Leistungssportler von heute leistungsstarke Mitarbeiter für morgen Mittwoch, 30.09.2014 um 18:00 Uhr Kurhaus Bad Tölz Ludwigstraße 25, 83646 Bad Tölz Impulsvortrag Wirtschaft Alfred Gaffal Präsident vbw Vereinigung der Bayerischen Wirtschaft e. V. Es gilt das gesprochene Wort.
2 Liebe Miriam, Meine Damen und Herren, ich bedanke mich herzlich für die Einladung zu der heutigen Veranstaltung, die eine spannende Frage aufwirft: Wie können junge und besonders talentierte Sportler ihre Sportlerkarriere mit einer dualen Berufsausbildung verbinden? Ich treibe selbst leidenschaftlich Sport und übernehme daher ausgesprochen gerne zu diesem Thema den Impulsvortrag im Bereich Wirtschaft. Zusammenarbeit der vbw mit Sportverbänden Für die, die uns noch nicht kennen: Die vbw ist die Dachorganisation der bayerischen Wirtschaft. Wir vertreten 124 bayerische Arbeitgeber- und Wirtschaftsverbände sowie 39 Einzelunternehmen.
3 Die vbw pflegt traditionell eine enge Zusammenarbeit mit Sportverbänden vor allem im Nachwuchs- und Bildungsbereich. Unter dem Motto Bayern bewegt Jugend bewegt sich kooperiert die vbw etwa mit dem Bayerischen Fußball-Verband und dem bayerischen Skiverband. Dabei unterstützt die vbw unter anderem junge Sportler bei der Berufsorientierung. Bei dem Projekt Technik bewegt Bewegung durch Sport arbeiten wir mit dem Bayerischen Skiverband zusammen, um gemeinsam Kinder und Jugendliche für Bewegung und Leistung zu begeistern. Im Rahmen der Ausbildungsoffensive Bayern kooperieren wir mit dem Bayerischen Fußballverband, um Jugendlichen eine Ausbildung in der bayerischen Metall- und Elektroindustrie zu ermöglichen. Sie sehen: Die bayerische Wirtschaft und Sport: Das passt gut zusammen!
4 Insgesamt schreiben wir Jugendförderung groß: Weiteres Beispiel ist unsere Unterstützung der Jugendarbeit der Feuerwehr in Bayern. Mit unserem vbw Festivalorchester geben wir zudem jungen musikalischen Talenten im Alter zwischen 11 und 17 Jahren aus Bayern eine einmalige Chance, sich zu entwickeln. Ende September ist das vbw Festivalorchester mit dem Stargeiger David Garret beim Festival der Nationen in Bad Wörrishofen aufgetreten. Mit der Hochschule der Bayerischen Wirtschaft, die vom Bildungswerk der Bayerischen Wirtschaft betrieben wird, bieten wir jungen Menschen eine praxisnahe berufsbegleitende akademische Ausbildung an. Und: Im Hinblick auf die Integration von geflüchteten Menschen in den Arbeitsmarkt legen wir mit unseren Aktivitäten und Projekten ein besonders großes
5 Augenmerk auf junge Flüchtlinge und Asylbewerber. Auch fördern wir das Thema Bewegung insgesamt: So sind wir nicht nur Hauptsponsor der jährlich stattfindenden Radltour des Bayerischen Rundfunks, sondern auch der AOK-Aktion Mit dem Rad zur Arbeit. Diese animiert Berufstätige dazu, in den Sommermonaten für den Weg ins Büro oder die Fabrik auf das Fahrrad umzusteigen. Interesse der bayerischen Wirtschaft an der Vereinbarkeit von Sportlerkarriere und beruflicher Laufbahn Meine Damen und Herren, auch die bayerische Wirtschaft hat ein Interesse daran, dass junge Menschen beides gleichzeitig angehen können: Eine duale Berufsausbildung und eine Sportlerkarriere. Weder das eine noch das andere sollte dabei auf der Strecke bleiben müssen.
6 Warum sehen wir das so? Erstens: Leistungssportler sind wertvolle Mitarbeiter. Sie verfügen in der Regel über viele persönliche Eigenschaften, von denen die Unternehmen profitieren: - Sie sind leistungsorientiert und zeichnen sich durch eine hohe Eigenmotivation aus. - Sie haben gelernt, sich hohe Ziele zu stecken und diese durch kontinuierliche Arbeit zu erreichen. - Sie können mit Drucksituation umgehen. - Sie lassen sich durch Niederlagen und Rückschläge nicht so leicht aus der Bahn werfen. - Viele Sportler bringen zudem eine ausgewiesene Teamfähigkeit mit. Zweitens: Den Unternehmen fehlen Nachwuchskräfte. Zum Ausbildungsstart 2015 blieben in Bayern 10.000 bis 15.000 Ausbildungsplätze unbesetzt, weil die Betriebe keine Azubis finden. Auf jeden Bewerber kamen im August 1,19 Berufsausbildungsstellen.
