Fair Trade für Edelmetalle und Edelsteine eine Bilanz August 2008 Jan Spille



Ähnliche Dokumente
Qualität und Verlässlichkeit Das verstehen die Deutschen unter Geschäftsmoral!

INFORMATIONEN FAIREN GOLD FAIREN SILBER

40-Tage-Wunder- Kurs. Umarme, was Du nicht ändern kannst.

Alle gehören dazu. Vorwort

Was meinen die Leute eigentlich mit: Grexit?

Die Post hat eine Umfrage gemacht

Kreativ visualisieren

Letzte Krankenkassen streichen Zusatzbeiträge

Häufig gestellte Fragen zum Thema Migration

Lassen Sie sich dieses sensationelle Projekt Schritt für Schritt erklären:

Auch heute noch kann man in Indien zahlreiche. Produkte von Bayer kaufen,

Fehler und Probleme bei Auswahl und Installation eines Dokumentenmanagement Systems

Erklärung zu den Internet-Seiten von

Lineargleichungssysteme: Additions-/ Subtraktionsverfahren

Vertrauen in Medien und politische Kommunikation die Meinung der Bürger

Wie oft soll ich essen?

Europäischer Fonds für Regionale Entwicklung: EFRE im Bundes-Land Brandenburg vom Jahr 2014 bis für das Jahr 2020 in Leichter Sprache

Workshop: Wie ich mein Handikap verbessere erfolgreich Leben mit Multiple Sklerose!

Anleitung zur Daten zur Datensicherung und Datenrücksicherung. Datensicherung

Welches Übersetzungsbüro passt zu mir?

Rohstoffanalyse - COT Daten - Gold, Fleischmärkte, Orangensaft, Crude Oil, US Zinsen, S&P500 - KW 07/2009

Antworten in Anhang dieser Brief! Montag, 23. Juli 2012

Wer das Thema Nachhaltigkeit nicht als seine Aufgabe sieht, der erkennt den Wald vor lauter Bäumen nicht.

Projektmanagement in der Spieleentwicklung

Was bedeutet Inklusion für Geschwisterkinder? Ein Meinungsbild. Irene von Drigalski Geschäftsführerin Novartis Stiftung FamilienBande.

e-book Garantie und Gewährleistung bei Insolvenz eines Automobilherstellers Autor: Dr. jur. Götz Knoop

Gemeinsam können die Länder der EU mehr erreichen

DAS PARETO PRINZIP DER SCHLÜSSEL ZUM ERFOLG

Denken und Träumen - Selbstreflexion zum Jahreswechsel

D.E.O. Die Erwachsene Organisation. Lösungen für eine synergetische Arbeitswelt

Lehrerinformation: Bilderrätsel Handy

Dow Jones am im 1-min Chat

Es gilt das gesprochene Wort. Anrede

BUCHHALTUNG BUCHFÜHRUNG WO IST ER EIGENTLICH? - DER UNTERSCHIED?

Fragebogen zum Fairen Handel in Kiel

Grünes Wahlprogramm in leichter Sprache

Additional Cycle Index (ACIX) Thomas Theuerzeit

Das große ElterngeldPlus 1x1. Alles über das ElterngeldPlus. Wer kann ElterngeldPlus beantragen? ElterngeldPlus verstehen ein paar einleitende Fakten

Behindert ist, wer behindert wird

Sich einen eigenen Blog anzulegen, ist gar nicht so schwer. Es gibt verschiedene Anbieter. ist einer davon.

Welchen Weg nimmt Ihr Vermögen. Unsere Leistung zu Ihrer Privaten Vermögensplanung. Wir machen aus Zahlen Werte

1: 9. Hamburger Gründerpreis - Kategorie Existenzgründer :00 Uhr

Staatssekretär Dr. Günther Horzetzky

Der nachhaltigere Anbieter sollte den Auftrag kriegen Interview mit Klaus-Peter Tiedtke, Direktor des Beschaffungsamtes des Bundes

Was ist das Budget für Arbeit?

Reizdarmsyndrom lindern

effektweit VertriebsKlima

Leitbild. für Jedermensch in leicht verständlicher Sprache

Info zum Zusammenhang von Auflösung und Genauigkeit

Strom in unserem Alltag

Sehbehindertentag 6. Juni. Kontraste. helfen schwachen Augen

Studieren- Erklärungen und Tipps

Informationsblatt Induktionsbeweis

Das Persönliche Budget in verständlicher Sprache

Einen Wiederherstellungspunktes erstellen & Rechner mit Hilfe eines Wiederherstellungspunktes zu einem früheren Zeitpunkt wieder herstellen

ONLINE-AKADEMIE. "Diplomierter NLP Anwender für Schule und Unterricht" Ziele

Persönliche Zukunftsplanung mit Menschen, denen nicht zugetraut wird, dass sie für sich selbst sprechen können Von Susanne Göbel und Josef Ströbl

Herzlich Willkommen beim Webinar: Was verkaufen wir eigentlich?

