-- Einfluß der Verarbeitung auf den Nitratgehalt pflanzlicher Lebensmittel Von A. FRICKER '') Der Nitratgehalt von Lebensmitteln pflanzlicher Herkunft hängt nicht nur von der jeweiligen Pflanze als solcher, sondern auch von zahlreichen äußeren Bedingungen, die während des Wachstums auf die Pflanze einwirken, ab. Trotzdem kann man versuchen, aus den vorliegenden zahlreichen Untersuchungen eine Art»Gruppenbildung«nach Nitratgehalt vorzunehmen. Ein Auszug aus einer diesbezüglichen von WEDLER 1984, veröffentlichten Tabelle ist in Abbildung 1 wiedergegeben. <00 mg/kg <500 mg/kg < 1.000 mg/kg <.500 mg/kg <.500 mg/kg Erbse Zwiebel Lauch Endivie 1 ) Tomate 1 ) ) 3 ) Blumenkohl ) Kohlrabi Sellerie Rosenkohl) Grüne Spinat )3) Bohne ) 3 ) Broccoli Chinakohl 1 ) Kartoffel)3) Rotkohl) 3 ) Kresse 1 ) Radieschen 1 ) Gurke 1 ) Schwarzwurzel Rote Rübe ) Kopfsalat 1 ) Rettich 1 ) Feldsalat 1 ) Mangold 1 ) Wichtige roh verzehrte Produkte ) Wichtige, nach Zubereitung oder industrieller Verarbeitung verzehrte Produkte 3 ) in größeren Mengen industriell verarbeitete Produkte Abb. 1 Einstufung von Lebensmitteln nach Nitratgehalt (nach errechneten Mittelwerten WEDLER 1984) Innerhalb der so festgelegten Gruppen kann man nun, wie in der Abbildung angedeutet, drei weitere Unterscheidungen vornehmen: 1. Wichtige, roh verzehrte Produkte.. Wichtige, nach Zubereitung oder industrieller Verarbeitung verzehrte Produkte. 3. In größeren Mengen industriell verarbeitete Produkte. Die unter Punkt 1 genannten Lebensmittel stehen nicht zur Debatte, da sie keiner Verarbeitung unterworfen werden. Vernachlässigen kann man wohl auch solche Lebensmittel, deren Nitratgehalt im allgemeinen niedrig ist, mit anderen Worten, aus denen relativ wenig Nitrat beim Verzehr aufgenommen wird. Hierzu zählen Produkte wie Erbsen, Rosenkohl und Kartoffeln, bedingt auch Rotkohl. Möhren stellen einen Sonderfall dar, da sie für die Säuglingsernährung sehr wichtig sind und der Säugling bekanntermaßen relativ nitratempfindlich (über den»nitrit-weg«) ist; sie zählen aber auch zu den Lebensmitteln pflanzlicher Herkunft, die im Durchschnitt verhältnismäßig wenig Nitrat enthalten bzw. bei Verwendung zur Herstellung von Säuglingsnahrung enthalten dürfen. Von den Produkten mit durchschnittlich hohem Nitratgehalt kommen Rote Rüben auch nach industrieller Verarbeitung in den Handel; die Menge ist aber doch relativ gering. Es bleibt also als mengenmäßig bedeutendstes und industriell verarbeitetes Produkt der Spinat übrig. *) Prof. Dr. A. FrucKER, Institut für Lebensmittelchemie, Bundesforschungsanstalt für Ernährung, Engesserstr. 0, D-7500 Karlsruhe 45
Bevor nun näher auf dieses Produkt eingegangen wird, ist noch eine weitere Frage zu klären: Welche Verarbeitungsverfahren beeinflussen den Nitratgehalt? Nitrat ist ja eine chemisch sehr stabile Substanz, wird also weder durch Hitze, noch durch Kälte, noch durch Oxydationsmittel usw. beeinflußt. Ein Einfluß diesbezüglicher»teile«von Lebensmittelverarbeitungsverfahren braucht also nicht in Betracht gezogen werden. Alle Nitrate sind aber leicht wasserlöslich, daher sind alle die Verfahren, bei denen Wasser auf das Lebensmittel einwirkt, von Bedeutung, also insbesondere das Blanchieren und das Sterilisieren (und auch das Zubereiten in der Familienküche). Es gibt nun eine Vielzahl von Untersuchungen über die Abnahme des Nitratgehaltes in zahlreichen Lebensmitteln pflanzlicher Herkunft durch das Blanchieren und das Sterilisieren. Dafür nur Beispiele: In Abbildung sind einige Werte über die Ab- Sorte Abnahme Sorte Abnahme A 30 D 3 B 4 E 30 c 34 F 1 Abb. Abnahme des Nitratgehaltes bei Sterilisierung von Sellerie in Dosen (Nach VuLSTEKE und BISTON 1978, Angaben in % des Gehaltes der Rohware} nahme des Nitratgehaltes bei der Sterilisierung von Sellerie angegeben (VULSTEKE und BrsTON, 1971), welche u. a. eine Sortenabhängigkeit eindeutig demonstrieren, um an diesem Beispiel auf diesen Einflußfaktor hinzuweisen. Abbildung 3 gibt ein Beispiel für die verschiedenartigsten Einflußfaktoren auf den Nitratgehalt von Spinat und Kohlrabi bei haushaltsmäßiger Zubereitung bzw. Konservierung (WEDLER, 1971). Fr.S. KT DT KC 1 KC 1 + KD1 KD1+ GC GD Spinat 38,4 0,0-11, - 3,6-11,5 3, Kohlrabi 14,4 18,1 14,6,3 5,0 7,4 9,6 4,3 1,9 Fr.S. = Frischsubstanz KD1 = N aßkonserve D 1 dam pfblanchiert/ KT = Normaler Kochtopf Frischwasser DT = Dampfdruckkochtopf KD,+= Naßkonserve D 1 + dampfblanchiert/ KCI = Naßkonserve Cl' wasserblanchiert/ filtriertes Blanchierwasser Frischwasser GC = Gefrierkonserve c wasserblanchiert KCI+ = Naßkonserve C 1 + wasserblanchiert/ GD = Gefrierkonserve D dampfblanchiert filtriertes Blanchierwasser Abb. 3 Gehalt an Nitrat- N (mg/100 g) nach Konservierung bzw. haushaltsmäßiger Zubereitung (nach WEDLER, 1971} Es ist deutlich ersichtlich, daß die Nitratabnahmen sehr stark von der jeweiligen Verarbeitungsart abhängen. So wird - um ein einziges Beispiel herauszugreifen - beim Wasserblanchieren mit Frischwasser jeweils viel mehr Nitrat herausgelöst, als wenn man 46
zum Blanchieren filtriertes Blanchierwasser von vorhergegangenen Blanchiervorgängen verwendet. Dies zeigt, wie ein an sich positiver Effekt sich ins Negative verkehren kann, denn es wird ja nicht nur weniger Nitrat, sondern auch weniger Vitamin C bei der Verwendung filtrierten Blanchierwassers herausgelöst; mit anderen Worten: die Vitamin C-Erhaltung ist zwar - erwünschtermaßen - besser, die Verringerung des unerwünschten Nitrats aber geringer. Wichtigstes Lebensmittel im Zusammenhang mit dem Thema ist, wie einleitend begründet, der Spinat. Aus diesem Grund haben wir vor einigen Jahren umfangreiche systematische Untersuchungen über den Einfluß thermischer Behandlung im Temperaturbereich von 70-130 und bei Behandlungszeiten von 0,5 bis 16 min auf mehrere Inhaltsstoffe von Spinat durchgeführt (HEINTZE H. et al., 1975; HEINTZE et al., 1978). Dabei wurde auch der Umfang des Herauslösens von Nitrat in Abhängigkeit von Temperatur und Zeit geprüft. 4 Sommerspinat Herbstspinat 38 ' ' Vl t!:: oj().x... B z.' 6 ~ '~. ~ ' z '' 18 :~, ' _'i!/jo " 70 '. "' "' '900 ' 14 ',.,_._ 0 " ~-- -70 "-.. 10... ~-'WJO 100 ~o... "'100 6'--'-~..._~......~_..~~ 0 4 8 1 16 0 4 8 1 16 Behandlu sdauer [min] Behandlu sdauer [min] Abb. 4 Veränderungen im Gehalt an Nitrat in Abhängigkeit von Behandlungstemperatur und -zeit 47
