Sylvia Doebelt. log & capture

Ähnliche Dokumente
Wahrnehmung in der Mediation

peds Braintrainer 4 Übungsbeispiele

Sprachliches Wissen: mentales Lexikon, grammatisches Wissen. Gedächtnis. Psycholinguistik (2/11; HS 2010/2011) Vilnius, den 14.

Joachim Ritter, 1961 Aristoteles und die theoretischen Wissenschaften

Praktische Anleitung im Umgang mit Demenz

Gängige Definition des Gegenstandes der Psychologie: Menschliches Erleben und Verhalten (Handeln)

von Mark Hitchcock, dem Autor des von mir empfohlenen Buches Könnte die Entrückung heute stattfinden? - Siehe Buchempfehlungen

Fragen der Ethik, Moritz Schlick Kapitel II: Warum handelt der Mensch?

Leseprobe S. 2, 12-17

2. Stetige lineare Funktionale

Frageformen im Vergleich

Gedächtnismodell. nach Büchel F. (2010). DELV Das eigene Lernen verstehen, S. 15 ff.

Erfahrungswissenschaft und die Theorie. * Marc Hassenzahl // Erlebnis und Interaktion // Folkwang Universität der Künste

Zitate über Fotografie

Probleme und Möglichkeiten der Behandlung der bedingten Wahrscheinlichkeit

Forum Suchtmedizin Ostschweiz Regionalkonferenz Ost 14. August Sucht und Trauma. Dr. med. Thomas Maier

4. DIE ABLEITUNG (DERIVATIVE)

Wie wir die Erkenntnisse der Gehirnforschung für mehr Kreativität und innovative Ideen nutzen können.

Was ist Trägheit und Gravitation wirklich! Thermal-Time-Theorie

Info. Epilepsie-Liga. Epilepsie. Wichtige Merkmale von Anfällen

Multimomentaufnahme. Fachhochschule Köln Campus Gummersbach Arbeitsorganisation Dr. Kopp. Multimomentaufnahme. Arbeitsorganisation

Philosophie und Pädagogik der Partizipation

Wir wollten uns mal vorstellen!

Stefan Pfeiffer. Sinnes-Welten. Wunderwerk der Wahrnehmung

Jenseitsbotschaften Was dir deine geliebte Seele noch sagen möchte Kartenset

Einführung in die Sedona Methode

INHALTSVERZEICHNIS ERSTER TEIL: KANT VORWORT... 7 INHALTSVERZEICHNIS... 9 SIGLENVERZEICHNIS... 15

Minkowski-Geometrie in der Schule. Michael Bürker

verursacht Struktur einer einschränkenden Überzeugung oder eines Glaubenssatzes über Veränderung

"C.G.JUNG -PSYCHOLOG. TYPEN":

Die Arbeit des Druckers ist ein Teil des Fundamentes, auf dem die neue Welt aufgerichtet wird.

Transitiver, intransitiver und reflexiver Bildungsbegriff

Kulturelle und ästhetische Bildung in der frühen Kindheit Eine Investition für die Zukunft?

Negative somatische Marker Solche Marker sind als Alarmsignale zu verstehen und mahnen zur Vorsicht.

GESTALT-THEORIE HERKUNFT GRUNDGEDANKE GESTALTQUALITÄTEN

In der Praxis werden wir häufig mit relativ komplexen Funktionen konfrontiert. y

2 Wahrnehmung, Beobachtung und Dokumentation in der Altenpflege

Kompaktwissen Schizoide Persönlichkeit

Offener Unterricht Das Kind soll als Subjekt erkannt und respektiert werden.

ε δ Definition der Stetigkeit.

