C. Lyrik 28.05.2013 Allgemeine Grundbegriffe, Reim und Übungen 04.06.2013 Metrum, Versmaße, Strophen-/ Gedichtformen und Übungen 3. Metrum Literatur: BREUER, Dieter: Deutsche Metrik und Versgeschichte. München 2008 4. WAGENKNECHT, Christian: Deutsche Metrik. Eine historische Einführung. München 1981. Versfüße des Deutschen Jambus v - Und träumt der Winter noch so sehr, (Jamb. Vierheber) Trochäus - v Schläft ein Lied in allen Dingen, (Troch. Vierheber) Daktylus - v v zb. ehemals, Daktylus Anapäst v v - zb. Zauberei, Anapäst Spondeus - - (v = Senkung, - = Hebung) Freier Knittelvers zb. strohdoof Heiße Magister, heiße Doktor gar, Und ziehe schon an die zehn Jahr Versmaße Paarreim; nicht zwingend alternierend, nicht zwingend vierhebig (g) Strenger Knittelvers Paarreim, 8 oder 9 Silben (g) Eins abents spat da schaut ich aus zu eim fenster in meinem haus, Freie Rhytmen Keine metrische Festlegung, reimlos (g) Nicht in den Ozean der Welten alle Will ich mich stürzen! schweben nicht, Alexandriner 6 Jamben mit einer Zäsur nach der dritten Hebung. (r) Wohl dem und mehr als Wohl, der weit von Streit und Kriegen Vers commun Gereimter jambischer 10- oder 11- Silbler, oft mit Zäsur 1
nach der 4. Silbe (r) So laß den Leib, in dem du bist gefangen Endecasillabo ( Elfsilber ) Italienisch-spanische Art des Vers Commun mit weiblichem Reim: Betonung immer auf der 10. Silbe (r) Ihr naht Euch wieder, schwankende Gestalten Blankvers Es eifre jeder seiner unbestochnen, Von Vorurteilen freien Liebe nach! Hexamenter Fünfhebiger jambischer Vers, reimlos (=blank); häufig im klassischen Drama zu finden. (g) 6 Daktylen, deren letzter katalektisch (verkürzt) ist ( - v v / - v ); dabei kann der 1. bis 4. Daktylus durch Spondeen oder Trochäen ersetzt werden. (Antikes Versmaß) (a) Wer ist das würdigste Glied der Regierung? Ein wackerer Bürger, Pentameter 6 Daktylen, deren 3. und letzter katalektisch sind; dabei kann der 1. und 2. Daktylus durch Spondeen oder Trochäen ersetzt werden, Diärese nach der dritten Hebung (a) Und im despotischen Land II ist der der Pfeiler des Staates. (g) = germanische Tradition, (a) = antike Tradition, (r) = romanische Tradition Strophenformen Distichon Eine Verbindung aus Hexameter und Pentameter. (a) Im Hexameter steigt des Springquells flüssige Säule, Im Pentameter drauf fällt sie melodisch herab. Terzine 11-silbig, jambisch, 3-versige Strophen, Kettenreim (aba bcb cdc )(r) Im ernsten Beinhaus war's, wo ich beschaute Wie Schädel Schädeln angeordnet paßten; Die alte Zeit gedacht' ich, die ergraute. Sie stehn in Reih' geklemmt' die sonst sich haßten, Und derbe Knochen, die sich tödlich schlugen, Sie liegen kreuzweis, zahm allhier zu rasten. Stanze 11-silbig, jambisch, 8 Verse, Form: abababcc (r) Ihr naht euch wieder, schwankende Gestalten, Die früh sich einst dem trüben Blick gezeigt. 2
Versuch ich wohl, euch diesmal festzuhalten? Fühl ich mein Herz noch jenem Wahn geneigt? Ihr drängt euch zu! nun gut, so mögt ihr walten, Wie ihr aus Dunst und Nebel um mich steigt; Mein Busen fühlt sich jugendlich erschüttert Vom Zauberhauch, der euren Zug umwittert. Romanzenstrophe 8-silbig, trochäisch, 4 Verse, wechselnde Kadenz, Kreuzreim (r) Dämmrung senkte sich von oben, Schon ist alle Nähe fern; Doch zuerst emporgehoben Holden Lichts der Abendstern! Volksliedstrophe 3-hebig, auftaktig, füllungsfrei, Kreuzreim, wechselnde Kadenz, gereimt (g) Ich weiß nicht was soll es bedeuten, Dass ich so traurig bin; Ein Märchen aus alten Zeiten, Das kommt mir nicht aus dem Sinn. Chevy-Chase Abwechselnd 4/3-hebig, füllungsfrei, auftaktig, Strophe männliche Kadenzen, Kreuzreim, vierzeilig (g) Ich hab es getragen sieben Jahr Und ich kann es nicht tragen mehr! Wo immer die Welt am schönsten war, Da war sie öd und leer. Vagantenstrophe Wie Chevy-Chase Strophe, aber weibliche Kadenz in Vers 2 und 4. (g) Entreiß dich, Seele, nun der Zeit; Entreiß dich deinen Sorgen Und mache dich zum Flug bereit In den ersehnten Morgen. Sonett Englisches Sonett Gedichtformen Zumeist im Reimschema abba abba cdc dcd (bzw. ccd ccd) Im 17. Jh. meist 6-hebig (Alexandriner), ab 1800 5-hebige jambische Verse. zb. Es ist alles eitel (Gryphius) Sonderform des Sonetts, häufigstes Reimschema: abab cdcd efef gg (gg wird als Couplet bezeichnet) 3
