Untersuchung des Zusammenwirkens von Repräsentation, Perspektive und Interaktion im Computerspiel.



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Transkript:

Fakultät Informatik Institut für Software- und Multimediatechnik Lehrstuhl für Mediengestaltung Untersuchung des Zusammenwirkens von Repräsentation, Perspektive und Interaktion im Computerspiel. Großer Beleg Claus Lehmann Dresden, den 14.05.2010

Selbständigkeitserklärung: Hiermit erkläre ich, Claus Lehmann, dass ich die vorliegende Belegarbeit selbständig verfasst habe. Es wurden keine anderen Quellen und Hilfsmittel, als die angegebenen benutzt. Dresden, den 14.05.2010

Inhalt 1. Einleitung 5 1.1 Zielstellung 6 1.2 Gliederung 6 2. Grundlagen 9 2.1 Allgemeine Begriffe 9 2.2 Begriffe der Computergrafik 11 2.3 Begriffe der Computerspielforschung 16 3. Theorien der Computerspielforschung 19 3.1 Betrachtungsschwerpunkt 19 3.2 Avatare in Computerspielen 19 3.3 Perspektive in Computerspielen 27 3.4 Interaktionen im Computerspielen 32 4. Synthese und Konzeption 37 4.1 Zusammenhang Repräsentation, Interaktion und Perspektive 37 4.2 Konzeption des Plug-Ins 50 5. Praktische Umsetzung 51 5.1 Bildsprache LiveLab 51 5.2 Implementierung des Avatar-Plug-Ins 53 6. Zusammenfassung 61 6.1 Inhalt 61 6.2 Fazit 61 6.3 Ausblick 62 Anhang 63 A. Quellenverzeichnis 63 B. Abbildungsverzeichnis 69 C. Tabellenverzeichnis 71 D. Spieleverzeichnis 72

4

1. Einleitung Das Computerspiel ist noch nicht ganz 50 Jahre alt, wenn man das Spiel Spacewar aus dem Jahre 1961 als erstes Computerspiel betrachtet. Spacewar wurde von einem Studenten auf einem PDP- 1 Mainframe-Computer programmiert. Doch eine wirkliche Verbreitung des Computerspiels fand erst mit dem Zugang zur Computertechnik für jedermann statt. Neben den Spielautomaten wurde im Jahre 1971 mit ODYSSEY von der Firma Magnovox die erste Heimkonsole auf den Markt gebracht. Der erste richtige Durchbruch wurde aber erst im Jahre 1972 mit Ataris Home PONG-Konsole erzielt. Im Jahre 1976 brachte dann Atari mit den VCS/2600 die erste erfolgreiche Mehr-Spiele-Konsole, auf den Markt (vgl. [Neitzel 00]). Danach folgte die Entwicklung der Homecomputer, die keine reinen Spielkonsolen mehr waren. Die ersten Homecomputer als 8-bit Systeme waren der Commodore C64 (1982) und der Atari 800 XL (1993). Mit diesen war es jedem möglich selbst Spiele zu programmieren. Durch die Möglichkeiten, verschiedene Eingabegeräte wie Tastatur oder Joystick zu nutzen, sowie die Möglichkeiten der Verbreitung ihrer Inhalte über Wechseldatenträger (Diskette), entwickelte sich ein enormes Angebot von Computerspielen. Seitdem ging die Entwicklung der Computerspiele einher mit der Entwicklung der Hardware (vgl. [Rumbke 05]). Aufgrund dieser rasanten Entwicklung der Computerhardware, änderte sich auch das Aussehen der Computerspiele, von Spielen mit vorgerenderten Bildern hin zu virtuellen dreidimensionalen Räumen. Die Abbildung 1.1 zeigt das Spiel Prince of Persia (Broderbund Software 1989) aus dem Jahre 1989. Bei diesem gab es bereits den mehrfachen Singlescreen, wenn die Spielfigur den Rand des Bildes verließ, wurde das nächste Bild geladen und angezeigt. 1992 kam dann mit Wolfenstein 3D (Apogee Software/ id Software 1992) (Abbildung 1.2) der erste 1st- Person Shooter heraus, indem der Spieler einen wirklich dreidimensionalen Raum erleben konnte. Bei heutigen Spielen geht die Entwicklung hin zu realistischeren Grafiken und noch besser programmierter künstlicher Intelligenz. Abbildung 1.1: Prince of Persia [@ Prince] Abbildung 1.2: Wolfenstein 3D [@ Wolfenstein 3D] Der schnelle technische Wandel und die hohen Entwicklungskosten der Spiele lassen die Spielehersteller vor neuen Konzepten zurückschrecken. Daher finden sich eher Fortsetzungen von älteren bekannten Spielen wieder, zum Beispiel Die Siedler Teil 1-7, Monkey-Island 1-5, Civilization 1-4. Die Produktion von Folge-Titeln gibt den Spieleentwicklern recht. So ist zum Beispiel Grand Theft Auto IV mit den bisher höchsten Entwicklungskosten von 100 Millionen US-Dollar [@ GTA 4] auch eines der erfolgreichsten Spiele. Es wurde seit dem Release im Dezember 2008 bereits 15 Millionen mal weltweit verkauft. Trotz dieser großen Verbreitung des Mediums, hat die Computerspielforschung noch keinen so hohen Stellenwert. Eine Untersuchung des Computerspiels findet in verschiedenen wissenschaftlichen Bereichen statt. Die verschiedenen Ansätze entstehen aus der Geschichte des Computerspiels, der Untersuchungen der inneren Struktur von Einleitung 5