Geld Verdienen im Internet leicht gemacht

allensbacher berichte

Pädagogik. Melanie Schewtschenko. Eingewöhnung und Übergang in die Kinderkrippe. Warum ist die Beteiligung der Eltern so wichtig?

UNTERNEHMENSLEITBILD DER WERNSING FOOD FAMILY LEITBILD UND LEITIDEE

Womit beschäftigt sich Soziologie? (1) Verschiedene Antworten:

Sparstudie 2014: Gibt s noch Futter für das Sparschwein? September 2014 IMAS International

Mobile Intranet in Unternehmen

GmbH. Feuer im Herzen. Werbung im Blut.

Vermögen mehren trotz Inflation. Immobilien

Pflegende Angehörige Online Ihre Plattform im Internet

Wechselbereitschaft von. Bevölkerungsrepräsentative Umfrage vom 09. Januar PUTZ & PARTNER Unternehmensberatung AG

icloud nicht neu, aber doch irgendwie anders

Verjährungsfalle Gewährleistungsbürgschaft. -Unterschiedliche Verjährungsfristen für Mängelansprüche und Ansprüche aus der Gewährleistungsbürgschaft

1. Einführung Erstellung einer Teillieferung Erstellung einer Teilrechnung 6

Auf der Bilanzpressekonferenz am 4. Juni hat Leben-Vorstand Guido. Schaefers Stellung bezogen zum geplanten Gesetzespaket der

Ein Immobilienverkauf gehört in sichere Hände

Mehr Transparenz für optimalen Durchblick. Mit dem TÜV Rheinland Prüfzeichen.

-> Wir können bei Ihnen alle Behandlungen mit aufwendigen Maßnahmen, Spezialgeräten und hochwertigen Materialien, entsprechend den Kriterien

Anleitung RÄUME BUCHEN MIT OUTLOOK FÜR VERWALTUNGSANGESTELLTE

Die Online-Meetings bei den Anonymen Alkoholikern. zum Thema. Online - Meetings. Eine neue Form der Selbsthilfe?

Schärfere Haftung in Sachen Umwelt.

Beständig und vertrauenswürdig: Warum eine einheitliche Corporate Identity so wichtig ist

Fernausbildung Fachberater/in für holistische Gesundheit. Modul 6

Inhalt. 1 Einleitung AUTOMATISCHE DATENSICHERUNG AUF EINEN CLOUDSPEICHER

Die neue Aufgabe von der Monitoring-Stelle. Das ist die Monitoring-Stelle:

CSS-Grundlagen. Etwas über Browser. Kapitel. Die Vorbereitung

Gutes Leben was ist das?

Goldene VR-BankCard PLUS Das Mehrwertprogramm

Fairtrade-Code. Richtlinien zur Teilnahme am Fairtrade-Code und zur Kennzeichnung auf Produkten

Unternehmens-Check (U.C.)

Gründe für fehlende Vorsorgemaßnahmen gegen Krankheit

Das NEUE Leistungspaket der Sozialversicherung. Mehr Zahngesundheit für Kinder und Jugendliche bis zum 18. Lebensjahr. Fragen und Antworten

Schon seit 25 Jahren die Adresse für neue und gebrauchte Mobilheime und Chalets.

1 MIO ÖSTERREICHISCHE SKIFAHRER SCHÜTZEN SICH BEREITS MIT HELM - UM MEHR ALS IM VORJAHR

Zwischenablage (Bilder, Texte,...)

Behandlung von Diabetes

Lernwerkstatt 9 privat- Freischaltung

Schnellstart - Checkliste

Die große Wertestudie 2011

Dieser Ablauf soll eine Hilfe für die tägliche Arbeit mit der SMS Bestätigung im Millennium darstellen.

Kulturelle Evolution 12

Wasserkraft früher und heute!

