51a. OLG Düsseldorf, Urteil vom 21. April U 23/92. Rechtsquellen: BGB 823 Abs. 1, 847; 611, 276, 249

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Transkript:

1. Die ausdrücklich erklärte Weigerung des Patienten, einen vornehmen zu lassen, muß der behandelnde Arzt auch bei der Notwendigkeit der Abklärung eines Verdachts auf eine AIDS-Erkrankung beachten. Dies ist als Ausfluß des Selbstbestimmungsrechts des Patienten anerkannt. 2. Die Weigerung, einen vornehmen zu lassen, ist nicht dokumentationspflichtig. Das Fehlen eines entsprechenden Vermerks in den Krankenunterlagen begründet keine Beweiserleichterung zugunsten des Patienten. (Leitsätze der Herausgeber), Urteil vom 21. April 1994 8 U 23/92 Rechtsquellen: BGB 823 Abs. 1, 847; 611, 276, 249 Entscheidungsstichworte: HIV AIDS Lymphom Diffentialdiagnostik Befunderhebungsversäumnis Sicherheitsaufklärung Aufklärungsversäumnis Selbstbestimmungsrecht des Patienten Verweigerung eines s Dokumentationspflicht Beweiserleichterung Tatbestand Der Kl. war seit dem 15. Dezember 1989 in zweiter Ehe mit der geschiedenen Frau L. C. L., geborene E., verheiratet. Diese war zeitweilig bei den Bekl. in Behandlung. Sie ist am 1. September 1990 an AIDS gestorben. Der Kl. ist HIV-positiv, ohne daß die Krankheit bisher bei ihm ausgebrochen ist. Der Kl. hat von den Bekl. mit der Begründung, sie hätten die bei seiner verstorbenen Ehefrau aufgetretene AIDS-Erkrankung pflichtwidrig nicht diagnostiziert und hätten deshalb haftungsrechtlich auch dafür einzustehen, daß er an AIDS erkrankt sei, die Zahlung eines Schmerzensgeldes und weiteren Schadensersatz begehrt. Die Klage gegen den früheren Bekl. zu 1) ist im ersten Rechtszug abgewiesen worden. Die hiergegen gerichtete Berufung hat der Senat durch Teilurteil vom 22. April 1993 zurückgewiesen. Das vorliegende Berufungsverfahren betrifft somit allein noch die gegen den Bekl. zu 2) (künftig nur noch: der Bekl.) gerichtete Klage, die im ersten Rechtszug ebenfalls ohne Erfolg geblieben ist. Die verstorbene Ehefrau des Kl. war in der Zeit vom 7. März bis zum 8. Dezember 1988 bei dem Bekl. in Behandlung. Ausweislich der Behandlungskarte stellte der Bekl. am 10. Juni 1988 ein Lymphom an der linken Halsseite fest. Hierzu enthält die Behandlungskarte den Vermerk, die Patientin wolle sich eine Probeexzision überlegen. Unter dem 15. Juni 1988 findet sich u. a. die Eintragung, die Patientin lehne eine stationäre Behandlung vorläufig ab. In der Folgezeit kam es weder zu einer histologischen Untersuchung von Lymphknotengewebe nach einer Probeexzision noch zur Durchführung eines AIDS-Bluttests. 6. Lfg. HuR, 11/2001 HuR Urt. 51a/Seite 1

Der Kl. hat behauptet, seine verstorbene Ehefrau sei von dem Bekl. nicht über die Notwendigkeit einer solchen Untersuchung aufgeklärt worden. Im Juni 1989 wurde bei dem Kl. und auch bei seiner verstorbenen Ehefrau eine HIV- Infektion serologisch nachgewiesen. Zur damaligen Zeit war der Kl. noch nicht mit seiner verstorbenen Ehefrau verheiratet. Diese hatte er im November/Dezember 1986 während eines Kuraufenthaltes kennengelernt. Nachdem er sich von seiner ersten Ehefrau getrennt hatte, nahm er im Juni/Juli 1988 wieder Kontakt zu ihr auf. Im September 1988 kam es bei einem Treffen in K. zum ersten Mal zu einem Geschlechtsverkehr. Danach verbrachte die verstorbene Ehefrau des Kl. im Dezember 1988 ein Wochenende bei dem Kl. in B. Auch bei dieser Gelegenheit kam es zum Geschlechtsverkehr. Der Kl. hat behauptet, er habe sich, wenn nicht schon im September, so jedenfalls im Dezember 1988 bei seiner Ehefrau mit dem AIDS-Virus angesteckt. Etwa drei Wochen nach dem Zusammentreffen im Dezember 1988 sei er plötzlich an einem hohen Fieber erkrankt. Diese