M I N I S T E R I U M F Ü R A R B E I T U N D S O Z I A L O R D N U N G, F A M I L I E, F R A U E N U N D S E N I O R E N B A D E N - W Ü R T T E M B E R G Postfach 103443 70029 Stuttgart E-Mail: poststelle@sm.bwl.de FAX: 0711 123-3999 An den Präsidenten des Landtags von Baden-Württemberg Herrn Guido Wolf MdL Haus des Landtags Konrad-Adenauer-Straße 3 70173 Stuttgart Stuttgart 26. Mai 2014 Durchwahl 0711 123-3658 Name Christa Kertsch Aktenzeichen 16-5002.4 (Bitte bei Antwort angeben) nachrichtlich ohne Anlagen Staatsministerium Antrag der Abgeordneten Wilfried Klenk u.a. CDU - Freiwilliges Soziales Jahr (FSJ) - Drucksache 15/5146 Ihr Schreiben vom 06. Mai 2014 9 Mehrfertigungen Sehr geehrter Herr Landtagspräsident, das Ministerium für Arbeit und Sozialordnung, Familie, Frauen und Senioren nimmt zu dem Antrag wie folgt Stellung: Der Landtag wolle beschließen, die Landesregierung zu ersuchen I. zu berichten, 1. wie sich die Zahl der Teilnehmerinnen und Teilnehmer am Freiwilligen Sozialen Jahr in den letzten fünf Jahren entwickelt hat;
FSJ-Jahr Anzahl der vom Land - 2 - geförderten Freiwilligen Anzahl der Freiwilligen insgesamt 2010 5.600 8.273 2011 5.800 9.376 2012 6.100 10.497 2013 5.800 10.931 2014 (voraussichtlich) 6.000 10.950 (gesicherte Daten liegen im Frühjahr 2015 vor) 2. für welche Tätigkeiten die Teilnehmerinnen und Teilnehmer am Freiwilligen Sozialen Jahr im Einzelnen eingesetzt werden; In Baden-Württemberg gibt es derzeit 40 anerkannte Träger für das FSJ im Inland. Die Träger verfügen über ein breites Platzangebot für die Jugendlichen in sehr unterschiedlichen Bereichen. Dabei ist das Tätigkeitsspektrum der jungen Menschen breit gefächert. Neben Hilfs- und Betreuungstätigkeiten in der Altenpflege, in Krankenhäusern oder auch in Kinder- und Jugendeinrichtungen sind die Freiwilligen in der Betreuung und der Begleitung von behinderten Menschen eingesetzt, in integrativen Einrichtungen, in kirchlichen Einrichtungen oder in (Sport-)Vereinen. Sie leisten einen Beitrag bei der Ganztagsbetreuung in Schulen und in Kindertageseinrichtungen, im kulturellen Sektor wie Museen, Theatern, Archiven und Orchestern oder sind im Rettungswesen und Krankentransport eingesetzt. Daneben können Freiwillige auch in der Betreuung obdachloser Menschen oder in der offenen Sozialarbeit eingesetzt sein. Öffentlichkeitsarbeit oder der gemeindepolitische Bereich sind weitere Betätigungsfelder. Insgesamt repräsentieren die Einsatzstellen einen breiten Querschnitt der Berufs- und Arbeitswelt im sozialen, kulturellen oder auch Sportbereich. In der Entwicklung der Trägerlandschaft und der Teilnehmerzahlen spiegeln sich bestimmte gesellschaftliche Prozesse und Bedürfnisse wider. So beeinflussen z.b. veränderte Wertevorstellungen junger Menschen oder ein sich abzeichnender steigender Bedarf an Pflegeleistungen älterer und bedürftiger Menschen die Entwicklung der Freiwilligendienste. Der Charakter der gesetzlich geregelten Freiwilligendienste ergibt sich über den gesetzlichen Rahmen hinaus vor allem aus den vielfältigen Interessen und Leitideen der Träger und aus den unterschiedlichen trägerspezifischen Formen der Gestaltung und Durchführung der Dienste. 3. wie sich die Teilnehmerinnen und Teilnehmer prozentual auf die verschiedenen Einsatzgebiete verteilen;
