Straßburg, 3. September 2002, 18 Uhr Europäisches Parlament, Salon des Membres, Saal LOW 00 EU-RL über den Emissionshandel mit Treibhausgasen Gemeinsames Pressegespräch von WKÖ & MdEP Flemming MdEP Dr. Marilies Flemming, Abg. z. Europäischen Parlament Mag. Axel Steinsberg MAS, Wirtschaftskammer Österreich
Pressegespräch Flemming, Steinsberg, 3. September, Straßburg: Gemeinsame Aussendung von WKÖ & Abg. z. Europäischen Parlament, Dr. Marilies Flemming: Emissionshandel: Mehr Mut zur EU-weiten Harmonisierung Härtefälle vermeiden! WKÖ unterstützt Änderungsvorschläge von MdEP Dr. Flemming zu ET im Umweltausschuss Der Umweltausschuss des Europäischen Parlaments wird das Thema Emissionshandel mit Treibhausgasen (Emissions Trading Directive oder auch liebevoll ET genant) ab Herbst mit Volldampf behandeln. In EU-weiter Erfüllung der Vorgaben des Kyoto-Protokolls wird der Emissionshandel in Europa betroffenen Betrieben die Möglichkeit bieten, Emissionen dort zu reduzieren, wo das Kosten-Nutzen-Verhältnis am günstigsten ist. Der Vorschlag der Kommission ist grundsätzlich dazu geeignet, muss aber in einigen wichtigen Punkten unbedingt abgeändert werden!, stellt Marilies Flemming, Österreichs EVP-Abgeordnete im Umweltausschuss des Europäischen Parlaments, fest. Unbedingt sollten Härtefälle vermieden werden, die Betriebe an den Rand der Existenz bringen. Das dient nicht dem Klimaschutz und schon gar nicht der Wirtschaft. erklärt Flemming. Die Wirtschaftskammer Österreich unterstützt die Änderungsvorschläge, die Abg. Flemming im Umweltausschuss eingebracht hat. Oberste Priorität hat die hundertprozentige kostenlose Zuteilung der Emissionsrechte an die verpflichteten Betriebe in der ersten Periode von 2005 bis 2007., betont Axel Steinsberg, EU-Umwelt-Lobbyist der Wirtschaftskammer Österreich. Damit soll das ungleiche EU burden sharing für die nationalen Emissionsziele wenn schon nicht ausgeglichen, dann zumindest nicht verschärft werden, erklärt Steinsberg die Position der Wirtschaft, die auch von Eurochambres, der Dachorganisation der Europäischen Wirtschaftskammern getragen wird. Einhellig fordern Flemming und Steinsberg mehr Mut zur Harmonisierung bei heiklen Fragen. Warum sollen alle Mitgliedstaaten das Rad neu erfinden und damit künstliche Hindernisse für eine gedeihlichen europäischen Wettbewerbssituation aufbauen?, stellt Flemming eine den Betroffenen unter den Fingernägeln brennende Frage in den Raum. Besonders bei der Erstzuteilung, bei der Basisperiode bzw dem Basisjahr für die Berechnung der Emissionsziele sowie bei der Frage, wie neue Marktteilnehmer zu ihren Emissionsrechten kommen sollen, ist eine EU-weit klare Linie erforderlich!, hebt Steinsberg hervor. In diesem Zusammenhang brisant ist auch Frage, ob bei der jedenfalls wünschenswerten kostenlosen Erstzuteilung der Emissionsrechte staatliche Reserven für neue Marktteilnehmer gehalten werden sollen oder nicht. Eine EU-weit einheitliche Vorgehensweise ist hier unbedingt notwendig. Sonst kann es zu unglaublichen Wettbewerbsverzerrungen kommen, da die Haltung von Reserven die Menge an Emissionsrechten bei der Erstzuteilung künstlich verknappt. Damit steigt auch der Preis für die Lizenzen, und das will niemand!, unterstützt Steinsberg alle jene Kräfte, die diese heikle Frage EU-weit harmonisiert und daher für Alle fair und gleich geregelt haben wollen. Die Umsetzung der Richtlinie über den Handel mit Treibhausgasen