oktober in Hamm geplant. Dieses Datum sei natürlich nicht zufällig gewählt worden. Rechtsextremisten provozierten. Das heiße, dass sie auch mit den Daten provozierten. Dass sie jetzt Hamm und den 3. Oktober gewählt hätten, liege auch daran, dass die Sicherheitsbehörden jede Demonstration daraufhin überprüften, ob man sie untersagen könne. Die Partei DIE RECHTE werde rechtlich relativ gut beraten und habe Sorge, dass das am 1. September als Nachfolgeveranstaltung der Kameradschaft Dortmund gelte und deswegen untersagt werden könne. Deswegen versuchten die, den Zeitpunkt und den Ort zu verlegen. Demonstrationen seien für die Rechten besonders wichtig. Aus dem Grund versuchten sie, die auf jeden Fall hinzukriegen. In der Regel erfolge über Schleuser und über vorhandene Wege die Ausreise über die Türkei nach Syrien und von da aus weiter in den Irak. Das sei schwierig nachzuvollziehen. Man wisse aus dem Internet, aus den Netzwerken und anderen Informationen, dass einige auch aus Nordrhein-Westfalen weiter geschleust worden seien bis in den Irak. Genaue Zahlen könne er nicht nennen. Aber man gehe im Moment immer noch davon aus, dass die meisten noch in Syrien seien und nicht im Irak. Man kenne eine einzelne Gruppe, von der man relativ sicher wisse, dass die im Irak auch kämpfe. Aber zahlenmäßig sei das eher weniger. Die Ausreisen erfolgten nach letztem Stand zu 75 % durch Personen mit einem deutschen Pass, deutsche Staatsangehörige. Nur etwa 25 % hätten keinen deutschen Pass. Die Ausreisenden würden nicht unbedingt während der Ausreise an der Grenze festgestellt, sondern man wisse davon, weil man hier mitbekomme, dass sie ausreisten, oder über das Internet erfahre, dass sie ausgereist seien. Deswegen habe man über diese Zahl ein ziemlich genaues personenscharfes Bild. Deswegen wisse man auch, wann sie zurückkehrten. Es könne aber nicht ausgeschlossen werden, dass Personen, die überhaupt nicht in irgendeinem Netzwerk gewesen seien, sich also in der islamistischen Szene bisher gar nicht bewegt hätten und ganz plötzlich auf die Idee kämen, auszureisen, nicht festgestellt würden, weil man sie auch bisher schon nicht auf dem Schirm gehabt habe. Manchmal bekomme man das mit. Man kenne also etwa dieses Dunkelfeld, weil

Landtag Nordrhein-Westfalen - 9 - APr 16/635 man es mitkriege, dass sie ausgereist seien, wenn sie versuchten, aus Syrien über die Türkei wieder zurückzukehren. Die Zahl 130 sei fast auf den Punkt valide. Im PKG könnten die Personen auch namentlich benannt werden. Man habe eine Liste derjenigen, die ausreisten. Es gebe auch eine Liste mit den ausreiseverhindernden Maßnahmen, die durchgeführt worden seien. Es liege auch eine Liste derjenigen vor, die zurückgekehrt seien. Auf das Aussteigerprogramm wolle er gerne beim Thema Prävention eingehen. Denn das sei kein Aussteigerprogramm, sondern ein Präventionsprogramm. Das sei etwas mehr. Vorsitzender Hans-Willi Körfges fragt, wie der Verfassungsschutz gegen die sehr intensive und sehr professionell gemachte Videopräsenz im Internet vorgehen könne. Es gebe ja zum einen die Selbstradikalisierung meist über moderne Medien und zum anderen salafistische Kundgebungen, bei denen Menschen gezielt radikalisiert würden. Ihn interessiere, ob der Verfassungsschutz dazu Beobachtungen gemacht habe, denen nachgegangen werden könne. Seine Heimatstadt Mönchengladbach sei ja nur eine der Städte, in denen regelmäßig solche Veranstaltungen stattfänden. Gerade in NRW gebe es ja eine Reihe von höchst professionellen Predigern, die bei diesen Veranstaltungen aufträten. Aufgrund einer guten juristischen Beratung bewege sich deren Wortwahl auch immer noch gerade so an der Grenze des Erlaubten. Das diene aber doch zum Teil auch dazu, die Leute zu solchen unsinnigen und verbrecherischen Aktivitäten zu animieren. Zur grundsätzlichen Einschätzung dieser salafistischen Szene erläutert Minister Ralf Jäger (MIK), die Anzahl der Personen, die dieser Ideologie anhänge, sei dynamisch wachsend. Diese Ideologie sei vor allem für junge Männer unglaublich attraktiv. Allerdings lasse sich auch ein Trend beobachten, dass sich inzwischen auch mehr Frauen mit in dieser salafistischen Szene bewegten. Diese Ideologie vermittle jungen Männern in Werte- und Orientierungskrisen den Glauben, dass man, wenn man sich diese Ideologie vollständig überstülpe, die Antworten auf alle schwierigen Fragen des Lebens habe. Das sei ja insgesamt ein Kennzeichen extremistischer Ideologien, aber diese sei besonders reizvoll. Die Leute kleideten sich anders. Sie pflegten einen andern Haarwuchs und Bartwuchs. Sie machten nach außen kenntlich, dieser Szene anzugehören. Die Radikalisierung finde in der Regel nicht über Moscheevereine statt. Dass ein Moscheeverein möglicherweise salafistisch unterwandert sei, sei eher Beifang in der Szene. Sie organisiere, strukturiere, radikalisiere und politisiere eigentlich außerhalb von Moscheevereinen, insbesondere über das Internet und über eigene Netzwerke und eigene Treffen, die nicht in Moscheevereinen stattfänden. Dieser Hinweis sei ihm besonders wichtig, weil genau diese Vereine und Imame aus diesen Vereinen Kooperationspartner des Landes seien, wenn es darum gehe, diejenigen, die drohten, in diese Szene abzugleiten, aufzufangen.