- 3 - Es liegen Angaben von 32 der 40 in Baden-Württemberg zur Durchführung des Freiwilligen Sozialen Jahres zugelassenen Träger und damit 10.669 Freiwilligen von insgesamt 10.931 Teilnehmenden am FSJ vor. Die prozentuale Aufteilung der häufigsten Einsatzbereiche ist der nachfolgenden Tabelle zu entnehmen: Einsatzbereich Teilnehmende in Prozent Altenpflege 10% Krankenhaus 19% Kindertageseinrichtungen und Einrichtungen 23% der Kinder-und Jugendhilfe Schule 5% Fahr- und Rettungsdienste 9,2% Einrichtungen für behinderte Menschen 17% Mobile Dienste 2,2% Einrichtungen der psychiatrischen Versorgung 2,5% Sport 2,2% Kultur 1,4% Sonstige 8,5% 4. wie viele Teilnehmerinnen und Teilnehmer an einem Freiwilligen Sozialen Jahr sich nach diesem Jahr für eine Tätigkeit im Sozialbereich entscheiden; Derzeit gibt es hierzu keine aktuellen gesicherten Erkenntnisse. Nach den Ergebnissen einer im Jahre 2006 herausgegebenen Evaluation des FSJ und FÖJ des Bundes, die vom Institut für Sozialforschung und Gesellschaftspolitik e.v. (ISG e.v.) erstellt wurde, gibt es besonders bei den ehemaligen Teilnehmerinnen und Teilnehmern des FSJ eine Verbindung zwischen dem angestrebten Berufsziel und dem vorangegangenen Freiwilligendienst. Nach dortigen Erhebungen wird bei einem Drittel die zukünftige Tätigkeit im gleichen Bereich wie die des ehemaligen FSJ liegen und bei knapp der Hälfte gibt es zumindest eine Verbindung dazu. Die Auswertung zeigte, dass unter den Ausbildungsberufen der ehemaligen Freiwilligen im FSJ Gesundheits-und Krankenpfleger sowie Krankenschwester mit Anteilen von 34 % bzw. 23 % Spitzenpositionen einnahmen. Wenn auch die beabsichtigte berufliche Tätigkeit nicht immer mit dem Bereich des Freiwilligendienstes übereinstimmt, so hat dennoch sowohl das FSJ als auch das FÖJ einen nicht zu übersehenden Einfluss auf die beruflichen Pläne der jungen Frauen und Männer. Bei gut drei Vierteln der ehemaligen Teilnehmerinnen und Teilnehmer des FSJ ist dies der Fall.
- 4 - Nach Auskunft der Träger ist auch aktuell eine deutliche Tendenz dahingehend erkennbar, dass junge Menschen, die ein FSJ leisten, im Anschluss vermehrt einen sozialen Beruf wählen. Nach vorliegenden Angaben der Träger entscheiden sich über 57 Prozent der Freiwilligen im FSJ für eine Ausbildung oder ein Studium im sozialen Bereich. 5. welche Bedeutung dem Freiwilligen Sozialen Jahr, gerade auch im Zusammenhang mit dem Fachkräftemangel im Pflege- und Betreuungsbereich, zukommt; Freiwillige unterstützen komplementär die Arbeit des Fachpersonals, haben jedoch durch die pädagogische Begleitung ihrer Tätigkeit einen Sonderstatus inne. In vielen Einsatzstellen sind Freiwillige in die Teamarbeit fest eingeplant und erweitern das Spektrum der Einsatzstelle. Die pädagogische Begleitung der Teilnehmenden wie der Einsatzstellen und deren Betreuungspersonen wirkt einer einseitigen Instrumentalisierung der Teilnehmenden entgegen und berücksichtigt deren individuelle Ziele. Die Tätigkeit der Freiwilligen bildet in der Einsatzstelle insofern eine Leistung mit maßvoller Verantwortung, die jedoch keinesfalls die Leistungen des Fachpersonals ersetzen kann. Verantwortungsvolle Einsatzstellen und Träger sind sich dessen bewusst, dass Freiwillige, die ihren Einsatz als Bereicherung empfinden, sich häufig für einen Beruf entscheiden, der mit ihrem Einsatzfeld verwandt ist. 6. wie sich die Förderung des Freiwilligen Sozialen Jahrs im Verhältnis zu der Zahl der Teilnehmerinnen und Teilnehmer in den letzten fünf Jahren entwickelt hat; FSJ-Jahr Anzahl der vom Land geförderten Freiwilligen Anzahl der Freiwilligen insgesamt Gesamtmitteleinsatz des Landes 2009 5.350 5.750 2.675.000 2010 5.600 8.398 2.800.000 2011 5.800 9.376 2.897.500 2012 6.100 10.497 3.050.000 2013 5.800 10.931 2.900.000 7. welche Maßnahmen sie plant, um das Freiwillige Soziale Jahr auch künftig auf einem hohen Teilnehmerniveau zu halten und gegebenenfalls auszubauen;