Transkript:

Fair Trade für Edelmetalle und Edelsteine eine Bilanz August 2008 Jan Spille Wer hat nicht schon einmal darüber nachgedacht, was für die Gesellschaft erreicht wird, wenn er oder sie so etwas Lebensnotwendiges wie echten Schmuck herstellt? Auf der einen Seite Luxusgegenstände aus extrem teurem Material und auf der anderen Seite Schmuck, der darüber hinaus durch einen künstlerischen Anspruch aufgewertet wird. In beiden Fällen Gegenstände, die einer reichen Elite vorbehalten bleiben und die sich die Schmuckschaffenden in den seltensten Fällen selber leisten könnten. Neben dieser Luxusdebatte taucht dann auch irgendwann die Frage nach der Herkunft der Schmuckmaterialien auf. Gesellschaftliche Diskussionen um Blutdiamanten oder umweltschädigendes Gold lassen generelle Fragen nach der sozialen und ökologischen Verträglichkeit der eigenen Schmuckherstellung aufkommen Fragen, die heute im direkten Vergleich zu Fair Trade, also einem sozial und ökologisch fairen Handel von Rohstoffen, zunehmend häufiger gestellt werden und an Gewicht gewinnen. Hierbei muss die Entwicklung von Fair Trade vor dem allgemeinen Hintergrund einer sich verändernden Gesellschaft betrachtet werden. Durch aktuelle umweltpolitische Diskurse werden die Menschen verstärkt mit Themen der Nachhaltigkeit und des ressourcenschonenden Wirtschaftens konfrontiert. Zudem trägt eine allgegenwärtige Medienpräsenz dazu bei, dass Umweltkatastrophen und soziale Ungerechtigkeiten zeitnah und weltweit in die Wohnzimmer der Menschen transportiert werden und dort wiederum wesentlich zur Meinungsbildung beitragen. Auf diese Weise wächst das allgemeine Interesse für umweltrelevante also die soziale und ökologische Umwelt betreffende Themen. Es werden vermehrt Fragen nach der Herkunft und den (Herstellungs-)Bedingungen von gewünschten Waren und Dienstleistungen gestellt. Dabei denken viele Konsumenten nicht mehr nur ökonomisch, sondern wollen mit ihren Produkten auch ethische Güter wie Fairness, Nachhaltigkeit und soziale Gerechtigkeit unterstützen. Infolgedessen findet eine schleichende Moralisierung der Märkte statt, in denen der Kunde von sozial und ökologisch gerechten Produkten längst nicht mehr nur der langhaarige, sandalentragende Öko einer linken Umweltbewegung ist. Vielmehr werden umweltgerechte Produkte nun auch zunehmend Bestandteil einer heutigen Lifestyle-Kultur, die Werte wie Genuss, Stil und Gesundheit in ihren Mittelpunkt stellt. Die Lebensmittelbranche ist in vielerlei Hinsicht ein Vorreiter dieser Entwicklung und verzeichnet seit einigen Jahren einen regelrechten Ökoboom. Umweltgerechte Nahrungsmittel 1

wie z. B. Kaffee, Schokolade und Bananen ausgerüstet mit Fair Trade- und Öko-Siegeln sind mittlerweile zu einem gewohnten Bild in den Warenregalen der Supermärkte und Discounter geworden. Inzwischen haben aber auch eine ganze Reihe weiterer Wirtschaftszweige ihre Chancen in einer sozial und ökologisch gerechten Produktion erkannt, wodurch sich der Markt für Nachhaltiges Design (Ecodesign) merklich ausdifferenziert hat. Demzufolge gibt es heute u. a. umweltgerechte Kosmetika, Drogerie- und Hygieneartikel, Kleidung, Möbel, diverse technische Geräte (z. B. Computer), Automobile, Baustoffe, Stromund Energieprodukte und die Liste nachhaltiger Produkte wird stetig länger. Wobei es sich allerdings lohnt, in jedem Fall noch einmal genau nachzufragen, ob die Auszeichnung nachhaltig und umweltgerecht auch tatsächlich gerechtfertigt ist. Und was ist mit Schmuck? Kann es auch ein Ecodesign für Schmuck geben, oder wird sich die Schmuckbranche vor anstehenden Innovationen diesbezüglich behaupten können? Seitdem die ersten Initiativen 2001/02 fair gehandelte Materialien für die Herstellung von Schmuck regulär in den Handel gebracht haben, ist es auch Schmuckherstellern möglich, ethisches Schmuckdesign anzubieten eine ganz neue Perspektive, die sich zunächst langsam, allmählich aber mit wachsender Geschwindigkeit entwickelt. Dieser Entwicklung folgend, werden immer mehr potenzielle Schmuckkunden auf das Thema aufmerksam, und der Kreis der Hersteller, welche ihre Produktion auf Fair Trade-Materialien umstellen, wird beständig größer. So dass in einem ähnlichen Verhältnis, wie die Nachfrage von Kunden und Herstellern steigt, auch wiederum die Zahl der Händler und ihr Angebot für Fair Trade- Materialien zunimmt. Die Messezeitung der Inhorgenta Europe 2008 bestätigte diesen Prozess, indem sie einen Beitrag mit dem Titel Fairer Handel ist Top-Messethema veröffentlichte. Ein Topthema, für das der Artikel allerdings auffällig klein ausfiel und der durch das Geschehen auf der Messe auch nur relativ bestätigt wurde. Aber vielleicht liegt gerade hierin eine sehr repräsentative Momentaufnahme eines sich im Aufbau befindenden Markts, mit dem die Schmuckbranche in Zukunft rechnen muss?! Dreckiges Gold und blutige Diamanten woher kommen die Rohstoffe? Die Entwicklung von Fair Trade (FT) im Schmuckbereich steht in untrennbarer Beziehung zu den sozialen und ökologischen Problemen, die durch die weltweite Gewinnung, Weiterverarbeitung und den Handel von Rohstoffen entstehen. Hierbei hat jeder Rohstoff eine 2

