Selbstvertretung lernen in der inklusiven Schule Erfahrungen aus der Sophie-Scholl-Schule Gießen

Ähnliche Dokumente
Inklusion fordert Schulentwicklung Die Sophie-Scholl-Schule der Lebenshilfe Gießen auf dem Weg zu einer inklusiven Schule.

Sophie-Scholl-Schule Gießen

Nationaler Strategie-Plan 2018 bis 2020

Deutsche Schule Madrid

Gemeinsam Lernen - Eine Schule für alle!

Das Leit-Bild von der Lebenshilfe Solingen

PRIVATSCHULEN. Entdecken Forschen Lernen. Entdecker-Grundschule i.g. in der Otto-Dix-Stadt Gera.

Leitbild der Heilpädagogischen Hilfe Osnabrück. Leitbild

Schüler Eltern Lehrer Erziehungsvereinbarung Verhaltenscodex des Max-Planck-Gymnasiums Groß-Umstadt

Die Rechte von Menschen mit Behinderungen in Deutschland Stellungnahme der Fraktion DIE LINKE. im Bundestag zum Bundesteilhabegesetz

Elternbefragung. Elternbefragung. Eltern- und Schülerbefragung an der GGS Tonstraße 2016/2017

Fremdevaluation Ergebnisse der Onlinebefragung

Stellungnahme vom Netzwerk Selbstvertretung Österreich zum 1. Staatenbericht

Deutsche Schule Madrid

Bausteine zu Selbstbeurteilungen von Schülerinnen und Schülern an der Bernischen Volksschule ---

Unterstützung von Angehörigen von Menschen mit Behinderungen

Die UN-Konvention über die Rechte von Menschen mit Behinderungen und die Herausforderungen an Unterstützung für Menschen mit Behinderungen

Eine Schule für alle Kinder Wie können alle Kinder und Jugendlichen gut gemeinsam lernen? In diesem Heft steht, was das Land Brandenburg dafür macht.

1. Schuleingangsphase

Schule kann gelingen, wenn....schülerinnen, LehrerInnen und Eltern zufrieden sind. Jenaplanpädagogik - Präsentation Gabriele Weber

Mein Lerngespräch im 3. Schulbesuchsjahr

Schwerpunkt. Prozess schulischer Leitbildentwicklung mit breiter Beteiligung der Schulgemeinschaft

Jobcoach. gesucht für einen. So ein Jobcoach kostet Geld. Wir brauchen daher Ihre Unterstützung.

Soziales Lernen Werte erfahren, entdecken, einprägen

. Kinder brauchen Aufgaben, an denen sie wachsen können, Vorbilder, an denen sie sich orientieren können, Gemeinschaften, in denen sie sich

Initiative Inklusion Österreich

Leitbild der Gesamtschule Kohlscheid

Gehalt statt Taschengeld Forum Kloster in Gleisdorf 9. Juni 2011

Grundschule Haibach Ringwallstraße 5, Haibach Tel / Fax Mein Lerngespräch

In Leichter Sprache. Inklusion heißt: Alle Menschen gehören dazu und können mitmachen. Menschen mit Behinderung und Menschen ohne Behinderung.

Fragebogen für Schülerinnen und Schüler der Sekundarstufe I / II

So arbeitest du erfolgreich und erzielst gute Leistungen in der 1. Klasse der Grundschule Bonifatius!

Dein Lernentwicklungsgespräch. 2. Jahrgangsstufe

Wir sind nicht nur Opfer. Was können wir gegen Gewalt tun? Martina Puschke Weibernetz e.v.

Zusatzaktivitäten und Nachmittagsbetreuung im Kindergarten

Recht hast du! Komm mit auf Entdeckertour durch die Kinderrechte.

Fragebogen für Schülerinnen und Schüler bis Klasse 6 inklusive Ganztag

Leitbild von der Assistenzgenossenschaft Bremen

Soziales Zentrum Sankt Josef

Das Recht auf Bildung. Für jeden Menschen.

Längst sind die Ergebnisse und Erkenntnisse, die aus diesem Modellversuch erwachsen sind, eingegangen in die Bildungspläne des Jahres 2004.