Landtag Nordrhein-Westfalen - 10 - APr 16/635 MDgt Burkhard Freier (MIK) erklärt weiter, auch die Sensibilisierungsmaßnahmen, die man durchführe, hätten genau das bewirkt, dass Moscheevereine sehr sorgfältig darauf achteten. Die Hauptrekrutierungsmechanismen seien das Internet, die Lies-Aktionen auf der Straße und Benefizveranstaltungen, bei denen es nicht nur um humanitäre Fragen gehe, sondern bei denen auch am Rande immer wieder junge Menschen angesprochen würden, um sich in diesem salafistischen, extremistischen Islam zu bewegen. Das Internet werde professioneller, bunter und auch erlebnisorientierter. Jugendliche bewegten sich acht Stunden im Internet. Deswegen würden sie genau mit den Bildern angesprochen, die ganz schnell anzögen. Man beobachte nicht nur selbst das Internet, sondern man habe im Zusammenhang mit der koordinierten Zusammenarbeit im Verfassungsschutzverbund ein Internetauswertungszentrum in Berlin. Das werde vom Bundesamt für Verfassungsschutz betrieben und werte die über Nordrhein-Westfalen hinausgehenden Seiten systematisch aus und informiere tagesaktuell. Es sei nicht nur wichtig, dass man versuche, dann auf die Anbieter einzuwirken, damit Seiten gelöscht würden. Eigentlich sehe man die zweite und ebenso wichtige Aufgabe darin, Jugendliche immun zu machen gegen diese Bilder. Denn man könne nicht jede Seite sperren, zumindest nicht welche im Ausland. Also müsse man den umgekehrten Weg gehen und Jugendliche gegen solche Bilder immun machen. Es dauere zu lange, eine solche Seite aus dem Netz zu nehmen. Das Herausnehmen aus dem Netz habe Erfolg. Zumindest bei Twitter und Facebook seien diese Seiten relativ schnell gelöscht. Aber sie verbreiteten sich. Sie würden kopiert. Das Internet vergesse nicht schnell.

Landtag Nordrhein-Westfalen - 11 - APr 16/635 2 Präventives Vorgehen gegen salafistische Bestrebungen Bericht des Ministeriums für Inneres und Kommunales Minister Ralf Jäger (MIK) berichtet: Ich möchte jetzt gerne vier Punkte aufführen. Das ist erstens das Präventionsprogramm Wegweiser. Wir kriegen in der Woche etwa fünf Hinweise und Anfragen im Ministerium und zehn Anfragen in den Modellkommunen, was getan werden kann und welche Hilfsangebote es gibt, weil ein Bruder, Schüler oder Kollege droht, in diese Szene abzurutschen. Wir versuchen, ganzheitliche Problemlösungen zu finden für diese meist jungen Männer, Jugendlichen, indem wir vor Ort ein breites Netzwerk installieren, weil wir ganz unterschiedliche Professionen am Tisch brauchen. Das kann das Innenministerium alleine nicht abdecken. Wir brauchen beispielsweise Sozialarbeiter, Jugendhilfe, Schule, Jobcenter, Moscheegemeinden und Imame. All die helfen uns in diesen Netzwerken, ganz individuell auf diese Menschen zuzugehen und mit ihnen zu reden, um sie zu bewegen, sich nicht weiter zu radikalisieren. Wir haben da erste positive Erfahrungen. Wir haben auch erste Erfolge. Wir haben dieses Projekt Wegweiser in Bonn, in Bochum und in Düsseldorf umgesetzt. Wir wollen das weiter ausweiten, und zwar gegen Ende des Jahres auf Wuppertal und Solingen und auf die Region Duisburg, Dinslaken und Wesel, aber auch im Kölner und Aachener Raum sowie in Ostwestfalen. Dort wollen wir präsent sein. Der zweite Teil sind Regionalkonferenzen. Wir versuchen, Multiplikatoren zu erreichen, aufzuklären und zu informieren. Das ist keine Einbahnstraße, dass wir nur auf die zugehen, ganz im Gegenteil. Es gibt ganz viele Anfragen, die an uns, an den Verfassungsschutz gestellt werden, über Salafismus zu informieren. Wir führen dazu Regionalkonferenzen durch. Vier dieser Regionalkonferenzen sind geplant. Eine hat bereits in Arnsberg stattgefunden. 130 Multiplikatoren aus ganz unterschiedlichen Professionen haben daran teilgenommen, immer mit dem Wunsch, mehr Informationen über Salafismus und diese Szene zu erlangen. Wir machen darüber hinaus Multiplikatorenschulungen, insbesondere für die Polizei, für Lehrkräfte, aber genauso gut auch für Beschäftigte in den Justizvollzugsanstalten, weil auch wahrnehmbar die Zahl derer, die sich entweder vor einer Haftstrafe oder während einer Haftstrafe in der JVA radikalisieren, zugenommen hat. Wir versuchen, alles, was wir an Instrumenten haben, in der Landesregierung zu koordinieren und ein gemeinsames Vorgehen zu organisieren, weil wir der festen Überzeugung sind, dass das zwar auch eine Aufgabe für Sicherheitsbehörden ist, aber vor allem eine gesamtgesellschaftliche und politische Aufgabe, sich dieser Bewegung entgegenzustellen. Wir suchen Partner in der Zivilgesellschaft, nämlich insbesondere die Zusammenarbeit mit den islamischen Verbänden, aber auch mit dem Koordinierungsrat der