ganz eigene, nach Abbau- und Produktionsbedingungen stark variierende Herstellungsgeschichte. Im Schmuckbereich werden klassischerweise und vorwiegend Edelmetalle und Edelsteine verarbeitet. Diese werden entweder im Kleinbergbau und/oder im Großbergbau in primären sowie in sekundären Lagerstätten abgebaut. Ethische Konflikte entstehen hier zum einen auf der ökologischen Ebene, auf der die Ökosysteme der Erde zu Schaden kommen, und zum anderen auf der sozialen Ebene, auf der Menschen in ihren Menschenrechten verletzt werden. Beide Ebenen sind nur schwer voneinander zu trennen und bei einem Material treten zumeist Phänomene aus beiden Kategorien in vielfacher Beziehung zueinander auf. Hierbei hat vor allem der Goldbergbau in den vergangenen Jahren wiederholt negative Schlagzeilen geschrieben. Während im Kleinbergbau Goldsucher durch den Einsatz von Quecksilber Ökosystemen sowie sich und ihren Familien großen Schaden zufügen, steht der industrielle Großbergbau vorwiegend wegen seiner skrupellosen Vorgehensweisen gegen ortsansässige Bevölkerungen (Zwangsumsiedlungen und Menschenrechtsverletzungen durch Söldnerarmeen) und wegen des Verfahrens der Zyanidlaugerei in der Kritik. Bei der Goldgewinnung durch Zyanid ist es heute bereits rentabel, aus einer Tonne Gestein bis zu einem Gramm Gold und weniger zu extrahieren. Dafür werden große Mengen Stein unter hohem Energieaufwand zermahlen, die mit Zyanid versetzt als giftige Schlämme in Rückhaltebecken neben öden Mondlandschaften zurückbleiben. Dass es, neben einer permanenten Grundwasserverschmutzung angrenzender Lebensräume, auch zu regelmäßigen Unfällen kommt, hat u. a. der Dammbruch in Baia Mare/Rumänien am 30.01.2000 spektakulär verdeutlicht, bei dem weite Teile der Flüsse Theiß und Donau verseucht wurden. Laut der Menschenrechtsorganisation Fian produziert der industrielle Goldbergbau mehr giftige Rückstände als alle anderen Bergbausektoren zusammen. Zudem haben in den vergangenen Jahren die ökologischen und sozialen Folgen, die aus dem sehr hohen Energieverbrauch der Goldproduktion resultieren, vermehrt für Aufmerksamkeit gesorgt (z.b. die Klimadebatte oder der Staudammbau in Ghana). Hierbei verbleiben die erzielten Gewinne in den multinationalen Bergbauunternehmen und kommen der einheimischen Wirtschaft nur geringfügig zu Gute, im Gegensatz zu den negativen Auswirkungen der Umweltschäden, welche insbesondere von den Einheimischen getragen werden. Während sich die Praktiken des Goldbergbaus häufig gleichermaßen gegen Menschen wie gegen Ökosysteme richten, überwiegen in der Edelsteingewinnung die sozialen Probleme. Im Vergleich zu den Arbeitsbedingungen in der westlichen Welt ist die Situation für Minenarbeiter in den sogenannten Entwicklungsländern oft eine ganz andere. Es werden 3