Schule von morgen Programm der LSV in Rheinland-Pfalz

Zusammenleben in der Schulgemeinschaft Verhalten im schulischen Bereich. Zu unserer Schulgemeinschaft gehören viele verschiedene Menschen:

Zentrum für schulpraktische Lehrerausbildung Detmold - Seminar für das Lehramt an Grundschulen Dokumentationsbogen zum EPG

An die Hausaufgaben denken

Am Anfang bereits aufs Ganze

Konzept der schulpädagogischen Ausrichtung. der Grundschule Gries

Das neue Grundsatz-Programm

Wir wollten wissen: Wie leben Menschen mit Behinderungen im Landkreis Ebersberg? Was kann und muss man verbessern?

1. Begründung. 2. Kennzeichen. 4. Konzept 5. Stundenplan / Tagesablauf. 6. Ausblick / Termine

Primarschule Esslingen Schulprogramm 2008/ /2012

(Modulbild: 2011 Getty Images / Cathy Yeulet Bild-Nr )

HanisauLand-Arbeitsheft für Schülerinnen und Schüler. Nele Kister Schule in Deutschland jetzt versteh ich das! Mit Illustrationen von Stefan Eling

Trainingseinheit 1: Eine angenehme Lernatmosphäre schaffen

Die internationale inklusive Pilotschule 1-13 Berg Fidel in Münster

Mein Buch der sozialen Geschichten

"Den Kindern das Wort geben

Kompetenzen und Standards für die Ausbildung im Vorbereitungsdienst und die Staatsprüfung

JEDES KIND IST GETRAGEN

Geschäftsordnung des Monitoringausschusses. nach der UN-Konvention über die Rechte. von Menschen mit Behinderungen

Wenn du über deine Schule und die Lehrerinnen und Lehrer nachdenkst: Wie sehr stimmst du den folgenden Aussagen zu?

Potsdamer Forderungen in Leichter Sprache

Fragebogen für Schülerinnen und Schüler der 3. Jahrgangsstufe

Wege zur Inklusion. Dialogpapier der Lebenshilfe Österreich in leichter Sprache

Unterrichtsmaterialien in digitaler und in gedruckter Form. Auszug aus: ANNA und LILI entdecken besondere Zahlen!

Fragebogen für Schülerinnen und Schüler bis Klasse 6 alle Module

Fragebogen - Ausbildung

Selbstbestimmt leben

ERFOLGS-IMPULSE FÜR ACHTSAMKEIT IM BERUFSALLTAG

LEITBILD PRIMARSCHULE JENS

Unterrichtsplanung und -vorbereitung... 4 Verlauf der Unterrichtseinheit... 4 Materialien... 7

Fragebogen für Schülerinnen und Schüler bis Klasse 6 inklusive Inklusion

80 Schülerfragen an die Schule

Auf dem Weg zur Inklusion in der Schule. Hannover Prof. Dr. Jutta Schöler i.r. bis 2006 TU-Berlin, Erziehungswissenschaft

Laborschule Bielefeld. Definition

Integrierte Gesamtschule des Bistums Hildesheim

Brunnen-Realschule Stuttgart

Kurzinfo für das Forum Bildung

Die Quadratur des Kreises Die Arbeit mit Kindern zwischen äußeren Anforderung und eigenem Wohlbefinden gestalten

DIE WELFEN- SPIELREGELN

So arbeitest du erfolgreich und erzielst gute Leistungen in der 3. Klasse der Grundschule Bonifatius!

