FRAGEN UND ANTWORTEN ZUM VORSCHLAG FÜR EINE LÄRMOBERGRENZE AM FLUGHAFEN FRANKFURT

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Hessisches Ministerium für Wirtschaft, Energie, Verkehr und Landesentwicklung FRAGEN UND ANTWORTEN ZUM VORSCHLAG FÜR EINE LÄRMOBERGRENZE AM FLUGHAFEN FRANKFURT VOM 27.09.2016 WAS SIND DIE HAUPTZIELE, DIE MIT DER LÄRMOBERGRENZE VERFOLGT WERDEN? Die Lärmobergrenze war bereits im Mediationsergebnis zum Ausbau des Frankfurter Flughafens enthalten. Sie dient dazu, die Gesamtbelastung der Region durch Fluglärm dauerhaft zu begrenzen. Außerdem soll sie Anreize setzen, dass Flüge von und nach Frankfurt so lärmarm wie möglich erfolgen. Die übergeordnete Begrenzung von Fluglärm und die Incentivierung von aktivem Schallschutz durch die Lärmobergrenze ergänzen die rechtlichen Regelungen zum individuellen Schutz vor Fluglärm. Diese sind vom Bund durch das Fluglärmschutzgesetz vorgegebenen und gelten selbstverständlich unabhängig von der Lärmobergrenze weiter. WELCHE SCHLUSSFOLGERUNGEN ERGEBEN SICH AUS DEN ERGEBNISSEN DER NORAH-STUDIE? 29b Abs. 2 LuftVG verpflichtet das HMWEVL als zuständige Luftfahrtbehörde, auf den Schutz der Bevölkerung vor unzumutbarem Fluglärm hinzuwirken. Die NORAH-Studie hat den Handlungsbedarf beim Fluglärmschutz bestätigt. In dieser breit angelegten und umfassend wissenschaftlich qualitätsgesicherten Lärmwirkungsstudie wurde untersucht, welche Folgen der Fluglärm für die Menschen in der Region hat. NORAH hat gezeigt: Im Vergleich zu einer vergleichbaren Erhebung 2005 (RDF-Belästigungsstudie) lag der für 2013 ermittelte Dauerschallpegel, ab dem mehr als 25 % der Betroffenen hoch belästigt waren, um mehr als 6 db(a) tiefer. Gegenüber den Standardwerten der EU sind es sogar mehr als 10 db(a) (jeweils bereits bereinigt um methodische Unterschiede). Die Menschen sind also durch den Lärm stärker belastet als angenommen. Dies gilt sowohl für Betroffene innerhalb des von der Rechtsprechung angenommenen Bereichs von unzumutbarem Fluglärm im Sinne des 29b LuftVG, als auch darüber hinaus. Selbst unter Berücksichtigung der Tatsache, dass die Lärmwerte bisher in Frankfurt wegen des ausgebliebenen Verkehrswachstums geringer sind als angenommen, ist das Ausmaß der erheblichen Belästigung der Menschen in der Region bereits heute höher als das im Planfeststellungsbeschluss hingenommene Niveau. Berechnungen unter Nutzung der Ergebnisse von NORAH ergeben für das Rhein-Main-Gebiet innerhalb des Bereichs, der nach der Wertung der Rechtsprechung mit unzumutbarem Lärm belastet ist, etwa 90.000 Personen als hoch belästigt (Hoch Belästigte innerhalb Tagesdauerschallpegel von Leq 55 db(a)). Erweitert man den Betrachtungsraum auf das Gebiet mit Leq 50 db(a), kommen mehr als 210.000 weitere Personen dazu. Auch unterhalb dieser Werte sind laut NORAH-Studie einige Personen noch hoch belästigt. Seite 1