geringe Löhne gezahlt, Arbeitsschutz und Sozialversicherungen gibt es nicht, die Arbeitssituationen sind mitunter katastrophal (z. B. sklavenähnliche Bedingungen in Sierra Leone), und Kinderarbeit ist weit verbreitet, wie in den Diamantschleifereien Indiens. Neben dieser alltäglichen Situation sind es aber vor allem medientaugliche Geschichten, die es in das Bewusstsein der Öffentlichkeit schaffen. So wie derzeit Burma-Rubine oder besser Edelsteine aus Myanmar aufgrund des dort herrschenden Konflikts für Aufmerksamkeit sorgen, waren vor wenigen Jahren noch Konfliktdiamanten das Thema der Medien. Diese als Blutdiamanten bezeichneten Steine wurden als wesentliche Ursache für kriegerische Konflikte in den afrikanischen Staaten Angola, Kongo und Sierra Leone weltweit bekannt. Nachdem Nicht-Regierungs-Organisationen wie Medico oder Amnesty International in Kampagnen auf die damalige Situation hingewiesen hatten, wurde unter dem Druck der Öffentlichkeit 2003 ein erstes offizielles Zertifizierungssystem eingerichtet mit dem Ziel, den Handel von Blutdiamanten zu unterbinden. Dieser sogenannte Kimberley-Prozess, der durch einige Diamantenfördernde Länder und der Diamantindustrie erarbeitet wurde und dem bis heute 48 Länder beigetreten sind, wird allerdings von verschiedenen Seiten als unzureichend und schlecht kontrollierbar kritisiert. Welche herausragende Rolle der Öffentlichkeit im Diskurs um Umweltproblematiken bei Schmuck zuerkannt wird, hat die Reaktion der Diamantindustrie auf den Hollywoodfilm Blood Diamant im Winter 2006/2007 gezeigt. Der Film, der in den USA pünktlich zum Weihnachtsgeschäft in die Kinos kam, thematisiert den Bürgerkrieg in Sierra Leone (1991-2002), in dem u. a. Kindersoldaten neben Konfliktdiamanten die Greuel des Krieges verdeutlichten. In einer nervösen mehrmonatigen Aufklärungskampagne einschlägiger Fachliteratur wurden daraufhin Juweliere und Schmuckhersteller über den Kimberley-Prozess informiert. Auf diese Weise sollte einem drohenden Imageverlust zumindest schon einmal mit einfachen Antworten auf kritische Kundenfragen begegnet werden können. Angesichts solcher Filme oder durch zunehmende Berichte in Printmedien, wie u. a. dem Titelthema des Spiegel Schmutziges Gold 03/2008, entsteht schrittweise ein gesellschaftliches Bewusstsein für die Herkunft von Edelmetallen und Edelsteinen. Ein Bewusstsein, das wiederum zu einer Vorraussetzung wird für die Entwicklung eines kritischen Konsumverhaltens und in der Folge für Fair Trade. FAIR TRADE was heißt fairer Handel? 4

Unter fairem Handel wird ein sozial gerechter, internationaler Handel verstanden, der durch bessere Handelsbedingungen und die Sicherung sozialer Rechte für benachteiligte Produzenten und Arbeiter einen Beitrag zur nachhaltigen Entwicklung leistet. Neben allgemeinen Kriterien, die für alle Produkte gelten wie die Einhaltung der Menschenrechte, Gewerkschaftsfreiheit, keine Kinderarbeit und Sklaverei in der Produktion, werden für die einzelnen Produkte jeweils spezifische Kriterien festgelegt. Hierbei stellen die FT- Richtlinien den Menschen in den Mittelpunkt, während ökologische Kriterien nicht verbindlich vorgeschrieben werden. Im Gegensatz hierzu werden bei Bio-Produkten ausschließlich ökologische Prinzipien formuliert, wohingegen Fragen nach den sozialen Produktionsbedingungen ausbleiben. Diese Einteilung wird bei FT im Schmuckbereich bisher so nicht angewandt. Der heutigen Erkenntnis folgend, dass ökologische und soziale Bedingungen sich auch immer wechselseitig beeinflussen, berücksichtigt FT für Schmuck ebenso die sozialen sowie die ökologischen Umstände in der Produktion von Rohstoffen. Wobei diese je nach Herkunftsland und Abbaubedingungen eine unterschiedlich Gewichtung haben können. Seitdem mehrere Initiativen von Bergbauingenieuren, Geologen, Geographen, Edelsteinkundlern und Goldschmieden 2001/2002 parallel zueinander FT-Material regulär in den Handel gebracht haben, wächst der Kreis der Händler stetig. In direkter Zusammenarbeit mit den Minen ist es ihnen möglich, eine Auswahl an Edelsteinen und/oder Edelmetallen aus einer alternativen Produktion anzubieten. Derzeit gibt es als FT-Metalle Gold, Platin und Silber aus Minen in Peru, Argentinien, Bolivien und Kolumbien. Als FT-Edelsteine gibt es Diamanten, Rubine, Saphire, Smaragde und Rhodolithe von Bergbaukooperativen und Dorfgemeinschaften aus Lesotho, Sierra Leone, Madagaskar und Tansania. Aus Brasilien kommen u. a. Aquamarine, Turmaline, Heliodor, Goldberyll sowie verschiedene Quarze (Amethyst, Citrin, Rosenquarz, Bergkristall) in diversen Schliff- und/oder Kristallformen. Seit 2008 gibt es Perlen im fairen Handel und seit 2007 auch aus dem Rhein gewonnenes Gold Made in Germany. Obwohl gerade bei den beiden Letztgenannten von einem vornehmlich ökologischen Anspruch ausgegangen werden kann, aufgrund der generell guten Beschäftigungsverhältnisse in Deutschland sowie der sehr guten Arbeitsbedingungen von Perlenspezialisten. Darüber hinaus gibt es eine Vielzahl weiterer Minen und Projekte, die in der Entwicklung sind und auf ein zukünftiges Angebot hoffen lassen, wie beispielsweise eine Opalmine in Honduras. 5

