Reform des gerichtlichen Finanzstrafverfahrens im Hinblick auf das Strafprozessreformgesetz

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Transkript:

Reform des gerichtlichen Finanzstrafverfahrens im Hinblick auf das Strafprozessreformgesetz A.Univ.-Prof. Dr. Andreas Scheil Institut für Strafrecht, Strafprozessrecht und Kriminologie Am 1. Jänner 2008 wird das Strafprozessreformgesetz 1 in Kraft treten, das Grundsätze des gerichtlichen Strafverfahrens normiert und das das Strafverfahren von den ersten Ermittlungen bis einschließlich der Erhebung der Anklage neu regelt. In diesem so genannten Ermittlungsverfahren sollen die Grundlagen für die Entscheidung der Staatsanwaltschaft geschaffen werden, ob das Verfahren einzustellen oder ob Anklage zu erheben ist; und es soll die Basis gelegt werden für eine zügige Hauptverhandlung ( 91 Abs 1 StPO-neu). Es gibt keine Vorerhebungen mehr, die die Polizei oder die Gerichte im Auftrag der Staatsanwaltschaft durchführen. Und auch keine Voruntersuchung mehr unter der Leitung des Untersuchungsrichters. Die Kriminalpolizei ermittelt von Amts wegen ( 99 Abs 1 StPO-neu) im Einvernehmen mit und unter Leitung und Kontrolle der Staatsanwaltschaft ( 101 Abs 1 StPO-neu). Wenn kein Einvernehmen erzielt werden kann, dann setzt die Staatsanwaltschaft ihre Auffassung mit einer Anordnung durch, die von der Kriminalpolizei befolgt werden muss ( 102 Abs 1 StPO-neu). Und die Staatsanwaltschaft, auch das ist neu, darf selbst ermitteln, das heißt, darf dieselben Ermittlungsschritte setzen wie die Kriminalpolizei, um Informationen zu gewinnen, darf insbesondere selbst Beweise aufnehmen zur Aufklärung des Verdachts einer Straftat und zur Verfolgung des Beschuldigten ( 103 Abs 2 StPO-neu). Hier soll an einigen, wesentlichen Bestimmungen des FinStrG, die das gerichtliche Finanzstrafverfahren betreffen, gezeigt werden, welche Änderungen des FinStrG im Hinblick auf das Strafprozessreformgesetz erforderlich sind. Und es werden Reformvorschläge gemacht. Vorweggenommen sei Folgendes: Wie bisher wird das gerichtliche Finanzstrafverfahren den Regeln der StPO folgen mit den im FinStrG Dritter Unterabschnitt Sonderbestimmungen für das gerichtliche Verfahren wegen Finanzvergehen normierten Abweichungen ( 195 Abs 1 FinStrG). Und wie bisher wird die Finanzstrafbehörde erster Instanz im gerichtlichen 1 Bundesgesetz, mit dem die Strafprozessordnung neu gestaltet wird (Strafprozessreformgesetz), BGBl I 2004/19; Paragraphen der StPO in der Fassung des Strafprozessreformgesetzes werden mit der Gesetzesbezeichnung StPO-neu gekennzeichnet. 1