Landtag Nordrhein-Westfalen - 12 - APr 16/635 Muslime. Ich hatte geschildert, dass wir auch hierzu im Oktober eine gemeinsame Veranstaltung durchführen wollen. MDgt Burkhard Freier (MIK) berichtet ergänzend, aus den drei Städten, und zwar von den Beratern selbst, kämen positive Rückmeldungen. Die sagten, der Bedarf an Beratung sei sehr viel höher als man sich das vorstellen könne. Man habe darüber hinaus im Innenministerium noch eine Hotline für die schwierigen Fälle, also wenn die Radikalisierung sehr weit fortgeschritten sei. Dann werde man selber als Verfassungsschutz aktiv und versuche, auf diesem Wege den jungen Menschen, der Familie, dem Umfeld zu helfen, und zwar ganz individuell. Das nehme immer stärker zu. Deswegen baue man dieses Projekt jetzt weiter aus. Denn das sei erfolgreich. Bisher gebe es auch bundesweit keine Alternative, um die Radikalisierung am Anfang bei den Ursachen zu bekämpfen. Dr. Robert Orth (FDP) äußert, sowohl Herr Minister Jäger als auch Herr Freier hätten gesagt, das sei erfolgreich. Deshalb stelle sich die Frage, was der Erfolg sei. Vielleicht gebe es ja eine Statistik darüber, wie viele Menschen sich davon wieder abgewandt hätten. Vielleicht seien Anschläge vereitelt worden. Er wolle gerne wissen, was konkret erreicht worden sei. Dass man sich bemühe, ein bestimmtes Klima zu schaffen, sei zwar wunderbar, aber am Ende des Tages zählten die harten Zahlen. Dazu hätten Herr Minister Jäger und Herr Freier nichts geliefert. Vorsitzender Hans-Willi Körfges hält die Frage nach dem Erfolg an dieser Stelle für schwierig zu beantworten. In anderen Politikbereichen stehe man ja auch vor dem Problem, dass präventive Arbeit ganz schwierig zu bemessen sei. Denn der Sinn von Prävention sei ja, dass Dinge nicht stattfänden. Das lasse sich schlecht statistisch erfassen. Er gehe aber davon aus, dass es zu den Modellkommunen eine Auswertung gebe. Zu den Regionalkonferenzen habe er die Frage, wie die denn abliefen und wer Initiator für so eine Veranstaltung werden könne. MDgt Burkhard Freier (MIK) bestätigt, dass es schwierig sei, Prävention zu messen. Trotzdem versuche man das, weil man sich natürlich auch selber diese Frage stelle. Beim Aussteigerprogramm Rechtsextremismus werde jetzt eine Evaluation von außen durchgeführt, die nicht nur Auskunft darüber gebe, ob die erhobenen Zahlen richtig seien und das wirklich funktioniere, sondern auch Hinweise darauf geben könne, ob an der einen oder anderen Stelle ein besserer Weg beschritten werden könne. Beim Programm Wegweiser habe man in den Verträgen mit den Kommunen, mit den Trägern des Programms vereinbart, dass von Anfang an die Zahlen der Jugendlichen erhoben würden, die Beratung wünschten, des Umfeldes und auch ob und welche Erfolge es gebe. Das Programm laufe jetzt einige Monate. Das seien quasi

Landtag Nordrhein-Westfalen - 13 - APr 16/635 Ehrenamtliche. Deswegen könne man nicht sofort die Zahlen nennen. Aber man fühle sich selber verpflichtet, die Zahlen dazu zu nennen. Ende dieser Woche finde die erste Besprechung mit den drei Kommunen statt, um die Zahlen einmal zusammenzulegen und auch zu eruieren, ob die tatsächlich so erhoben werden könnten. Man wolle auf jeden Fall messen, wie erfolgreich das Programm sei. Aber wenn zum Beispiel nach einer kurzen Zeit pro Woche eine so große Zahl von Anfragen komme, dann sei das alleine ja schon der Erfolg. Dann bestehe ja ein Bedarf. Zur Regionalkonferenz habe man eingeladen die Bezirksregierung in Arnsberg, dann auch Schule, Jugendamt, die Sozialämter, also die Entscheidungsträger und Verantwortlichen im Bezirk Arnsberg, die etwas mit diesem Bereich zu tun hätten. Deren Fragen hätten deutlich gemacht, dass da noch einiges unklar sei und man dort sehr viel tun könne. Das sehe er schon als einen Erfolg an. Man werde das messen und dann auch vorstellen. Matthi Bolte (GRÜNE) stellt die Fragen, ob der Onlinebereich in diesem Programm berücksichtigt sei und ob Träger, die auch mit Medien arbeiteten, als Multiplikatoren eingebunden würden. Er frage deshalb nach dem Erfolg, begründet Dr. Robert Orth (FDP), weil das Programm ursprünglich mehr als eine Art Aussteigerprogramm präsentiert worden sei. Bei einem Aussteigerprogramm dürfe man erwarten, dass Fallzahlen vorlägen. Beim Schwerpunkt Prävention sei natürlich weniger messbar, wie viele Leute man von etwas abhalte. Aber dann müsse man sich den Vorhalt gefallen lassen, dass offenkundig die Zahl der Salafisten trotzdem deutlich ansteige. Auch da spüre man in der Summe noch nicht so recht, dass das Programm greife. Das löse einige Sorgen aus. Bei den Rechtsextremen werde ganz klar gesagt, welche Maßnahmen mit einer Person durchgeführt würden, um sie aus der Szene herauszuholen, und ob das funktioniert habe. Er habe es so verstanden, dass man ähnlich mit den Salafisten umgehen wolle, also versuchen wolle, Leute aus der Szene herauszukriegen. Dann müsse hinterher doch klar sein, ob sie aus der Szene raus seien oder nicht. Nach Ansicht von Verena Schäffer (GRÜNE) sei das zu schwarz und weiß gedacht. Nicht alle Mitläufer bei Demonstrationen hätten ein geschlossenes rechtsextremes Weltbild. Da gebe es ja Grauzonen. Sie finde es wichtig, dass beim Thema Prävention auch die anderen Ministerien beteiligt seien. Der Verfassungsschutz und die Polizei hätten das Problem erkannt. Aber die Frage sei doch auch, was im Schulbereich, Jugendbereich oder Justizbereich laufe. Die Multiplikatorenschulungen finde sie gut. Aber sie habe die Frage, inwiefern das auf Landesebene koordinierend vernetzt sei.