soll innerhalb der EU von 2005 bis 2007 ein Pilotprojekt für den weltweiten Handel darstellen. Ab 2008 soll dann nach dem Kyoto- Protokoll weltweit gehandelt werden können. Der EU-Emissionshandel verpflichtet eine beschränkte Zahl von Anlagen, EU-weit zirka 4000 bis 5000. Wenn diese Anlagen vorgegebene Emissionsziele nicht erreichen, müssen sie die Differenzmenge an Emissionen laut Vorschlag der EU-Kommission am Emissionshandelsmarkt kaufen, sonst drohen Strafen. Insbesondere für energieintensive Betriebe können ET -Kosten durch die oft stark steigende Marktnachfrage nach deren Produkten zur bedrohlichen Gefahr für den betroffenen Betrieb werden. Für derartige Härtefälle sieht der Vorschlag der EU-Kommission derzeit keine Erleichterungen vor. 2
Details zum EU-Richtlinienvorschlag Emissionshandel (Emissions Trading ET ) Zur ET-RL im Grundsätzlichen aus Sicht der WKÖ: 1. Auctioning in der ersten Periode zu unsicher, Produktionsbeschränkungen zu vermeiden, preistreibende Faktoren reduzieren In der ersten Periode besteht die Industrie auf einer kostenlosen Erstzuteilung der Emissionsrechte. Durch das EU Burden Sharing (für Österreich minus 13 %) sind Wettbewerbsverzerrungen in der Höhe von 55 Prozentpunkten (LUX minus 28, P plus 27 %) vorprogrammiert und praktisch nicht vollständig auszuschalten. 2. Harmonisierung bei wichtigen Fragen reduziert Unsicherheiten Aus Sicht der WKÖ ist die Funktionalität des Systems vorrangig. Deswegen wird auch im Zusammenhang mit neuen Marktteilnehmern von der Haltung staatlicher Reserven, die eine neue Quelle von Wettbewerbsverzerrung und Bürokratie bilden, abgeraten: Wieviel unterschiedlich hohe - Reserven halten die MS, was passiert mit Überschüssen oder einer Unterdeckung?... Am Emissionshandel teilnehmen sollten nur jene Betriebe, die auch die auch die Verpflichtungen aus der RL voll mittragen, entweder verpflichtet durch Anhang I oder freiwillig (opt-in). Für besondere Härtefälle muss es möglich sein, Betriebe besonders bevorzugt zu behandeln oder von existenziellen Belastungen durch die RL zu befreien. Die RL sollte zum Basisjahr oder zur Basisperiode Festlegungen treffen. Die Änderung wichtiger RL-Inhalte sollte nur über eine RL-Änderung möglich sein. In Einzelfällen kann ein Kommissionsausschuss unter Einbeziehung von Rat und EP ein tauglicher Kompromiss sein. Die WKÖ unterstützt insbesondere folgende Vorschläge von MdEP Flemming: Überblick: 1. Unterschiedliches burden sharing zumindest teilweise abfedern 2. Einvernehmen mit Betreiber bei Aktualisierung suchen 3. Money Back bei teilweisem Auctioning 4. Kritik an Autorisierung der Beamtengesetzgebung in der RL ( Komitologie ) 5. Zuteilung für neue Marktteilnehmer möglichst EU-weit harmonisieren 6. Basisjahr & Erstzuteilung begründet zu beantragen 7. Borrowing & Banking 8. Strafgelder-Verwendung zweckbinden für Förderung von JI, CDM u.a 3
9. opt-in ausschließlich für weitere Anlagen- und Betreiberarten 10. JI & CDM Anrechnung 11. GWP-Faktor (Global Warming Potential) angeben 12. Wirtschaftliches Potenzial berücksichtigen Einige dieser Forderungen sind im Folgenden zu erläutern: Ad 5: EU-weit harmonisierte Erstzuteilung für neue Marktteilnehmer (ÄA 168) Die Zuteilung von Berechtigungen an neue Anlagen (inkl Anlagenerweiterungen) sollte EU-weit harmonisiert werden (was im Vorschlag der EK nicht der Fall ist), um einen sehr sensiblen Wettbewerbsaspekt zu entschärfen. Auch