digitalen Spielen, der Ästhetik, aus kulturellen Gesichtspunkten oder im Zuge der Diskussion des Zusammenhangs von Gewalt und Computerspiel [@ spiel*]. Die Webseite www.gamestudies. org stellt seit dem Jahre 2001 eine Plattform für Forscher im Bereich des Computerspiels zur Verfügung. Das Hauptaugenmerk liegt zwar auch wieder auf dem Bereich der Ästhetik, der Kultur und den kommunikativen Aspekten. Trotzdem werden hier auch andere Veröffentlichungen im Bereich des Computerspiels mit aufgenommen. Was sich aber beobachten lässt ist, dass es schwer, ist einheitliche Modelle zu finden, die bestimmte Abgrenzungen der Spiele untereinander vornehmen und über mehrere wissenschaftliche Bereiche hinweg Bestand haben. Das liegt zum einen daran, dass der Forschungsbereich noch sehr jung ist und zum anderen Computerspiele in verschiedenen Ausprägungen vorliegen. Diese Vielfältigkeit des Mediums macht es schwer das Computerspiel über einzelne bestimmte Parameter zu definieren, wie es im Bereich der Filmwissenschaften der Fall ist. Das Ziel sollte sein, dass Untersuchungen im Bereich der Computerspiele sich auch auf eine technische Ebene bewegen um so gewisse Grundmodelle einzuführen, auf die wiederum aufgebaut werden kann. 1.1 Zielstellung Das Ziel dieser Arbeit ist, ein Modell zu erstellen, das weder die Perspektive noch das Genre des Computerspiels als Hauptkategorie nutzt. Das Modell soll anhand neuer Klassendefinitionen eingeteilt werden, um diesen dann die Perspektiven, die verschiedenen Repräsentationmöglichkeiten des Avatars und die Interaktion zu zuteilen. Für weitere Untersuchungen soll ein Plug-In für die Echtzeitumgebung Bildsprache LiveLab (BiLL) erstellt werden. Anhand des Plug-Ins sollen vor allem später Untersuchungen zur Perspektive in virtuellen Umgebungen möglich sein. Die verschiedenen Perspektiven leiten sich dabei aus dem Theorieteil ab und werden bezüglich des Avatars betrachtet. 1.2 Gliederung Die Arbeit gliedert sich wie folgt. Das Kapitel 2 stellt alle, für die Arbeit wichtigen Begriffe zur Verfügung, (2.1) allgemeine Begriffe, (2.2) Begriffe der Computergrafik und (2.3) Begriffe der Computerspielforschung. Das Kapitel 3 dient zur Analyse bereits bestehender Forschungsansätze im Bereich des Computerspiels und auch anderen Ansätzen im Bereich von virtuellen Welten. In diesem Kapitel erfolgt eine Dreiteilung anhand der Betrachtungsschwerpunkte, eine Erläuterung zur Auswahl der Schwerpunkte findet in (3.1) statt, in (3.2) werden die verschiedenen Formen des Avatars anhand seiner Geschichte erläutert und anschließend seine Eigenschaften definiert. Der Abschnitt (3.3) stellt die möglichen Perspektiven im Computerspiel aufgrund der Ansätze von Wolf, Taylor, Zavesky, Kocher und Rumbke vor. Im letzten Abschnitt (3.4) erfolgt eine Betrachtung der Interaktionsmöglichkeiten. Es werden dabei Ansätze von Rumbke, Grünvogel, Groh, Vaa, Zagel, Mates dargestellt. Im Kapitel 4 wird anhand der in Kapitel 3 untersuchten Ansätze, ein neues Modell zur Beschreibung von Computerspielen vorgestellt. In diesem Modell erfolgt die Einteilung anhand von Avatarklassen. Diesen Klassen werden wiederum die Perspektiven und Interaktionsmöglichkeiten zur Differenzierung zugeordnet. Im Abschnitt 4.2 erfolgt die Konzeption des praktischen Teils. Im Kapitel 5 erfolgt eine Beschreibung der Umsetzung des praktischen Teils in der Echtzeitumgebung Bildsprache LiveLab, dabei wird zuerst in (5.1) auf die Struktur der Echtzeitumgebung eingegangen und dann in (5.2) die Implementierung im Detail vorgestellt, (5.3) zeigt das Zusammenwirken vorhandener Funktionen mit dem Avatar Plug-In. 6 Einleitung

Das sechste und letzte Kapitel rundet die Arbeit mit der Zusammenfassung (6.1) des Inhaltes, sowie einem Fazit (6.2) und dem Ausblick (6.3) auf weitere Arbeiten in diesem Bereich ab. Zur Vollständigkeit findet sich im Anhang, das Quellenverzeichnis (A), Abbildungsverzeichnis (B), Tabellenverzeichnis (C) und das Spieleverzeichnis (D). Einleitung 7

8 Einleitung

2. Grundlagen Dieses Kapitel stellt die grundlegenden Begriffe, die zum Verständnis der weiteren Arbeit nötig sind, bereit. Dabei werden im Abschnitt 2.1 die allgemeinen Begriffe definiert, um diese in ihrem Umfang einzugrenzen. Der Abschnitt 2.2 stellt die verwendeten Begriffe aus der Computergrafik bereit und der Abschnitt 2.3 definiert die Begriffe der Computerspielforschung, wie sie im weiteren Verlauf dieser Arbeit verwendet werden. 2.1 Allgemeine Begriffe Avatar Der Begriff Avatar stammt aus dem Sanskrit und bezeichnet im Hinduismus die herabgestiegene Gottheit in Menschenform. Er beschreibt die Materialsierung einer fiktiven Gestalt. In der Literatur wird der Begriff in dem Cyber-Roman Snowcrash [Stephenson 95] verwendet als die Darstellung des Menschen in der Cyberwelt, was ihm zu seiner heutigen Popularität verhalf (vgl. [Kocher 02]). Bezogen auf die virtuelle Welt, stellt der Avatar die Schnittstelle zwischen dem Spieler und der virtuellen Welt dar. Er ist somit der grafische Stellvertreter des realen Menschen in digitaler Form. Seine heutige Verwendung beschreibt also eine umgekehrte Bedeutung zum ursprünglichen Begriff. Er ist die immaterielle Repräsentation des Menschen in der digitalen Welt. Doch lassen sich nicht alle virtuellen Vertreter mit dem Begriff Avatar, in ihren verschieden Anwendungsbereichen, zusammenfassen. Mela Kocher [Kocher 02] differenziert deswegen den Avatar anhand seiner verschiedenen Kontrollstufen. In der höchsten Kontrollstufe werden die Avatare ausschließlich durch den Benutzer selbst gesteuert, während in der tiefsten Kontrollstufe der Benutzer nur einen Einfluss auf den Avatar bei seiner Erstellung hat. Kontrollstufe Bezeichnung Beispiel Anwendungsbeispiel Hoch Namenbildbasierter Avatar Chat-Avatar, Avatar Spiel-SecondLife, 3D-Internet, Spiele in der klassischen 3rd-Person Perspektive ( Tomb Raider etc.) Mittel Software-Agenten, Bots, Biots Aufgabenorientierter Avatar Verkaufsberater, Hilfe-Systeme, Softwareprogramme Tief Biota, Avatar autonome Staravatare E-Cyas, Kyoko Date Tabelle 2.1: Einteilung der Avatare anhand von Kontrollstufen nach [Kocher 02] Der Avatar in seiner Funktion als Repräsentant im Computerspiel wird später im Kapitel 3.2 noch genauer differenziert. Grundlagen 9