THE SECRET DAS GEHEIMNIS OFFENBART:

BSFF bringt Ihr Leben ins Gleichgewicht

Verena Bachmann Mondknoten

Versuch einer Annäherung an den Begriff der Monade und an die Beziehung zwischen Seele und Körper in der Monadologie von Leibniz

Fotografieren lernen Band 2

Beifach Psychologie im B. A. Universität Mannheim Referentin: Tina Penga (Studiengangsmanagerin - Fachbereich Psychologie)

19 Folgen. Grenzwerte. Stetigkeit

Glücklich. Heute, morgen und für immer

Lernmotivation - der Zusammenhang zwischen Anreiz und Lernerfolg

Wie kam es zu dem Text: Aufgrund der Vermutungen zur Reise zum Mittelpunkt der Erde

WIE FUNKTIONIERT DAS: ERLEUCHTUNG UND VERBLENDUNG?

AUFGABE 2: DER ERSTE KONTAKT

Martha C. Nussbaum: Emotionen als Urteil über Wert und Wichtigkeit

Führungsverhaltensanalyse

Geflüchtete Kinder - Herausforderungen und Chancen kultureller Vielfalt in der frühen Bildung

Ein neuer Beweis, dass die Newton sche Entwicklung der Potenzen des Binoms auch für gebrochene Exponenten gilt

Dr. Ludger Kotthoff Narben sexueller Gewalt. Psychische Folgen der Traumatisierung

Taylorentwicklung von Funktionen einer Veränderlichen

5 Selbstkonstruktion und interpersonale Distanz empirische Prüfung

Stress entsteht im Kopf Die Schlüsselrolle von Denkmustern im Umgang mit Stress und Belastungen

Hilfreich miteinander reden Sohlbach 2015

Stetigkeit von Funktionen

Elementäre Bausteine m = 10 micron. Blutzelle Atom 1800 D.N.A Elektron m = 0.1 nanometer Photon 1900

VERKAUFS-STRATEGIEN-INDIKATOR

Modellschularbeit. Mathematik. Dezember Teil-1-Aufgaben. Korrekturheft

Erinnerung 1. Erinnerung 2

3.4 Asymptotische Evaluierung von Sch atzer Konsistenz Konsistenz Definition 3.4.1: konsistente Folge von Sch atzer

Kapitel III. Stetige Funktionen. 14 Stetigkeit und Rechenregeln für stetige Funktionen. 15 Hauptsätze über stetige Funktionen

Lebensqualität im Pflegeheim

Machen Sie es sich in Ihrer zurückgelehnten Position bequem und schließen Sie Ihre Augen.

Biologische Psychologie I

Paul van Dyk & Peter Heppner Wir sind wir

Bestellungen, Fragen und Anregungen bitte per an

Numerische Ableitung

Alfred Schütz Konstitution sinnhaften Handelns

Das Spielfeld Entsprechend dem lateinischen Begriff»componere«ist

ANHANG. Anhang 1: SchülerInnenbegleitpass

Uwe Meyer Universität Osnabrück Seminar Der Sinn des Lebens (WS 2003/04) Karl R. Popper: Hat die Weltgeschichte einen Sinn?

das usa team Ziegenberger Weg Ober-Mörlen Tel Fax: mail: lohoff@dasusateam.de web:

Erfahrungsgeleitetes Arbeiten in hochautomatisierter Produktion

Unterrichtsmaterialien in digitaler und in gedruckter Form. Auszug aus: Lernwerkstatt für die Klassen 7 bis 9: Linsen und optische Geräte

Optische Illusionen. Ich sehe was, was Du nicht siehst... Fachbereich 3 Mathematik und Informatik. Mathias Lindemann

Grundlagen einer fallrekonstruktiven Familienforschung

Technik-Tipp Nr. Grundbegriffe der Elektrizitätslehre. Grundlage für die verschiedenen Anschlussprinzipien

Gedanken zum Gebet. Gedanken zum Gebet. Gedanken zum Gebet. Gedanken zum Gebet

Wissen, Können und Wollen warum reicht das allein nicht? Seite 10. Warum müssen wir lieben, was wir tun? Seite 13

Die drei Komponenten Helligkeit, Farbton und Sättigung erlauben die Beschreibung von Farben.