die damit zusammenhängende Frage, ob Reserven an Emissionslizenzen für neue Marktteilnehmer vom Staat gehalten werden sollen oder nicht, sollte jedenfalls EU-weit gelöst werden. Vorschlag: Neue Marktteilnehmer sollten zum Einstiegszeitpunkt für den Rest der ersten ET-Periode von 2005-2007 ihre Berechtigungen am freien Emissionsmarkt erhalten oder erwerben können. Im auf seinen Einstieg folgenden Zeitraum 2008-12 erhält der nunmehr etablierte Marktteilnehmer seine Zuteilung aus jenem Gesamt-Kuchen, der für bestehende Anlagen am Beginn einer Periode definiert wird. Dasselbe wie für neue Marktteilnehmer gilt auch für bestehende Marktteilnehmer, die eine Anlagenerweiterung vornehmen. Ad 6: Basisjahr & Erstzuteilung begründet zu beantragen (ÄA 172) Auf Basis von Ist-Stand, Berücksichtigung der BAT-Dokumente, Bedarfsprognose etc soll eine für das nationale Klimaziel sowie den Betreiber verträgliche Lösung herauskommen. Vorschlag: Da eine Detailregelung für das ET-Basisjahr weder auf EU-Ebene noch national sinnvoll und möglich ist, muss jedenfalls im RL-Text verankert sein, dass der Betreiber ein Mitspracherecht bei der Wahl des Basisjahres hat. Ad 7: Borrowing & Banking - Übertragung, Abgabe, Löschung und Periodisierung von Berechtigungen (ÄA 183, 196 und 197) Das betriebsinterne Verschieben oder Aufheben von Emissionen soll innerhalb einer Periode von einem Jahr zum nächsten Jahr der laufenden Periode möglich gemacht werden. Kurzfristige Produktions- und Konjunkturschwankungen könnten somit durch ein derartiges betriebsinternes flexibles Instrument ausgeglichen werden, ohne dass Emissionen gekauft werden müssen, oder Strafen anfallen. Zumindest Guthaben (also nicht in Anspruch genommene Emissionsberechtigungen) sollten auch in der zweiten Periode von 2008-2012 von Anlagenbetreibern gemäß Anhang I weiter verwendet werden können. 4
Innerhalb einer Periode: Vorschlag: Die MS stellen sicher, dass Betreiber von Anlagen innerhalb der Zeiträume gemäß Artikel 11 Absatz 1 und 2 Berechtigungen vorwegnehmen oder für ein Folgejahr zurücklegen können. Über eine Periode hinaus: Vorschlag: Die MS stellen sicher, dass Betreiber von Anlagen nicht verwendete und nicht verkaufte Emissionen in der nächsten Periode verwenden können. Ad 9: opt-in nur für weitere Anlagen- und Betreiberarten, nicht für NGOs u.a. (ÄA 75) Laut Erläuterungen Pt 11, vierter Absatz (S. 11 des EKV) sollte der Anhang I nur durch eine RL- Änderung um ganze Sektoren erweitert werden können. Diesem Bestreben ist zuzustimmen. Bis zur Fertigstellung der RL-Änderung sollte aber ein provisorisches opt-in für einzelne Betreiber, deren Sektor nicht im Anhang I enthalten ist, ohne Escape-Klausel mit allen Rechten und Pflichten provisorisch möglich sein. Ähnlich wie bei neuen Marktteilnehmern oder Anlagenerweiterungen muss die Berechtigungszuteilung in der Folgeperiode nach dem Beitritt des Opt-in-Betreibers für alle der RL unterworfenen Betreiber an das nationale Ziel angepasst werden. Eine Teilnahmeberechtigung ohne Pflichten für Personen nach Artikel 3 g) ist aus Sicht der Wirtschaft in einem derart geschlossenen System nur dann akzeptabel, wenn es für die Anhang I Betreiber eine opt-out -Klausel gäbe, die aber ein funktionierendes System unmöglich machen würde. Vorschläge: Jeder Betreiber gemäß Anhang I oder auf Antrag kann Inhaber von Berechtigungen sein. Im Anhang I nicht enthaltene Betreiber, die weitere Tätigkeiten