Antikoagulation in der Intensivdialyse 10 Jahre Weiterbildungsstätte Nephrologischer Zentren Rhein-Ruhr 1.12.2005 Dr. G. Schott
Aktivierung der plasmatischen und zellulären Gerinnung durch die Interaktion von Blut mit Fremdoberflächen und den Kontakt von Blut mit Luft Grundvoraussetzung für die erfolgreiche Durchführung einer kont. Hämofiltration ist erfolgreiche Hemmung der Blutgerinnung im Extracorporalsystem
Systemische Antikoagulation Regionale Antikoagulation Beschichtung / Modifikation der Fremdoberflächen Modifikation der Behandlungsverfahren
abhängig von: Wahl des Antikoagulationsverfahrens Blutungsgefährdung- bzw. Blutungsneigung des Patienten Speziellen Problemstellungen durch den Patienten (z.b. HIT II) Verfügbarkeit der Methoden Erfahrungen des Behandlungsteams
Bei akuten Nierenversagen in der Intensivmedizin finden sich häufig blutungsgefährdete bzw. aktiv blutende Patienten Blutungskomplikationen werden in 10 bis 50% der Patienten unter Nierenersatztherapie berichtet.
Standardverfahren Unfraktioniertes Heparin (1) Vorteile: große Erfahrung kurze Halbwertszeit Antagonisierbarkeit geringe Kosten
Standardverfahren Unfraktioniertes Heparin (2) Nachteile: Thrombozytenaktivierung-/ verbrauch Steigerung des Blutungsrisikos Induktion einer HIT Typ II
Standardverfahren Unfraktioniertes Heparin (3) Durchführung: i.v. Bolus vor Hämofiltrationsbeginn in Abhängikeit von der Blutungsneigung und Blutungsgefährdung 0-70 i.e./kg Kont. Zufuhr 5-20 i.e. kg/stunde
Indikationen für spezielle Antikoagulationsverfahren Kontraindikationen einer systemischen Antikoagulation (z.b. Operation, Trauma, GI-Blutung) Blutungsneigung Heparinunverträglichkeit (insbesondere HIT II) Häufige Thrombosierung des Extracorporalsystems
Mögliche Verfahren Systemisch: LMWH (verschiedene) Danaparoid (Orgaran ) Lepirudin (Refludan ) Prostacyclin (Flolan ) Argatroban (Argatra ) Regional: Citrat Heparin
Gerinnungskontrolle Methode Indikation Zielbereich ACT UFH 120-160s aptt Anti-Faktor- Xa-Aktivität Ecarinzeit UFH Lepirudin Argatroban LMWH Danaparoid Hirudin 1,5 bis 2 fach 0,5-1,0/ml
LMWH (1) Vorteile: fragl. geringere Thrombozytenaktivierung und Auslösung einer HIT II in verschiedenen Studien nicht belegt (Reeves Crit Care Med 1999, de Pont Crit Care Med 2000)
LMWH (2) Nachteile: längere Halbwertszeit Keine bzw. nur partielle Antagonisierbarkeit höhere Kosten Gerinnungskontrolle nur über Anti-Faktor-Xa-Aktivität
Danaparoid Heparinoid mit geringer Kreuzreaktivität zu unfraktioniertem Heparin (ca.10%) Indikation: HIT II Dosierung nach Anti-Faktor-Xa- Aktivität (Ziel: 0,5 1,0/ml ven. Schlauch) Dosis: Bolus: 2500 i.e. Erhaltungsdosis: 200 600 i.e./h)
Lepirudin (1) Rekombinant hergestelltes Hirudin Hochspezifischer Thrombininhibitor Keine Kreuzallergie mit Heparin Indikation: HIT II Ausscheidung und Metabolisierung ausschließlich in der Niere Halbwertszeit bei terminaler Niereninsuffizienz 48 bis 316 Stunden
Lepirudin (2) Dosierung nach aptt (Ziel 1,5- bis 2- fach der Norm), bei PTT > 100s keine Korrelation mehr gegeben (ggf. Ecarinzeit) Antikörperbildung gegen Lepirudin möglich (Wirkungsverlust, Nachweis durch nicht verlängerte PTT) Bei Überdosierung Hämofiltration
Lepirudin (3) Dosierung Intermittierende HD: 0,1 0,2 mg/kgkg vor HD (keine kontinuierliche Gabe) Kontinuierliche Verfahren: Bolus: 0,02 mg/kgkg Erhaltung: 0,01 mg/kg (Anpassung nach PTT alle 4h)
Argatroban Synthetischer Thrombin-Inhibitor MG 509 Dalton HWZ ca. 50 min. Metabolisierung hepatisch, keine Dosisanpassung bei Niereninsuffizienz Gerinnungskontrolle durch PTT Zugelassen für HIT II Tagestherapiekosten ca. 160
Prostacyclin (1) Thrombozytenaggregationshemmer kurze Halbwertszeit (dadurch gut steuerbar) häufig als alleinige Antikoagulation nicht ausreichend, Kombination mit UFH effektiv Dosierung 2-7 ng/kg/min in den Extrakorporalkreislauf
Prostacyclin (2) Nebenwirkung: gefäßerweiternd, blutdrucksenkend bei systemischer Gabe (werden ultrafiltriert und systemisch rasch metabolisiert) Hohe Kosten Zobel, Blood Purif 6:90-95