Finanzstrafverfahren ermitteln ( 197 Abs 1 FinStrG); und nicht die Kriminalpolizei, der dafür die Sachkompetenz fehlte. Die Finanzstrafbehörde wird aber nicht mehr als Hilfsorgan der Staatsanwaltschaft oder des Gerichts einzelne Ermittlungsschritte setzen, sondern wie die Kriminalpolizei in Kooperation mit und unter Leitung und Kontrolle der Staatsanwaltschaft, grundsätzlich aber eigenständig und von Amts wegen das gesamte Ermittlungsverfahren bis hin zur Anklageerhebung durch die Staatsanwaltschaft durchführen. Dazu gibt es auf Grund der neuen Rechtslage ab 1. 1. 2008 meiner Meinung nach keine vernünftige Alternative. Im Folgenden nehme ich diesen Reformschritt als gegeben an und ersetze deshalb die Kriminalpolizei durch die Finanzstrafbehörde (erster Instanz), wenn sie die von der StPO-neu der Kriminalpolizei zugewiesenen Aufgaben im gerichtlichen Finanzstrafverfahren wahrnimmt. 1. 54 FinStrG a. Umstellung des verwaltungsbehördlichen Finanzstrafverfahrens auf das gerichtliche Ermittlungsverfahren Heute muss die Finanzstrafbehörde nach Einleitung und in jeder Lage des Finanzstrafverfahrens ohne unnötigen Aufschub Strafanzeige an die Staatsanwaltschaft erstatten, wenn sie zu der Überzeugung kommt, dass nicht sie, sondern das Gericht 2 für die Ahndung des Finanzvergehens zuständig ist ( 54 Abs 1 FinStrG). Nach der Strafanzeige darf die Finanzstrafbehörde eine weitere Tätigkeit nur entfalten, wenn sie während der Vorerhebungen - von der Staatsanwaltschaft oder insbesondere während der Voruntersuchung - vom Gericht darum ersucht wird ( 197 Abs 2 FinStrG) oder wenn sie bestimmte Zwangsmittel bei Gefahr im Verzug 3 anwendet ( 54 Abs 3 FinStrG). Die Finanzstrafbehörde wird in Zukunft bei Zuständigkeit des Gerichts keine Strafanzeige an die Staatsanwaltschaft mehr erstatten und auf staatsanwaltschaftliche oder gerichtliche Aufträge warten, 4 sie wird, wie bisher, das verwaltungsbehördliche Finanzstrafverfahren 2 53 FinStrG. 3 197 Abs 3 FinStrG. 4 54 Abs 3, 82 Abs 2 und 197 Abs 2 FinStrG, die alle das Warten der Finanzstrafbehörde auf staatsanwaltschaftliche oder gerichtliche Aufträge für einzelne Ermittlungsschritte anordnen, können ersatzlos entfallen. 2

vorläufig einstellen (und erst fortsetzen, 5 wenn die Zuständigkeit des Gerichts rechtskräftig verneint; oder endgültig einstellen, wenn das gerichtliche Verfahren anders als durch eine Unzuständigkeitsentscheidung rechtskräftig beendet worden ist 6 ); sie wird, wie bisher, Personen, die sich in vorläufiger Verwahrung oder Untersuchungshaft befinden, dem Gericht übergeben und einen bereits eingeleiteten Strafvollzug unterbrechen. 7 Und sie wird, vor allem, von Amts wegen ( 99 Abs 1 StPO-neu) weiter ermitteln, jetzt aber siehe unten 3. - nach den Normen der StPO-neu und der für das gerichtliche Finanzstrafverfahren geschaffenen Sondervorschriften des FinStrG. Die Umstellung des verwaltungsbehördlichen auf das gerichtliche Finanzstrafverfahren braucht eine klare, auch von außen erkennbare Zäsur: Es muss gerade wegen der Identität der zuständigen Behörde immer nachvollziehbar sein, ob es sich um ein verwaltungsbehördliches oder um ein gerichtliches Finanzstrafverfahren handelt schon wegen der Unterschiede zwischen FinStrG und StPO-neu zb hinsichtlich der Beweis-, Zwangs-, Rechtsmittel, Rechtsbehelfe und Zuständigkeiten. b. Anfallsbericht ( 100 Abs 1 Z 1 StPO-neu) statt Strafanzeige an die Staatsanwaltschaft Der Finanzstrafbehörde sollte abweichend von der StPO-neu - durch eine Sondervorschrift im FinStrG aufgetragen werden, in solch einem Fall immer einen Anfallsbericht ( 100 Abs 1 Z 1 StPO-neu) an die Staatsanwaltschaft zu schicken. Das wäre ein klares und von außen erkennbares Zeichen für die Umstellung des finanzstrafbehördlichen (Untersuchungs- )Verfahrens auf das gerichtliche Ermittlungsverfahren ( 91 ff StPO-neu). Wie bisher müssen auch der Beschuldigte und die dem Verfahren zugezogenen Nebenbeteiligten von der Umstellung des verwaltungsbehördlichen auf das gerichtliche Finanzstrafverfahren verständigt werden. 8 c. Anlassbericht ( 100 Abs 1 Z 2 StPO-neu) bei bereits erfolgten Beschlagnahmen und Sicherstellungsmaßnahmen 5 54 Abs 5 FinStrG. 6 54 Abs 6 FinStrG. 7 54 Abs 4 FinStrG. 8 54 Abs 1 FinStrG. 3