Landtag Nordrhein-Westfalen - 14 - APr 16/635 Minister Ralf Jäger (MIK) gibt Auskunft, man arbeite gerade an einer Kabinettvorlage, die die Verknüpfung aller Maßnahmen, die in jedem Ressort aufgelegt würden, darstelle. Wenn das Kabinett die Vorlage beschlossen habe, werde sie auch dem Parlament zugeleitet. Beispielsweise versuchten Verfassungsschutz, Schule und Staatskanzlei gemeinsam in einem Projekt, die Internetpräsenz unter die Lupe zu nehmen. Wenn jemand bei Google Dschihad eingebe, müsse ein Aufklärungsangebot des Staates folgen. Dass NRW das zurzeit alleine mache, habe damit zu tun, dass NRW bundesweit Vorreiter sei bei solchen Präventionsprojekten. Man mache das zum Thema der nächsten Innenministerkonferenz Anfang Dezember. Er wolle gerne in den anderen Ländern Mitstreiter gewinnen, weil es ein gemeinsames Problem sei. Es habe eine europäische Dimension. In ganz Europa steige die Zahl der Salafisten an. In ganz Deutschland steige sie an und natürlich dann auch in Nordrhein-Westfalen. Man könne schlecht etwas zählen, was nicht stattgefunden habe. Das habe Herr Freier gerade schon gesagt. Jemanden aus der Szene zum Ausstieg zu bewegen, sei auch Teil dieser Prävention. Aber das sei nicht der klassische Präventionsbegriff. Es gehe eigentlich darum, den Einstieg in diese Szene bereits zu verhindern. Er meine, man sei da ganz gut aufgestellt, auch wenn die Zahlen weiter stiegen. Man habe die staatliche Verantwortung, neben der Repression, die ein Staat dann zur Verfügung habe, wenn sozusagen das Kind schon in den Brunnen gefallen sei, vorher diese Strömung wahrzunehmen und zu versuchen, präventiv dagegen zu arbeiten. Das sei überhaupt nicht vergleichbar mit einem Aussteigerprogramm Rechts, weil man ganz andere Instrumentarien haben müsse. Beispielsweise fehle dem Innenministerium die religiöse Kompetenz, um mit diesen Jugendlichen auf Augenhöhe religiöse Diskussionen zu führen. Dafür brauche man die Hilfe beispielsweise von Imamen und Moscheevereinen. Man müsse auch lokal und regional vorgehen. Denn diese Szenen seien nicht gleichmäßig verteilt. Man habe Hotspots. Die Stadtgesellschaft von Düsseldorf habe von sich aus schon vor Jahren begonnen, dieses Phänomen mit einem Runden Tisch aufzugreifen. Dort habe man die Strukturen vorgefunden, verstärkt und übernommen. In anderen Bereichen müsse man diese Netzwerke vor Ort völlig neu ausrichten. Das sei gelegentlich auch mit denen, die man als Partner im Boot brauche, nicht immer ganz einfach, eine Diskussion darüber zu führen, dass auch sie eine Verantwortung hätten, sich einer solchen Strömung entgegenzustellen. Aber es gelinge. Man arbeite mit großer Beharrlichkeit daran. Er habe ja vorhin geschildert, in welchen räumlichen Bereichen Nordrhein-Westfalens man das in den nächsten Monaten noch ausbauen wolle. Nicht jeder Salafist sei auch gewaltbereit, im Gegenteil. 90 % dieser salafistischen Szene verträten eine furchtbare, eine extremistische Ideologie, seien aber nicht ge-

Landtag Nordrhein-Westfalen - 15 - APr 16/635 waltbereit. Man schätze, dass von den 1.800 Salafisten in Nordrhein-Westfalen etwa 10 % gewaltbereit seien. Das zeige, dass man neben der Prävention die Repression sehr stark auf einen begrenzbaren Teil konzentrieren müsse.

