Der Bahnlärm in Ligerz

Der Bahnlärm in Ligerz Messungen zur Dokumentierung von Häufigkeit und Intensität der Lärmspitzenwerte während der Ortsdurchfahrt Sommer - Herbst 2007 12. Dezember 2007 / Daniel Ryhiner, Dorfgasse 6 2514 Ligerz Die Messungen wurden vom Verfasser durchgeführt

2 Lärmmessungen Die Gemeinde Ligerz grenzt im Süden praktisch über das ganze Gemeindegebiet an die Kantonsstrasse und die Bahnlinie. Viele Häuser sind deshalb dem Verkehrslärm ausgesetzt. Seit der Eröffnung des Strassentunnels im Jahre 1989 ist die Lärmbelastung der Strasse stark zurückgegangen aber der Bahnlärm hat seither erheblich zugenommen, weil die Frequenz der Durchfahrten auf der Schiene etwa verdoppelt wurde, die gefahrene Durchschnittsgeschwindigkeit massiv gestiegen ist und der Anteil der zum Teil sehr lärmigen Güterzüge besonders nachts bedeutend grösser geworden ist. Zur Dokumentierung und als Grundlage für Verbesserungsvorschläge wurden auf private Initiative hin zahlreiche Messungen des Bahnlärms durchgeführt. Messung und Auswertung Gemessen wurde zu verschiedenen Tages- und Nachtzeiten auf dem Fenstersims von Arbeits- und Schlafzimmern, die gegen die Bahnlinie orientiert sind. Dabei wurde der Schallpegelverlauf aufgezeichnet. Die betroffenen Anwohner sind sich einig, dass es nicht der durchschnittliche Lärmpegel ist, der sie stört, sondern die ca. alle 6 Minuten stattfindenden Durchfahrten der Züge mit ihren teilweise weit über das erträgliche Mass hinausgehenden Einzelwerten. Es hat deshalb keinen Sinn, zur Beurteilung statistische Mittelwerte (Leq 1 ) in die Beurteilung einzubeziehen, wenn es die Häufigkeit und die Lautstärke der einzelnen Ereignisse sind, die besonders nachts - die Bevölkerung stören. Das vegetative Nervensystem des Menschen braucht bei kurzen Lärmeinwirkungen zur Erholung doppelt so lang wie die Dauer der Lärmeinwirkungszeit. Das heisst: Dauert eine Lärmeinwirkung eine Minute, hat sich der Körper erst zwei Minuten später wieder erholt. Tritt der Lärm alle 3 Minuten auf, ist eine Erholung nicht mehr möglich. Der Leq erfasst jedoch für diese 3 Minuten eine Minute Lärm und zwei Minuten Ruhe 2. Unzumutbare Lärmbelastung Was von der Bevölkerung empfunden wird, spiegelt sich auch in den gemessenen Lärmpegeln wieder. Die exponierten Häuser haben einen Abstand von 5 bis 35 m von der Schiene. Je nach Abstand von der Schiene werden Maximalwerte von 100 db(a) 3 bis 110 db(a) gemessen. Dies auch in der Nacht. Von den ca. 220 täglich passierenden Zügen emittieren 180 davon zwischen 80 db(a)und 100 db(a) in 30 m Abstand zur Schiene. Diese Lärmbelastung wird als absolut unzumutbar und unerträglich empfunden. Besonders nachts, wenn die betroffene Bevölkerung alle paar Minuten entweder aus dem Schlaf gerissen oder mindestens am Tiefschlaf gehindert wird und sich unter diesen Bedingungen nie richtig ausruhen kann. Es gibt genügend Studien, die den Zusammenhang zwischen Krankheit und Lärmbelästigung belegen. Ständige Unausgeruhtheit vermindert die menschliche Lebensfreude und Leistungsfähigkeit, ist Ursache diverser psychischer und körperlicher Erkrankungen und verkürzt direkt oder indirekt die Lebenserwartung. Emissionsverhalten der verschiednen Züge In der Schweiz werden ältere und laute Bahnwagen nach einem speziellen Programm erfolgreich lärmsaniert. Zudem ist modernes Rollmaterial bedeutend leiser geworden. Gruppiert man die Zugskategorien nach ihrem Emissionsverhalten, fällt eine von 4 Kategorien als besonders lärmig auf. In 27 m Abstand gemessen wurden folgende Lärmemissionen festgestellt: o o o o Regionalzüge (Nähe Bahnhof): ca. 70 db(a) ICE Züge bei Durchfahrt: ca. 81 bis 85 db(a) Sanierte oder neue Güterwagen ca. 79 bis 84 db(a) Güterzüge mit nicht lärmsanierten Wagen: 95 100 db(a) 1 Leq: Enerieequivalenter Dauerschallpegel 2 Dachverband Fluglärmschutz: Problematik der Fluglärmmessung durch LEQ 3 Dezibel nach Skala A. (Bel= Schallenergie)