Im verwaltungsbehördlichen Finanzstrafverfahren erfolgte Beschlagnahmen von (Beweis-, verfallsbedrohten) Gegenständen und Sicherstellungsmaßnahmen (zur Sicherung der Geldstrafe, des Wertersatzes) müssen heute der Staatsanwaltschaft in der Strafanzeige mitgeteilt werden. Der Untersuchungsrichter muss dann die Beschlagnahme seinerseits anordnen und die Ratskammer eine einstweilige Verfügung 9 erlassen innerhalb von sechs Wochen, sonst sind diese Maßnahmen von der Finanzstrafbehörde aufzuheben ( 54 Abs 2 FinStrG). Beschlagnahmen von Gegenständen und Sicherstellungsmaßnahmen müssen weiterhin gemeldet werden. Das Instrument der StPO-neu dafür ist der Anlassbericht an die Staatsanwaltschaft, der von der Finanzstrafbehörde immer zu erstatten ist, wenn eine Anordnung oder Genehmigung der Staatsanwaltschaft oder eine Entscheidung des Gerichts erforderlich ist ( 100 Abs 1 Z 2 StPO-neu). Dann kann die Staatsanwaltschaft die (vorläufige) Sicherstellung selbst anordnen 10 und bei Gericht den Antrag auf Beschlagnahme stellen. 11 2. 196a FinStrG Diese Bestimmung weist heute, um die Zuständigkeit der Bezirksgerichte auszuschließen, die Führung der Vorerhebungen und Voruntersuchungen wegen Finanzvergehen den Gerichtshöfen erster Instanz zu und erklärt das Schöffengericht zuständig für die Hauptverhandlung und das Urteil. Im Hinblick auf das Strafprozessreformgesetz muss diese Vorschrift insoweit geändert werden, als der Finanzstrafbehörde im gerichtlichen Finanzstrafverfahren die Aufgaben zuwiesen werden, die der Kriminalpolizei im Ermittlungsverfahren im allgemeinen gerichtlichen Strafverfahren zukommen (insbesondere 99 StPO-neu). 3. 197 Abs 5 FinStrG Heute muss die Finanzstrafbehörde, wenn sie in einem gerichtlichen Finanzstrafverfahren tätig ist, bei der Durchführung von Verhaftungen (Vorführungen), Beschlagnahmen, 9 207a FinStrG. 10 110 Abs 2 StPO-neu. 11 115 Abs 2 StPO-neu. 4

Hausdurchsuchungen und Personendurchsuchungen über richterlichen Befehl die Bestimmungen der StPO anwenden; im übrigen gelten für das Verfahren bei den Amtshandlungen der Finanzstrafbehörden, der Zollämter und ihrer Organe die Bestimmungen über das verwaltungsbehördliche Finanzstrafverfahren ( 197 Abs 5 FinStrG). Das heißt: Abgesehen von der Vollziehung der erwähnten gerichtlich angeordneten Zwangsmittel, bei der die StPO anzuwenden ist, wenden die Finanzstrafbehörden auch im gerichtlichen Finanzstrafverfahren dieselben Normen des FinStrG an, die sie im verwaltungsbehördlichen Finanzstrafverfahren anwenden. Das wird nicht mehr möglich sein ab dem In-Kraft-Treten des Strafprozessreformgesetzes. Es wäre geradezu absurd, die Finanzstrafbehörde nach anderen Normen ermitteln, insbesondere nach anderen Normen Beweise aufnehmen zu lassen als die sie leitende und kontrollierende Staatsanwaltschaft, die ja auch selbst dieselben Ermittlungen durchführen darf. Und nach anderen Normen als das erkennende Schöffengericht, dem die Finanzstrafbehörde mit ihren Ermittlungen die Basis für eine zügige Hauptverhandlung legen soll anders als heute wird es keinen Untersuchungsrichter mehr geben, der in einer Voruntersuchung die Beweisaufnahmen der Finanzstrafbehörde nach den Normen der StPO wiederholt und sie so für die Hauptverhandlung verwertbar macht. Die Finanzstrafbehörden werden bei ihren Ermittlungen im gerichtlichen Finanzstrafverfahren die Normen der StPO-neu anwenden müssen samt den für es geschaffenen Sondervorschriften des FinStrG. Um die nach den Bestimmungen des FinStrG im vorausgegangenen verwaltungsbehördlichen Finanzstrafverfahren gewonnen Beweise nach Umstellung auf das gerichtliche Finanzstrafverfahren ohne weiteres verwerten zu können, wird es unerlässlich sein, das insbesondere im Hinblick auf die Rechte des Beschuldigten 12 - schon in die Jahre gekommene FinStrG an die Standards der StPO-neu anzupassen. Die Alternative, im Falle der Umstellung auf das gerichtliche Finanzstrafverfahren die Beweisaufnahmen zu wiederholen, wäre nicht nur unökonomisch, damit wäre - wie bei jeder Beweiswiederholung - eine Verschlechterung der Beweise verbunden. 4. 200 FinStrG 12 Scheil, Die Rechte des Beschuldigten im Finanzstrafverfahren, in Holoubek/Lang (Hrsg) Allgemeine Grundsätze des Verwaltungs- und Abgabenverfahrens, 203 ff. 5