Erkrankung sei das Frühsymptom der HIV-Infektion gewesen. Wegen der Einzelheiten des erstinstanzlichen Vorbringens der Parteien und wegen des Verfahrens bis zum Erlaß des Teilurteils des Senats vom 22. April 1993 wird auf dieses Urteil Bezug genommen. Der Kl. behauptet weiterhin, der Bekl. habe es pflichtwidrig versäumt, die wegen des Verdachts auf eine HIV-Infektion gebotene Untersuchung bei seiner verstorbenen Ehefrau vorzunehmen. Der Bekl. habe seine verstorbene Ehefrau auch nicht auf die Notwendigkeit eines AIDS-Bluttests hingewiesen. Der Kl. beantragt, unter Abänderung des angefochtenen Urteils 1. den Bekl. zu verurteilen, an ihn ein Schmerzensgeld zu zahlen, dessen Höhe in das Ermessen des Gerichts gestellt werde, 2. den Bekl. zu verurteilen, an ihn 3 920,48 DM nebst 4% Zinsen seit Rechtsanhängigkeit zu zahlen, 3. festzustellen, daß der Bekl. verpflichtet sei, ihm allen materiellen und immateriellen Schaden unter Einschluß des Zukunftsschadens zu ersetzen, der ihm aus der Infizierung mit dem HIV-Virus entstanden sei, soweit seine Ansprüche nicht auf öffentlich-rechtliche Versorgungsträger übergegangen seien. Der Bekl. beantragt, die Berufung zurückzuweisen. Er behauptet, die verstorbene Ehefrau des Kl. habe wiederholt die Vornahme einer Blutuntersuchung auf HIV-Antikörper verweigert. Sie habe ihm berichtet, daß in der Chirurgischen Abteilung des Krankenhauses D., in das sie von ihm zur Lymphknotenexstirpation überwiesen worden sei, auch ein vorgesehen gewesen sei, und habe erklärt, eine solche Untersuchung lehne sie ab. Er habe mit ihr im August 1988 vor einer allgemeinen blutchemischen Untersuchung noch einmal über eine Blutuntersuchung auf HIV-Antikörper gesprochen. Auch bei dieser Gelegenheit habe die Patientin eine solche Untersuchung verweigert. Wegen der weiteren Einzelheiten des Vorbringens der Parteien wird auf den Inhalt der Schriftsätze und deren Anlagen Bezug genommen. HuR Urt. 51a/Seite 2 6. Lfg. HuR, 11/2001

Im Berufungsverfahren hat der Sachverständige Prof. Dr. H. ein schriftliches Gutachten erstattet und ist zur Erläuterung und Ergänzung angehört worden. Insoweit wird auf den Berichterstattungsvermerk (künftig: BE-Vermerk) vom 27. Januar 1994 verwiesen. Entscheidungsgründe Über das rechtskräftige Teilurteil des Senats vom 22. April 1993 hinaus bleibt die Berufung des Kl. auch ohne Erfolg, soweit sie die Abweisung der gegen den Bekl. (zu 2) gerichteten Klage betrifft. A. Die Klage (gegen den Bekl. zu 2) ist nicht begründet. Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme lassen sich die tatsächlichen Voraussetzungen der hier in Betracht zu ziehenden vertraglichen und deliktsrechtlichen Anspruchsgrundlagen ( 611, 276, 249, 823 Abs. 1, 847 BGB) nicht feststellen. Dem Bekl. kann haftungsrechtlich nicht die Verantwortung dafür zugewiesen werden, daß die bei der verstorbenen Ehefrau des Kl. möglicherweise schon damals bestehende HIV-Infektion vor dem ersten Intimverkehr mit dem Kl. noch nicht festgestellt worden war. Die Erörterung des Behandlungsablaufs und der daran anknüpfenden medizinischen Fragen mit dem Sachverständigen Prof. Dr. H. hat ergeben, daß es entscheidend darauf ankommt, ob der Bekl. die verstorbene Ehefrau des Kl. über den Verdacht auf eine AIDS-Erkrankung aufgeklärt und sie auf die Notwendigkeit der Vornahme eines AIDS-Bluttests hingewiesen hat. Haftungsbegründende Versäumnisse des Bekl. lassen sich insoweit indessen nicht feststellen. I. Der Sachverständige hat in Anbetracht der vorhandenen Unterlagen, die die Laboruntersuchungen vom 8. März 1988 betreffen, die in seinem schriftlichen Gutachten geäußerte Kritik zurückgenommen und hat ein diagnostisches Versäumnis des Bekl. im Verlauf der Behandlung bis zum Auftreten der Lymphknotenveränderung eindeutig verneint (vgl. BE-Vermerk S. 8). Dem schließt sich der Senat an. II. Die Lymphknotenveränderung, die am 10. Juni 1988 bei der Patientin vorlag, gab Anlaß, eine Reihe von auch sehr ernsten Erkrankungen in die differentialdiagnostischen Überlegungen einzubeziehen. 