Elegie Ballade Hymne Lied Ode Antike Versform in Distichen (Hexameter + Pentameter) zb. Römische Elegien (Goethe) Erzählende Versdichtung, verbindet lyrische, dramatische und epische Gestaltungsmittel zb. Das Trauerspiel von Afghanistan (Fontane) Preislied auf Götter, Helden, Tugenden Gefühle (und vieles mehr) zb. Prometheus (Goethe) Gereimtes (Paarreim, Umarmender Reim, Kreuzreim), zum Singen geeignetes Gedicht zb. Abendlied (Claudius) Wie Hymne und Elegie eine antike Gedichtform in antikem Versmaß; ab dem 18 Jh. zumeist freirhythmisch, dann eher Hymne genannt; Themen: Religion, Kunst, Natur, Liebe, Staat (zumeist weihevoll oder enthusiastisch) zb. An die Parzen (Hölderlin) Übung 8: Formale Gedichtanalyse Analysiere folgende Gedichte hinsichtlich ihrer Reimstruktur, ihres Metrums, ihrer Versmaße und gegebenenfalls hinsichtlich ihrer Gedichtform: (Ausschnitt) (J. W. Goethe) Laß dich, Geliebte, nicht reun, daß du mir so schnell dich ergeben! Glaub es, ich denke nicht frech, denke nicht niedrig von dir. Vielfach wirken die Pfeile des Amors: einige ritzen, Und vom schleichenden Gift kranket auf Jahre das Herz. Aber mächtig befiedert, mit frisch geschliffener Schärfe Dringen die andern ins Mark, zünden behende das Blut. In der heroischen Zeit, da Götter und Göttinnen liebten, Folgte Begierde dem Blick, folgte Genuß der Begier. [ ] 4
Berlin III (Georg Heym) Schornsteine stehn in großem Zwischenraum Im Wintertag, und tragen seine Last, Des schwarzen Himmels dunkelnden Palast Wie goldne Stufe brennt sein niedrer Saum. Fern zwischen kahlen Bäumen, manchem Haus, Zäunen und Schuppen, wo die Weltstadt ebbt, Und auf vereisten Schienen mühsam schleppt Ein langer Güterzug sich schwer hinaus. Ein Armenkirchhof ragt, schwarz, Stein an Stein, Die Toten schaun den roten Untergang Aus ihrem Loch. Er schmeckt wie starker Wein. Sie sitzen strickend an der Wand entlang, Mützen aus Ruß dem nackten Schläfenbein, Zur Marseillaise, dem alten Sturmgesang. Wiedergeburt (Johann W. Süvern) Ins Dunkel will des Jahres Licht sich neigen; Des Lebens heiße Glut, sie kehret wieder In ew gen Feuers Schooß zurück; es schweigen, Die sie entzündet, schon im Hain die Lieder; Die Liebe flieht, und kalt entlöst den Zweigen Sich mattes Laub, der Blumen Schmuck sinkt nieder. Das Herz erstirbt, die Adern sind verschlossen, Worin Gedeihn und Kraft sich frisch ergossen. Lenore (Gottfried Bürger) Lenore fuhr ums Morgenrot Empor aus schweren Träumen: "Bist untreu, Wilhelm, oder tot? Wie lange willst du säumen?" - Er war mit König Friedrichs Macht Gezogen in die Prager Schlacht, Und hatte nicht geschrieben: Ob er gesund geblieben. Der König und die Kaiserin, Des langen Haders müde, erweichten ihren harten Sinn, Und machten endlich Friede; Und jedes Heer, mit Sing und Sang, Mit Paukenschlag und Kling und Klang, Geschmückt mit grünen Reisern, Zog heim zu seinen Häusern. Und überall all überall, Auf Wegen und auf Stegen, Zog Alt und Jung dem Jubelschall Der Kommenden entgegen. Gottlob! rief Kind und Gattin laut, Willkommen! manche frohe Braut. Ach! aber für Lenoren War Gruß und Kuß verloren. Sie frug den Zug wohl auf und ab, Und frug nach allen Namen; Doch keiner war, der Kundschaft gab, Von allen, so da kamen. Und als das Heer vorüber war, Zerraufte sie ihr Rabenhaar, Und warf sich hin zur Erde, Mit wütiger Gebärde. [ ] 5