Landtag Nordrhein-Westfalen - 16 - APr 16/635 3 Analyse der Ergebnisse der Kommunal- und Europawahlen 2014 Bericht des Ministeriums für Inneres und Kommunales MDgt Burkhard Freier (MIK) trägt vor: Ich komme zunächst zum Linksextremismus. Das ist ja auch ein Beobachtungsobjekt des Verfassungsschutzes. Der Linksextremismus war in der Europawahl politisch bedeutungslos, keine Stimmen. Bei der Kommunalwahl: DKP und MLPD mit dem AUF-Bündnis in einigen Städten haben auf niedrigem Niveau einige Ratsmandate bekommen. Sie sind von insgesamt sechs auf vier Ratsmandate gesunken. Wir beobachten das, aber auch das ist aus unserer Sicht politisch bedeutungslos, anders im Rechtsextremismus. Europawahl: Insgesamt ist das Ergebnis der rechtsextremistischen Parteien auf einem geringen Niveau. In Nordrhein-Westfalen und im Bund haben sie etwa 1,2 % der Stimmen bekommen. Das klingt erst einmal wenig. Sieht man die Zahl der Stimmen, sieht das etwas anders aus. Das sind nämlich in Nordrhein- Westfalen knapp 81.000 Stimmen, also Menschen, die nicht nur eine Einstellung haben, sondern die auch im Sinne eines Kreuzes ausgedrückt haben. Bundesweit sind das fast 354.000. Das darf man also nicht unterschätzen. Im Einzelnen bei der Europawahl: PRO NRW: Die Partei wird deutschlandweit eigentlich nicht wahrgenommen. Sie hat ihre Stimmen zu 80 % in Nordrhein-Westfalen gekriegt. Das ist aber für PRO NRW auch nicht das Schwierige. Damit haben die intern gerechnet. Wichtiger war für sie, Werbemöglichkeiten zu kriegen über Radio- und Fernsehspots, zu denen die Sender zum Teil verpflichtet sind. Das war das eigentliche Ziel für PRO NRW. Denn sie zielten nicht auf Europa, sondern auf die Kommunen, auf die Kommunalwahl. Deswegen diente für die Europa als eine Art Werbemöglichkeit. Die NPD hat bei der Europawahl die 0,5 %-Hürde übersprungen. Das heißt, sie kriegt eine Wahlkampfkostenerstattung. Sie hat auch ein Mandat erreicht, mehr aber auch nicht. Aus unserer Sicht ist die NPD in Nordrhein-Westfalen jedenfalls die Europawahl zeigte das eher eine Splitterpartei. Das war eher ein schwaches Ergebnis. Das ist aber auch gut so. Kommunalwahl: Insgesamt haben die Rechtsextremisten weniger Stimmen gewonnen als bei der Europawahl. Das lag daran, dass sie nicht in allen Kommunen zur Wahl angetreten sind. Dazu fehlt es eigentlich an Masse. Deshalb haben sie insgesamt weniger Stimmen gekriegt. Es ist auch ein Rückgang zu verzeichnen in den absoluten Zahlen um fast 14.000 Stimmen jetzt auf etwa 52.000. Aber es gibt einen Anstieg der Mandate. Trotz des Rückgangs der Stimmen gibt es bei den Kommunalwahlen einen Anstieg der Mandate, im Moment auf insgesamt 88 mit den Bezirksvertretungen, von 15.000 in Nordrhein-Westfalen. Trotzdem ist, meine ich, jedes Mandat eines zu viel.

Landtag Nordrhein-Westfalen - 17 - APr 16/635 Das lag unter anderem daran, dass mit dem Wegfall der 5 %-Sperrklausel Splitterparteien, auch kleinere Parteien, sogar die Partei DIE RECHTE, es schafften, in einzelne Rathäuser einzuziehen. Die NPD, PRO NRW und DIE RECHTE haben also Mandate gewonnen. Wir haben die Parteien dann auch daraufhin beobachtet, was das für die eigentlich heißt. Das darf man nicht unterschätzen. Jedes Ratsmandat führt dazu, dass sie eine Infrastruktur haben, ein Büro, einen Computer, etwas, mit dem sie arbeiten können. Das sichert auch zu einem Teil die Finanzierung in der Partei. Diese Finanzierungssicherung heißt auch so haben wir das beobachtet, dass einige Mitglieder der Partei jetzt aktiver werden, weil sie, wenn sie Geld in Aussicht haben, einen Anlass sehen, aktiv zu sein, was vielleicht sonst nicht der Fall wäre. Viel schwieriger ist: Sie nutzen diese Ratsmandate als öffentliche Bühne für Provokationen und für Propaganda. Eines darf man auch nicht unterschätzen: Sie nutzen diese Ratsmandate auch als Informationsbeschaffung. Wo wird das nächste Asylbewerberheim eingerichtet? Das ist alles rechtsstaatlich richtig. Sie kriegen diese Informationen mit. Aber sie nutzen sie auch aus. PRO NRW hat 5.000 Stimmen verloren. Sie haben in Köln überhaupt nicht das erreicht, was sie wollten. In der einstigen Hochburg haben sie jetzt nur noch zwei von fünf Mandaten. Das bedeutet auch für die Partei selbst ein Einknicken. Auch in der Darstellung merkt man, dass das für sie ein herber Schlag gewesen ist. Dennoch muss man sagen: Sie haben inzwischen mehr Mandate als vorher. Sie hatten nach der letzten Kommunalwahl 45. Jetzt haben sie 65. Nach einem Absprung haben sie jetzt 64 Mandate. Sie sind deswegen in 15 Kreisen oder kreisfreien Städten vertreten. Das ist nicht flächendeckend, aber das ist doch schon nicht zu unterschätzen. Sie haben durch die Wahlgewinne auch finanzielle Mittel erhalten, die sie vorher nicht hatten. Im Moment beobachten wir, dass alle drei Parteien, insbesondere PRO NRW, versuchen, aus ihrer Isolierung herauszukommen. Sie versuchen deswegen, über jede ideologische Grenze Partner zu finden, um innerhalb der Räte mehr Bedeutung zu kriegen. Eine Fraktion erreichen sie in der Regel nicht, aber Gruppen. Was heißt das? Eine Gruppe aus zwei Personen hat zum Beispiel Anspruch auf jährlich fast 45.000. Das ist nicht zu unterschätzen, gerade für Parteien, die an sich immer klamm sind. Das versuchen im Moment alle drei Parteien, auch wenn sie es abstreiten. Die NPD in Nordrhein-Westfalen hat noch viel mehr verloren, 43 % der Stimmen. Sie ist auch jetzt nur noch in acht statt in zwölf Kreisen und kreisfreien Städten vertreten. Das heißt, aus unserer Sicht ist sie eine Splitterpartei. Aber sie ist noch da. Jede Partei im Rechtsextremismus, die in irgendeinem Rat sitzt, hat natürlich die Möglichkeit, aktiv zu sein und damit zu werben, ihre Ideologie zu verbreiten, all das.