1. Zweifellos gehörte zu diesen Erkrankungen auch schon nach dem damaligen Wissensstand der Medizin u. a., wenn auch wohl nicht an erster Stelle, die Möglichkeit einer Erkrankung an AIDS. Weil die Lymphknotenveränderung angesicht der anamnestisch festgestellen Symptome durchaus auch auf einer bösartigen Tumorerkrankung beruhen konnte, die zuverlässig nur durch eine feingewebliche Untersuchung nach einer Probeexzision gesichert oder ausgeschlossen werden konnte, war es nicht zu beanstanden, nach der vorausgegangenen Blutuntersuchung als nächsten diagnostischen Schritt eine Probeexzision vorzusehen, mit der auch Aufschluß über andere Krankheitsbilder, etwa über eine mögliche Tuberkulose, gewonnen werden konnte. Dies ist ein Ergebnis der Erörterung des Behandlungsablaufs mit dem Sachverständigen Prof. D. H. (vgl. BE- Vermerk S. 10, 11). Eine Probeexzision konnte allerdings keinen Aufschluß darüber erbringen, ob die Patientin an AIDS erkrankt war 6. Lfg. HuR, 11/2001 HuR Urt. 51a/Seite 3

oder nicht. Der Verdacht auf eine HIV- Infektion konnte und mußte durch die damals schon seit längerer Zeit mögliche Blutuntersuchung auf HIV-Antikörper abgeklärt werden. Die Notwendigkeit der Vornahme einer solchen gezielten Blutuntersuchung und eines entsprechenden aufklärenden Hinweises gegenüber der Patientin steht hier außer Streit. 2. Streitig ist dagegen, ob der Bekl. der Patientin mit dem Hinweis, es könne sich um AIDS handeln, die Durchführung eines s nahegebracht hat. Nach dem Vorbringen des Bekl. ist dies geschehen. Der Bekl. behauptet, er habe die Patientin über die Möglichkeit einer Erkrankung an AIDS und über die Notwendigkeit des s aufgeklärt. Die Patientin habe die Vornahme des AIDS- Tests jedoch abgelehnt. Dem Kl. obliegt ungeachtet dessen, daß es um eine Unterlassung geht, der Nachweis, daß die von dem Bekl. behauptete Aufklärung der Patientin pflichtwidrig unterblieben ist. Diesen Nachweis hat er nicht zu erbringen vermocht. a) Ein haftungsbegründender Behandlungsfehler des Bekl. kann nicht etwa allein schon deshalb festgestellt werden, weil eine Blutuntersuchung auf HIV- Antikörper von dem Bekl. unstreitig nicht veranlaßt worden ist. Die Notwendigkeit der Abklärung eines Verdachts auf eine AIDS-Erkrankung ändert nichts daran, daß der behandelnde Arzt die ausdrücklich erklärte Weigerung des Patienten, einen vornehmen zu lassen, beachten muß. Dies wird als Ausfluß des Selbstbestimmungsrechts des Patienten allgemein anerkannt (vgl. Laufs-Uhlenborn, Handbuch des Arztrechts, 49 Rdn. 13, 139 Rdn. 37; Buchborn, MedR 1987, 263; Laufs/Narr, MedR 1987, 282; StA Mainz NJW 1987, 2946). Deshalb schließt die Behauptung des behandelnden Arztes, der Patient habe nach einer Aufklärung über den Krankheitsverdacht die Vornahme eines HIV-Antikörpertests verweigert, die Feststellung eines haftungsbegründenden Behandlungsfehler aus. b) Ärztliche Versäumnisse im Bereich der sog. Sicherheitsaufklärung, um die es auch hier geht, soweit der Kl. behauptet, der Bekl. habe seine verstorbene Ehefrau nicht auf die Möglichkeit einer AIDS-Erkrankung und auf die Notwendigkeit der Vornahme eines s hingewiesen, stellen Behandlungsfehler dar, so daß auf die für diese geltenden beweisrechtlichen Grundsätze abzustellen ist (vgl. BGH NJW 1989, 2320 = VersR 1989, 700; BGH NJW 1989, 2318 = VersR 1989, 702). Daraus folgt, daß grundsätzlich der klagende Patient