Vorlesung #1 Grundwassermodellierung -Modellbildung-

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Transkript:

Vorlesung #1 Grundwassermodellierung -Modellbildung- Prof. Sabine Attinger Übersicht Motivation: Wasserkreislauf, Wasservorrat Warum Modelle?? Was sind Modelle? Modellierungsschritte Aufbau der Vorlesung: 1. Modellbildung und mathematische Modelle 2. Analytische Lösungen 3. Numerische Lösungen 1

Wasserkreislauf Wasservorrat der Erde Nur das Wasser in Seen und Flüssen, sowie das Grundwasser stellen einfach zugängliche Süßwasserreserven dar In Deutschland werden bislang ca. 80% des Trinkwassers aus Grundwasser gewonnen (in Schleswig-Holstein, Hamburg, Bremen und West-Berlin sogar fast 100%). 2

Gefahren für das Grundwasser Eindringen von Nitraten aus überdüngten landwirtschaftlichen Flächen (Düngemittel, Gülle); Eindringen von Pflanzenschutzmitteln wie Herbiziden aus der Landwirtschaft; Eindringen von wassergefährdende Stoffen wie CKW (chlorierte Kohlenwasserstoffe) durch Versickerung aus undichten Tanks, bei Transportunfällen und sonstigem unsachgemäßen Umgang; Eindringen von Öl Eindringen von Sickerwasser aus schlecht abgedichteten Deponien (Deponiesickerwasser); Freisetzung von Schwermetallen durch die vom Sauren Regen ausgelöste Bodenversauerung; Eindringen von saurem Regen; Eindringen von Nitrat und Keimen aus undichten Kanalisationen. Eindringen von Bakterien und pathogenen Keimen Eindringen von radioaktiven Stoffen aus nuklearen Abfällen Warum Modelle? Vorhersage Lösung von Wassermanagementproblemen im Einklang mit der Grundwasserverordnung Grundwasserverschmutzungen sanieren (Qualität) Pumpstrategien erarbeiten (Quantität) Interpretation von Daten Kontinuierliche räumliche Interpolation zwischen einzelnen Meßpunkten Datensynthese Systemdynamik Hypothesen testen Testen von neuen Modellkonzepten 3

Was ist ein Modell? Approximation der Realität Modelle: - Gedankenexperimente Mathematische Modelle numerische analytische Physikalische Modelle Sandtank! Vereinfachte Darstellung der Realität und der Prozesse,, die in ihr stattfinden Modellierungschritte Zieldefinition Zieldefinition Felddaten Modellbildung Mathematisches Modell 1. Vorlesungsblock Numerisch or Analytisch Code 3. Vorlesungsblock Code Verifikation Modellaufbau Analytische Berechnungen 2. Vorlesungsblock Kalibrierung Validierung ja Vorhersage inkl. Unsicherheiten Presentation der Resultate 4

Problemerfassung Welches sind die wichtigen hydrologischen Einheiten? Welches sind die kritischen Einheiten der Wasserbilanz? Natürliche Randbedingungen? Welche Daten sind vorhanden (Besuch des Untersuchungsgebietes)? Welches sind die Quellen/Senkenterme? Problemerfassung 5

Zieldefinition Genaue Formulierung der Fragestellung Finanzrahmen des Projekts Möglichst Wahl des einfachsten Modells, das die Realität gut approximiert Z.B. auch ein einfaches analytisches Modell (kostengünstig) Wahl von komplexeren Modellen nur dann, wenn die Prozessbeschreibung dies erforderlich macht Schematisierung 6

Mathematisches Modell Mathematische Beschreibung des Systems Auswahl der Gleichungen,, die die Prozesse ausreichend beschreiben Auswahl der Dimension (1D, 2D, 3D) Auswahl des Lösungsalgorithmus analytisch numerisch Lösungstechnik deterministisch stochastisch Verifikation des mathematischen Modells Gleichungen Computer Algorithmen Analytische Modelle Vereinfachtes Modell - vereinfachte Ränder - vereinfachte Systemparameter Lösungstechniken - exakte Lösungen - analytische Approximationen 7

Analytische Modelle Numerische Modelle: Modellaufbau Modell Gebiet Modell Gitter (Diskretisierung) Wahl des numerischen Lösers Zeitintervalle Anfangs-/Randbedingungen Quellen und Senken Startwerte für Parameter 8

Modellgebiet und Diskretisierung Gleichungssysteme Ah = q Lösung von Differentialgleichungen wird nach Übertrag auf das Gitter(=Diskretisierung) zur Lösung eines algebraischen Gleichungsystems reduziert 9

Kalibrierung Auswahl von Datensatz Vergleich Modellierungsdaten - Felddaten zur Parameteranpassung im Modell Kalibrierungstechniken Trial and error automatisiert Validierung Auswahl eines Datensatzes, der nicht während der Kalibrierung benutzt wurde Vergleich der Systemantworten: Modell-Realität Falls genügend hohe Übereinstimmung, Akzeptanz des Modells ansonsten Modell- überprüfung 10