Landtag Nordrhein-Westfalen - 18 - APr 16/635 Die von uns am deutlichsten beobachtete Partei DIE RECHTE hat bei der Kommunalwahl nur 2.742 Stimmen bekommen. Das ist von der Prozentzahl her relativ wenig. Dennoch haben sie es geschafft, in Dortmund und auch in Hamm mit je einem Ratsmandat einzuziehen. Das lag an der schwachen Wahlbeteiligung. Wenn die Wahlbeteiligung unter 50 % liegt, dient das den Splitterparteien, diesen extremistischen Randparteien dazu, auch mit ganz wenig Stimmen so etwas zu erreichen. Für die Partei DIE RECHTE das haben wir immer so gesagt und das bleibt bisher auch so ist die ganze Wahl, die ganze Parteienlandschaft einfach nur Mittel zum Zweck, um ihre Propaganda und Provokationen zu verbreiten. Sie nutzen das als Bühne, um auch in den Medien bekannt zu werden. Für die Partei DIE RECH- TE ist das egal, welche Presse es ist. Auch schlechte Presse für die Partei ist für die Partei wiederum gute Presse. Sie nutzt das aus. Sie versuchen genau wie die anderen in Form von Absprachen oder von Gruppenbildung überhaupt in den Räten etwas zu kriegen. Aber das Hauptziel ist nicht die politische Arbeit im Rat, sondern das Hauptziel ist, den Parteienstatus zu erhalten, indem man an einer Wahl teilnimmt. Aus der bisherigen Rechtsprechung wissen wir: Diese Teilnahmen an Wahlen können unter Umständen diesen Parteienstatus festigen. Wir beobachten natürlich nicht die Räte. Deswegen können wir auch aus Sicht des Verfassungsschutzes immer nur sagen, wie wir das von außen beobachten. Aber die Parteien selber reden davon, dass sie Absprachen treffen, insbesondere PRO NRW, DIE RECHTE und die NPD, einfach um ihre Bedeutung innerhalb der Räte zu stärken. Deswegen sagen wir: Man muss empfehlen, das sehr sorgfältig rechtlich zu prüfen, ob diese Gruppenbildungen tatsächlich überhaupt rechtlich zulässig sind. Beispielsweise die NPD und DIE RECHTE haben sich während des Wahlkampfes gestritten. Nach außen haben sie also gezeigt, dass sie gar nicht dieselbe Ideologie haben. Die versuchen jetzt aber, eine Gruppe zu bilden. Es kann sein, dass das rechtlich deswegen nicht zulässig ist, weil das danach aussieht, als wollte man das nur wegen des Geldes und nicht wegen der gemeinsamen Arbeit. Deswegen raten wir dazu, das gut zu prüfen. Man hat möglicherweise Chancen, das zu unterbinden. Das fehlende Geld bedeutet auch, dass sie weniger Aktionen durchführen können. Deswegen sollte man das auch tun. Es gebe ja auch Urteile dazu, dass eine Gruppenbildung bei divergierender Ideologie nicht zulässig sei, bestätigt Dr. Robert Orth (FDP). Darauf müssten die Kommunen hingewiesen werden. Ihn interessiere, ob es Überlegungen gebe, zu analysieren, wie sich die Masse der rechten Wähler zusammensetze und welche Ansatzpunkte sich daraus ergäben. Sich mit den Übeltätern zu befassen sei eine Möglichkeit. Sich mit den Wählern zu

Landtag Nordrhein-Westfalen - 19 - APr 16/635 beschäftigen könne aber auch dazu führen, sie auszutrocknen. Die Altnazis müssten ja inzwischen verstorben sein. Deshalb stelle sich doch die Frage, was das für Menschen seien, die heute den rechtsextremen Parteien ihre Stimme gäben. Das könnten ja auch unterschiedliche Wählergruppen bei den verschiedenen Parteien sein. Herr Freier habe gesagt, dass PRO NRW nur in NRW eine Rolle spiele. Er habe die Frage, ob der typische PRO NRW-Wähler hier, wenn er in Sachsen lebte, die NPD wählen würde oder was er sonst wählen würde. Die FREIEN WÄHLER seien nicht angesprochen worden. Hinter diesem Label verberge sich immer mal etwas anderes. Er wolle gerne wissen, ob man sich ansehe, was hinter diesem Label stecke. Verena Schäffer (GRÜNE) meint, die Wahl in Sachsen habe noch einmal stark gezeigt, dass es ein hohes rechtes Wählerpotenzial gebe, das rechtspopulistisch gelagert sei. Es werde ja auch davon gesprochen, dass Deutschland quasi eine rechtspopulistische Lücke habe, in die momentan die AfD hineindränge. Die AfD sei nicht rechtsextrem, aber von nationalistischen und rassistischen Tönen könne bei der AfD durchaus gesprochen werden. Insofern habe sie die Frage, inwiefern die AfD auch zu einer Konkurrenzpartei für PRO NRW in Nordrhein-Westfalen werde. Sie sehe da eine gewisse Konkurrenz und Existenzbedrohung für PRO NRW. Sie wolle gerne wissen, wie PRO NRW das diskutiere. Dass die AfD nicht beobachtet werde, sei klar, weil sie nicht als rechtsextrem einzustufen sei. MDgt Burkhard Freier (MIK) gibt Auskunft, der Verfassungsschutz mache keine Wähleranalyse in dem Sinne. Denn der Verfassungsschutz betrachte das nicht als seine Aufgabe. Deswegen könne nur aus den öffentlichen und anderen Informationen aus den extremistischen Parteien selber auf die Wählerschaft geschlossen werden. Diejenigen, die eher dem rechtspopulistischen Bereich angehörten, würden PRO NRW wählen. Je rechtsextremer und verfassungsfeindlicher jemand sei, desto eher wähle er NPD. Bei Verfassungsfeindlichkeit und Gewaltbereitschaft wähle jemand DIE RECHTE. Vermutlich lasse sich das nicht eins zu eins auf die Wähler übertragen. Aber so werde die Ideologie von den Parteien verbreitet. Zu den FREIEN WÄHLERN: Er kenne aus Wuppertal die sogenannte freiheitliche Fraktion. Dazu gehörten PRO NRW und die ehemaligen REP-Mitglieder. Ansonsten beobachte man im Moment diese drei großen miteinander konkurrierenden Parteien in NRW und keine weiteren kleineren Gemeinschaften in den Kommunen, so lange man nicht sagen könne, sie seien wirklich festgestellt extremistisch und darüber könne berichtet werden.