der IVU-RL betreiben (oder ev. auch darüber hinaus?), können per Antrag an die zuständige Behörde freiwillig in den Geltungsbereich dieser Richtlinie einsteigen. Derartige neue Marktteilnehmer erhalten oder erwerben (je nach dem, ob die Frage der staatlichen Reserven mit Ja oder Nein beantwortet wird) zum Einstiegszeitpunkt für den Rest der ersten Periode 2005-2007 ihre Berechtigungen am freien Emissionsmarkt. Im der Einstiegsperiode folgenden Zeitraum könnten auch opt-in - Betriebe in der Verteilung des Gesamt-Kuchens Berücksichtigung finden. 5
Inhalt des EU-RLV KOM(2001) 581 Ziel: Kyoto-Vorgraben preisgünstig erreichen; betroffene Anlagen laut Annex 1: Energierelevante Aktivitäten Feuerungsanlagen > 20 MW, ausgenommen Abfallverbrennungsanlagen Mineralölraffinerien Kokereien Herstellung und Verarbeitung von eisenhältigen Metallen Rösten oder Sintern von Erzen einschließlich sulfidischer Erze Herstellung von Roheisen oder Stahl, Stranggießen mit Schmelzkapazität > 2,5 t/h Mineralverarbeitende Industrie Zementklinker in Drehrohröfen mit einer Produktionskapazität > 500 t/d Kalk in Drehrohröfen oder in anderen Öfen mit einer Produktionskapazität > 50 t/d Glas einschließlich Glasfasern mit einer Schmelzkapazität > 20 t/d Anlagen zum Brennen keramischer Erzeugnisse mit einer Produktionskapazität >75 t/d und/oder einer Ofenkapazität > 4 m 3 und einer Besatzdichte > 300 kg/m 3 Andere Aktivitäten Anlagen zur Herstellung von Zellstoff aus Holz oder anderen Faserstoffen Anlagen zur Herstellung von Papier, Pappe und Karton mit einer Produktionskapazität > 20 t/d. Ausgenommen sind Anlagen der chemischen Industrie und Abfallverbrennungsanlagen. Neben Anlagenbetreibern sollen auch andere natürliche und juristische Personen durch An- und Verkauf von allowances am Handelssystem teilnehmen können. Permit und allowance Genehmigung ( greenhouse gas emission permit ), für Annex-1-Betriebe erforderlich (also keine Möglichkeit der freiwilligen Teilnahme!); Basis für MS für Zuteilung von Emissionsberechtigungen - vorerst kostenlos (im Fachjargon wird dies als grandfathering bezeichnet, im Gegensatz zum auctioning : nicht kostenlose Zuteilung zu Marktpreisen). Während die allowances transferierbar (handelbar) sein sollen, soll die Genehmigung ( permit ) auf eine bestimmte Anlage oder einen Anlagenteil bezogen sein. Geldstrafen pro überzogener Tonne CO 2 für Nichteinhaltung der Vorgaben: 2005-2007: 50 Euro oder doppelter Marktpreis einer Vorperiode ab 2008 (= Beginn der Kyoto-Periode ): 100 Euro oder doppelter Marktpreis einer Vorperiode Das geplante Emissionshandelssystem soll 2005 starten. Die erste Periode ist bis 31.12.2007 vorgesehen. Die nächste Periode, 2008-2012, fällt mit der ersten Verpflichtungsperiode gemäß dem Kyoto-Protokoll zusammen. Danach sind weitere 5-Jahres-Perioden geplant. Bis zum 31.12.2004 kann die EU-Kommission Vorschläge zur Inkludierung weiterer Gase und wirtschaftlicher Aktivitäten in das Handelssystem unterbreiten. Umsetzungsfrist bis 31.12.2003. EU-Burden-Sharing: LUX -28%, DK -21%, D -21%, Ö -13%, GB -12,5%, B -7,5%, I -6,5%, NL -6%, F & FIN 0%, S +4%, IRL +13%, SP +15%, GR +25%, P +27% Weitere Infos: http://wko.at/up/enet/stellung/emissionstrading.htm ****************************************************** Kontakt: EP: Dr. Marilies Flemming, 00322-284-7775, mflemming@europarl.eu.int WKÖ: Mag. Axel Steinsberg, 00431-50105-4750, Axel.Steinsberg@wko.at 6