1 Grundbegriffe zu elektrischen Kontakten Volker Behrens 1.1 Einleitung Mit dem vorliegenden Kapitel wird der Leser mit den Grundbegriffen des Elektrischen Kontakte vertraut gemacht. Es schafft so für diejenigen, die sich in diese Thematik einarbeiten wollen, die Basis, um sich in die folgenden Kapitel dieses Buches als auch die sonstige Fachliteratur einzuarbeiten. Es wird hierfür bewusst auf theoretische Herleitungen verzichtet und insofern auf die weiterführende Literatur verwiesen. 1.2 Der geschlossene Kontakt Mit dem Begriff elektrischer Kontakt wird ein Zustand gekennzeichnet, bei dem sich zwei elektrisch Leiter so berühren, dass ein elektrischer Strom von dem einen in den anderen fließen kann. In jedem elektrischen Stromkreis gibt es eine Vielzahl elektrischer Kontakte. Bild 1.1 zeigt einen ganz einfachen Fall eines solchen Stromkreises: eine Spannungsversorgung liefert eine elektrische Spannung, die über Leitungen zu einen elektrischen Verbraucher (in diesem Fall ein Widerstand) geführt wird. Ein Schalter kann den Stromkreis öffnen und schließen, und von ihm geht es zur Spannungsversorgung zurück, sodass der Kreis geschlossen wird. Bild 1.1: Prinzipbild eines einfachen Stromkreises mit Spannungsquelle (links), elektrischem Verbraucher und einem Schalter (rechts). Ist dieser geschlossen, so kann der Strom I fließen. Parallel zum Schalter befindet sich eine Spannungsmessgerät, das den Spannungsabfall ΔU über dem geschlossen Schalter misst. 6
Die wichtigsten kennzeichnenden Größen für diesen Stromkreis sind: * die Höhe der elektrischen Spannung, die die Spannungsquelle liefert, gemessen in Volt [V]. Diese kann von sehr unterschiedlicher Größe sein: von millionstel Volt (Mikrovolt bzw. [µv]) und tausenstel Volt (Millivolt bzw. [mv]) im Bereich der Messtechnik (z.b. Thermospannungen), über einige Volt im Bereich elektronischer Steuerungen, im Bereich der Automobilindustrie zwischen 6 und 24 V, im Haushalt zwischen 115 V (USA) und 240 V (Europa), für Industrieanwendungen zwischen 400 und 1000 V sowie im Bereich der Energieverteilung ist zu mehr als eine Million V. Damit überstreicht der zu betrachtende Spannungsbereich mehr als 12 Größenordnungen. * die Art der Spannung Im einfachsten Fall liefert die Spannungsquelle ein Gleichstrom, im englischen direct current genannt, abgekürzt DC. In diesem Fall fließt der Strom immer in dieselbe Richtung. Lieferte die Spannungsquelle eine Wechselspannung, so ist die Angabe der Frequenz wichtig. Die englische Bezeichnung verwechselt Spannung lautet alternating current und wird mit AC abgekürzt. Die Anzahl der Stromrichtungswechsel je Sekunde wird die Frequenz des Wechselstroms genannt und in Hertz [Hz] gemessen. Typische Wechselstromfrequenzen sind 16 2/3 Hz (Bundesbahn), 50 Hz (Stromnetze Europa), 60 Hz (Stromnetze Nordamerika) und 400 bis 1000 Hz (Luftfahrttechnik). Hinzukommen die Wechselströme aus dem Bereich der Informationstechnik, in der die zu übertragenden elektrischen Signale im Frequenzbereich von 15 Hz bis 20 Kilo Hertz [khz] bei der direkten Sprachübertragung beziehungsweise bis in den Giga-Hertz [GHz] -Bereich bei der Datenübertragung liegen. * die Höhe der Stromstärke Die Stromstärke wird in Ampère [A] gemessen und ergibt sich aus der zur Verfügung stehenden Spannung und den Gegebenheiten der elektrischen Last. Im einfachsten Fall eines reinen Widerstandes als elektrischer Last gilt das Ohm sche Gesetz U = R x I. In der Anwendung elektrischer Kontakte können die Ströme zwischen Mikroampere [µa] und einigen 100 Kiloampère liegen und überstreichen damit mehr als 11 Größenordnungen. * Für einen Schalter in einem Stromkreis ist zusätzlich von Bedeutung, welche besonderen Bedingungen beim Einschalten oder Ausschalten vorliegen. Ist z.b. die elektrische Last eine Glühbirne, so ist der Einschaltstrom wesentlich höher als der Ausschaltstrom, da beim Einschalten der Glühwedel noch kalt ist und somit einen kleineren elektrischen Widerstand hat. Im Weiteren wollen wir uns auf den Schalter im Stromkreis konzentrieren. Hätten wir an seiner Stelle einen durchgehenden Leiter, und würde durch diesen Leiter der Strom fließen und wir könnten über diesen Leiter mit einem Spannungsmessgerät einen sehr kleinen Spannungsabfall messen entsprechend dem Ohm schen Gesetz. Bild 1.2 veranschaulicht diese Situation. 7