Landtag Nordrhein-Westfalen - 20 - APr 16/635 Zur AfD: Den Eindruck habe man auch, dass PRO NRW Stimmen verloren habe, weil viele Wähler AfD gewählt hätten. Das behaupte PRO NRW auch selber.

Landtag Nordrhein-Westfalen - 21 - APr 16/635 4 Föderation der türkisch-demokratischen Idealistenvereine in Europa e.v. (ADÜTDF)/Graue Wölfe Bericht des Ministeriums für Inneres und Kommunales MDgt Burkhard Freier (MIK) macht folgende Ausführungen: Vielleicht muss man drei Begriffe erklären, die in dem Zusammenhang immer wieder auftauchen. Das ist erstens der Begriff Graue Wölfe. Dann wird immer davon gesprochen, das sei eine Ülkücü-Bewegung. Das Dritte ist dieser Verein ADÜTDF. Auf Deutsch würde das heißen: Das ist ein Verein der Idealisten in Deutschland. Es gibt in Nordrhein-Westfalen und in Deutschland, aber auch in ganz Europa gerade in Belgien, den Niederlanden und in Frankreich diese Bewegung. Sie zeichnet sich aus durch zwei wichtige Symbole. Das eine ist das Symbol des Wolfes. Das zweite Symbol sind drei Halbmonde. Diese drei Halbmonde kommen aus der früheren osmanischen Kriegsflagge. Dieser Wolf geht auf eine alte Legende zurück, dass die Nomadenverbände in Richtung Westen von einem Wolf gerettet worden sind. Wir haben schon einmal in einem Zwischenbericht von 2008 ganz deutlich die starken Parallelen zum deutschen Nationalismus dargestellt. Was ist eigentlich Nationalismus? Was ist daran verfassungsfeindlich? Es sind nicht dieselben Personen, aber es ist dieselbe Ideologie. Ein Beispiel ist der Rassismus, die Infragestellung der Gleichheit der Menschen. Dazu gibt es den Spruch insbesondere von jungen Menschen der Grauen Wölfe. Die sagen: Wenn du ein Türke bist, sei stolz. Wenn du keiner bist, gehorche. Das ist vergleichbar. Das Nächste ist ein übersteigerter Nationalstolz. Die türkische Nation wird über alles gehoben. Das ist das höchste Gut. Auch dazu gibt es einen Spruch, der immer kommt: Ein Volk, ein Staat, eine Fahne, eine Sprache. Wenn man den deutschen Nationalismus beobachtet, sind ähnliche Äußerungen erkennbar. Es gibt auch sowas wie eine Reichsidee. Es wird nicht von Reich gesprochen, sondern vom Panturkismus. Das meint eine türkische Nation, die sehr viel größer ist als jetzt, orientiert an alten historischen Grenzen. Im Bereich Graue Wölfe oder Ulkücü-Bewegung gibt es auch immer wieder Verschwörungstheorien: Wir sind eine Minderheit, die verfolgt wird. Deswegen müssen wir uns wehren. Beispielsweise wäre ein Spruch: Die ganze Welt erzählt uns, dass die Türken null sind. Es gibt europäische und amerikanische Lügen, um die Türkei zu beschädigen. Deswegen gibt es einen Grund, sich dagegen zu wehren.