Der Finanzstrafbehörde werden Parteirechte im gerichtlichen Finanzstrafverfahren heute dadurch eingeräumt, dass ihr die Stellung eines Privatbeteiligten und damit seine Rechte ( 200 Abs 1 FinStrG) und darüber hinaus noch besondere Rechte ( 200 Abs 2 FinStrG) zuerkannt werden. Die StPO-neu spricht von Opfern und ihren Rechten 13 und unterscheidet dabei zwischen den Rechten, die einem Opfer zukommen unabhängig von der Stellung als Privatbeteiligter ( 66 StPO-neu), und den Rechten des Privatbeteiligten ( 67 StPO-neu). Wenn man die bisherige Gesetzestechnik beibehalten wollte, müsste man der Finanzstrafbehörde die Stellung eines Opfers und eines Privatbeteiligten und weitere konkret genannte Rechte zuerkennen. Hier könnte viel unnötig böses Blut ob dieser Gesetzestechnik vermieden werden, 14 wenn stattdessen, so wie heute schon in 200 Abs 2 FinStrG, die Parteirechte der Finanzstrafbehörde insgesamt konkret aufgezählt werden. Die Finanzstrafbehörde, der in Zukunft im gerichtlichen Finanzstrafverfahren eine noch größere Rolle zukommt als heute, sprachlich auch nur in die Nähe des Opfers zu rücken, dem zb auf Verlangen psychosoziale und juristische Prozessbegleitung zu gewähren ist, 15 was man für die Finanzstrafbehörde durch eine Sonderbestimmung ausschließen müsste, würde wohl auf blankes Unverständnis und auf vehemente Ablehnung stoßen. An Rechten wären der Finanzstrafbehörde einzuräumen, wenn man sie um nichts gegenüber der Rechtslage heute verkürzen will, das Recht auf Akteneinsicht; 16 das Recht auf Verständigung vom Fortgang des Verfahrens; 17 das Recht auf Ladung zur und Teilnahme an der kontradiktorischen Vernehmung von Zeugen und Beschuldigten, 18 der Befundaufnahme 19 und der Tatrekonstruktion 20 und dabei Fragen und Anträge zu stellen; das Recht, die Fortführung des durch die Staatsanwaltschaft eingestellten Verfahrens zu verlangen; 21 das 13 Überschrift des 4. Hauptstücks, 65 70 StPO-neu. 14 Heute schon stören sich viele an der Bezeichnung der Finanzstrafbehörde als Privatbeteiligter im gerichtlichen Finanzstrafverfahren. 15 66 Abs 2 StPO-neu. 16 51 StPO-neu. 17 25 Abs 3, 1177 Abs 5, 194, 197 Abs 3, 206 und 208 Abs 4 StPO-neu. 18 165 StPO-neu. 19 127 Abs 2 StPO-neu. 20 150 Abs 1 StPO-neu. 21 195 Abs 1 StPO-neu. 6