Leitsatz: Ein Kind ist kein Gefäß das gefüllt, sondern ein Feuer, das entzündet werden will (Francois Rabelais Humanist, Arzt, Mönch)

Feedback für Lehrer. Liebe Schülerinnen und Schüler,

alle zu einem Leib getauft, geschrieben im 1. Brief des Paulus an die Korinther in Kapitel 12 Vers 13 im Neuen Testament

Unterrichtsverlauf zu: UE Referat zum Thema Jugendbuch vorstellen, 6 8 Std., Klasse 5-7, Deutsch, Realschule. Angestrebte Kompetenzen/Ziele

Version für Kinder im Alter von 6-10 Jahren (FBA Kinder 6-10) Leitfadeninterview

Unser Bild vom Menschen

Begabtenförderung an der IGS Wallrabenstein


LEITBILD FÜR DEN SCHULSPRENGEL MALS

Unterrichtsreihe: Recht und Ordnung

Hausaufgaben STichworte zum Thema

Selbsteinschätzungsbögen

POSITIONSPAPIER zum Handlungsfeld Schulbegleitung in Thüringen.

Lernzeiten an der Willemerschule

Auswertungen. Indikatoren für guten Unterricht bzw. wirkungsvolle Klassenführung

»100 Prozent sozial«für eine inklusive Gesellschaft ohne Hindernisse!

Herzlich Willkommen zum Infoabend PEW

Transkript:

Selbstvertretung lernen in der inklusiven Schule Erfahrungen aus der Sophie-Scholl-Schule Gießen Alle Rechte gelten für alle Menschen Die Gesellschaft: Zusammenwirken aller Menschen Beteiligung aller Menschen Demokratisches Miteinander Regeln Wo es noch nicht gut läuft: besondere Verabredungen/Gesetze, z.b. UN-Konvention für die Rechte der Menschen mit Behinderung 1

Selbstvertretung als Voraussetzung für Beteiligung Es ist gut, wenn man selbst seine Wünsche und Ziele sagt, weil man sie selbst am besten kennt. Andere Menschen können helfen und unterstützen, aber das ersetzt nicht die eigene Beteiligung. Selbstvertretung kann man lernen Alle Kinder egal ob mit oder ohne Behinderung müssen lernen, wie man seine eigene Meinung in der Gemeinschaft vertritt. Die Schule ist ein gutes Übungsfeld für alle Kinder. Manchmal macht es eine Behinderung schwer, zu sprechen oder sich verständlich auszudrücken. Dann braucht man hierfür besondere Unterstützung. ABER: das Ziel ist immer die Selbstvertretung! 2

Für Selbstvertretung braucht man Zutrauen zu sich selbst Wissen um die eigenen Wünsche Formulieren einer eigenen Meinung Übung im öffentlichen Sprechen, auch mit Hilfsmitteln Zuhören, was andere denken und sagen Übung in der Neuformulierung der eigenen Meinung Die inklusive Schule als Lernfeld für eine inklusive Gesellschaft Alle Kinder und Jugendlichen müssen Selbstvertretung erst lernen und üben. Sie sollen immer selbständiger werden, egal ob sie eine Behinderung haben oder nicht. Das geht am besten in einer Schule für alle Kinder, weil hier alle verschieden sind und alle gut voneinander lernen können. Die Schule braucht ein Programm, damit klar ist, was die Kinder lernen sollen. Selbstvertretung gehört dazu! 3

z.b.: Leitsatz in der Sophie-Scholl-Schule Gießen Alle sind immer anders verschieden. In der Sophie-Scholl-Schule begegnen sie sich in gegenseitiger Wertschätzung und Anerkennung und lernen mit- und voneinander. Alle sind immer anders verschieden mit und ohne Behinderung oder besondere Begabung mit und ohne Migrationshintergrund aus verschiedenen sozialen Herkunftsmilieus mit verschiedenen Haut- und Haarfarben mit unterschiedlichem Alter Mädchen und Jungen 4

begegnen sich in gegenseitiger Wertschätzung und Anerkennung und lernen mit- und voneinander im schulischen Lernen im ganztägigen Angebot auch in der Freizeit 5

Selbständigkeit und Selbstvertretung gehören in die Schule sind für alle wichtig erfordern Rücksicht und gegenseitiges Helfen unter den Kindern, weil alle anders lernen erfordern Interesse an den anderen, damit man nicht nur seine eigene Meinung kennt brauchen Übungsfelder wie an der Sophie-Scholl- Schule Übungsfelder für Selbständigkeit und Selbstvertretung Beispiele: Sitzkreis: in der eigenen Lerngruppe Montagmorgenkreis: mit der ganzen Schulgemeinde Arbeitszeit: für die Selbst-Organisation Nachmittag: in der Freizeit Kinderparlament: in der Selbst- und Mitbestimmung Praktikum: für die Welt außerhalb der Schule 6