Landtag Nordrhein-Westfalen - 22 - APr 16/635 Es gibt Feindbilder in diesem Bereich, Amerikaner, Kurden, Armenier, Griechen und insbesondere Juden. Es gibt also hier auch den Antisemitismus. Es gibt auch die Homophobie, also die Feindseligkeit gegen Homosexuelle. Der Begriff schwul gilt in dieser Szene als eine Beleidigung und wird als Schimpfwort benutzt. Es gibt auch eine Gewaltverherrlichung wir hatten mal eine Studie der Uni Köln, die sich damit beschäftigt hat insbesondere bei jugendlichen Anhängern, auch wenn wir sagen müssen, dass die Vereine versuchen, jedenfalls nach außen deutlich zu machen, dass sie mit Gewalt nichts zu tun haben. Sie wehren sich dagegen, gewaltbereit zu sein. Aber wir haben sehr viele Internetvideos, YouTube- Videos, die sehr gewaltbereit wirken und sich auch immer gegen Andersdenkende, Kurden und Amerikaner richten. Die sind heftig. Auch dazu haben wir in einem Zwischenbericht des Verfassungsschutzes von 2009 eine Analyse gemacht, um mal zu analysieren, welche verbalen Äußerungen eigentlich im Internet zu finden sind und wie die Beleidigung erfolgt. Das ist schon heftig. Zum Verständnis von Religion bei den Grauen Wölfen: Es ist sunnitischer Islam. Aber es ist aus unserer Sicht nicht islamistisch. Es ist eher der Kitt, um die turksprachigen Völker in eine Gemeinschaft zu binden. Dieser Islam ist eher kulturell und fundamentalistisch, aber er ist nicht gewaltbereit und auch nicht islamistisch. Aus dieser Szene gibt es dazu auch einen Ausspruch. Die sagen nämlich: Der Islam ist unsere Seele. Das Türkentum ist unser Leib. Das heißt, sie verbinden die Religion und die politische Ideologie miteinander zwar nationalistisch, aber nicht islamistisch. Kurz zur Organisation: Die Mutterpartei in der Türkei ist die MHP, die Partei der Nationalistischen Bewegung, mit etwa 10 bis 15 % der Stimmen in der Türkei. Hier in Deutschland sind die Grauen Wölfe oder die Ülkücü-Bewegung organisiert in einem Verein, der 1978 in Frankfurt gegründet worden ist. Der nennt sich ADÜTDF, Föderation der Türkisch-Demokratischen Idealistenvereine in Deutschland. Das ist ein e. V. Wir haben in Deutschland ungefähr 160 Graue Wölfe- oder Ülkücü-Vereine, von denen 70 in Nordrhein-Westfalen sind. Wir haben bundesweit etwa 7.000 Mitglieder in dieser Organisation. In Nordrhein-Westfalen sind es etwa 2.000. Sie sind hierarchisch organisiert nach dem Führerprinzip. Es gibt auch europaweite Strukturen. Das ist die Türkische Föderation in Europa. Das ist ATK. Unter diesem Dachverband ist auch der ADÜTDF organisiert. Diese europäischen Verbände gibt es in Belgien, Frankreich und den Niederlanden. Daneben gibt es noch eine das ist zunehmend unorganisierte Jugendbewegung, die sich insbesondere im Netz bewegt. Diese Jugend im Netz sind diejenigen, von denen wir sagen: Die sind besonders radikal in ihrer Sprache. Diese Sprache und dieser Extremismus führen auf Dauer dazu, dass die Hemmschwelle für Gewalt sinkt.

Landtag Nordrhein-Westfalen - 23 - APr 16/635 Die Bewegung versucht auch, insbesondere in der Kinder- und Jugendarbeit aktiv zu sein. Diese Vereine, die es in Nordrhein-Westfalen und in Deutschland gibt, sind sehr aktiv in der Jugendarbeit. Von Sport- bis zu Kultur- und Musikangeboten gibt es alles, was man im Prinzip braucht. Wir sehen, dass diese Jugendlichen, die in diese Vereine eingebunden sind, nicht mehr in den kommunalen Einrichtungen sind, sondern nur noch in diesen Einrichtungen. Das ist ein geschlossenes System. Diese Freizeit- und Bildungsangebote sehen die Vereine auch als Pflicht. Auch dazu gibt es ein Zitat: Der Verein sieht sich in der Pflicht, sich für Jugendliche einzusetzen, die nach einer Identität suchen. Genau das wird passieren. Sie kriegen nicht nur Sport, sondern sie kriegen eine Ideologie und eine Identität, die sie an diese Gruppe bindet. Auch wie im Rechtsextremismus gibt es hier Musik-, Tanz- und Informationsveranstaltungen. Die Musik besteht aus türkischen Volksliedern mit entsprechenden Inhalten und ist wie ein Eingangstor für den Extremismus. Wie im Rechtsextremismus ist diese Musik sehr verführerisch und führt auch dazu, dass Jugendliche mit dem Komplettangebot, das sie kriegen, in diese Gruppe eingebunden sind. Die Ideologie ist aus unserer Sicht verfassungsfeindlich. Die Gefahren, die wir gerade bei den Grauen Wölfen sehen, sind die Feindbilder, die aufgebaut werden, dieses Abgrenzen von der Mehrheitsgesellschaft, das Insich-geschlossen-Sein und das Gefühl Ich bin ein Opfer. Das führt zu einer Grundhaltung, die in einer sozialen Randstellung einen Gegenentwurf zu unserem Modell gibt. Die leben nicht mehr in der Welt, in der wir leben, sondern sie leben in einer eigenen Welt. Sie versuchen, sich auch abzugrenzen. Dadurch, dass sie Feindbilder aufbauen und sich immer stärker abgrenzen, besteht die Gefahr, dass die Hemmschwelle für Gewalt immer weiter sinkt. Das Problem ist, dass viele Elternhäuser dahinterstehen, weil sie meinen: Die Jugendlichen sind von der Straße. Das ist doch alles nicht so schlimm. Deswegen finden sie da auch Unterstützung. Das ist aus unserer Sicht auch sehr integrationsfeindlich, weil sie nicht in die Gesellschaft finden, sondern in ihren eigenen Gruppen bleiben mit einer Vorstellung von einem Türkentum, das eher eine Utopie ist, aber wegen der Abgrenzung gerade gegenüber Kurden zum Beispiel zu feindseligen Auseinandersetzungen führt. Die hatten wir auch. Das war auch Anlass für uns, im Zwischenbericht darüber zu schreiben. 2006 haben aus den Schulen immer wieder Lehrer berichtet, dass Jugendliche auf sie zugekommen sind mit der Bitte, in der Stunde den Eid auf die türkische Nation zu schwören. Als die Lehrer dann gesagt haben, dass sie das nicht machen, wurde Druck ausgeübt. Viele Lehrer haben sich an uns gewandt und Hilfe gesucht. Das war nicht nur in Nordrhein-Westfalen, sondern in allen Bundesländern so, wie eine Welle.