Sensitivitäts/Unsicherheiten Analyse Einfluß der Parameterunsicherheiten auf Modellierungsergebnisse Sensitivitätsanalyse Variation der Modellparameter (eg. +50%, -50%) und Vergleich mit Modellergebnis qualitativ Unsicherheitenanalyse Verteilung der Modellparameter und Vergleich mit Modellergebnis quantitativ Unsicherheiten Heterogene Systemparameter 11

Vorhersage Vorhersage zukünftiger Systemantworten Test alternativer Managementstrategien in der Modellwelt Presentation der Resultate Dokumentation der Modelle Dokumentation der Parameter Presentation der Modellergebnisse Presentation der Modellunsicherheit Einfache Darstellung!! 12

Modellbildung und mathematische Modelle Mathematische Beschreibung des Systems Auswahl der Gleichungen,, die die Prozesse ausreichend beschreiben Modellbildung und mathematische Modelle Mathematische Beschreibung des Systems - relevante Größen Auswahl der Gleichungen,, die die Prozesse ausreichend beschreiben -Strömungsgleichungen -Transportgleichungen - Reaktionsgleichungen 13

Modellbildung Grundbegriffe 14

Grundbegriffe Aquifer: : siehe Grundwasserleiter Festgestein: z.b. Granit, Sandstein, Kalkstein; Typische Grundwasserfliessgeschwindigkeiten in Klüften und Karsthohlräumen: m / d < u< 100m / d Flurabstand: Abstand zwischen Geländeoberkante und Grundwasserspiegel Freier Aquifer: Grundwasserleiter, dessen obere Begrenzung durch eine freie Wasseroberfläche seroberfläche (Druck null) gebildet wird. Gespannter Aquifer: Grundwasserleiter, dessen obere Begrenzung durch eine schwachdurchlässige Deckschicht gebildet wird. Es existiert keine e freie Wasseroberfläche. Grundwasser: Wasser in den zusammenhängenden Poren bzw. Klüften des Untergrundes. ndes. Grundwasserleiter: Geologische Formation, die Wasser enthält und in signifikanten Mengen leitet. Grundwasserspiegel: Wasserspiegel in Standrohr (nur freier Aquifer) Grundwasserstauer: Schwachdurchlässige Gesteinsschicht, welche Wasser staut. Kapillarsaum: Zone des kapillaren Wasseraufstiegs oberhalb eines freien Grundwasserspiegels Lockergestein: Sand, Kies; z.b. aus Ablagerung von Gletschern und Flüssen. Typische Grundwasserfliessgeschwindigkeit: u ~ 1m/ d Matrix: : Feste Phase im porösen Medium Piezometerhöhe: Wasserspiegel in Standrohr (freier und gespannter Aquifer) Poröses Medium: : Festkörper mit einer Vielzahl von zusammenhängenden Hohlräumen. Undichter (leaky( leaky) Aquifer: Stau- und/oder Deckschicht sind schwach durchlässig. Der Wasserfluss durch diese Schichten ist jedoch nicht vernachlässigbar. Unterscheidung wasserführender Schichten 15

Porengrundwasserleiter Theoretisch: Beschreibung der Strömung durch Porennetzwerk Aber: praktisch unmöglich, da genaue Geometrie nicht bekannt Daher: Einführung eines Kontinuumsmodells Mittelung über ein Repräsentatives Elementarvolumen (REV) f = 1 V V f dv 16

Charakteristika Poröser Medien Mediumseigenschaften Porosität Durchlässigkeit/Leitfähigkeit Strömung durch poröse Medien: Strömungsgeschwindigkeit Druck Charakteristische Größen Gesamtvolumen V Feststoffanteil Vf Hohlraumanteil Vh Porosität: Porosität Definitionsmöglichkeiten für Porositäten: Gesamtporosität: : jeglicher Hohlraum in der Gesteinsmatrix wird betrachtet. Durchgängige Porosität: Nur untereinander verbundene Hohlräume zählen zum Hohlraumanteil. Effektive Porosität: Nur am Wassertransport teilnehmende Hohlräume zählen zum Hohlraumanteil. (kein Haftwasser, nur durchgängige Porosität) 17

Porosität Porosität a) gut sortiertes Sediment mit hoher Porosität. b) schlecht sortiertes Sediment mit niedriger Porosität. c) gut sortiertes Sediment aus porösen Körnern d) gut sortiertes Sediment mit durch nachträgliche Zementation verringerter Porosität e) Karstgrundwasserleiter f) Kluftgrundwasserleiter 18

Porosität und Durchlässigkeit Die Durchlässigkeit eines Mediums wird in erster Linie nicht durch die Porosität, sondern die Struktur des Mediums bestimmt. Druck und Piezometerhöhe Freier Aquifer Piezometerhöhe = Druckhöhe + geodätische Höhe 19

Piezometerhöhe und Druck Gespannter Aquifer Piezometerhöhe = Druckhöhe + geodätische Höhe Aquipotentiallinien in der Nähe eines Brunnens 20

Filter- und Abstandsgeschwindigkeit Filtergeschwindigkeit v F = Q / A Abstandsgeschwindigkeit 1 u = v F n Stromlinien in der Nähe eines Brunnens 21