Heparin / Protamin Protamin bindet Heparin (1mg Protamin antagonisiert ca. 100 i.e. Heparin) Heparin wird im retikuloendothelialen System wieder aus Protamin freigesetzt Reboundgefahr mit erhöhtem Blutungsrisiko
Citrat (1) Indikationen: Hohes Blutungsrisiko Heparinunverträglichkeit (bei HIT II nicht ausreichend, da systemische Antikoagulation erforderlich ist)
Citrat (2) Pathophysiologie Citrat bildet stabile Komplexe mit Calciumionen, welche für die Blutgerinnung erforderlich sind
Citrat (3) Nebenwirkungen Wird in der Leber zu Bicarbonat metabolisiert Metabolische Alkalose Es handelt sich um Trinatriumcitrat Hypernatriämie Citratkumulation bei Leberinsuffizienz Volumenbelastung bei hohem Blutfluß mit hohem Citratbedarf
Citrat (4) Durchführung Infusion einer Citratlösung in den arteriellen Schlauch Absenkung des Ca ++ auf 0,25 mmol/l Calciumsubstitution in den venösen Blutschlauch (hinter der Luftfalle) Der Citratbedarf steigt mit dem Blutfluß
Citrat (5) Durchführung Intermittierende Hämodialyse: Natriumcitrat 30% Calciumgluconat 10% Calciumfreies Dialysat Ca ++ vor dem Filter > 1,0 mmol/l Ca ++ hinter dem Filter < 0,25 mmol/l
Citratdialyse / Schema Flußschema: Regionale Citrat-Antikoagulation Citratinfusion Infusomat Y-Stück zwischen Kanüle und Ven.-Blutschlauchsystem Calcium Ca-freies Dialysat
Citrat (6) Durchführung Kontrollen Zu Beginn Nach 15 min. 15 min nach jeder Dosisänderung Danach stündliche Kontrollen DIE ACT KORRELIERT NICHT!
Citrat (7) Dosierung Anfangsdosis: Calcium 50 ml/h, Citrat 30ml/h Dosierungsschema (Dialysatfluß 500 ml/min) Blutfluß (ml/min) 180 240 Citrat 30% (ml/h) 35 40 Calcium 10% (ml/h) 50 70 Ca > 0,3 post Filter Citrat 5 ml/h steigern Ca < 1,0 prä Filter Calcium 10 ml/h steigern BE > 3 Bicarbonat im Dialysat um 1 mmol/l red.
Citratdialyse / Protokoll
Citrat (8) CVVHD Erfahrung bisher nur mit der CVVHD, da kein calciumfreies Substituat zur Verfügung steht Blutfluß bis max. 75 ml/h, Dialysatfluß in der Regel 1000 ml/h Natriumcitrat 30% Dialysat bei dem Bicarbonat frei zugemischt werden kann (bei uns SH 44 Hep, Fa. Braun)
Citrat (9) CVVHD Schema Flussschema: Regionale Citrat-Antikoagulation bei CVVHD Weißer Infusomat fm Citratinfusion Patient Y-Stück Blutfluss: 75 ml/min An der Arterie des Patienten wird das Blut zur Ca-Bestimmung vor Filter entnommen. Der gemessene Wert sollte über 1,0 mmol/l liegen. Am blauen, ven. Blutentnahmestopfen wird das Blut zur Ca-Bestimmung nach Filter entnommen. Der gemessene Wert sollte unter 0,25 mmol/l liegen Y-Stück zwischen Katheter und Ven.-Blutschlauchsystem event.calcium 10% Mit Bicarbonat gepuffertes Dialysat 1000 ml/h Firma B. Braun
Citrat (10) CVVHD Kontrollen SBH und Serum Na alle 12 Stunden (ggf. Bicarbonatzugabe zum Dialysat reduzieren) Ca prä und post Filter zu Beginn nach 15 min 15 min nach jeder Dosisänderung danach alle 4 Stunden DIE ACT KORRELIERT NICHT!
Citrat (11) CVVHD Dosierungsschema (Blutfluß 75 ml/min) Citrat 30% ml/h 30 35 40 Dialysat ml/h 1000 1500 2000 Ca ++ > 0,2 post Filter Citrat 5 ml/h steigern Ca ++ > 1,0 prä Filter Calciuminfusion (10%) anlegen ( steigern in Stufen von 2ml/h)
Citrat-CVVHD/ Protokoll
Citrat (12) CVVH Verfahren für die CVVH befinden sich in der Entwicklung. Es wird ein calciumfreies, citrathaltiges Substituat eingesetzt. Eine Calciumsubstitution in den venösen Schlauch ist erforderlich (hinter der Luftfalle)
Citrat (13) CVVH Schema
Fall 3 Otto Päde, 50 J., 50 kg KG Diagnose: Z.n. Billroth II, COPD, Divertikulose Jetzt: Ischämische Darmperforation, MOV, Blutungen, Harnstoff-N 120 mg/dl Verfahren Lösung Umsatz Antikoagulation CVVH Prä. o. Postdil. Laktat 0 1000 ml/h Heparin CVVHD Bikarbonat 1000 2000 ml/h Hirudin CVVHDF 2000 3000 ml/h Citrat
Fall 4 Maria Kron, 45 J., 65 kg KG Diagnose: Alkoholabusus, akute Pankreatitis Jetzt: MOV, HIT Verfahren Lösung Umsatz Antikoagulation CVVH Postdilution Laktat 0 1000 ml/h Heparin CVVHD CVVHDF Bikarbonat 1000 2000 ml/h 2000 3000 ml/h Hirudin oder Citrat