Auch Gesundheitswirkungen wurden festgestellt, wie z. B: die Erhöhung des Risikos für Depression, das so bisher nicht bekannt war und Herzinsuffizienz. Ebenso zeigten sich u. a. Auswirkungen auf Leselernfähigkeit von Kindern, die schon bei niedrigeren Pegelwerten eintritt als es in früheren Studien nachgewiesen war. Außerdem hat NORAH bestätigt, dass das Ausmaß, wie stark Fluglärm die Menschen beeinträchtigt, auch davon abhängt, wie die Verantwortlichen für den Lärmschutz mit dem Konflikt umgehen. Die Belästigung ist geringer, wenn die Menschen darauf vertrauen können, dass die Verantwortlichen den Lärmschutz angemessen berücksichtigen und sicherstellen. Wissenschaftlich formuliert spricht man davon, dass das Lärmbewältigungsvermögen dann höher ist. Die Lärmobergrenze verfolgt also ein doppeltes Ziel: Sie begrenzt das Ausmaß des Fluglärms in der Region und sie soll dazu beitragen, dass diese Vertrauenskomponente gestärkt wird. WIE WEIT KANN DIE LÄRMOBERGRENZE DEN KONFLIKT LÖSEN? Wie auch beim Straßen- und Schienenverkehr ist es nicht möglich, alle erheblichen negativen Auswirkungen einer Verkehrsinfrastruktur auf die Menschen zu vermeiden. Diesen grundlegenden Zielkonflikt zwischen Mobilitätsbedürfnis der Gesellschaft und der Wirtschaft einerseits und den erheblichen Auswirkungen des Fluglärms andererseits kann eine Lärmobergrenze allein nicht lösen. Aber mit ihr soll sichergestellt werden, dass die Auswirkungen in der Region begrenzt werden. Die Lärmobergrenze soll nicht die individuellen Schutzansprüche und Anforderungen an baulichen Schallschutz gemäß Fluglärmschutzgesetz ersetzen. Und es bleibt auch weiterhin erforderlich, dass der Bundesgesetzgeber dem Lärmschutz bei der Gestaltung und Handhabung von An- und Abflugverfahren endlich einen höheren Stellenwert als bisher beimisst. Das wurde bereits letztes Jahr in einer gemeinsamen Bundesratsinitiative der Länder Hessen, Rheinland-Pfalz und Baden-Württemberg eingefordert. Auch weitere Instrumente wie z. wabhängige Entgelte, die kooperative Entwicklung von Maßnahmen zum aktiven Schallschutz oder Siedlungsbeschränkungen werden durch eine Lärmobergrenze nicht ersetzt. Vielmehr müssen alle Stellschrauben gemeinsam genutzt werden, um die Belastung in der Region so gering wie möglich zu halten. WIE WIRD DIE LÄRMOBERGRENZE RECHTLICH IMPLEMENTIERT, FALLS ES NICHT ZU EINER VEREINBARUNG MIT DER LUFTVERKEHRSWIRTSCHAFT KOMMT? Das HMWEVL ist die Landesluftfahrtbehörde, die für Planfeststellungsverfahren ( 8 Luftverkehrsgesetz) und die Betriebsgenehmigung ( 6 Luftverkehrsgesetz) des Frankfurter Flughafens zuständig ist. Das HMWEVL hat eine umfassende rechtliche Prüfung vorgenommen, wie eine Lärmobergrenze für den Frankfurter Flughafen festgeschrieben werden kann. Grob gesagt werden Planfeststellungsverfahren durchgeführt, um eine Infrastruktur festzulegen oder zu ändern (also z. B. Bahnen und Rollwege, Terminals) und die Betriebsgenehmigung regelt dann den konkreten Betrieb, wobei sich die Anwendungsbereiche teilweise überschneiden können. Für die Implementierung der Lärmobergrenze ist keine aufwändige Änderung des Planfeststellungsbeschlusses erforderlich. Vielmehr kann sie über eine Änderung der Betriebsgenehmigung erfolgen. Das ist für nachträgliche Regelungen durch die Behörde zum Fluglärmschutz eine übliche Vorgehensweise. Unter anderem wurde vom HMWEVL per Bescheid 2001 ein Einfrieren der Zahl der Flugbewegungen von 23 5 Uhr verfügt und vor Einführung des Nachtflugverbots ein Lärmpunktekonto für die Nacht festgelegt, das jährlich ein Absinken der verfügbaren Lärmpunkte für Flüge von 23 5 Uhr vorsah, also ebenfalls ein Lärmkontingent. Auch vergleichbare Lärmregelungen in Hamburg oder Ergänzungen zu Lärmschutzregelungen in München wurden auf diese Weise und nicht durch die Änderung des Planfeststellungsbeschlusses eingeführt. Seite 2