3 An dieser Stelle sei erwähnt, dass eine Erhöhung des Schalldruckes von 10 db(a) als eine Verdoppelung des vom menschlichen Ohr empfundenen Lärms entspricht. Man kann also sagen, dass die nicht lärmsanierten Güterwagen doppelt so laut sind wie die das übrige Rollmaterial. Umfragen bei den Anwohnern zeigen denn auch, dass es hauptsächlich diese letztere Kategorie von Güterwagen ist, die das erträgliche Mass deutlich überschreitet. Dazu gehören die Tankzüge die auf der Strecke durch Ligerz häufig auch nachts verkehren. Die Sanierungspflicht schont ausgerechnet die lautesten Wagen Erkundigungen bei der Bahn und beim Bundesamt für Verkehr machen wenig Hoffnung, dass die besonders lauten Güterwagen (Tankzüge etc.) innert nützlicher Frist saniert werden, da es sich hier um Wagen von privaten, zum Teil ausländischen Gesellschaften handelt. Da ist der Bund offenbar nicht in der Lage eine Sanierung kurzfristig durchzusetzen. Eigentlich schade, weil die Schuld an dem übermässigen Bahnlärm von der Bevölkerung meist der SBB angelastet wird, die aber in diesem Fall keine Schuld trifft. Gemessene Werte im Einzelnen Nachfolgend sind die einzelnen Messungen grafisch wiedergegeben. Die Diagramme entsprechen jeweils dem Verlauf des Lärmpegels in db(a) über der Uhrzeit. Im oberen Teil der Grafik sind zudem Messbeginn, Messinterval, Datenmenge, Mittelwert und Minima / Maxima abzulesen. Im unteren Teil der Grafik findet man Beginn und Ende sowie Mittelwert und Minima / Maxima der vom roten und blauen Cursor begrenzten Periode. Die Begründung für die Wahl der jeweiligen Cursorpositionen findet sich erklärenden Text. Verwendetes Messgerät: CENTER 322 Sound level meter Kalibrierung: LUTRON Sound level calibrator SC-941

4 Messung Nacht, Strassentunnel bis Mitternacht geschlossen Ort: Dorfgasse 6, in 27 m Abstand zur Bahn, Fenstersims 2. Stock Beginn: Montag 22. August 23:00 Uhr Ende: Dienstag 23. August 07:15 Uhr Bemerkungen: Der Strassentunnel war am Montag wegen Unterhaltsarbeiten geschlossen. Ca. um 00:20 Uhr wurde dieser wieder für den Verkehr freigegeben. Der blaue Cursor steht auf dem Zeitpunkt der Tunnelöffnung und der rote Cursor zeigt auf den Zeitpunkt an dem der Strassenverkehr nach 6 Uhr wieder einsetzt. Bei geschlossenem Strassentunnel wurde der Strassenverkehr durch Ligerz geleitet. Es ist gut ersichtlich, dass der Strassenverkehr bedeutend weniger hohe Lärmspitzenwerte verursacht als die Bahn. Die lautesten Strassenfahrzeuge sind vergleichbar mit den leisesten Zügen.