- 5 - Langfristig ist davon auszugehen, dass die Anstrengungen verstärkt werden müssen, damit junge Menschen sich wie bisher in sozialen Diensten engagieren. Insbesondere soll in enger Zusammenarbeit mit den Trägern und den Freiwilligen selbst ausgelotet werden, welche Bedürfnisse und Wünsche junge Menschen mit einem Freiwilligen sozialen Jahr verbinden und inwieweit diesen Rechnung getragen werden kann. Eine herausragende Rolle nimmt dabei die Anerkennungskultur ein. Um das Engagement und die Motivation der jungen Menschen zu fördern, ist es notwendig, Anerkennungen zu schaffen oder zu intensivieren, die materieller Natur, wie beispielsweise Ermäßigungen, aber auch ideeller Natur sein können oder den Freiwilligen auf andere Art einen Vorteil verschaffen, den sie beispielsweise bei der Bewerbung um einen Ausbildungs- oder Studienplatz einsetzen können. Ein besonderes Gewicht erhält dabei die Mitgestaltung der Freiwilligen am FSJ. Der Austausch mit Vertreterinnen und Vertreter der Träger des Freiwilligen Sozialen Jahres sowie den zuständigen Fachressorts soll geeignete Möglichkeiten zur Stärkung der Anerkennungskultur und zu deren Umsetzung aufzeigen. Wie das Projekt FSJ-plus zeigt, das das Freiwillige Soziale Jahr mit der Möglichkeit, einen mittleren Schulabschluss zu erhalten, verbindet, wird auch eine solche Maßnahme von jungen Menschen gerne angenommen. II. Maßnahmen zu ergreifen, die sicherstellen, dass das Freiwillige Soziale Jahr in Baden-Württemberg auch künftig für junge Menschen attraktiv bleibt und die FSJ-Träger und Einsatzstellen über ausreichende Mittel zum Erhalt ihrer FSJ-Plätze verfügen. Im Rahmen der Engagementstrategie des Landes Baden-Württemberg haben sich die unterschiedlichen Akteure auf zahlreiche Maßnahmen verständigt, die in die von der Landesregierung zusammengefassten Umsetzungsschritte Eingang gefunden haben. Da zur Förderung der Jugendfreiwilligendienste Bundesmittel bereitgestellt werden und die Jugendfreiwilligendienste durch Bundesgesetz (Gesetz zur Förderung der Jugendfreiwilligendienste FSJ und FÖJ vom 1. Mai 2008) geregelt sind, werden auch in der regelmäßigen Zusammenarbeit mit dem Bund geeignete Maßnahmen zur Förderung der Freiwilligendienste entwickelt und weitergeführt. Nach den Empfehlungen, die im Rahmen der Landesengagementstrategie entwickelt wurden, wird die Landesregierung weiterhin gegenüber dem Bund für die Stärkung der Jugendfreiwilligendienste eintreten und sich insbesondere für die Erarbeitung eines Freiwilligendienstegesetzes einsetzen sowie dessen Entwicklung gegebenenfalls begleiten.
- 6 - Um junge Menschen für einen Freiwilligendienst zu motivieren, sind vorrangig die Träger und Einsatzstellen des Freiwilligen Sozialen Jahres gefordert. Der freiwillige Dienst muss dabei auf die Bedürfnisse der jungen Menschen zugeschnitten sein und sich durch eine hohe Qualität auszeichnen. Um dies zu gewährleisten, haben sich Träger des Freiwilligen Sozialen Jahres im Rahmen der Landesengagementstrategie verpflichtet, die Mindeststandards zur Durchführung des Freiwilligen Sozialen Jahres kontinuierlich weiterzuentwickeln. Das Land wiederum steht in ständigem engem Kontakt zu den Trägern des Freiwilligen Sozialen Jahres und ist regelmäßig im Landesarbeitskreis FSJ der Träger vertreten. Die enge und vertrauensvolle Zusammenarbeit wird durch den regelmäßigen Austausch des Sozialministeriums mit dem Sprecherrat des Landesarbeitskreises FSJ befördert. Darüber hinaus wird auf Anregung der im Zusammenhang der Landesengagementstrategie befragten Fachleute mit und im Landesarbeitskreis FSJ diskutiert werden, inwieweit das Erlernen der Kompetenz Verantwortungsübernahme für andere in die Seminare und die pädagogische Begleitung im Rahmen des Freiwilligen Sozialen Jahres aufgenommen werden könnte. Mit freundlichen Grüßen gez. Katrin Altpeter MdL Ministerin für Arbeit und Sozialordnung, Familie, Frauen und Senioren