Die Händler bestätigen ihren Kunden bei jedem Kauf die Einhaltung der von ihnen individuell entwickelten FT-Prinzipien, indem sie ein Zertifikat ausstellen, welches über die angestrebten Richtlinien und das jeweilige Abbaugebiet informiert. Neben den für alle verbindlichen allgemeinen FT-Kriterien wird ebenfalls versichert, dass mit dem Material keine kriegerischen Handlungen und Konflikte finanziert werden, an den Produktionsorten gute Lebens- und Arbeitsbedingungen bestehen sowie ortsübliche Löhne und im Idealfall eine Gewinnbeteiligung ausgezahlt werden. In Bezug auf die ökologische Umwelt wird eine minimale Belastung von Boden, Wasser und Luft zertifiziert und der Verzicht auf Bergbautechniken, die erheblichen Schaden an der Umwelt anrichten (wie z. B. der Einsatz von Zyanid und Quecksilber). Außerdem garantieren die Händler den Produzenten Mindestpreise und Abnahmegarantien der gewonnen Rohstoffe. Auch langfristige Verträge werden sofern nicht schon bestehend angestrebt, sind aber durch die erst allmählich aufkommende Nachfrage noch nicht in jedem Fall gesichert. In einem nächsten Schritt ist die Einführung von einheitlichen FT-Kriterien sowie die eines Gütesiegels unentbehrlich, das es trotz anhaltender Bemühungen vieler FT-Initiativen bisher noch für kein Material im Schmuckbereich gibt. Die Gütesiegel, wie z. B. Transfair in Deutschland oder Max Havelar in der Schweiz, werden durch unabhängige FT- Organisationen (z. B. FLO, IFAT und EFTA) vergeben. Diese Organisationen betreuen verschiedene Produkte und führen regelmäßige und unangekündigte Kontrollen an den Produktionsorten durch. In Zusammenarbeit entwickeln die FLO (Fair Trade Labelling Organization), der ASM (Artisanal and Small-scale Mining) und der ARM (Association for Responsible Mining) derzeit Richtlinien für einen umweltgerechten Kleinbergbau, auf deren Grundlage in Zukunft ein FT-Label für Gold ausgestellt werden soll. Bis einheitliche FT-Richtlinien ein verbindliches Kontrollsystem ermöglichen und das Siegel eingeführt wird, bemühen die Händler unterschiedliche Strategien, um für die Glaubwürdigkeit ihrer Produkte zu werben. In Zusammenarbeit mit Wissenschaftlern von deutschen Universitäten, Menschenrechts- und Umweltorganisationen sowie den Umweltbehörden vor Ort wurden alternative Vertrauenssysteme aufgebaut, nach denen die Zertifikate ausgestellt werden. Zudem ist die Transparenz für die Kunden unerlässlich, so dass neben vielseitigen Informationen und Aufklärungsmethoden nicht selten auch organisierte Gruppenreisen in die Abbauländer Einblick in entsprechende Minen und Schleifereien ermöglichen. Den Betrieb UMSTELLEN was bedeutet es, FT-Material zu verarbeiten? 6