Spiel Der Form nach betrachtet, kann man das Spiel... eine freie Handlung nennen, die als nicht so gemeint und außerhalb des gewöhnlichen Lebens stehend empfunden wird und trotzdem den Spieler völlig in Beschlag nehmen kann, an die kein materielles Interesse geknüpft ist und mit der kein Nutzen erworben wird, die sich innerhalb einer eigens bestimmten Zeit und eines eigens bestimmten Raums vollzieht, die nach bestimmten Regeln ordnungsgemäß verläuft und Gemeinschaftsverbände ins Leben ruft, die ihrerseits sich gern mit einem Geheimnis umgeben oder durch Verkleidung als anders als die gewöhnliche Welt herausheben. [Huizinga 09, S.20] Aus der Definition von Huizinga lassen sich drei wesentliche Aussagen herausnehmen. Erstens: Eine freie Handlung nennen das Spiel beziehungsweise die Spielausführung ist eine freiwillige nicht erzwungene Handlung. Zweitens: Kein materielles Interesse geknüpft ist und mit der kein Nutzen erworben wird hier zeigt sich noch stärker, dass das Spiel eine selbstbestimmte freie Handlung ist und nur dem Zwecke des eigenen Vergnügens dient. Drittens: Eines eigens bestimmten Raum vollzieht, nach bestimmten Regeln ordnungsgemäß verläuft das Spiel benötigt einen gesondert für ihn geschaffenen Raum und ein Regelwerk das die Grenzen und Abläufe der Spieler in diesem Raum ordnet. Computer- und Videospiel Worin besteht der Unterschied zwischen dem Computer- und dem Videospiel? Das Computerspiel ist eine für den PC programmierte Software, während das Videospiel ein Programm ist, das auf einem eigens dafür gebauten Rechner (Konsole) ausgeführt wird. In dieser Arbeit wird stellvertretend der Begriff Computerspiel für alle Formen des digitalen Spiels verwendet. Die Plattform, auf der das Spiel ausgeführt wird, spielt im weiteren Verlauf der Betrachtungen damit keine Rolle. Desweiteren werden im Rahmen dieser Arbeit nicht alle Ausprägungen des Computerspiels betrachtet. Die Bereiche von E-Sport- oder MMO (Multi Massive Online) Spielen und ihren Phänomenen werden nicht mit in die weiterführenden Darlegungen einbezogen. Unter dieser Einschränkung lassen sich die drei Hauptpunkte von Huizinga zur grundlegenden Definition des Computerspiels anwenden. Ein Computerspiel wird zum Vergnügen und freiwillig gespielt, es bringt keinen materiellen Nutzen für die Spieler und es wird ein bestimmter Raum (Spielwelt) benötigt, in dem die Grenzen und Möglichkeiten für den Spieler definiert sind. Doch reicht die grundlegende Definition nicht aus, um das Computerspiel in seiner speziellen Art zu beschreiben. Daher ist die Definition des Spieldesigner Chris Crawford griffiger und dem Medium auch deutlich angepasster. Es ist (1) eine subjektive Repräsentation eines Ausschnitts der Realität, die (2) auf den Spieler reagiert und (3) auf einem Konflikt aufbaut und dem Spieler ein Ziel setzt, dessen Erreichung aber behindert. Der Spieler ist aber (4) vor den Auswirkungen seiner Handlungen innerhalb des Spiels sicher. [Backe 08, S.38-39]. Diese vier Eigenschaften beschreiben recht anschaulich die Unterschiede zu weiteren Unterhaltungsmedien. Das Spiel reagiert auf den Spieler, es findet eine Interaktion statt und dem Spieler wird dabei noch ein Anreiz zur Interaktion über die Spielziele gegeben. Die Spielziele können aber nur unter bestimmten vorgegebenen Eingabemöglichkeiten erreicht werden. Das Erreichen des Spielziels seitens des Spielers wird aber vom Spiel selber, aufgrund vorhandener Hindernisse und Problemstellungen erschwert. Die Handlungen des Spielers beschränkten sich ausschließlich auf den Ausschnitt einer subjektiven Repräsentation der Realität. 10 Grundlagen

2.2 Begriffe der Computergrafik Szenengraph Der Szenengraph ist ein Konzept zum Beschreiben von dreidimensionalen Szenen. Die Datenstruktur wird in einzelne Basiselemente zerlegt, die in einem gerichteten azyklischen Graphen (Baum) angeordnet sind. Der Graph besteht dabei aus Knoten und Kanten, die Knoten repräsentieren die einzelnen Elemente der Szene und die Kanten beschreiben die Relationen der Knoten zueinander. Der oberste Knoten ist der Wurzelknoten (Root) der die komplette Szene beinhaltet. Unterhalb dieses Knotens befinden sich die anderen Knotentypen wie Materialien, Kameras, Beleuchtungen und auch Transformationen (vgl.[fischer & Haberäcker 07]). Der Szenengraph wird bei der Darstellung der Szene von unten nach oben durchlaufen und in eine virtuelle Szene umgewandelt. Dabei haben die Knoten in höheren Hierarchien direkten Einfluss auf ihre Kindknoten. Die Abbildung 2.1 zeigt beispielhaft diese Abhängigkeit der Knoten von einander. Die Transformation wird nur auf die Geometrie der Kugel angewendet, da diese ein Kindknoten der Transformation ist. Die Geometrie des Würfels hingegen liegt auf der gleichen Ebene wie die Transformation, deswegen wird die Transformation nicht auf die diese Geometrie angewendet. Root Kamera Light Group Material Transformation Geometrie (Würfel) Geometrie (Kugel) Abbildung 2.1: Aufbau eines einfachen Szenengraphen OpenSceneGraph Das Framework OpenSceneGraph ist ein open source 3D Grafik Toolkit, welches das Szenengraphkonzept verwendet. Es findet Anwendung in den Bereichen der Erstellung von visuellen Simulationen, Spielen, Virtuellen Realitäten, wissenschaftliche Visualisierungen und Modellen (vgl. [OSG 10]). Grundlagen 11

Koordinatensystem In der Computergrafik wird das kartesische Koordinatensystem verwendet, welches entweder linksorientiert oder rechtsorientiert ist (vgl. [Orlamünder & Mascolus 04]). Die senkrecht aufeinander stehenden Achsen werden mit x, y und z bezeichnet. Der Betrachter (Augenpunkt) sitzt standardmäßig im Koordinatenursprung. Bei OpenSceneGraph (OSG) kommt ein gedrehtes rechtsorientierte Koordinatensystem zum Einsatz, es erfolgt eine Rotation um die x Achse um 90, so dass die z-achse nach oben zeigt (siehe Abbildung 2.3). In Kapitel 5 wird bei der Erläuterung der praktischen Umsetzung von dem OSG Koordinatensystem ausgegangen. Im restlichen Teil der Arbeit wird das einfache rechtsorientierte Koordinatensystem benutzt. y z y x x z Abbildung 2.2: rechtsorientiertes Koordinatensystem Abbildung 2.3: Koordinatensystem OSG Virtuelle Kamera Zur Abbildung von virtuellen Szenen wird das virtuelle Kameramodell in der Computergraphik genutzt. Dabei gibt es verschiedene Abbildungsvorschriften, diese bestimmen wie die einzelnen Objekte der Szene auf die Bildebene projiziert werden. Die virtuelle Kamera ist im Weltkoordinatensystem (Abbildung 2.4) definiert, durch ihre Position, Orientierung und Blickrichtung. Dabei wird über weitere Parameter der Kamera ein Sichtkörper definiert, nur in diesem befindlichen Objekte werden abgebildet. Der Sichtkörper kann auf verschiedene Weise definiert werden. Einmal über den fovy (Öffnungswinkel) der Kamera, über die aspect ratio (Seitenverhältnis: berchnet aus Breite w und Höhe h) und den Abstand der near und far clipping plane zur Kameraposition, die andere Definition erfolgt über die seitlichen Grenzen des Sichtkörpers (left, bottom, top, right) und den Abstand der near und far clipping plane (siehe Abbildung 2.5 und Abbildung 2.6). 12 Grundlagen

up vector center vector eye vector Koordinatenursprung Abbildung 2,4: Definition der Position der virtuellen Kamera Aspect = w/h top w left fovy h right bottom near far near far Abbildung 2.5: Definition des View Frustums der virtuellen Kamera über aspect ratio, fovy, near und far clipping plane. Abbildung 2.6: Definition des View Frustums der virtuellen Kammera über left, bottom, top, right, near und far clipping plane. Projektionen Die Projektionen dienen der Abbildung der dreidimensionalen Szenen auf die ebene zweidimensionale Darstellungsfläche des Bildschirms (Viewport). Die planaren Projektionen lassen sich in Parallel- und Perspektivprojektionen unterteilen. Planare Projektion Parallelprojektion Perspektivprojektion orthografische Projektion schiefe Projektion stereoskopische Projektion Zentralprojektion orthogonale Projektion axonometrische Projektion Kavalierperspektive Kabinettperspektive Hauptrisse isometrische Projektion dimetrische Projektion trimetrische Projektion Abbildung 2.7: Einteilung der verschiedenen Projektionen nach [Orlaamünder & Mascolus 04, S.215] Grundlagen 13