5 Messung Nacht, Strassentunnel wieder offen Ort: Dorfgasse 6, in 27 m Abstand zur Bahn, Fenstersims 2. Stock Beginn: Dienstag 23. August 18:40 Uhr Ende: Mittwoch 24. August 07:15 Bemerkungen: Der Strassentunnel war am Vortag wegen Unterhaltsarbeiten geschlossen. Der blaue und der rote Cursor begrenzen eine Periode mit häufigen Zügen mit hohen Lärmspitzenwerten. Vor 22 Uhr verkehrten diese weniger häufig.

6 Messung Nachmittag und Abend Ort: Dorfgasse 6, in 27 m Abstand zur Bahn, Fenstersims 2. Stock Beginn: Donnerstag 25. August 14:40 Uhr Ende: Donnerstag 25. August 21:40 Uhr Bemerkungen: Der blaue und der rote Cursor zeigen auf Züge mit hohen Lärmspitzenwerten.

7 Messung nachts mit grosser Zeitauflösung Ort: Dorfgasse 6, in 27 m Abstand zur Bahn, Fenstersims 2. Stock Beginn: Freitag 7. September 22:11 Uhr 45 Sek. Ende: Freitag 7. September 22:15 Uhr 20 Sek. Bemerkungen: Durchfahrt eines einzelnen Zuges (Zeitlupe). Der blaue und der rote Cursor zeigen Beginn und Ende der Durchfahrt eines Güterzuges. Es ist erkenntlich, dass die so genannten Lärmspitzen oft längere Zeit anhalten. In diesem Falle beinahe eine Minute. Zwischen den sehr lauten und lauten Wagen ist ein Unterschied von beinahe 10 db(a). Für die Hörempfindung also ein Unterschied von 100%! Dies um die unterschiedlichen Lärmemissionen der einzelnen Güterwagen zu dokumentieren.

8 Messung Nacht Samstag / Sonntag Ort: Dorfgasse 6, in 27 m Abstand zur Bahn, Fenstersims 2. Stock Beginn: Samstag 8. September 20:23 Uhr Ende: Sonntag 9. September 05:15 Uhr Bemerkungen: Der lauteste Zug in der Nacht von Samstag auf Sonntag emittierte noch um 00:45 einen Wert von 96.6 db(a). Der blaue und der rote Cursor weisen auf die Zeitperiode hin wo am Wochenende gewöhnlich Ruhe eintritt: Am Sonntag den 9. September war dies exakt um 4 Uhr in der Früh.

9 Messung Sonntag und Nacht auf Montag Ort: Dorfgasse 6, in 27 m Abstand zur Bahn, Fenstersims 2. Stock Beginn: Sonntag 9. September 08:17 Uhr Ende: Montag 10. September 08:50 Uhr Bemerkungen: Der blaue und der rote Cursor weisen auf die Zeitperiode hin, die normalerweise der Nachtruhe zugerechnet wird. Wirklich ruhig war es aber nur zwischen 01:15 bis 04:00 Uhr

10 Messung über 24 h an einem Wochentag Ort: Dorfgasse 6, in 27 m Abstand zur Bahn, Fenstersims 2. Stock Beginn: Dienstag 11. September 10:30 Uhr Ende: Mittwoch 12. September 11:00 Uhr Bemerkungen: Die lautesten Züge verkehren hier nachts. Der blaue und der rote Cursor weisen auf die Zeitperiode von 22 bis 6 Uhr, die gemeinhin vom Gesetzgeber als Periode der Nachtruhe bezeichnet wird und für deren Wahrung er sich seit vielen Jahren im Bereich von Flughäfen, beim Strassentransport und bei Veranstaltungen rigoros einzusetzen pflegt. Warum nicht bei der Bahn?

