Aktueller Stand der Forschungsergebnisse über elektromagnetische Felder Stefan Kluge - Regierungspräsidium Stuttgart Landesgesundheitsamt, Referat 96 Funktechnik bei der Breitbandversorgung Problematisch und unverzichtbar - Rottweil 28.09.2011
Aufbruch Besorgnis - Regulierung 1906 erste Rundfunksendungen in den USA 1918 erste Mobiltelefonversuche der Eisenbahn 1923 Start des offiziellen Rundfunks in Deutschland 1958 mobiles A-Netz Beginn der 1990er massiver Ausbau des Digitalfunks 1.1.1997 Verordnung über elektromagnetische Felder (26. BImSchV vom 16.12.1996) Empfehlung des Rates zum Schutz der Bevölkerung vor elektromagnetischen Feldern vom 12.7.1999 Bezugsbasis thermische Wirkungen ab 4 W/kg abgeleiteter allg. Grenzwert 0,08 W/kg (Ganzkörper) zusätzlich 2 W/kg gemittelt über 10 g (Kopf) 4 W/kg gemittelt über 10 g (Extremitäten)
Frage nach nichtthermischen Wirkungen Studien die öffentliches Interesse erlangten Oberfeld-Studie (2008) Krebs? INTERPHONE-Studie (seit Oktober 2000) Krebs? BioInitiative Working Group (2007) Grenzwerte? REFLEX-Studie (2003) Genschädigung? NAILA-Studie (1994 2004) Krebs? Mobilfunkkritische Ärzteinitiativen versch. Symptome? TNO-Studie (2003) Wohlbefinden? Salford-Studie (2003) Blut-Hirn-Schranke? Repacholi-Studie (1997) Lymphome? Flachsmeer-Studie (2002) Schlafqualität?
Diskussion um Vorsorgegrenzwerte 1999 Bürgerforum Elektrosmog SSK prüft, ob es wissenschaftliche Beweise, Verdachtsmomente oder Hinweise für gesundheitliche Auswirkungen von EMF unterhalb der Grenzwerte gibt 2001 SSK-Empfehlungen Grenzwerte und Vorsorgemaßnahmen zum Schutz der Bevölkerung Empfehlung: Grenzwerte beibehalten, aber Aktivitäten zur Klärung offener Fragen intensivieren 2001 Selbstverpflichtung der Mobilfunkbetreiber (Einbindung der Kommunen der Bevölkerung) Etwa 30 % der Deutschen besorgt wegen Risiken von EMF, 10 % fühlen sich beeinträchtigt
Deutsches Mobilfunk- Forschungsprogramm (2002 2008) 54 Projekte unter Koordination des BfS zu Biologie (z.b. Elektrosensibilität, Schlafqualität, Kanzerogenität, Befindlichkeit) Epidemiologie (Studien zur Handynutzung, zur Erfassung gesundheitlicher Beeinträchtigungen) Dosimetrie (Exposition im Alltag durch Sendeanlagen und Endgeräte, Expositionsabschätzungen für epidemiologische Studien) Risikokommunikation (z.b. Quantität und Qualität von Kommunikationsmaßnahmen)
Kernfragen des DMF Gibt es akute Gesundheitseffekte? Langzeiteffekte bei chronischer Exposition? Wirkungsmechanismen? Tatsächliche Exposition? Läßt sich die Dosimetrie in Studien verbessern? Müssen Standards oder Grenzwerte geändert werden? Wahrnehmung des Mobilfunks in der Öffentlichkeit Wie können Information und Kommunikation verbessert werden?