Am Sitzkreis beteiligen Alles Wichtige für die Kinder einer Lerngruppe wird im Sitzkreis besprochen. Tagesablauf Arbeitsvorhaben, Fragen dazu Regeln Arbeitsergebnisse Forscherrat Was man lernt: Zuhören Sich anderen mitteilen (auch mittels Talker oder mit Hilfe einer Assistenz ) Sich einigen Im Montagmorgenkreis mitmachen Alle Kinder und Erwachsenen der Schule treffen sich zu einer Versammlung zu Wochenbeginn. Immer eine Klasse zeigt den anderen etwas aus ihrer Arbeit, oft gibt es ein Lied zum Mitmachen Was man lernt: Vor ganz vielen Menschen frei zu sprechen, zu singen oder etwas vorzumachen Mit einem Mikrofon umzugehen und z.b. nur dann hineinzusprechen, wenn man dran ist Regeln einzuhalten oder andere darauf aufmerksam zu machen 7

Selbständig arbeiten Im rhythmisierten Schultag gibt es klare Zeiten für Arbeiten und Pause, Anspannung und Entspannung Verschiedene Aufgaben für verschiedene Kinder Tagesplan oder Wochenplan Bewegter Unterricht Was man lernt: Sich an die Regeln für die Zeiten halten Aufgaben wachsend selbständig bearbeiten Fragen, wenn man nicht weiterkommt oder etwas nicht verstanden hat: erst Mitschüler, dann Lehrerin In der Abschlussrunde berichten, was man gearbeitet und gelernt hat Auswählen und entscheiden Z.B. am Nachmittag: hier gibt es viele Möglichkeiten der Beschäftigung, Kurse oder freies Spiel Was man lernt: Eigene Wünsche wahrnehmen: wachsend selbständig in feste Kurse für ein halbes Jahr einwählen, Die Angebotsinseln finden und gezielt aufsuchen, Freundinnen und Freunde finden, die bei Spielen mitmachen Anderen eigene Spiel-Interessen sagen, aber auch kompromissbereit sein 8

Beteiligt sein im Kinderparlament Kinder: Jede Lerngruppe stellt eine/n Vertreter/in und eine/n Stellvertreter/in, Erwachsene: Vertrauenslehrer/in, Vertrauenserzieher/in werden von den Kinder gewählt; Schulleitung Treffen 2x pro Halbjahr Kipa soll Mitsprache und Selbstvertretung der Kinder ermöglichen sowie in bestimmten Anliegen auch Entscheidung. Der Anfang: Verständigung über die Schulregeln, Wünsche zum Nachmittagsprogramm, Wünsche zur Raumnutzung Die Gesellschaft kennen lernen Ab dem 7. Jahrgang gehen die Schülerinnen und Schüler jedes Jahr in ein Praktikum. Was man lernt: Mitmachen bei verschiedenen Berufen, dabei eigene Interessen, und Fähigkeiten entdecken Mit fremden Menschen zusammen arbeiten, diesen sagen, was man braucht oder sich wünscht, und fragen Eine Präsentation für die Lerngruppe gestalten und die neuen Erfahrungen und Gefühle dazu den anderen mitteilen. 9

Selbstvertretung trainieren in der inklusiven Schule! In der inklusiven Schule sind alle Kinder zusammen. Das ist wichtig für Kinder mit Behinderung, weil sie lernen, selbst-bewusst mit verschiedenen SchülerInnen umzugehen. Selbstvertretung können sie für ihre Zukunft so besser lernen als in nach Behinderungsart sortierten Sonderschulen. Genauso wichtig ist es für Kinder ohne Behinderung, weil sie so vorbereitet sind auf eine inklusive Gesellschaft, in der jeder wirklich gleiche Rechte hat und diese auch wahrnimmt. 10