Für eine Änderung der Betriebsgenehmigung ist ein entsprechendes Änderungsverfahren unter Einhaltung von vorgeschriebenen formellen Schritten erforderlich. WARUM IST ES RECHTLICH MÖGLICH, NACHTRÄGLICH EINE LÄRMOBERGRENZE EINZUFÜHREN? Das damalige Verkehrsministerium hatte im Planfeststellungsbeschluss trotz der Vereinbarung in der Mediation keine Lärmobergrenze verankert. Stattdessen wurden Auflagenvorbehalte formuliert. Das bedeutet rechtlich, dass bereits zum Zeitpunkt des Planfeststellungsbeschlusses gegenüber Fraport festgelegt wurde, dass möglicherweise später weitergehende Regelungen getroffen werden können als der Planfeststellungsbeschluss sie ursprünglich vorsah. Konkret heißt es im Planfeststellungsbeschluss bei den Regelungen zum Lärmschutz unter 5.1.4 Nr. 3: Im Übrigen bleibt die nachträgliche Festsetzung, Änderung oder Ergänzung von Auflagen und betrieblichen Regelungen vorbehalten. [ ] Dies ist die Rechtsgrundlage für die Einführung einer Lärmobergrenze. Das heißt aber nicht, dass die Behörde nach Gutdünken betriebliche Regelungen ständig ändern kann. Vielmehr müssen bestimmte rechtliche Voraussetzungen vorliegen, damit der Auflagenvorbehalt genutzt werden kann. Wenn eine neue Regelung festgelegt wird, so müssen z. B. die Rechte der Fraport AG und der Airlines beachtet werden und die Regelung muss unter Berücksichtigung aller Aspekte des Lärmschutzes und des Luftverkehrs verhältnismäßig sein. Zu den Voraussetzungen, wann eine Behörde von Auflagenvorbehalten Gebrauch machen kann zählt, dass neue Erkenntnisse oder Tatsachen vorliegen seit Erlass des Planfeststellungsbeschlusses. Wenn hier die Luftverkehrsseite einwendet, es sei doch heute leiser als im Planfeststellungsbeschluss angenommen und schon deshalb bestehe keine Rechtsgrundlage für eine Lärmobergrenze, dann verkennt sie, dass die negativen Wirkungen des Fluglärms in der Region gleichwohl höher sind, als dies zum Zeitpunkt des Planfeststellungsbeschlusses angenommen worden war. Zwar sind die erreichten Lärmwerte bisher geringer, aber gleichwohl hat sich gezeigt, dass die negativen Wirkungen ausgeprägter sind bzw. schon bei geringeren Lärmpegeln eintreten als angenommen. Zu den gesetzlich festgelegten Schutzzielen, an die das HMWEVL gebunden ist, gehört neben dem Schutz der Gesundheit ausdrücklich auch der Schutz vor erheblicher Belästigung. WARUM SIEHT DAS MODELL VOR, DASS DIE ENTWICKLUNG DES FLUGHAFENS WEITER MÖGLICH BLEIBEN SOLL UND WARUM ERFOLGT KEINE ABSENKUNG DER MÖGLICHEN KAPAZITÄT DURCH ÄNDERUNG DES PLANFESTSTELLUNGS BESCHLUSSES? Die Lärmobergrenze hat zum Ziel, den Fluglärm regional zu begrenzen. Es soll aber möglich bleiben, dass der Flughafen sich weiter entwickelt. Dies gilt für die mit dem