7 Die aktuelle vbw Studie Arbeitslandschaft 2040 prognostiziert für Bayern zudem bis zum Jahr 2020 eine Fachkräftelücke in Höhe von 230.000 Personen. Vor dem Hintergrund dieses Fachkräftemangels ist es notwendig, alle Potenziale zu nutzen. Kein Talent darf verloren gehen besonders kein Leistungssportler. Wir begrüßen daher das Ziel, mehr Leistungssportler in eine duale Ausbildung zu bringen. Und Drittens: Auch die Wirtschaft hat ein Interesse an Weltklasse-Sportlern Made in Germany. International erfolgreiche Athleten und Teams sind ein Marketing-Aushängeschild für den Standort Deutschland. Beispiele dafür sind - Christian Neureuther und Rosi Mittermeier, - Miriam Vogt, - Magdalena Neuner, - Maria Höfl-Riesch, - Felix Neureuther, - Georg Hackl - und selbstverständlich auch die deutsche Fußball-Nationalmannschaft.
8 Sie machen Deutschland und Bayern in der Welt bekannt und sympathisch. Davon profitiert letztendlich auch der heimische Wirtschaftsstandort. Anmerkungen Zur Idee, einen neuen Ausbildungslehrgang zu schaffen Weil Sportler viele gute Eigenschaften für den Job mitbringen, hat die bayerische Wirtschaft grundsätzlich ein Interesse daran, dass mehr junge Spitzensportler eine duale Berufsausbildung absolvieren und damit ein Fundament legen für die Zeit nach dem Wettkampf und den weiteren Lebensweg. Wir begrüßen die Überlegungen des Bayerischen Ski-Verbands hierzu etwa durch eine stärkere Vernetzung der Sportverbände mit der Wirtschaft. Ob darüber hinaus ein eigenes Ausbildungskonzept für Leistungssportler- und Leistungssportlerinnen notwendig ist, ist aus heutiger Sicht schwer zu beurteilen. In jedem Fall sollte man dabei berücksichtigen, dass das Berufsbildungsgesetz für zeitlich beanspruchte Spitzensportler in der dualen
9 Berufsausbildung bereits heute zwei Optionen bereithält: Sie können entweder eine Teilzeitausbildung machen oder die Ausbildungszeit zu verlängern. Teilzeitausbildung Laut Gesetz kann eine Teilzeitausbildung bei berechtigtem Interesse durchgeführt werden. Dieses kann vorliegen, wenn Auszubildende ein eigens Kind haben oder pflegebedürftige Angehörige betreuen. Auch bei der Ausbildung von Leistungssportlern kann eine Teilzeitausbildung in Betracht kommen. Es stehen dabei zwei verschiedene Modelle zu Auswahl. Beim ersten Modell bleibt die Regelausbildungsdauer unverändert zum Beispiel drei Jahre gemäß Ausbildungsverordnung.
10 Die wöchentliche Arbeits- und Ausbildungszeit beträgt dabei mindestens 25 Wochenstunden inklusive Berufsschulunterricht. Es besteht also weniger Anwesenheitspflicht in den Unternehmen wobei klar ist, dass am Ende für den erfolgreichen Ausbildungsabschluss die gleichen Kenntnisse und Fertigkeiten verlangt werden wie bei jedem anderen Auszubildenden. Beim zweiten Modell wird die Regelausbildungsdauer um maximal ein Jahr verlängert. Gleichzeitig reduziert sich dadurch die wöchentliche Arbeits- bzw. Ausbildungszeit auf mindestens 20 Wochenstunden ebenfalls wieder inklusive Berufsschulunterricht. Verlängerung der Ausbildungszeit Zudem kann gemäß Berufsbildungsgesetz in Ausnahmefällen die zuständige Kammer auf Antrag des Auszubildenden die Ausbildungszeit
11 verlängern auch diese Option ist für Sportler grundsätzlich denkbar. Das heißt: Grundsätzlich gibt es im aktuellen Ausbildungssystem bereits einige Chancen für Spitzensportler. Wir müssen daher zunächst alle miteinander sorgfältig analysieren, wo genau die Probleme beziehungsweise der Bedarf liegt: - Was genau sind die Hindernisse für Leistungssportler, eine duale Berufsausbildung zu absolvieren? - Woran hapert es in der Praxis? - Wie groß ist das Problem mit Spitzensportlern, die es nicht an die Weltspitze geschafft haben und die jetzt ohne Berufsausbildung keine anständige berufliche Perspektive haben?
12 - Gehen dem Sport tatsächlich viele vielversprechende Talente verloren, weil sich diese für die duale Berufsausbildung und gegen eine unsichere Karriere im Spitzensport entscheiden? Die Diskussionsrunde bietet später sicherlich Gelegenheit, diese Fragen zu erörtern. Ich freue mich darauf! In jedem Fall gilt: Wir, die Vereinigung der Bayerischen Wirtschaft, sind offen, an den Gesprächen zu so einem neuen Ausbildungskonzept teilzunehmen. Wir sind an einem Austausch interessiert und bringen uns gerne in eine zu gründende Arbeitsgruppe ein. Vielen Dank!