Die Wunderfrage. DSA Wolfgang Zeyringer, MAS Supervisor Coach

Sprachverständnis, Folie 1. Sprachverständnis

Physik I im Studiengang Elektrotechnik

Meditatives Bogenschießen oder Den Pfeil mit dem Geist steuern


Digitale Medien im Unterricht

Kulturschock als Phänomen interkultureller Begegnung

Inhaltsverzeichnis. Vorwort Abkürzungsverzeichnis. Teil 1 Einführung in das System der Künstlersozialversicherung

Bjarne Reuter Außenseiterkonstruktion - en som hodder, buster-trilogi

Stetige Funktionen. Definition. Seien (X, d) und (Y, ϱ) metrische Räume und f : X Y eine Abbildung. D(f) X sei der Definitionsbereich von f.

Zeitgenössische Kunst verstehen. Wir machen Programm Museumsdienst Köln

Transkript:

Sylvia Doebelt log & capture

2

3

Zeit, die:»die begrifflich nicht bestimmbare, uns nur durch die innere Anschauung bekannte Form, unter der sich alle seelischen Tätigkeiten des Menschen aneinanderreihen. Jeder Akt des psychischen Lebens ist ein Jetzt", das von allem Vorher" und von allem Nachher" unterschieden wird. Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft sind daher die drei Elemente, welche die Zeit bilden: diese sind aber stets relativ, da das Jetzt" nur durch den bestimmten Inhalt der psychischen Tätigkeit charakterisiert ist und deshalb sich mit diesem in stetiger Fortbewegung befindet.«brockhaus Konversations-Lexikon, 1908»In physikalischer Betrachtungsweise eine nach allen Erfahrungen unbeeinflussbare, jedoch nach der Relativitätstheorie vom Bewegungszustand eines zeitmessenden Beobachters abhängige Größe, die als monoton zunehmder Parameter zur Charakterisierung des Ablaufs aller Ereignisse verwendet wird. Da die Bewegungsgesetze der Physik invariant gegenüber der Zeitumkehr sind, liefern sie kein Kriterium für die Unterscheidung von Vergangenheit und Zukunft.«Meyers Enzyklopädisches Lexikon, 1979 4

»Im Zeiterleben manifestiert als Erinnerung, momentanes Denken und Handeln, und Planung und Erwartung. Die Zeit wird nicht als kontinuierlich empfunden. Die kleinste wahrnehmbare Zeiteinheit ist der psychische Moment. Bei der Zeitschätzung kommt es wesentlich auf das jeweilige Aktivierungsmoment des Organismus an; Zeit-Täuschungen entstehen besonders beim Vergleich von rhythmisierten und unrhythmisierten Zeitstrecken. Massive Beeinträchtigungen des Zeiterlebens treten besonders im Zusammenhang mit physiologischen und psychologischen Ausnahmesituationen auf.«brockhaus, Die Enzyklopädie, 1999 5

»Die Absence dauert einige Sekunden, Anfang und Ende sind abrupt. Die Sinne bleiben wach aber für äußere Eindrücke unempfindlich. So unvermittelt wie die Abwesenheit ist auch die Rückkehr. Die beiden Enden der bewußten Zeit werden automatisch wieder zusammengefügt und bilden eine kontinuierliche Zeit ohne erkennbare Einschnitte.Die Absencen können sehr zahlreich sein, mehrere hundert am Tag, meist werden sie von der Umgebung nicht bemerkt; man spricht hier von Pyknolepsie. Aber auch für den Pyknoleptiker ist nichts vorgefallen, die abwesende Zeit hat für ihn nicht existiert.ohne es zu merken, ist ihm ein wenig seiner Dauer einfach entglitten.«6