Ausbau verknüpften Zielsetzungen hinsichtlich der verkehrlichen und wirtschaftlichen Funktion des Flughafens, also u. a. Drehkreuzfunktion und die Anbindung an den nationalen und internationalen Flugverkehr. Fraport ist Inhaberin eines Planfeststellungsbeschlusses zum Ausbau, der diese Zielsetzungen beinhaltet. Teilweise wurde öffentlich gefordert, dass der Planfeststellungsbeschluss geändert werden soll und der erforderliche Flugverkehr bis 2030 als Grenze betrachtet werden soll. Damit wäre nur noch eine geringere Zahl von Flugbewegungen als die bereits abgewogene Zahl von 701.000 Bewegungen möglich. Für eine solche Änderung des Planfeststellungsbeschlusses ohne entsprechenden Antrag von Fraport sieht das HMWEVL jedoch keine rechtliche Grundlage. Heute wissen wir aber, dass das Wachstum des Luftverkehrs langsamer erfolgt als im Ausbauverfahren angenommen. Die volle Kapazität wird selbst nach den eigenen Gutachten von Fraport zu T3 aus 2014 nicht im Jahr 2020, sondern wenn sich das 2014 von den Gutachtern der Fraport angenommene Wachstum nach 2030 so fortsetzen würde deutlich später (2035+) benötigt. Es können im Hinblick auf erwartbare Fortschritte hin zu lärmärmerem Seite 3

Flottenmix und Flugverfahren höhere Anforderungen gestellt werden, als dies bei einem Erreichen 2020 der Fall gewesen wäre. Auch Prognosegutachten, die 2015 für den Bund erstellt wurden, sowie Prognosen der EU gehen von einem geringeren, aber perspektivisch vorhandenem Wachstum aus. WAS PASSIERT, FALLS DIE LÄRMOBERGRENZE ÜBERSCHRITTEN WIRD? Falls der Fall eintreten sollte, dass die mit mind. Leq 55 db(a) Fluglärm belastete Fläche und /oder die mit mind. Leq 60 db(a) Fluglärm belastete Fläche jeweils in zwei aufeinanderfolgenden Jahren überschritten wird, dann erlässt das HMWEVL in einem förmlichen Verfahren eine Betriebsbeschränkung. Inhalt dieser Betriebsbeschränkung wäre dann, die Zahl der pro Jahr zulässigen Flugbewegungen festzuschreiben. Sie soll so lange auf das bestehende Niveau eingefroren werden, bis die Lärmobergrenze durch entsprechende Maßnahmen des aktiven Schallschutzes wieder eingehalten ist. Hinzuweisen ist hier insbesondere auch auf die Betriebsbeschränkungsverordnung der EU, die Betriebsbeschränkungen durch die zuständigen Behörden der Mitgliedsstaaten unter bestimmten, für Frankfurt gegebenen Voraussetzungen zulässt, wenn sie erforderlich sind, um die für den Standort festgelegten Lärmschutzziele einzuhalten. WELCHE FUNKTION HAT DIE GEPLANTE NOVELLE DES LANDESENTWICKLUNGSPLANS FÜR DIE LÄRMOBERGRENZE? Bereits seit 2007 war im Landesentwicklungsplan (LEP) neben dem Ausbau des Flughafens der besondere Schutz der Nachtruhe verankert. Auf diese Verankerung hatten die Gerichte u. a. ihre Argumentation gestützt, warum die ursprünglich im Planfeststellungsbeschluss vorgesehenen 17 Ausnahmen für planmäßige Flüge von 23 5 Uhr rechtswidrig waren. In der bereits weit fortgeschrittenen geplanten Novelle für den LEP soll die Zielsetzung einer Begrenzung des Lärms über den bereits verankerten besonderen Schutz der Nachtruhe hinaus verbreitert werden. Der LEP legt Ziele und Grundsätze der Raumordnung fest und bindet