Recht auf Subsidiaranklage; 22 das Recht auf Beweisanträge im Hauptverfahren; 23 das Recht, zur Hauptverhandlung geladen zu werden, an ihr teilzunehmen und dort Angeklagte, Zeugen und Sachverständige zu befragen, Anträge und Schlussanträge zu stellen; das Recht, im gleichen Umfang wie die Staatsanwaltschaft gerichtliche Entscheidungen zu bekämpfen und die Wiederaufnahme des Strafverfahrens zu verlangen das inkludierte die Beschwerde 24 gegen die gerichtliche Einstellung des Verfahrens - und zu mündlichen Verhandlungen im Rechtsmittelverfahren wie zu Haftverhandlungen 25 geladen zu werden und dort das Wort ergreifen und Anträge zu stellen. 5. 202 FinStrG Die Frage, ob die Zuständigkeit der Finanzstrafbehörde oder des Gerichts gegeben ist bei den vorsätzlich begangenen Finanzvergehen, deren Strafe sich nach einem strafbestimmenden Wertbetrag richtet ( 53 FinStrG, konkret die Frage, ob Vorsatz oder Fahrlässigkeit vorliegt und ob bei Vorsatz der strafbestimmende Wertbetrag die in 53 FinStrG festgesetzten Grenzen übersteigt und damit die Gerichtszuständigkeit begründet, darf die Staatsanwaltschaft nach heutigem Recht nicht selbst beantworten: Außerhalb der Hauptverhandlung muss sie die Ratskammer befassen, wenn sie die Zuständigkeit des Gerichts verneint ( 202 und 212 Abs 1 FinStrG); so wie auch der Untersuchungsrichter während der Voruntersuchung ( 204 FinStrG); und während der Hauptverhandlung vor dem Schöffengericht darf der öffentliche Ankläger der gerichtlichen Entscheidung nicht durch Rücktritt von der Anklage vorgreifen, wenn er die gerichtliche Zuständigkeit verneint ( 212 Abs 2 FinStrG). Die StPO-neu kennt keine Ratskammer mehr. Wenn man an der Entscheidung dieser Frage durch das Gericht festhalten will, dann käme dafür einmal der Einzelrichter des Landesgerichtes 26 in Frage, der auch einige wenige Ermittlungen durchführt 27 und gegen dessen Entscheidung die Beschwerde an das Oberlandesgericht zulässig wäre; oder der Drei- Richter-Senat des Landesgerichts, 28 der vor allem über Rechtsmittel des Bezirksgerichts 22 72 StPO-neu. 23 55 StPO-neu; im Ermittlungsverfahren braucht sie dieses Recht nicht, weil sie selbst bestimmt, welche Beweise aufgenommen werden. 24 87 StPO-neu. 25 176 StPO-neu. 26 31 Abs 1 StPO-neu. 27 104 StPO-neu. 28 31 Abs 5 StPO-neu. 7

entscheidet, und gegen dessen Entscheidung auch die Beschwerde an das Oberlandesgericht zugelassen werden müsste. Ich schlage hier eine längst fällige Reform vor: Die Staatsanwaltschaft soll die Frage, ob gerichtliche oder finanzstrafbehördliche Zuständigkeit vorliegt, in Zukunft selbst beantworten dürfen. Solch weit reichende Entscheidungen an der Nahtstelle zwischen gerichtlichem und verwaltungsbehördlichem Strafrecht trifft sie sonst auch, ohne ein Gericht damit befassen zu müssen. ZB auf dem Gebiet des Umweltstrafrechts: Wenn sie bei einer durch Deponierung gefährlichen Abfalls herbeigeführten Gewässerverunreinigung an der Gefahr für den Tier- und Pflanzenbestand in einem größeren Gebiet ( 180 Abs 1 Z 2 StGB) zweifelt, damit die Zuständigkeit des Gerichts zur Strafverfolgung verneint und heute die Anzeige zurücklegt ( 90 Abs 1 StPO) bzw ab dem 1. 1. 2008 das Ermittlungsverfahren einstellt ( 190 Z 1 StPO-neu), dann trifft sie damit auch eine Zuständigkeitsentscheidung pro Verwaltungsstrafbehörde, der sie dadurch erst ermöglicht, das wegen der Subsidiaritätsklausel in 79 Abs 1 Abfallwirtschaftsgesetz 2002 zugunsten gerichtlich strafbarer Handlungen vorläufig ausgesetzte 29 Verwaltungsstrafverfahren fortzusetzen und eine Geldstrafe bis 36.340 Euro zu verhängen. Es ist kein sachlicher Grund für diese Besonderheit des Finanzstrafrechts erkennbar, der die Aufrechterhaltung des von Lambauer 30 mit guten Gründen negativ kritisierten Widerspruchs zum Anklagegrundsatz (Art 90 Abs 2 B-VG, 4 StPO-neu) rechtfertigte. Die Einstellung des Ermittlungsverfahrens durch die Staatsanwaltschaft wegen Unzuständigkeit des Gerichts, weil die weitere Verfolgung aus rechtlichen Gründen unzulässig ist ( 190 Z 1 2. Teilsatz StPO neu), kann auch siehe oben 4. von der Finanzstrafbehörde durch einen Antrag auf Fortführung des Verfahrens angefochten werden, über den so wie heute bei einer Beschwerde gegen die Entscheidung der Ratskammer auf Unzuständigkeit des Gerichts - das Oberlandesgericht entscheidet ( 196 Abs 1 StPO neu). Nach Ablehnung der gerichtlichen Zuständigkeit durch die Staatsanwaltschaft und nach Rechtskraft der deshalb erfolgten Einstellung des Ermittlungsverfahrens darf die 29 30 Abs 2 VStG. 30 Anklageprozess und Anklagemonopol nach dem Finanzstrafgesetz, in Liebscher/Müller (Hrsg), Hundert Jahre österreichische Strafprozessordnung 1873-1973, 95 ff, insbesondere 97, 8