Parallelprojektion Bei der Parallelprojektion entsteht die Abbildung an der Stelle, an der die parallel verlaufenden Projektionsstrahlen die Projektionsebene schneiden. A D A D B B E E C C F F Bildebene Abbildung 2.8: Parallelprojektion Eine häufige Anwendung findet die orthogonale Parallelprojektion, bei der die Projektionsstrahlen im rechten Winkel auf die Projektionsebene treffen. Um mit Hilfe der Parallelprojektion trotzdem einen räumlichen Eindruck zu erzeugen, bedient man sich der axonometrischen Darstellung. Diese Wiedergabe ist eine parallelperspektivische Darstellung, wobei man unter der isometrischen Axonomie (Abbildung 2.8), der dimetrischen Axonomie (Abbildung 2.9), der Planometrischen- Projektion (Abbildung 2.10) und der Kabinett-Projektion (Abbildung 2.11) unterscheidet. y y z x x z Abbildung 2.9: isometrische Axonomie Abbildung 2.10: dimetrische Axonomie Winkel 30 /30, Seitenverhältnis 1:1 Winkel 7 /42, Seitenverhältnis 1:2 y y z x x z Abbildung 2.11: Planometrische-Projektion Abbildung 2.12: Kabinett-Projektion Winkel 45 /45, Seitenverhältnis 1:1 Winkel 0 /45, Seitenverhältnis 1:2 14 Grundlagen

Zentralprojektion Bei der Zentralprojektion gehen die Projektionsstrahlen von einem Projektionszentrum aus. Die Abbildung entsteht im Schnittpunkt der Projektionsstrahlen mit der Bildebene. A D B A D E E B Projektionszentrum C C F F Bildebene Abbildung 2.13: Zentralprojektion Transformationen Die Translation ist die Verschiebung eines Punktes über einen Translationsvektor. Die Translation des Punktes erfolgt durch die Multiplikation mit dem Translationsvektor. Translationsgleichung im homogenen Koordinatensystem x' y' z' 1 0 0 tх = 0 1 0 ty * 0 0 1 tz x y z 1 0 0 0 1 1 Die Rotation ist um die Koordinatenachsen x, y, z definiert. Die Rotation wird über Rotationsmatrizen beschrieben, wobei es für jede Rotationsachse eine eigene Matrize gibt. Die Rotation des Punktes erfolgt durch die Multiplikation mit der jeweiligen Rotationsmatrix. Rotation x 1 0 0 0 0 0 0 cos(α) -sin(α) 0 sin(α) cos(α) 0 0 0 1 Rotation y cos(α) 0 -sin(α) 0 0 sin(α) 0 1 0 0 0 cos(α) 0 0 0 1 Rotation z cos(α) -sin(α) 0 0 sin(α) cos(α) 0 0 0 0 0 0 1 0 0 1 Grundlagen 15

2.3 Begriffe der Computerspielforschung Perspektiven im Computerspiel Die Perspektive des Computerspiels definiert den Point-of-View, durch welchen der Spieler in die Spielwelt blickt. Als die klassischen Perspektiven des Computerspiels werden die 1st-Person, 3rd- Person, verfolgende 3rd-Person, God View (overhead, top down) und die ¾ Isometrie bezeichnet (vgl.[taylor 02]). Für eine genauere Ausführung der Perspektiven sei auf das Kapitel 3.3 verwiesen. Navigationsmöglichkeiten Unter der Navigation versteht man die Bewegung innerhalb der virtuellen Welt. Es wird zwischen der travel technique und dem way-finding unterschieden. Bei way-finding ist eher der Aspekt gemeint, wie man von Punkt A nach Punkt B gelangt. Unter travel wird die Fortbewegung im Allgemeinen verstanden (vgl. [Brill 09]). Die Exploration, das Erkunden der virtuellen Welt, kommt eher dem way-finding gleich, wobei natürlich die Möglichkeiten durch die vorhandenen travel technique eingeschränkt sind. Der Benutzer ist beim Erkunden durch die vordefinierten Grenzen und Regeln der virtuellen Welt beschränkt. Handlungsmöglichkeiten - Capacity Mit dem Begriff der Handlungsmöglichkeit ist das Interagieren des Benutzers mit der internen Spiele-Umgebung gemeint. Die Möglichkeiten sind durch die Regeln des Spielmodelles vorgegeben, dadurch sind sie sehr stark abhängig von der Erzählstruktur des Computerspiels. Die Handlungsmöglichkeiten stellen die Varianten dar, in welchem der Spieler mit anderen Gegenständen interagieren oder diese manipulieren kann. Die Capacity beschreibt dabei den Umfang der Möglichkeiten, die der Spieler besitzt, um andere Elemente zu beeinflussen. Diese ist jedoch an den Ort der Einflussnahme gebunden, somit an das vom Spieler durch physische Eingabe manipulierte Objekt (vgl. [Rumbke 06]). Living Map Für den weiteren Verlauf der Arbeit wird der Begriff Living Map von Rumbke übernommen. Die zugrundeliegenden lebenden Einheiten, die im Spiel nur logisch existieren, werden zusammenfassend durch andere lebende Einheiten ikonografisch repräsentiert; die Ansicht zeigt eine relativ detaillierte Spielwelt - als Abstraktion einer zugrundeliegenden weit detaillierteren Ebene. Ich nenne diese Ansicht daher Living Map, auch wenn Sim City den Kartencharakter derart betont, dass die hier verwendete Form der Repräsentation nicht wirklich kohärent wirkt. Mit Dune II erreicht die Living Map im Jahr 1993 schließlich ihre endgültige Ausführung (Vgl. II.9.14), die sie eindeutiger von der einfachen Kartenansicht unterscheidet. [Rumbke 05, S.156] Diese Definition findet eine Antwort aus dem reinen Kartencharakter, es gibt eine zweite Ebene die noch lebende Einheiten aufweist. Also auch solche die durch den Spieler selbst steuerbar sind. Ich möchte diesen Begriff eher dahingehend benutzen, dass der Spieler aktiv durch Einheiten auf der Karte handeln kann und zudem auch Spiele einschließt, die ganzheitlich durch Karten repräsentiert werden, wiezum Beispiel im Spiel Sim City (Infogrames/ Maxis 1989). 16 Grundlagen

Diegese Die Diegese ist ein analytischer Begriff der Erzähltheorie. Die Aufmerksamkeit wird auf den Sachverhalt gelenkt, ob etwas innerhalb oder außerhalb von der erzählten Welt ist. Der diegetische Erzähler ist dabei auf zwei Ebenen präsent. Innerhalb der erzählten Geschichte als erlebendes Ich und außerhalb als Erzähler (vgl. [Schmid 08]). Als diegetische Welt wird hier die virtuell dargestellte Welt mit ihren festgelegten Grenzen und Regeln bezeichnet. Angewandt auf die Interaktionen auf die diegetischen Welt wird beschrieben, ob der Spieler innerhalb dieser intradiegetisch oder von außerhalb, extradiegetisch interagiert. Im Bereich der Perspektive wird unterschieden, ob die virtuelle Kamera innerhalb oder außerhalb der diegetischen Welt verankert ist (vgl. [Rumbke 06]). Grundlagen 17