11 Messung über 24 h Freitag auf Samstag Ort: Dorfgasse 6, in 27 m Abstand zur Bahn, Fenstersims 2. Stock Beginn: Freitag 14. September 08:36 Uhr Ende: Samstag 15. September 11:20 Uhr Bemerkungen: In der Nacht auf Samstag ist in der Periode zwischen 18 Uhr und 24 Uhr tendenziell eine höhere Güterzugsdichte festzustellen als an Wochentagen. Der blaue und der rote Cursor weisen wiederum auf die Zeitperiode von 22 bis 6 Uhr, der so genannten Nachtruhezeit.

12 Messung am Spazierweg während einer Zeit von 15 Minuten Ort: Strandweg Ligerz, 2m Abstand zur Bahn, Höhe Bärenplatzländte. Beginn: Montag 17. September 11:15 Uhr Ende: Montag 17. September 11:43 Uhr Bemerkungen: Das linke Bielerseeufer wurde bereits 1977 in das Bundesinventar der Landschaften und Naturdenkmäler von nationaler Bedeutung aufgenommen. Der blaue und der rote Cursor zeigen den Zeitabschnitt von 15 min, in denen der Wanderer beim Beschreiten des offiziellen Seeuferwegs zwischen Ligerz und Bipschal unterwegs ist. In dieser Zeit brausen die Züge drei Mal mit einem Schallpegel von bis zu 112 db(a) an ihm vorbei. Nur wer den Schreck selbst erlebt hat, weiss was es bedeutet, einem unvermittelt auftauchenden Güterzug mit seinem Gedröhn und dem begleitenden Sturmwind schutzlos ausgeliefert zu sein. Eine Landschaft und ein Naturdenkmal von nationaler Bedeutung verdient eigentlich eine bessere Schonung der Erholungssuchenden und der Anwohner.

13 Messung nachts an stark exponiertem Haus Ort: Oberdorf 2, in 6 m Abstand zur Bahn, Fenstersims 1. Stock Beginn: Dienstag 30. Oktober 17:34 Uhr Ende: Mittwoch 31. Oktober 08:30 Uhr Bemerkungen: Die Spitzenlärmwerte, die an diesem exponierten Haus gemessen wurden sind noch rund 10dB(A) höher, also dem Hörempfinden entsprechend doppelt so hoch, im Vergleich zum Referenzhaus an der Dorfgasse 6. Es ist gut ersichtlich, dass der um 3 Uhr einsetzende Nordostwind mit Windstärke 5-6 einerseits den Grundpegel erhöht hat und anderseits die Pegelspitzen tendenziell abgesenkt hat (Der Wind trägt den Schall parallel zum Haus weg). Der blaue und der rote Cursor weisen wiederum auf die Periode der offiziellen Nachtruhe zwischen 22 Uhr und 6 Uhr.

14 Messung nachts an etwas weniger stark exponiertem Haus Ort: Dorfgasse 16, in 35 m Abstand zur Bahn, Fenstersims 1. Stock Beginn: Mittwoch 7. November 20:14 Uhr Ende: Donnerstag 8. November 09:45 Uhr Bemerkungen: Im Vergleich zum Referenzhaus an der Dorfgasse 6 sind die Spitzenwerte wegen dem etwas grösseren Abstand zur Schiene und der etwas offeneren und unterbrochen Häuserfront tendenziell etwas tiefer, obwohl auch hier einzelne Werte bis zu 100 db(a) gemessen werden. Der blaue und der rote Cursor weisen auch hier auf die Periode der offiziellen Nachtruhe zwischen 22 Uhr und 6 Uhr.

15 Bilder zu Bahnlärmmessungen Ligerz 2007 Situation Ligerz Standort Dorfgasse 6 Standort Obergasse 2 Standort Dorfgasse 16 Seeuferweg 110 db(a) Seeuferweg 102 db(a) 81-85 db(a) auf 27m Distanz 97-100 db(a) auf 27m Distanz

16 79 db(a) auf 27m Distanz 81 db(a) auf 27m Distanz 70 db(a) auf 27 m Distanz 84 db(a) (saniert) auf 27m Distanz