die nachgeordneten Planungsträger und Behörden. Der LEP wird in Abständen von 10 20 Jahren aktualisiert und eine entsprechende Novelle steht ohnehin für den gesamten Plan an und ist im HMWEVL bereits in Arbeit. WARUM SOLL DAS LÄRMNIVEAU UM 1,8 DB(A) GEGENÜBER DEN PROGNOSTIZIERTEN WERTEN SINKEN? Das HMWEVL hat im Zuge seiner Arbeiten zur Lärmobergrenze auch die erwartbaren technischen Reduktionspotenziale untersucht. In den vergangenen Jahren gab es bereits sehr starke Reduktionen durch die Einführung einer neuen Triebwerksgeneration. Darüber hinaus sind weitere Fortschritte bei der Lärmreduktion an der Quelle vorhanden und die aktuell im Flugbetrieb eingesetzten modernsten Flugzeuge sind leiser als die Vorgängermodelle. Der Austausch bisheriger Maschinen ist noch nicht abgeschlossen und erfolgt kontinuierlich. Auch darüber hinaus sind weitere Einsparungen an Emissionen technisch möglich, aber werden nach aktuellem Kenntnisstand nicht mehr so stark ausfallen wie bei vorigen Generationen. Das HMWEVL geht bei seinen Annahmen für die Lärmobergrenze davon aus, dass pro Jahrzehnt mindestens 1 db(a) an Reduktion durch moderneres Fluggerät und Flugverfahren erreichbar ist. Dabei handelt es sich im Sinne der angestrebten rechtlichen Umsetzbarkeit gegenüber dem geltenden Planfeststellungsbeschluss um eine konservative Annahme, die sich an dem orientiert, was die EU-Kommission und die Europäische Umweltagentur 2016 in ihrem Bericht zu Umwelt und Luftverkehr als untere Schätzung dargestellt haben. Um abzuschätzen, welche Lärmreduktion gegenüber den prognostizierten Lärmwerten am Standort Frankfurt konkret möglich wäre, hat das HMWEVL anhand der heute bereits im Flugbetrieb befindlichen modernsten Maschinen die Seite 4

mindestens erreichbaren Entlastungspotenziale ermittelt. Neben diesem technischen Reduktionspotenzial pro Flugbewegung sowie durch lärmarme An- und Abflugverfahren muss die Lärmobergrenze dann das mit dem Ausbau verfolgte Verkehrswachstum berücksichtigen. Dies ergibt die 1,8 db(a)-reduktion gegenüber den prognostizierten Werten. Erheblich weitergehende Forderungen, wie sie teilweise von Vertretern von Kommunen gefordert wurden, wie die jährliche Absenkung des Lärms um 0,4 db(a) sind nach diesen Abschätzungen unter den für Frankfurt zu berücksichtigenden Rahmenbedingungen nicht realisierbar. WIE WIRD DER FLUGLÄRM BERECHNET, MIT DEM DIE LÄRMOBERGRENZE DEFINIERT WIRD? Die Berechnung der Lärmobergrenze erfolgt unter Nutzung der sogenannten Anleitung zur Berechnung von Fluglärm (AzB). Dies ist das vom Bund in der 1. Fluglärmschutzverordnung vorgegebene Berechnungsverfahren für die Festlegung der Lärmschutzbereiche nach Fluglärmschutzgesetz. Verwendet wird bei der Berechnung das Datenerfassungssystem (DES), das auch für die Festlegung des Lärmschutzbereichs durch Rechtsverordnung des Landes in 2011 verwendet wurde. Es enthält bis auf wenige Details die gleichen Annahmen wie im Planfeststellungsverfahren. Auch die sonstigen Vorgaben der AzB werden für die Festlegung des Ausgangswerts berücksichtigt. Es fließen die sechs verkehrsreichsten Monate eines Jahres ein, bezogen auf 701.000 Bewegungen