Seite: 1 1 2 3 4 Die Einheizer Wer ihre Stimme hört, ist fast im Ziel Lou Richter und Rafael Treite sind die Moderatoren des 31. Hamburg Marathons 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14 Wo sind meine Hamburch Gööörls?, brüllt Lou in sein Mikrofon. Mit seinem langen Oberkörper formt er eine Ein- Mann-Laola-Welle, mit der freien Hand deutet er auf vier Mädchen auf der Zielgeraden. Die Läuferinnen, ganz in Pink, reißen die Arme hoch, dann fallen sie sich kichernd um den Hals. Mehr als 42 Kilometer. Sie haben es geschafft. 15 16 17 18 19 20 21 22 23 24 25 26 27 28 29 30 Lou und Rafael sind Einheizer. Sie sind Mutmacher. Sie sind Clowns. Aber vor allem sind sie eines: immer im Mittelpunkt. Knapp zehn Meter vor dem Zielbogen ragt ihr Podest wie eine Insel mitten aus dem knallroten Teppich, der für die Teilnehmer am Ende der Rennstrecke ausgerollt wurde. Von hier haben die Moderatoren alles im Blick. Und im Ohr. Aus den Lautsprechern wummern die Bässe von Culcha Candela. Von der West-Tribüne schallen fiepende Trillerpfeifen herüber, von der Osttribüne Fan-Gesänge für Lena, Lena, Lena!. Trotz dieser Geräuschkulisse ist
Seite: 2 31 32 33 auch das Schnaufen erschöpfter Einlaufender noch zu hören, die rechts und links am Podium vorbeiziehen. 34 35 36 37 38 39 40 41 42 Eine Mäuschenstimme darf man nicht haben, sagt Lou, ohne den Blick von der Laufstrecke abzuwenden, dafür Spaß am Sabbeln! Dann läuft eine junge Frau im Engelskostüm ein, und der Mittfünfziger setzt sofort wieder an: Uh, schickes Outfit! Der Engel ist gebauchpinselt. Das Publikum am Rande johlt. 43 44 45 46 47 48 49 50 51 52 Schon zum sechsten Mal ist Lou die Stimme des Hamburger Marathons. Unter seiner schwarzen Schirmmütze kommt strubbeliges Haar hervor, die Lippen schmal, das Grinsen breit. Er sieht ein bisschen aus wie Otto und so benimmt er sich auch. Die Rollen sind klar verteilt: Lou ist der Witzbold, Rafael streut Fakten ein. 53 54 55 56 57 58 59 60 Non-stop gute Laune, das ist ihr Ziel. Doch die Leichtigkeit trügt. Hinter dem Dauer-Talk steckt eine ordentliche Vorbereitung. Seit fünf Uhr früh ist Rafael wach. Braungebrannt, athletisch und in orangefarbenen Turnschuhen, könnte er locker selbst Teilnehmer sein.
Seite: 3 61 62 63 64 65 66 67 Angemeldet war der 44-Jährige sogar, bevor das Jobangebot kam. Jetzt macht er einen Dauerlauf der anderen Art. Pausen kennt er nicht. Körper und Stimme hält er mit Verbene-Tee fit. Lou bevorzugt alkoholfreies Bier. Und Wasser, viel Wasser. 68 69 70 71 72 73 74 75 76 Vor dem Team, auf dem weißen Plastik- Stehtisch, liegt eine dicke Mappe. Darin zahlreiche Informationen: Der älteste Läufer? Der Brite Graham Brooks, 84. Olympia-Teilnehmer? Zum Beispiel Christiane Rappe, Handbike-Fahrerin. Aus was ist eigentlich ein Handbike? Alu oder Cabon. 77 78 79 80 81 82 83 84 85 86 Eine Woche braucht Rafael im Schnitt für die Vorbereitung. Ich schreibe Spicker, wie in der Schule, gibt er zu. Tricksen muss er vor allem bei den Namen. Einige berühmte Läufer kommen aus dem Ausland, vor allem aus Kenia. Die schreibe ich in Lautschrift auf und feile schon zu Hause an der Aussprache, erklärt der Moderator. 87 88 89 90 Ein weiteres Hilfsmittel ist der Laptop. Im Sekundentakt poppen neue Namen auf dem Läufer-Ticker auf. Auf einen Blick
Seite: 4 91 92 93 94 95 96 97 98 99 100 101 102 103 104 sehen die Moderatoren Namen, Herkunft und Teamzugehörigkeit der Teilnehmer. Kreativität bei der Wahl des Teamnamens belohnen Lou und Rafael mit flotten Sprüchen: Laufen und Meer! Das seit ihr?, ruft Lou und joggt neben einer Damen-Gruppe her, riecht ja gar nicht nach Fisch! Auch Verkleidungen sind eine willkommene Abwechslung zum öden Aufzählen von Namen. Rafael klatscht mit dem Brandenburger Tor ab, während sich Lou doch einen Namen nicht entgehen lassen kann: Und hier kommt Kurt! Ohne Helm und ohne naaa? 105 106 107 108 109 110 111 112 113 114 115 116 Doch nützt die Dauerbeschallung auch? Das hilft enorm, sagt die 20-jährige Läuferin Fredrike gerade am Ende braucht ich viel Motivation. Auch Rentner Franz aus Österreich ist von der Stimmung in der Hansestadt begeistert: Die machen Stimmung wie in New York - das pusht unheimlich! Es ist bereits sein 152. Marathon. Nur die Security- Männer sind genervt: Den ganzen Tag dieselben Sprüche. 117 118 119 120 Acht Stunden aufgedreht und dann? Den Feierabend verbringt Moderator Rafael im Hotel: Das ist wie wenn man Luft aus
Seite: 5 121 122 123 einem Ballon lässt. Dann gönnt er sich auch endlich ein Bier. Alkoholfrei, natürlich.