Staatsanwaltschaft das Ermittlungsverfahren nur fortführen, wenn neue Tatsachen oder Beweismittel entstehen oder bekannt werden, die geeignet erscheinen, die gerichtliche Bestrafung des Beschuldigten wegen des Finanzvergehens zu begründen. 31 6. 207a FinStrG Heute muss die Ratskammer bei hinreichendem Verdacht gegen einen Beschuldigten auf Antrag der Staatsanwaltschaft zur Sicherung der Geldstrafe, des Verfalls und des Wertersatzes eine einstweilige Verfügung erlassen, wenn andernfalls die Einbringung gefährdet oder wesentlich erschwert würde ( 207a Abs 1 FinStrG). Die StPO-neu kennt zwar die Sicherstellung, 32 die grundsätzlich durch die Staatsanwaltschaft, 33 ausnahmsweise durch die Kriminalpolizei 34 anzuordnen ist und die in der vorläufigen Begründung der Verfügungsmacht über Gegenstände, dem vorläufigen Verbot der Herausgabe von Gegenständen oder anderen Vermögenswerten an Dritte (Drittverbot) und im vorläufigen Verbot der Veräußerung oder Verpfändung solcher Gegenstände besteht; und die endgültige Beschlagnahme durch das Gericht, das dafür dieselben Maßnahmen anordnet. 35 Beides aber nur zur Sicherung der Abschöpfung der Bereicherung ( 20 StGB), des Verfalls ( 20b StGB), der Einziehung ( 26 StGB) oder einer anderen gesetzlich vorgesehen vermögensrechtlichen Anordnung, worunter nicht auch die oben erwähnten Sanktionen des FinStrG fallen 36 : Im allgemeinen Strafrecht sind insbesondere Maßnahmen zur Sicherung der Einbringlichkeit einer Geldstrafe unbekannt. Es ist daher zur Sicherung der eingangs genannten Sanktionen durch eine Sonderbestimmung im FinStrG auch für das gerichtliche Finanzstrafverfahren die vorläufige Sicherstellung durch die Staatsanwaltschaft bzw durch die Finanzstrafbehörde im Umfang des 110 StPO-neu und die Beschlagnahme durch das Gericht zu ermöglichen. Ob es allerdings mit der Verteilung der Rollen zwischen Finanzstrafbehörde und Staatsanwaltschaft im Ermittlungsverfahren vereinbar ist die Staatsanwaltschaft kann ihren Rechtsstandpunkt gegenüber der Finanzstrafbehörde immer mit 31 193 Abs 3 ivm Abs 2 Z 2 StPO-neu. 32 110 Abs 1 Z 3 StPO-neu. 33 110 Abs 2 StPO-neu. 34 110 Abs 3 StPO-neu 35 115 Abs 1 Z 3 StPO-neu. 36 Laut Bericht des Justizausschusses über die RV Strafprozessreformgesetz 406 BlgNR 22. GP 16 f sollen damit nebengesetzliche Bestimmungen über die Vernichtung und Unbrauchbarmachung bestimmter Eingriffsgegenstände in Immaterialgüterrechte erfasst werden. 9

einer Anordnung durchsetzen ( 98 Abs 1 StPO-neu) -, wenn man der Finanzstrafbehörde auch im Ermittlungsverfahren ein Rechtsmittel in die Hand gäbe, mit dem sie die Ablehnung der vorläufigen Sicherstellung durch die Staatsanwaltschaft bei Gericht bekämpfen könnte, wage ich zu bezweifeln. Anders im Hauptverfahren, in dem die Finanzstrafbehörde nicht mehr unter der Leitung und Kontrolle der Staatsanwaltschaft steht: Dort würde das Recht der Finanzstrafbehörde, die Ablehnung der Sicherstellung oder Beschlagnahme zu bekämpfen, weiterhin Sinn machen. Dieser letzte Punkt sollte nur verdeutlichen, dass der Teufel im Detail steckt und dass bei der im Hinblick auf das Strafprozessreformgesetz erforderlichen Reform des FinStrG noch einige verzwickte Detailprobleme gelöst werden müssen, deren Erörterung hier aber zu weit führen würde. 10