18 Grundlagen

3. Theorien der Computerspielforschung In diesem Kapitel werden vorhandene Theorien der Computerspielforschung erläutert und verknüpft. Da es verschiedene Ansätze zur Untersuchung im Bereich der Computerspiele gibt, werden in Abschnitt 3.1 die Betrachtungsschwerpunkte erläutert. In Abschnitt 3.2 wird eine Definition des Avatars erstellt und seine Entwicklung anhand der Geschichte des Computerspieles betrachtet. Nachfolgend werden die Ansätze der Forschung im Bereich der Perspektive (Abschnitt 3.3) und der Interaktionsmöglichkeiten (Abschnitt 3.4) gezeigt. 3.1 Betrachtungsschwerpunkt Die Betrachtungsschwerpunkte liegen allgemein in der technischen Analyse des Avatars. Wie kann man einen Avatar charakterisieren und welche Eigenschaften sind nötig um von einem Avatar sprechen zu können? Wie verhält sich die Sicht des Spielers in die virtuelle Welt und welche Perspektiven lassen sich daraus ableiten? Welche Handlungsmöglichkeiten ergeben sich aus diesen Perspektiven, wo befindet sich der Punkt des Handelns in der virtuellen Welt? Der Schwerpunkt der Untersuchungen liegt auf diesen drei Kernpunkten, die sich einander bedingen. Es werden ausgewählte Theorien untersucht in Bezug auf das Kapitel 4, in welchem diese zur Neugliederung der Avatarklassen genutzt werden. Weitere Betrachtungen, wie die narratologischen oder ludologischen Ansätze (vgl. [Günzel 09]), werden nicht detailliert betrachtet. Es wird außerdem kein Bezug zur Hardware genommen, auch nicht zu verschieden Eingabegeräten. Es findet keine Untersuchung von Interfacekonzepten in Bezug zur Navigation statt. Zuletzt sei die Immersion und der Flow-Effekt genannt, es gibt in dieser Arbeit keine Aussagen, ob und wie bestimmte Darstellungen und Interaktionen den Flow-Effekt unterstützen oder die Immersion erhöhen. 3.2 Avatare in Computerspielen Die Geschichte des Avatars Spacewar wurde am Massachusetts Institute of Technology (MIT 1962) von Stephan Russell an einer PDP1 [@ PDP1 Plays at Spacewar 07] programmiert. Dabei bietet Spacewar erstmals Icons an, die direkt auf externe Eingaben reagieren und dadurch als die ersten Avatare bezeichnet werden. Sie wurden als Raumschiff Icons dargestellt. Aufgrund ihrer Form erhielten sie später den Namen Needle (Nadel) und Wedge (Keil). Diese Raumschiffe stellen also die ersten digitalen Repräsentanten in der virtuellen Welt da. Theorien der Computerspielforschung 19

Abbildung 3.1: Spacewar [@ Spacewar] Als nächstes Spiel ist das Textadventure Zork (MIT 1977) zu erwähnen. Zork ist der Nachfolger des ersten Textadventures Adventure. Alle Räume und Ereignisse, die in Zork stattfinden, werden über einen Befehlsinterpreter beschrieben. Die Interaktion findet über diesen Interpreter statt, es gibt keine graphische Darstellung. Aus diesem Grund spricht man in Zork (und den anderen Textadventures) vom Avatar als YOU. Eigentlich ist der Interpreter in diesem Fall die Schnittstelle zur virtuellen Welt und müsste daher als Avatar bezeichnet werden. Doch durch die persönliche Ansprache im Text ( YOU ), wird der Spieler direkt mit in die Spielwelt einbezogen und kann selbst als Repräsentant bezeichnet werden. Der Spieler stellt in diesem Fall die Repräsentation des Avatars. Abbildung 3.2: Zork [@ Zork] Als den ersten organischen Avatar kann man Pac-Man bezeichnen, aus dem gleichnamigen Spiel Pac-Man (Atari/ Namco Limited 1981). Hier wurde im Gegensatz zu den bisherigen Spielen ein Wechsel vollzogen. Von der Darstellung des Avatars als ein mechanisches Symbol, meist in Form einer Waffe oder eines Raumschiffes, hin zu einer organischeren Form. Pac-Man wird anhand einer gelblichen runden Form dargestellt und bekommt zusätzlich noch eine spielrelevante Fähigkeit (Fressen) zugeteilt. Vor allem diese Fähigkeit, die Pac-Man unermüdlich ausführt, gibt ihm menschliche Züge. Der Spieler kann sich daher eher über diese Eigenschaft mit ihm, wenn auch auf sehr abstrakter Ebene, identifizieren. 20 Theorien der Computerspielforschung

Abbildung 3.3: PacMan [@PacMan] In BattleZone (Atari 1983) wurde die Perspektive, mit welcher der Spieler in den Spielraum schaut, geändert. Der Spieler hat keinen omnipräsenten Blickpunkt auf die Spielwelt mehr, sondern einen lokalisierten Blick in die Spielwelt. Dem Spieler wird simuliert, dass er in einem Panzer sitzt und aus diesem in die Spielwelt blickt. Dies geschieht zum einen durch Geräusche und zum anderen durch externe Spielelemente, wie den Radarschirm zur Lokalisierung der Feinde. Für die Orientierung in der Spielwelt gibt es ein Fadenkreuz, welches ein visuelles Feedback auf die physischen Eingaben des Spielers gibt. Das Fadenkreuz ist die visuelle Repräsentation des Spielers im Spiel und stellt in diesem Fall den Avatar dar. Besser kann man von einer Ersatzrepräsentation des Avatars sprechen, die durch das Fadenkreuz angezeigt wird. BattleZone begründet mit dieser Art des Blickpunktes in die Spielwelt die 1st-Person Perspektive des Computerspiels, wie sie auch heute noch in vielen Spielen genutzt wird. Abbildung 3.4: BattleZone [@ BattleZone] Theorien der Computerspielforschung 21

In Donkey Kong (Nintendo/1982) erfolgte mit dem Protagonisten des Klempners Mario eine menschliche Darstellung. Zwar war die Darstellung aufgrund der damaligen Computertechnik sehr pixelhaft und eher im Comicstil, doch besaß der Avatar Mario eine menschen-ähnliche Darstellung (Körper mit Kopf, Armen und Beinen). Diese wurde durch seine Fähigkeit des Laufens, Kletterns und Springens weiter verstärkt. Hinzu kommt bei Donkey Kong noch das allzu menschliche Spielziel, indem Mario seine Freundin aus den Klauen von Donkey Kong befreien muss. Durch diese Eigenschaften kann man bei Donkey Kong vom ersten Avatar mit menschlicher Darstellung und menschlichen Charakterzügen sprechen. Abbildung 3.5: Donkey Kong [@ Donkey] Das Spiel Tetris wurde von dem russischen Wissenschaftler Alexey Pajitnov im Jahre 1984 auf einer Electronica 60 entwickelt (vgl. [@ The History of Tetris 10]. Tetris stellt im Bezug auf das Auftreten von Avataren eine gesonderte Rolle dar. Betrachtet man die Interaktionselemente im Spiel, welche hier durch die Steine dargestellt werden, die in bestimmter Art und Weise angeordnet werden müssen, können diese als Avatare bezeichnet werden. Der Widerspruch ergibt sich in Tetris durch das Fehlen einer Spielwelt und Spielumgebung. Es besteht ausschließlich aus einem leeren Raum, der erst durch die Interaktionselemente zu einem Spielraum umgestaltet wird. Sobald die ersten Steine an der Oberfläche verankert sind entsteht die Umgebung, mit der man als Spieler im weiteren Spielverlauf interagieren muss. Zur Beschreibung des Interaktionselementes lässt sich besser der Begriff von [Zavesky 10] des Spielsteines verwenden, als die Bezeichnung des Avatars. 22 Theorien der Computerspielforschung