Ebenso wie die Händler sind auch die Schmuckhersteller, die FT-Material verarbeiten, Pioniere in einem noch wenig erschlossenen Markt. In den vergangenen Jahren haben sich vorwiegend kleine Schmucklabels und Goldschmiedebetriebe der FT-Thematik geöffnet. Diese stammen in Europa zumeist aus den deutschsprachigen Ländern, aus den Niederlanden und Großbritannien. Auch in Pforzheim gibt es bereits eine industrielle Produktion in der dritten Generation, die heute schon nach FT-Grundsätzen produziert. Und aus der Schweiz gibt es seit 2007 die Initiative TransparenceDesign, welche Schmuckdesigner mit FT- Ansätzen vertritt und auf deren Initiative 2008 der erste Wettbewerb mit FT-Material ausgeschrieben wurde. Im Vergleich zu Europa ist der FT-Diskurs in den USA deutlich weiter fortgeschritten. So haben sich verschiedene Umwelt- und Menschenrechtsorganisationen, Schmuck-Verbände und bekannte Unternehmen, wie beispielsweise Tiffany & Co und De Beers seit 2006 im Madison Dialogue (einer Art round table) zusammengefunden, um zu Nachhaltigkeit und der verantwortungsvollen Gewinnung von Edelmetallen und Edelsteinen zu arbeiten. Inwiefern hierbei die Vorstellungen eines angestrebten FT-Standart allerdings auch stark variieren können, zeigt das Joint Venture des größten amerikanischen Einzelhandelskonzerns Walmart mit dem weltweit zweitgrößten Goldproduzenten Newmont Mining Corporation, die ein eigenes Ökolabel für Schmuck etablieren wollen. Während Walmart seit Jahren wegen der prekären Arbeitbedingungen seiner Mitarbeiter immer wieder von amerikanischen Gerichten zu hohen Geldstrafen verurteilt wird, steht das Bergbauunternehmen Newmont wegen seiner herkömmlichen Bergbaumethoden (Zyanideinsatz) und seiner aktuellen und wenig umweltgerechten Unternehmungen in Ghana in der Kritik. Aber was bedeutet es, den Betrieb auf faires Material umzustellen? Welche Schwierigkeiten, aber auch welche Chancen ergeben sich aus einem Wechsel? Die Umstellung auf FT hat Folgen in annähernd allen Bereichen der Schmuckproduktion, vom Materialeinkauf, in der Herstellung bis zur Kommunikation des Schmucks. Dabei wird schon während des Materialeinkaufs deutlich, dass ein relativer Mehraufwand bereits darin besteht, sich Kontakte und Informationen zu FT-Material und -Anbietern zu erarbeiten. Die Auswahl des Materials beschränkt sich auf die Rohstoffe und die Verarbeitungsformen, die der Markt seither entwickelt und aktuell vorrätig hat. Diese Vorgaben führen entweder zu einer Eingrenzung in den Gestaltungsmöglichkeiten oder zu Kombinationen mit konventionellen Materialien. Eine ausschließliche Verarbeitung von FT-Material ist ohnehin aufgrund einiger Legierungsbestandteile, die es noch nicht aus fairem Handel gibt, wie z.b. 7