»Man will ihn dazu bringen, von Ereignissen Rechenschaft abzulegen, die er gar nicht gesehen hat, obwohl sie sich in seiner Gegenwart abgespielt haben. Er muß auf der Suche nach der fehlenden Information immer wieder die Grenzen seines Gedächtnisses durchbrechen.«er muß»die Sequenzen zusammenfügen, ihre Umrisse aufeinander abstimmen und eine Entsprechung herstellen zwischen dem, was man sieht, und dem, was man nicht gesehen haben kann, zwischen dem, woran man sich erinnern, und dem, woran man sich offenbar nicht erinnern kann. Es muß erfunden, nachgebildet werden, um dem discursus Wahrscheinlichkeit zu verleihen.«7

Die Vorstellung der Zeit als eine Dimension menschlicher Erfahrung stellt in ihrer Wechselhaftigkeit zwischen erfahrener Schwankung und angenommener Stetigkeit eine Bedingung der Selbsterfahrung und Selbstverortung des Menschen dar, für das ein Bezugssystem benötigt wird. Dafür muss angenommen werden, daß eine Zeit außerhalb unserer Wahrnehmung à priori existiert - denn tatsächlich nimmt der Mensch die Zeit niemals an sich wahr, sondern immer nur Vorgänge in ihr. 8

»Beschleunigter Transport von Personen, Zeichen und Dingen reproduziert die Wirkung der Pyknolepsie und verstärkt sie noch, denn er entreißt das Subjekt immer wieder seinem raum-zeitlichen Kontext.«9

10

11

12

13

14

15

16

17

18

19

20

21

22

Die Fortbewegung macht das Sehen zum Rohstoff: es generiert nicht mehr so sehr Bilder als vielmehr neue, übernatürliche Erinnerungsspuren. Das Plötzliche impliziert dermaßen viele Ereignisse auf einmal, daß der Blick sie nicht alle zu erfassen vermag, sondern sich auf deren Resumé beschränkt - sich wiederholende und bereits bekannte Informationen stören die Betrachtung der Form; vielmehr ist das, was wahrgenommen wird, das, was sich der Blick aus einer Kolonne vorüberziehender objektiver Elemente zusammensucht:»der Mechanismus unseres gewöhnlichen Bewußtseins ist kinematografischer Natur.«23

24

25

26

27

28

29

30

31

32

33

34

35

36

37

38

39

40

41

42

43

44

45

46

47

48

49

50

51

Der Begriff einer Zeit, welcher einzig die Wirklichkeit des Augenblicks zukäme, könnte sich nur darauf stützen, daß wir uns unserer Geschwindigkeit nicht bewußt sind. Denn die Einführung des Subjektes in die Hierarchie der Geschwindigkeiten destabilisiert den Augenblick und hebt die Bezugspunkte auf. 52

»Bestimmt man die Pyknolepsie in dieser Weise als Massenphänomen, könnte man dann auf die Frage, wer ist Pyknoleptiker, nicht eher entgegnen: wer ist es nicht oder nicht schon einmal gewesen?«53

Zeit kann je nach unserer Kunst zu sehen entweder dazu dienen, sich täuschen zu lassen, oder etwas anderes zu betrachten als das, was man zu sehen glaubt. 54

55

56

Anhang Quellen: Seiten 6+7 Paul Viriliio,»Ästhetik des Verschwindens«, Merve 1986, S. 9+10 Seite 8 Sylvia Doebelt,»Über Warten«, 2004 Seite 9 Paul Viriliio,»Ästhetik des Verschwindens«, Merve 1986, S. 113 Seite 23 nach Paul Virilio,Vgl.»Ästhetik des Verschwindens«, Merve 1986, S. 42, 52, 67, 95 Seite 52 nach Paul Vririlio,Vgl.»Ästhetik des Verschwindens«, Merve 1986, S. 117, 121 Seite 53 Paul Vririlio,»Ästhetik des Verschwindens«, Merve 1986, S. 15 57

»log & capture«entstanden unter Leitung von Prof. Joachim Jansong Fotografien: Sylvia Doebelt Satz: Sylvia Doebelt Fonts: Gill Sans Italic, Gill Sans light Druck und Bindung: Hochschule für Grafik und Buchkunst Leipzig Auflage: 2+1 Sylvia Doebelt 2004