Abbildung 3.6: Tetris [@ Tetris] Civilization 1 (MicroProse/ 1991) ist ein runden-basiertes Strategiespiel, wobei der Spieler eine Zivilisation von ihren Ursprüngen in der Steinzeit bis in die Neuzeit führen muss. Dabei stehen dem Spieler zur Interaktion eine Weltkarte und diverse Menüs zur Verfügung. Als Interaktionselement wird die Maus eingesetzt. In diesem Fall stellt der Mauszeiger die Schnittstelle zwischen realer Eingabe und virtueller Umsetzung dar. Wobei nicht der Mauszeiger selber der Punkt des visuellen Feedbacks ist, wie das zum Beispiel bei Mario in Donkey Kong der Fall ist. Deswegen wird der Cursor an sich dem Begriff Avatar nicht ganz gerecht. Außerdem gibt es in Civilization noch weitere manipulierbare Einheiten, die durch direkte Steuerung über die Karte bewegt werden können. Die Einheiten zeigen zudem ein direktes visuelles Feedback auf physische Eingaben und werden in diesem konkreten Moment dem Begriff Avatar noch eher gerecht. Bei ihnen findet die Begrenzung darin statt, dass sie nur zu bestimmten Zeitpunkten des Spieles aktiv sind und nicht über den kompletten Funktionsumfang verfügen. Die Beschreibung des Avatars als virtuellen Finger (vgl. [Zavesky 10]) würde dem Cursor vom Namen her eher gerecht werden. Abbildung 3.7: Civilization 1 [@ Civ1] Theorien der Computerspielforschung 23

In The Secret of Monkey Island (Softgold/ Lucasfilm Games 1990) steuert man den Protagonisten Guybrush über die Insel Monkey Island. Die Interaktion erfolgt über ein Point & Click Interface. Der Spieler steuert Guybrush mit Hilfe der Maus und einer Befehlspalette. Hier ist die Maus zwar das Interaktionselement, welches die physische Eingabe in die virtuelle Welt transportiert, aber das visuelle Feedback wird von der Figur Guybrush erzeugt. Auch ist Gruybush der Handelnde in der Spielwelt. Visuell betrachtet, gehen von ihm die Interaktionen mit den anderen Spielelementen aus. Die Darstellung wird dem Menschen nachempfunden, genau wie seine Fähigkeiten des Handelns. Gruybush kann als klassisches Beispiel eines Avatars betrachtet werden. Abbildung 3.8: The Secret of Monkey Island [@ Monkey 1] Quake ( id Software / 1996) gehört zum Genre der EgoShooter. Es findet in diesem Bereich der Spiele keine komplette körperliche Darstellung des Handelnden statt. In Quake speziell erfolgt die visuelle Darstellung durch eine Waffe. Diese Darstellung erzeugt das visuelle Feedback auf die Eingabe des Benutzers. Sie ist die Repräsentation des Avatars. Geht man von der rein bildlichen Betrachtung weg, kann eher die virtuelle Kamera, als Schnittstelle zur Spielwelt gesehen werden. Dem Spieler wird durch den physischen Charakter der Kamera ein nicht komplett visuell auftretender Avatar fingiert. Der physische Charakter besteht aus den hörbaren Schritten bei der Bewegung, einer Kollisionserkennung mit anderen Gegenständen (Wände), Gravitation etc. und einer verschwommen Darstellung, erzeugt durch die virtuelle Kamera, bei der Verwundung des physischen Charakters. Der Avatar findet in seiner bildlichen Darstellung über eine visuelle Ersatzrepräsentation in Form einer Waffe statt. 24 Theorien der Computerspielforschung

Abbildung 3.9: Quake [@ Quake] Die Sims (EA Games/ 2000) ist ein Simulationsspiel, in dem es kein konkretes vordefiniertes Spielziel gibt. Die Aufgabe des Spielers besteht darin, eine oder mehrere virtuelle Figuren durch ihr Leben zu begleiten. Dabei ist das Spiel eine Abbildung des realen Lebens. Die Fähigkeiten der Avatare sind dem realen Leben nachempfunden und die Darstellung der Avatare dem Menschen. In diesem Beispiel trifft der Begriff Avatar als solcher auf die Spielfiguren zu. Da auch der Spielinhalt dem realen Leben nachempfunden ist, findet nicht nur mit der Spielfigur sondern auch mit der Spielumgebung eine Abbildung der Realität statt und verstärkt so den Eindruck des persönlichen virtuellen Repräsentanten innerhalb der virtuellen Welt. Abbildung 3.10: Die Sims [@ Sims] Theorien der Computerspielforschung 25

Definitionen des Avatars Welche Definitionen lassen sich über den Begriffe Avatar im Bereich des Computerspiels finden? Die wesentlichste Beziehung im Spiel ist die zwischen dem menschlichen Spieler und dem repräsentierten Avatar. Es sind nicht die Beziehungen zwischen Avatar und Umgebung oder zwischen Hauptfigur und Gegner (vgl. [Wolf 03]). Welche Beziehung besitzt der Spieler zum Avatar, was verbindet die beiden Punkte miteinander? Nähert man sich zuerst über die bildliche Darstellung an die Beziehung heran, kann man verschiedene Ausprägungen des Avatars feststellen. Hier nochmal eine kurze Liste von Spielen mit einem Protagonisten (Avatar): Space Invaders (Raumschiff), PacMan (gelber Mund), Donkey Kong (Klempner Mario), Monkey Island (Gruybush). Was lässt sich nun aber als Avatar bezeichnen wenn, es keine konkrete einheitliche visuelle Repräsentation gibt? In zahlreichen Autorennsimulationen tritt der virtuelle Fahrer nie in Erscheinung, ist evt. noch nicht einmal teilweise zu sehen, so dass die Frage berechtigt ist, ob es in diesen Spielen einen Avatar gibt. Einerseits erscheint es logisch, von der Existenz eines virtuellen Fahrers auszugehen, wenn die Spielwelt analog zur Realität funktioniert. Andererseits lässt sich ebenso gut argumentieren, dass der Spieler das Fahrzeug unmittelbar und direkt steuert, also letztlich das Auto selbst der Avatar ist. [Backe 08, S.331] Backe zeigt mit seiner Ausführung von Autorennsimulationen, dass es aufgrund der fehlenden bildlichen Darstellung einen großen Interpretationsspielraum gibt. Der außerhalb der Spielwelt angelegte Vertreter des Spielers kann die verschiedenen Ausprägungen annehmen und wird demnach subjektiv von jedem Spieler selbst erschaffen. Es kann in keiner Form der Darstellung des Avatars einen perfekten Spiegel geben, es kann immer nur eine Annäherung an den Spieler erfolgen. Wenn man nun vom Avatar als Abbild ausgeht und nur eine Ähnlichkeit zur körperlichen Realität besteht, und nicht zur perfekten Repräsentation des Erscheinungsbildes, drängt sich somit eher die Kontrolle des Avatars in den Vordergrund (vgl. [Wolf 03]). The problem faced by of a more thorough discussion of identification in computer games is that computer games have very different protagonists/actants, and that some games do not even have a central character to control. [Juul 99, S.45] Jesper Juul wirft genau diese Frage auf mit dem Punkt, dass man nicht von dem einen allgemeinen zentralen Charakter der Interaktion sprechen kann. Sollte sich in einem Computerspiel eine Relation zwischen dem Spieler und einer Art der Repräsentation, einem virtuellen Objekt, finden und dieses durch den Spieler in der virtuellen Welt navigierbar sein, dann kann man auf dieses den Begriff Avatar anwenden. Der Avatar muss nur die Funktion als Schnittstelle zwischen dem Spieler und dem virtuellen Raum ausüben, damit in diesem ein Interagieren möglich wird (vgl. [Dünne 04]). Der Avatar ist das Element mit den variabelsten Bewegungsmöglichkeiten und der größten Capacity. Er ist die visuelle Repräsentation des Cursors (Vgl. II.3) für den Spieler und als solcher hängen seine Behaviours unmittelbar von den Steuerungsmaßnahmen des Spielers ab. [ Rumbke 06, S.46] In dieser Betrachtung wird der Avatar als Mittelpunkt aller Interaktionen gesehen. Er besitzt das größte Spektrum von Navigations- und Handlungsmöglichkeiten und diese werden nur durch die physische Eingabe des Spielers kontrolliert. Dadurch wird der Avatar gegenüber allen anderen interaktiven Spielelementen klar abgegrenzt, da es nur ein Element mit der größten Capacity geben kann oder man findet eine bestimmte Anzahl von spielbaren Avataren in einem Computer- 26 Theorien der Computerspielforschung