im Gesamtjahr, mit einer entsprechend angenommenen Verteilung auf die An- und Abflugstrecken. Es wird mit dem sogenannten 3-Sigma-Aufschlag gerechnet. Das ist ein in der AzB vorgesehener Zuschlag bei der Lärmberechnung für Unsicherheiten für jährliche Schwankungen bei den bahnbezogenen Betriebsrichtungen. WIE WIRD ÜBERPRÜFT, OB DIE LÄRMOBERGRENZE EINGEHALTEN IST? Jedes Jahr wird nach Ablauf der sechs verkehrsreichsten Monate berechnet, ob die Lärmobergrenze eingehalten wird. Dabei werden die erreichten Fortschritte beim Lärmschutz eingerechnet. Zum Beispiel wenn moderne Flugzeuge eingesetzt werden, die leiser sind, dann sollen diese gegenüber den bisherigen Flugzeugmustern in Frankfurt eingetretenen Reduktionen bei der Überprüfung berücksichtigt werden. Gleiches gilt für lärmarme An- und Abflugverfahren. Damit soll ein Anreiz für aktiven Schallschutz erfolgen. WARUM ERFOLGT DIE BEGRENZUNG FÜR ZWEI LÄRMWERTE? Die Lärmobergrenze orientiert sich bei den Begrenzungen an den Werten des Fluglärmgesetzes für Ausbauflughäfen am Tag. In dem auch eine Begrenzung der Fläche innerhalb Leq 60 db(a) erfolgt, soll sichergestellt werden, dass die höchstbetroffenen Gebiete nicht weiter zunehmen. Es soll also vermieden werden, dass eine etwaige Entlastung weniger betroffener Gebiete zu Lasten der höchstbetroffenen Gebiete erfolgt. WIE WIRD IM MODELL DIE NACHT VON 22 6 UHR BERÜCKSICHTIGT? Da für die Zeit von 22 6 Uhr in Frankfurt bereits heute eine Betriebsbeschränkung besteht, nach der im Jahresdurchschnitt nur 133 Bewegungen in diesem Zeitraum pro Nacht stattfinden dürfen, ist bereits eine gegenüber einem Lärmkontingent weitergehende Regelung getroffen. Daher sieht das Modell keine zusätzlichen Regelungen für die Nacht vor. Seite 5

WARUM WIRD DIE VERLÄRMTE FLÄCHE BEGRENZT, STATT EINE FESTE LÄRMKONTUR FESTZUSCHREIBEN? Es sollen Spielräume verbleiben, wie genau der Flugbetrieb in Zukunft abgewickelt wird. Daher ist die Lärmobergrenze als regionale Begrenzung konzipiert, die zwar die Gesamtbelastung begrenzt, aber nicht genau festschreibt, an welchem Ort welche Lärmwerte erreicht werden. Das ist zum einen wichtig, um Änderungen an Flugverfahren weiterhin zu ermöglichen, insbesondere solche zum Lärmschutz. Außerdem braucht die Luftverkehrswirtschaft Flexibilität, wie sich zukünftig z. B. Schwerpunkte bei Destinationen entwickeln. Sollten sich tatsächlich wesentliche Änderungen im Flugbetrieb ergeben, so blieben die hiervon Betroffenen auf jeden Fall durch die Regelungen des Fluglärmgesetzes individuell geschützt unabhängig von der Lärmobergrenze. WARUM IST DIE LÄRMOBERGRENZE NICHT ÜBER EINEN WIRKUNGSBEZOGENEN INDEX, IN DEN DIE BEVÖLKERUNGSZAHL EINGEHT, DEFINIERT? Das HMWEVL hat sich eingehend mit dem Vorschlag auseinandergesetzt, ob eine Lärmobergrenze z. B. über den Frankfurter Fluglärmindex des FFR definiert werden soll. Gemeint ist damit ein Index, in dem die Bevölkerung innerhalb eines nach Lärmkriterien aufgeteilten Gebiets ermittelt wird und dann unter Nutzung von sogenannten Dosis-Wirkungsbeziehungen wie z. B. der Anteil von hoch Belästigten je zusätzlichem db(a) gewichtet wird. Hierfür hat das HMWEVL