den haftungsbegründenden (Behandlungs-)Fehler zu beweisen hat (vgl. BGHZ 99, 391, 398 = NJW 1987, 1482 = VersR 1987, 1089; BGH NJW 1988, 2949), und zwar auch dann, wenn es um eine Unterlassung, etwa darum geht, ob der Arzt ihn über die Notwendigkeit der Vornahme einer bestimmten Untersuchung oder einer therapeutischen Maßnahme aufgeklärt hat. Der Bekl. hat im einzelnen vorgetragen, was und zu welchen Zeitpunkten er mit der verstorbenen Ehefrau des Kl. besprochen hat. Geht man von seinem Vorbringen aus, so ist ein haftungsbegründendes (Aufklärungs-)Versäumnis zu verneinen. Der Bekl. hat zwar nicht von sich aus erstmalig über die Möglichkeit einer AIDS-Erkrankung gesprochen; er hat der verstorbenen Ehefrau des Kl. aber auf deren Fragen HuR Urt. 51a/Seite 4 6. Lfg. HuR, 11/2001

hin mitgeteilt, daß die Möglichkeit einer AIDS-Erkrankung bei ihr gegeben sei. Nachdem sie ihm schon im Zusammenhang mit dem Bericht über die Behandlung im Krankenhaus D. erklärt hatte, sie wolle den, den man dort geplant gehabt habe, nicht machen lassen, genügte der Bekl. haftungsrechtlich seinen ärztlichen Pflichten, indem er anläßlich der Blutuntersuchung im August 1988 versuchte, das Einverständnis der Patientin zur Vornahme eines s zu erlangen. Der Kl. hat dieses Vorbringen des Bekl., das einen Behandlungsfehler ausschließt, nicht widerlegt. Geeigneten Beweis dafür, daß die Aufklärung entgegen der Darstellung des Bekl. nicht stattgefunden hat, hat er nicht angetreten und ist somit beweisfällig geblieben. c) Beweiserleichterungen können ihm nicht zugebilligt werden. Zwar kommen nach den für den Arzthaftungsprozeß anerkannten Grundsätzen Beweiserleichterungen zugunsten des klagenden Patienten in Betracht, wenn die gebotene Dokumentation lückenhaft, somit unzulänglich ist und deshalb für den Patienten im Falle einer Schädigung die Aufklärung des Sachverhalts unzumutbar erschwert wird (vgl. BGH NJW 1988, 2949; BGH NJW 1989, 2330, 2331 = VersR 1989, 512). So gilt etwa, daß die Nichtdokumentation einer aufzeichnungspflichtigen Maßnahme deren Unterbleiben indiziert (vgl. BGHZ 85, 212 = NJW 1983, 333 = VersR 1982, 1193). Diese Grundsätze kommen dem Kl. aber nicht zugute, weil darin, daß der Bekl. die Verweigerung des s nicht auch nicht in verschlüsselter Form in der Karteikarte vermerkt hat, ein beweisrechtlich relevantes Dokumentationsversäumnis nicht gesehen werden kann. Ob und inwieweit im Einzelfall eine Dokumentationspflicht des behandelnden Arztes besteht, deren Nichterfüllung Beweiserleichterungen zugunsten des klagenden Patienten zur Folge haben kann, unterliegt als Rechtsfrage der richterlichen Beurteilung und Entscheidung. Der Senat verkennt nicht, daß der Sachverständige Prof. Dr. H. eine Dokumentationspflicht bezüglich der Verweigerung des unmißverständlich bejaht hat. Dennoch ist er bei der gebotenen rechtlichen Wertung der Auffassung, daß dem Bekl. im vorliegenden Fall ein beweisrechtlich bedeutsames Aufklärungsversäumnis nicht angelastet werden kann. Die vertraglich und deliktisch begründete Pflicht zur Dokumentation des Behandlungsgeschehens zielt allein auf die medizinische Seite der Arzt-Patienten- Beziehungen, nicht dagegen auf die Beweissicherung für den Haftungsprozeß (vgl. BGH NJW 1989, 2330 = VersR 1989, 512). Allerdings kann es gerade in einem Bereich, in dem es darum geht, den Patienten auf die ernsthaft in Betracht kommende Möglichkeit einer schwerwiegenden Erkrankung und die Notwendigkeit der Vornahme bestimmter Untersuchungen zum Nachweis oder zum Ausschluß dieser Erkrankungen hinzuweisen, im Hinblick auf einen möglichen Haftungsprozeß aus der Sicht des Arztes ratsam, die Weigerung des Patienten, einer bestimmten Untersuchung zuzustimmen, zu dokumentieren. Es liegt deshalb nahe, daß ärztliche Organisationen die Empfehlung ausgesprochen haben, die Verweigerung eines HIV-Antikörpertests zur Vermeidung späterer Auseinandersetzungen zu dokumentieren (vgl. die Nachweise bei Laufs-Uhlen- 6. Lfg. HuR, 11/2001 HuR Urt. 51a/Seite 5