spiel, die diese Eigenschaft besitzen. Als Beispiel sei das Spiel Heros of Might and Magic IV (3DO Europe / New World Computing 2002) genannt, bei dem der Spieler verschiedene Helden besitzt und diese unabhängig voneinander steuern kann. Was für Fähigkeiten eines Avatars lassen sich nun ableiten? 1. Der Avatar ist Spieler, Identifikation und virtueller Repräsentant. 2. Er wird durch ein physisches Interface kontrolliert. 3. Liefert ein visuelles Feedback auf die Eingaben des Benutzers. 4. Stellt den variabelsten Punkt der Interaktion innerhalb der virtuellen Welt. Zusammenfassend lässt sich die Beziehung zwischen dem Spieler und dem Avatar wie folgt darstellen: der Avatar erscheint anstelle des Spielers auf dem Bildschirm, der Avatar ist dabei Symbol und Inhalt zugleich. Sein Verhalten ist an den Spieler durch ein Interface (Maus, Joystick, Tastatur) geknüpft. Darunter fallen seine wirklichen Bewegungen und seine figürlichen Triumphe und Niederlagen als Resultat der Spieler- Aktionen (vgl. [Wolf 03]). 3.3 Perspektive in Computerspielen Betrachtet man die Perspektive im Computerspiel, sollte eine nähere Untersuchung zunächst der virtuellen Kamera gelten. Welche Projektionsart wird angewendet, wie ist der Bildausschnitt definiert, und welche Repräsentation des virtuellen Raumes findet satt? Die virtuelle Kamera wird durch ihre Position, Orientierung und Blickrichtung innerhalb einer virtuellen Szene definiert. Der Bildausschnitt ergibt sich über die Definition des View Frustums der virtuellen Kamera, was über zwei verschiedene Art und Weisen geschehen kann (vgl. Abschnitt 2.2) und die Projektionsart, Orthogonale- oder Zentralprojektion. Die Formen der Repräsentation des Raumes innerhalb des Computerspiels findet man bei Wolf [Wolf 07]. Dieser führt die Einteilung des Raumes wie folgt auf: - No visual space - all text-based - One Screen, contained - One Screen contained, with wraparound - Scrolling on one axis - Scrolling on two axis - Adjacent spaces displayed one at a time - Spaces allowing z-axis movement into and out of the frame - Multiple, nonadjacent spaces displayed on-screen simultaneously - Interactive three-dimensional environment - Represented or mapped spaces. Viele dieser Darstellungen beziehen sich allerdings auf eher ältere Computerspiele. Interessant für die folgenden Betrachtungen sind demnach nur Interactive three-dimensional environment und Represented or mapped space. Interactive three-dimensional environment stellt sich in den heutigen Spielen als Raumpräsentation dar, in der ein ungebrochenes Entdecken möglich ist. Dieser wird gewöhnlich in der 1-st Person Sicht präsentiert und bietet die Möglichkeit der Echtzeit Navigation. Im weiteren Verlauf der Arbeit wird diese Raumrepräsentation unter dem Begriff des virtuellen dreidimensionalen Raumes genutzt. Den Represented or mapped spaces beschreibt Wolf eher als off-screen Bereich, welcher in vielen Spielen anhand von kleinen Karten präsentiert wird, in denen off-screen Ereignisse angezeigt werden. Es gibt aber auch Spiele, die wiederum vollkommen Theorien der Computerspielforschung 27

auf Karten basieren. Diese gänzliche Kartendarstellung als räumliche Repräsentation, definiert Rumbke [Rumbke 05] als Living Map (vgl. Abschnitt 2.3 Living Map). Die optische Perspektive aus der Computerspiele gespielt werden, ist jedoch abhängig von der Repräsentation des virtuellen Raumes und des genutzten physischen Interfaces. Die Perspektive des Computerspiels wird durch den Point of View definiert, mittels welchen der Spieler mit dem gesamten Spielraum und der internen Spielumgebung interagiert. Die am häufigsten verwendeten Point-of-Views sind: 1st-Person (Abbildung 3.11), 3rd-Person (Abbildung 3.12), 3rd-Person trailling, Overhead oder Top-down (Abbildung 3.13) (God View) (vgl.[taylor 02]). Abbildung 3.11: Fallout 3 [@ Fallout 3] Abbildung 3.12: Grand Theft Auto IV [@ GTA IV] Abbildung 3.13: 1503 A.D.: The New World [@ 1503] 28 Theorien der Computerspielforschung