auch Erfahrungen an anderen Standorten ausgewertet, z. B. Zürich. Dort ist ein vergleichbarer Index als Lärmobergrenze definiert. Letztlich waren die beiden Hauptgründe, die gegen eine Abbildung über einen wirkungsbezogenen Index sprechen zwei Faktoren, die von der Luftverkehrswirtschaft nicht beeinflusst werden können und die ihr daher bei der Einhaltung der Lärmobergrenze nicht zugerechnet werden könnten. Es müsste ein komplexes System entwickelt werden, wie solche Effekte systematisch herausgerechnet werden, was sich negativ auf Transparenz, Berechenbarkeit und Rechtssicherheit für alle Seiten auswirken würde: _ Die Lärmobergrenze wäre maßgeblich mitbestimmt von der absehbar weiter dynamischen Entwicklung der Bevölkerungszahl in der Region. _ Es müsste in regelmäßigen Abständen überprüft werden, ob die unterstellten Lärmwirkungen noch aktuell sind. Mit dem Vorschlag, die Fläche zu begrenzen wird ein regionales Maß gefunden, das ebenfalls die Lärmbelastung wirksam begrenzt, aber vollständig von der Akustik bestimmt wird. Entscheidend für die Entwicklung und Einhaltung sind also allein Menge und Art des Flugbetriebs. WARUM ERFOLGT DIE DARSTELLUNG VON LÄRMWERTEN UNTERHALB VON LEQ 55 DB(A) IN SÄULE 2 DES MODELLS? Es ist unbestritten, dass auch unterhalb eines Dauerschallpegels am Tag von 55 db(a) Fluglärm Menschen belastet, der von der Rechtsprechung anhand der Wertung des Fluglärmgesetzes als Zumutbarkeitsschwelle angesehen wird. Das Modell trägt dem im Lärmminimierungsplan Rechnung, in dem die Fluglärmentwicklung auch in weiteren Bereichen adressiert wird. Schallschutzmaßnahmen, die im näheren Bereich zum Flughafen zu Entlastungen führen, werden auch über dieses Gebiet hinaus wirksam sein. Was die Darstellung der Entwicklung des Lärms in den weiteren Bereichen angeht, müssen die fachlichen Restriktionen im Blick behalten werden, wie weit entfernt vom Flughafen Fluglärm noch sinnvoll berechnet werden kann. Seite 6

Sowohl fachlich als auch rechtlich muss eine Lärmobergrenze darauf achten, dass die Gebiete unterhalb eines Dauerschallpegels von Leq 55 db(a) nicht faktisch ein größeres Gewicht erhalten als die hoch- und höchstbetroffenen Gebiete. Wenn teilweise z. B. im Rahmen eines öffentlich vorgestellten sogenannten Kritischen Fluglärmindexes in einem riesigen Gebiet Millionen von gering Fluglärmbetroffenen gegenüber den zahlenmäßig deutlich unterlegenen Hoch- und Höchstbetroffenen verrechnet werden sollen, dann unterläuft dies nicht nur das Ziel, diese besondere Belastung zu begrenzen, sondern auch die gesetzlichen Wertungen. Eine solche Verrechnung, in denen die besonders hoch Betroffenen trotz Gewichtungsfaktor in ihrer Betroffenheit kaum in die Überprüfung der Einhaltung der Lärmobergrenze eingehen würden, lehnt das HMWEVL ab. Gleichzeitig wird über die zusätzlichen Darstellungen in Säule 2 aber sichergestellt, dass erkennbar wird, dass Lärmreduktionen auch außerhalb der in Säule 1 erfassten Flächen zum Tragen kommen. KONTAKT: Marco Kreuter, Pressestelle Kaiser-Friedrich-Ring 75, 65185 Wiesbaden, Tel 0611 815-2020 MAIL: marco.kreuter@wirtschaft.hessen.de www.wirtschaft.hessen.de Seite 7