bruck. a. a. O., 49 Rdn. 14). Sieht der Arzt in einer solchen Behandlungssituation dennoch von einer Dokumentation ab, weil er sich hieran aufgrund seiner Pflicht zur Verschwiegenheit, die gerade im Zusammenhang mit dem Thema AIDS besonders betont wird (vgl. Buchborn, a. a. O., S. 264; Laufs, Arztrecht, 4. Aufl., S. 138, Rdn. 301), gehindert sieht, so gereicht ihm die Unterlassung im Haftungsprozeß nicht zum Nachteil. So liegt der Fall hier. Die Dokumentationspflicht erstreckt sich auf die wichtigsten diagnostischen und therapeutischen Maßnahmen sowie auf die wesentlichen Verlaufsdaten. Zu diesen gehörte die Weigerung der verstorbenen Ehefrau des Kl., einen AIDS- Test vornehmen zu lassen, nicht. Das Fehlen eines entsprechenden Vermerks bedeutete für die Patientin bei einem etwaigen Wechsel des behandelnden Arztes und der Übernahme der Behandlungsunterlagen durch diesen nicht etwa die Gefahr, daß seinetwegen gebotene diagnostische oder therapeutische Maßnahmen unterblieben. Der nachbehandelnde Arzt hätte nämlich mit Recht davon ausgehen müssen, daß eine HIV-Diagnostik nicht stattgefunden hatte. Unklar wäre lediglich geblieben, ob der Bekl. die Vornahme eines s erwogen und mit der Patientin erörtert hatte. Diese Unklarheit hätte aber nichts daran geändert, daß der nachbehandelnde Arzt angesichts des von dem Bekl. dokumentierten Krankheits- und Behandlungsverlaufs auch ohne Hinweis darauf, daß der Verdacht auf AIDS wegen der Weigerung der Patientin nicht hatte abgeklärt werden können, ohne weiteres differential-diagnostisch an die Möglichkeit einer HIV-Infektion hätte denken und mit der Patientin über die Notwendigkeit eines HIV-Antikörpertests hätte sprechen müssen. Der Senat vermag deshalb dem Sachverständigen Prof. Dr. H., der die Dokumentationspflicht auch unter medizinischem Aspekt bejaht, insoweit indessen nur auf die Möglichkeit der Weiterbehandlung und der Beurteilung des Krankheitsverlaufs durch Dritte hingewiesen hat (vgl. BE-Vermerk S. 15), nicht zu folgen. Dies gilt erst recht für die Forderung, im Zusammenhang mit AIDS-Patienten verschlüsselt zu dokumentieren. Der verschlüsselte Hinweis auf die Weigerung des Patienten, einen vornehmen zu lassen, hätte Informationswert allein für den behandelnden Arzt, der eines solchen Vermerks aber allenfalls als Gedächtnisstütze bedürfte. Ein nachbehandelnder Arzt, der in den Besitz der Behandlungsunterlagen gelangte, könnte die Bedeutung des Vermerks ohne Entschlüsselung durch den Urheber nicht erkennen. Der verschlüsselte Vermerk bliebe somit jedenfalls in den nicht seltenen Fällen ohne Wert, in denen der Urheber zur Entschlüsselung nicht mehr zur Verfügung stünde. Dahingestellt bleiben kann die Frage, ob eine Entschlüsselung, sofern der vorbehandelnde Arzt befragt werden könnte, überhaupt ohne weiteres, d. h. ohne ausdrückliche Einwilligung des Patienten, geschehen dürfte. 3. Nach alledem hat es (auch) bei der Abweisung der gegen den Bekl. (zu 2) gerichteten Klage zu bleiben, weil ein haftungsbegründendes ärztliches Versäumnis des Bekl. nicht festzustellen ist. Die Frage, ob der Kl. überhaupt durch seine verstorbene Ehefrau angesteckt worden ist, braucht hiernach nicht aufgeklärt zu werden. HuR Urt. 51a/Seite 6 6. Lfg. HuR, 11/2001

B. Die prozessualen Nebenentscheidungen beruhen auf den 97 Abs. 1, 708 Nr. 10, 711 ZPO. Die Beschwer für den Kl. beträgt: 128 920,48 DM. 6. Lfg. HuR, 11/2001 HuR Urt. 51a/Seite 7