Die 1st-Person Perspektive ist eine direkte Sicht in die virtuelle Welt. Der Spieler schaut direkt durch die Augen des nicht visuell repräsentierten Avatars. Der Raum ist dabei als interaktiver dreidimensionaler Raum repräsentiert. Das Interface besteht aus einer Kombination von Maus und Tastatur, wobei die Maus den Blick steuert und die Tastatureingaben die Bewegung. Die 3rd-Person Perspektive ist auf den Avatar ausgerichtet, der Avatar ist vollständig visuell repräsentiert. In der klassischen 3rd-Person Perspektive wird der Avatar durch eine seitliche Ansicht dargestellt. 3rd-Person trailing ( Follow Cam ), ist auf Kopfhöhe hinter dem visuell dargestellten Avatar verankert. Sie folgt dem Avatar in immer gleichem Abstand. Der Raum stellt sich hier wieder als interaktiver dreidimensionaler Raum dar. Die Steuerung erfolgt ebenfalls über die Tastatur und die Maus. Overhead or topdown wird auch in den meisten Fällen als God View oder God Eye bezeichnet, die Kamera schaut von oben auf die Spielwelt und verschafft dem Spieler so einen guten Überblick über das gesamte Spielgeschehen. Meist ist die Ansicht mit der isometrischen Projektion verknüpft, da durch diese eine noch bessere Übersicht entsteht. In dieser Darstellung kommt als Raumrepräsentation die Living Map zum Einsatz. Die Steuerung erfolgt fast immer über die Maus. Eine detailliertere Einteilung der drei Hauptperspektiven findet sich bei [Zavesky 10], der in Bezug auf das Menschmodell in der 3D-Projektion von (An-)Sichten ausgeht. Da seine Betrachtungen auf der Basis des Menschmodells, basieren werden nur die 1st- Person und die 3rd-Person Perspektiven genauer betrachtet. Die 1st-Person Ansicht unterteilt sich in zwei Unteransichten. Einmal der reine Blick in die Szene, so wie es im Spiel Myst (Cyan Worlds / 1993) Anwendung findet und zum zweiten den Blick auf sich selbst. Dieser erfolgt anhand einer Ersatzrepräsentation. Am häufigsten zeigt sich die Darstellung des Blickes auf sich selbst beim Genre des Ego- Shooters, dementsprechend erfolgt die bildliche Darstellung der Ersatzrepräsentation meist durch eine Bewaffnete Hand. Die 3rd-Person Perspektive gliedert sich in drei verschiedene Ansichten. Erstens die Ansicht auf Sichtniveau: die virtuelle Kamera ist dabei auf den Avatar ausgerichtet und direkt hinter diesem platziert. Die Kamera ist somit auf gleicher Sichthöhe wie der Avatar, der Spieler sieht leicht nach hinten versetzt, das gleiche wie der Avatar. Im Spiel Max Payne (Rockstar/ 2001) wird beispielsweise diese Ansicht verwendet, die Kamera schaut über die Schulter des Avatars in die aktuelle Szene. Die zweite Ansicht kennzeichnet die Exzentrische Sicht: die Kamera wird in dieser Ansicht in Bezug auf den Avatar erhöht platziert. Dadurch blickt der Spieler von schräg oben auf die Spielwelt herab. Die Kamera wird auf den Avatar ausgerichtet, dieser ist meist bildmittig platziert. Das Spiel Black & White (Electronic Arts 2001) verwendet diese Ansicht. Die Repräsentation erfolgt hier durch die Hand Gottes. Die dritte Darstellung bezeichnet die Isometrische Ansicht: die Kamera ist auch hier erhöht platziert, dazu werden aber noch die x- und z-achse um 30 gedreht (vgl. Abbildung 2.8). Es entsteht dadurch eine bessere Übersichtlichkeit über die virtuelle Welt. Die Ausrichtung der Kamera erfolgt indes nicht mehr unbedingt auf den Avatar. In dem Spiel Die Sims (EA Games 2000) wird diese Sicht verwendet. Die isometrische Sicht erhöht zusätzlich zur Positionierung der Kamera die Übersichtlichkeit, so dass der Spieler immer einen Überblick über die gesamte aktive Spielwelt hat. Die Kamera ist demzufolge auch nicht direkt auf den Avatar ausgerichtet und nicht an diesen gebunden. Bei Diablo II (Blizzard 2000) hingegen erfolgt zur isometrischen Ansicht dennoch eine feste Bindung und Ausrichtung der Kamera an den Avatar, da dieser den Mittelpunkt des Spieles bildet. Eine andere Herangehensweise an die Unterteilung der Perspektive findet sich bei Kocher [Kocher 07]. Hier erfolgt eine Gliederung nach Innen- und Außenperspektive. Die 1st-Person und die 3rd-Person Perspektiven sind Teil der Innenperspektive. In beiden Perspektiven ist der Blick des Spielers auf der gleichen Seins-Ebene wie die Figur lokalisiert. Charakteristisch für die Theorien der Computerspielforschung 29

Innenperspektive ist der begrenzte Blickwinkel, da der Fokus in die virtuelle Welt immer abhängig von einer Spielfigur ist. Der Spieler besitzt auch nur das Wissen der Spielfigur und ist zudem an den begrenzten Handlungsspielraum gebunden. In der 1st-Person Perspektive übernimmt der Spieler dazu noch direkt die Position des Protagonisten. Er schaut demnach direkt in die virtuelle Welt. Sein Blick ist aber im Gegensatz zur Realität durch die virtuelle Kamera eingeschränkt. Dem Spieler ist es nicht möglich seinen Blickwinkel über der physischen Eingabegräte so schnell zu steuern, wie es ihm in der Realität durch die Augenbewegung möglich ist. Dadurch wirkt die 1st-Person Perspektive beklemmend und erzeugt das Problem des Limited Point-of-View. In der 3rd-Person Perspektive gibt es hingegen einen vermittelnden Avatar, da die virtuelle Kamera auf diesen ausgerichtet ist, werden der Avatar und seine unmittelbare Umgebung dargestellt. So entsteht ein größerer Blickwinkel in die virtuelle Welt und der Bildausschnitt vergrößert sich dementsprechend. Es erfolgt auch hier eine Unterteilung in die klassische 3rd-Person Perspektive und die 3rd-Person trailing ( Follow Cam ). Die klassische 3rd-Person findet man aber eher in älteren Point & Click Adventuren, in welcher der Avatar in einer zwei- oder dreidimensionalen Seitenansicht repräsentiert wird. Die der 3rd-Person trailing in Spielen wie Max Payne (Rockstar 2001) oder Lara Croft Tomb Raider: Legend (Edios/ Crystal Dynamics 2006). Die Außenperspektive schafft entgegen der Innenperspektive einen Blickwinkel der Allwissenheit ( omniscience ). Es gibt keine direkte Lokalisierung auf ein bestimmtes Spielobjekt. Greift der Spieler ins Spielgeschehen ein, entsteht für diesen Moment eine variable Lokalisierung. Die Außenperspektive findet sich größtenteils bei den Living Maps wieder. Dem Spieler ist es möglich, sich über alle Einzelheiten im laufenden Spiel zu informieren und seinen Blickwinkel frei zu steuern. Als Beispiele der Außenperspektive seien die Spiele Die Sims (EA Games 2000) und die Siedler 2 (BlueByte 1996) genannt. Einen anderen Betrachtungsansatz für die Perspektive findet sich bei Rumbke [Rumbke 05]. Neben dem Point-of-View führt er zusätzlich den Point-of-Interaction ein. Der Point-of-View und der Point-of-Interaction sind in der Beziehung zwischen Spiel und Spieler unabhängig voneinander. Der Point-of-Interaction weist dabei dem Spieler einen Punkt der Handlungsmöglichkeit innerhalb der diegetischen Welt zu. Dieser Punkt entspricht dem Objekt (Ort) der Reaktionen und Aktionen des Geschehens. Dieser muss allerdings nicht immer grafisch visualisiert sein. Durch diese Teilung lässt sich die Repräsentation des Spielers in zwei Ebenen teilen. Der Point-of-Interaction als Relation zwischen Avatar und Spieler repräsentiert die Einflussmöglichkeiten auf die diegetische Welt. Der Avatar hingegen dient nur zur grafischen und kinetischen Repräsentation. Der Cursor ist der Punkt, durch den gezeigt wird, wie der Spieler mit der internen Spielwelt interagieren kann. Rumbke unterscheidet vier Modelle der Spielerrepräsentation: die 3rd-Person, Without Representation, Aetheric und 1st-Person. Die 3rd-Person Repräsentation zeichnet sich durch einen vermittelnden Avatar aus. Der Avatar stellt den Punkt des visuellen Feedbacks auf die Eingaben des Spielers und dient zur Orientierung innerhalb der diegetischen Welt. In Bezug zum Point-of-View ist er diesem untergeordnet. Der Spieler kann dabei die unmittelbare Umgebung zum Avatar einsehen. Wird der Point-of-View nun verändert, richtet sich der Avatar nach diesem neu aus. Auch findet sich in dieser Definition die Differenzierung der Follow Cam, bei der die virtuelle Kamera in Kopfhöhe direkt hinter dem Avatar platziert und in einem festen Abstand an diesen gebunden ist. Without Representation ist am häufigsten in Strategiespielen wieder zu finden. In diesen erhält der Spieler keine grafische Repräsentation. Die Repräsentation erfolgt ausschließlich auf der extradiegetischen Ebene durch den Cursor. Der Spieler betrachtet somit die diegetische Welt von oben. Infolge dessen agiert er nicht innerhalb der diegetischen Welt direkt, sondern durch seine Aktionen von außerhalb. Da der Cursor ausschließlich in der extradiegetischen Ebene erscheint, ist er sehr variabel, er ist nicht an die Regeln der diegetischen Welt gebunden. Die virtuelle Ka- 30 Theorien der Computerspielforschung