Kupfer oder Palladium, nur sehr beschränkt möglich. Zudem gibt es bisher keine Furnituren in FT, was bei einer zusätzlichen Herstellung eine realistische Kostenkalkulation erschweren kann. In der Finanzierung von FT muss je nach Material mit einem Aufpreis gerechnet werden, der sich aus den kostenintensiveren aber umweltgerechten Gewinnungsmethoden und den realistischeren Löhnen der Arbeiter ergibt (z. B. Gold/Silber ca. 25%). Dagegen ist der Kostenaufwand bei vielen Edelsteinen wieder vergleichbar mit herkömmlichen Preisvorstellungen, da durch die Direktabnahme aus den Minen wiederum Zwischenhändler und ihre Profite umgangen werden können. Außerdem findet durch die direkten Transaktionen eine Qualitätssicherung statt, die den unbeabsichtigten Kauf von unechten oder behandelten Steinen ausschließt. Welche Schmuckmaterialien neben den klassischen die Gestaltung einer FT-Schmuckszene in Zukunft ergänzen werden, wie z. B. zertifizierte Harthölzer, biologische Kunststoffe oder neue ökologische Materialentwicklungen, bleibt abzuwarten. In der technischen Verarbeitung von FT-Metallen und Steinen entstehen generell keine Probleme, die nicht auch bei konventionellem Material auftreten könnten. Dass sich FT- Material entsprechend seiner physikalischen Eigenschaften genauso wie das konventionelle Gegenstück verhält, ist ein Umstand, den die eine oder andere ungläubige Schmuck-Gießerei erst lernen musste. Einige Gießereien oder auch Scheideanstalten reagieren auf die anhaltenden Nachfragen, das FT-Material ihrer Kunden zu verarbeiten und bieten verschiedene Lösungen an. Die hierbei oft entscheidende Frage ist, inwiefern das reale FT- Material also das direkte faire Material verarbeitet wird oder ob durch das Einspeisen in bestehende Materialkreisläufe nicht der Idee und Wirkung der Nachhaltigkeit schon Genüge getan ist. Dass es hierbei nicht nur um eine rein pragmatische Lösung geht, zeigen die Reaktionen vieler Endverbraucher, die nicht selten das reale Material in ihrem Schmuckstück verarbeitet wissen wollen. Die Kommunikation von FT-Schmuck ist ein nicht zu vernachlässigender Bestandteil in jeder nachhaltigen Produktion. Während sich das Material natürlich auch stillschweigend verarbeiten lässt, verändert sich die Kommunikation entscheidend, sobald ein offensiver Umgang gewählt wird. Die sozialen, ökologischen und politischen Hintergründe von FT- Material im Gegensatz zu konventionellem sind unzertrennlich mit dem aus ihm gefertigten Schmuck verbunden. Viele Menschen, die sich genau für diesen Schmuck interessieren, sind häufig auch die, welche über die Hintergründe aufgeklärt werden wollen und das bedeutet unheimlich viel Kommunikation. Ob in unmittelbaren Gesprächen mit Kunden, Kritikern und 8

Presse oder auch in Marketingmethoden in Text und Bild im Sinne einer Markenentwicklung/ Corporate Identity ist die inhaltliche Vermittlung zentral. In dieser Kommunikation entscheiden Transparenz und Glaubwürdigkeit über den zukünftigen Erfolg einer FT- Bewegung im Schmuckbereich. Ein Fazit Ein nicht seltener Vorbehalt gegen Fair Trade im Sinne von ist doch gar nicht notwendig wird mit dem Hinweis auf das jahrtausendealte Recycling-System der Goldverarbeitung vorgetragen. Demzufolge wird einmal gewonnenes Gold immer wieder durch Wiedereinschmelzen und Scheidung dem Materialkreislauf der Goldverarbeitung zugeführt und das ist auch gut so! Das ändert jedoch nichts an der Tatsache, dass im direkten Vergleich mehr als die doppelte Menge des jährlich zu Schmuck verarbeiteten Goldes aus dem aktuellen Goldbergbau stammt. Wobei der weltweite Goldbedarf zu ca. drei Vierteln von der Schmuckproduktion beansprucht wird. Zutreffend ist dagegen, dass die internationale Schmuckindustrie den weitaus größeren Beitrag an den sozialen und ökologischen Auswirkungen der herkömmlichen Schmuckproduktion trägt und weniger die kleinen Handwerker, Designer und Schmuckautoren. Investiert die Schmuckindustrie nicht in nachhaltige Minen, kann bisher auch nicht genügend FT-Material gefördert werden, um den Bedarf der Industrie decken zu können. Gerade auch aus diesem Grund besteht im FT für die kleinen und mittleren Produzenten eine Möglichkeit, sich von dem immer enger werdenden Schmuckmarkt abzuheben. Außerdem tragen sie durch ihr Handeln zu gesellschaftlichen Bewusstwerdungsprozessen bei, die dann wiederum FT-Schmuck allmählich für eine breitere Öffentlichkeit salonfähig werden lässt. Und neben dieser ständigen, der Marktwirtschaft geschuldeten, ökonomisch geführten Argumentation gibt es schließlich viele weitere gute Gründe, über nachhaltiges Design auch im Schmuckbereich nachzudenken. Gedanken, die, wenn sie konsequent verfolgt werden, zu weiteren Arbeitsfeldern führen, z. B. wie nachhaltig betreibe ich meine Werkstatt/mein Atelier? Wie ressourcenschonend sind meine Arbeitsmethoden, und wie sieht meine Ökobilanz in Bezug auf Marketing und Reisegewohnheiten aus? Inwiefern ist ein freiheitliches Arbeiten möglich, das nicht nur meine Freiheit, sondern auch die anderer Menschen und den Erhalt der Ökosysteme ermöglicht? 9