Dosimetrie Alltägliche Exposition der Bevölkerung zeitlich und räumlich sehr variabel flächendeckendes Immissionskataster wird vom BfS deshalb nicht befürwortet Belastung durch UMTS-Handys in der Regel geringer als im GSM-Netz Gleichzeitiger Betrieb auf engem Raum führt nicht zur Überschreitung von Grenzwerten Einführung von DVB-T kann die Exposition lokal erhöhen, insgesamt weit unter den Grenzwerten WLAN, Bluetooth-Geräte: auch unter ungünstigen Bedingungen keine Grenzwertüberschreitungen
Wirkmechanismen Zelle und Zellbestandteile Kein Einfluss auf Überleben und Vermehrung von Immunzellen Kein Einfluss auf Stressproteine und Konzentration von Sauerstoffradikalen Kein Hinweise auf erhöhte Durchlässigkeit der Blut-Hirn-Schranke einige Gene der BHS-Zellen beeinflusst, Effekt nicht konsistent, nicht als Hinweis auf Funktionsbeeinträchtigung der BHS zu werten (weitere Abklärung empfohlen)
Wirkmechanismen Auge und Ohr Keine Einflüsse von GSM- und UMTS-Signalen auf das neuronale Netzwerk von Auge und Ohr (Reaktion der Nervenzellen von Netzhaut und Hörzellen, Verhaltenstest, Genexpression im Bereich der Hörschnecke und Hirnrinde) Melatonin-Hypothese Unterhalb der Grenzwerte kein Einfluss auf den Melatoninspiegel Hypothese Demodulation hochfrequenter Felder Keine Hinweise auf eine nicht-thermisch bedingte Demodulation
Wirkmechanismen Kognition und Schlaf Kein Hinweis auf gesundheitlich relevanten Einfluss von GSM- und UMTS-Feldern auf kognitive Leistungsfähigkeit Doppelblinde Feldstudie mit einer mobilen Sendeanlage zeigte keinen Einfluss der Felder auf Schlafqualität Abschirmung der elektromagnetischen Felder erbrachte keine Verbesserung der Schlafqualität Besorgnis über negative gesundheitliche Auswirkungen führt zu Verschlechterung des Schlafs Scheinabschirmung verbessert subjektive Schlafqualität genauso wie wirksame Abschirmung
Wirkmechanismen Verursacht Mobilfunk Krebs? INTERPHONE-Studie mit 7000 Hirntumorpatienten und 7000 Nicht-Hirntumorpatienten aus 13 Ländern Bisherige Ergebnisse: kein statistisch signifikanter Hinweis auf erhöhtes Risiko für Hirntumore oder Tumore des Hörnerven durch intensive Nutzung von Handys und Schnurlostelefonen Gilt zumindest für Nutzungsdauer bis zu 10 Jahren Frage nach Langzeiteffekten kann derzeit nicht abschließend beantwortet werden - Frage ob Kinder stärker als Erwachsene exponiert oder empfindlicher gegenüber EMF sein könnten, ist nicht abschließend geklärt Weitere Bearbeitung in den aktuellen Studien MOBI-KIDS und COSMOS
Wirkmechanismen Verusacht Mobilfunk Krebs? (2) Studie zur kindlichen Leukämie um starke Radiound Fernsehsender zeigte bei rückwirkender Bestimmung der Belastung durch hochfrequente elektromagnetische Felder für mehr als 8000 Kinder mit und ohne Erkrankung keinen Zusammenhang zwischen Leukämie und den EMF
Wirkmechanismen Elektrosensibilität Keine medizinisch eindeutige Diagnose Vielzahl unspezifischer Beschwerden weit unterhalb der Grenzwerte (Parallelen zu multipler Chemikalienunverträglichkeit) Etwa 10 % der Bevölkerung beschreiben sich als gesundheitlich beeinträchtigt durch Mobilfunk Etwa 1,5 % bezeichnen sich als elektrosensibel Süd-Nord-Gefälle
Wirkmechanismen Elektrosensibilität Ergebnisse des DMF Gesundheitliche Beschwerden Kein Zusammenhang zwischen Gesamtfeldstärke der Basisstationen und fünf untersuchten Symptomen/Parametern (Kopfschmerzen, Schlafstörungen, Beschwerden allgemein, psychische und physische Lebensqualität) Gesundheitsbezogene Lebensqualität bei Elektrosensiblen geringer als bei Kontrollpersonen, kein Unterschied bei allg. Lebenszufriedenheit Keine signifikanten Unterschiede bei Allergien, Schilddrüsen- und Leberfunktion, Eisenmangel, Quecksilber im Blut
Wirkmechanismen Objektivierung Elektrosensibilität mit transkranieller Magnetstimulation Elektrosensible können schlechter als Kontrollpersonen zwischen tatsächlicher und Scheinexposition unterscheiden Aktivierung von Hirnarealen, an vorwegnehmenden Prozessen beteiligt sind
Zusammenfassung und Ausblick Exposition der Bevölkerung im Alltag bleibt weit unterhalb der Grenzwerte Frühere Hinweise auf gesundheitsrelevante Wirkungen hochfrequenter EMF, speziell bezüglich Schlaf, Hirnleistung, Blut-Hirn-Schranke, Immunsystem, Fortpflanzung, Sinnesorganen, Tinnitus, Krebserkrankungen oder Kopfschmerzen, konnten nicht bestätigt werden Es wurden keine neuen Hinweise für gesundheitsrelevante Wirkungen oder nichtthermische Effekte gefunden
Zusammenfassung und Ausblick Weiterer Forschungsbedarf zu Fragen möglicher Langzeitwirkungen bei Handynutzung von mehr als 10 Jahren Zur Frage ob Kinder empfindlicher reagieren als Erwachsen Zur Risikokommunikation Zur Bewertung der IARC-Einstufung von hochfrequenten EMF in Gruppe 2B nach gegenwärtigem Kenntnisstand begrenzte Hinweise auf eine krebserzeugende Wirkung aus epidemiologischen Beobachtungen, die aber nur unzureichend beziehungsweise nicht durch experimentelle Befunde gestützt werden
Weitere Informationen http://www.bfs.de/de/elektro www.emf-forschungsprogramm.de http://www.lubw.badenwuerttemberg.de/servlet/is/1194/ www.bundesnetzagentur.de / Verbraucher / häufig gestellte Fragen http://www.ssk.de/de/werke/2011/kurzinfo /ssk1106.htm http://www.ssk.de/de/thema/st-720.htm