Bild 1.2: Messung des Spannungsabfalls an einem stromdurchflossenen Leiter (ober- und unterhalb einer Markierungslinie) Besteht dieser Leiter nun nicht aus einem Stück, sondern wird aus zwei Hälften stirnseitig zusammengesetzt, so ändert sich die Situation merklich. Da jede technische Oberfläche eine gewisse Rauhigkeit hat, wird es jetzt nicht zu einer voll flächigen metallischen Berührung der beiden Leiter kommen, sondern nur zu punktuellen Berührungsflächen. Diese Situation ist in Bild 1.3 dargestellt. Bild 1.3: Ein Kontakt wird geschlossen. Aufgrund der Oberflächenrauhigkeit beider Partner kommt es nur zu punktuellen metallischen Berührungen der Oberflächen. Wird über diesen geschlossenen Kontakt jetzt ein Strom geführt, so ergibt sich im Vergleich zu Bild 1.2 eine wesentlich andere Situation: die ehedem gleichmäßig über den Leitungsquerschnitt verteilten Stromfäden können nur durch wenige Kontaktpunkte von dem einen in den anderen Kontaktpartner übertreten, sie müssen sich also zusammenschnüren. Diese Situation zeigt Bild 1.4. Die Situation an einer einzelnen Kontaktenge hat R. Holm [1] untersucht und ist in Bild 1.5 dargestellt. 8
Bild 1.4: Bei einem geschlossenen Kontakt kann der Strom nur durch wenige Kontaktpunkte (durch Kreise markiert) fließen. Im Bereich dieser Punkte kommt es zu einer Einschnürung der Stromfäden und damit zu einer Erhöhung des Spannungsabfalls im Vergleich zu der Situation in Bild 1.2. Bild 1.5: Stromeinschnürung an einem Kontaktpunkt nach dem Ellipsenmodell von R. Holm. Die schwarze waagerechte Linie ist die Stirnfläche des (oberen) Kontaktstückes, in der sich der Kontaktpunkt (hellgrauer Bereich mit dem Durchmesser 2a) befindet. Die Stromlinien (mit Pfeilen) laufen hyperbelförmig auf den Kontaktpunkt zu, sie stehen senkrecht auf den ellipsenförmigen Äquipotentiallinie. Holm hat gefunden, dass der Engewiderstand R e einer kreisrunden metallischen Berührungsfläche sich abschätzen lässt zu R e = ρ / 2 a, wobei ρ der spezifische Widerstand des Kontaktmaterials und a der Radius der Kontaktenge ist. Vergl. hierzu auch Kap. 6.5.1.3 in diesem Buch. Neben dem Engewiderstand als Folge der Rauhigkeit der sich berührenden Kontaktoberfläche gibt es ein zweites wichtiges Phänomen: die Fremdschichten auf der Kontaktoberfläche. 9
Es gibt keine Oberflächen, die absolut sauber sind. Es können sich an Luft Oxide oder Sulfide bilden, es können sich Schadstoffe aus der Luft niederschlagen wie etwa Öldämpfe oder Weichmacher aus Kunststoffen, und auf jeden Fall gibt es auf allen Oberflächen einen dünnen Wasserfilm. Diese Oberflächenbeläge führen dazu, dass nicht jede Fläche, an der sich zwei rauhe Kontaktoberflächen mechanisch rühren, auch tatsächlich einen elektrischen Kontaktpunkt darstellt. Es ist also sinnvoll, bei dem Begriff Kontaktfläche zu differenzieren zwischen der scheinbaren Kontaktfläche mechanisch tragenden Kontaktfläche Kontaktspots Bild 1.6: Scheinbare Kontaktfläche bei Flach-, Linien- und Punktkontakt Bild 1.7: Innerhalb der scheinbaren Kontaktfläche liegen die Bereiche der tragenden Kontaktflächen (hell), innerhalb derer die metallische Kontaktspots liegen (schwarz) sowie Bereiche, in denen durch Fremdschichten hindurch ebenfalls Strom fließen kann (kariert). 10