Es ist hier nicht der Ort, Versuchsansatz und Versuchstechnik näher zu beschreiben; es soll aber erwähnt werden, daß großer Wert auf systematischen Aufbau der Versuche und Reproduzierbarkeit der Versuchsbedingungen gelegt wurde. Abbildung 4 zeigt die Ergebnisse der Untersuchungen mit Sommer- bzw. Herbstspinat im Bereich bis 100 C. Man sieht, daß die N0 3 -Verluste im Herbstspinat etwas geringer als im Sommerspinat waren, daß aber prinzipiell ein ähnlicher Kurvenverlauf vorliegt. :g 0 (.'.) "' ' 'cf' z 10 0 '--~--L~~-"-~~~~~--'-~~"'-~--' 0 3 4 5 5 Behandlungszeit [min] ( 0 = 105 C. 0 = l 15 C. t:, = 15 C. V= 130 C) Abb. 5 Veränderungen im Gehalt an Nitrat von Spinat in Abhängigkeit von Behandlungstemperatur und -zeit Abbildung 5 zeigt, daß bei den höheren Temperaturen (bis 130 ) ein relativ geradliniger Abfall erfolgt; ein Restgehalt von etwa 0% verbleibt im Produkt. Aus diesen Werten konnte nun ein Nomogramm errechnet werden (PAULUS, 1979), das in Abbildung 6 wiedergegeben ist. Der Berechnung lag folgende Gleichung zugrunde: logt = a - b. T wobei t = Zeit in sec und T = C bedeutet. Auf die mathematischen Grundlagen der Berechnung soll nicht eingegangen werden. Das Nomogramm erlaubt, die Abnahme des Nitratgehaltes in Abhängigkeit von Zeit und Temperatur für den Temperaturbereich zwischen 70 und 130 abzuschätzen. So ist z. B. zu erwarten, daß bei 110 und 100 sec Behandlung ein Nitratverlust von 60% eintritt; bei 10 und derselben Behandlungszeit wären es 70%. Eine Abnahme um 10% ist nach 50 sec bei 70 und nach 1 sec bei 130 zu erwarten. So können die Nitratverluste über einen sehr weiten Bereich von Temperatur-Zeit Kombinationen doch relativ genau abgeschätzt werden, da dem Nomogramm eine erhebliche Zahl von Untersuchungsbefunden zugrunde liegt. Auch ist anzunehmen, daß es im Prinzip auf alle anderen Blattgemüse anwendbar sein dürfte. 48
10; 6 1. - ~108.. 6 t 1. ö ClJ E :+;: 1~ 6 1. t--~--t~~--+~~-+-~---n--~~-+-~-""t.--"----t 60% 50% 1.0% 100 70 80 90 100 temperat ure 110 10 C 130 10% Zusammenfassung Abb. 6 Da Nitrate leicht wasserlöslich sind, wird ihr Gehalt in pflanzlichen Lebensmitteln - etwa 70% des mit der Nahrung aufgenommenen Nitrats stammen aus Gemüse - durch Verarbeitungsschritte wie Blanchieren, Kochen, Hitzesterilisieren beeinflußt. Zuerst wird an einigen Beispielen gezeigt, in welch weiten Mengenbereichen ein Herauslösen durch solche Verarbeitungsschritte erfolgen kann. Solche Angaben können sich aber jeweils nur auf die speziellen Verarbeitungsbedingungen beziehen. Um allgemeinere Aussagen machen zu können, wird ein Nomogramm vorgestellt, das aus umfangreichen Untersuchungen an Spinat - dem wohl wichtigsten Verarbeitungsgemüse - errechnet wurde und das erlaubt, die Nitratauslaugung relativ genau für eine BehandJung mit Wasser im Bereich von 70 bis 130 C / 0,5 bis 16 Minuten abzuschätzen. Eine Ubertragbarkeit der Werte auf andere Blattgemüse erscheint möglich. Literatur HEINTZE, K., DUDEN, R., FrucKER, A., PAULUS, K. und ZoHM, H.: Lebensm. Wiss. Technol. 8, 17-19, 1978 HEINTZE, K., ZoHM, H., FrucKER, A. und PAULUS, K.: Lebensm. Wiss. Technol. 11, 301c305, 1978 PAULUS, K.:]. Food Sei. 44, 1169-117, 1979 VULsTEKE, G. und BisTON, R.: Qualitas Plantarum XXVIII, 71-87, 1978 WEDLER, A.: Qualitas Plantarum XXI, 79-95, 1971 WEDLER, A.: Berichte der Bundesforschungsanstalt für Ernährung. BFE-R-01, Seite 40-41, 1984 49