Klimaschutz, Feinstaub und Gesundheit

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Transkript:

PRESSEGESPRÄCH zum Thema Klimaschutz, Feinstaub und Gesundheit Termin: Ort: Dienstag, 11. Mai 2010, 10:00 Uhr Österreichische Akademie der Wissenschaften, Clubraum 1010 Wien, Dr. Ignaz Seipel-Platz 2 Österreich muss seine Treibhausgasemissionen weiter reduzieren. Um erfolgreich zu sein müssen alle Möglichkeiten ausgeschöpft werden. Die Verlagerung des Gütertransportes auf die Schiene und der Umstieg auf öffentliche Verkehrsmittel und Elektromobilität bringt nicht nur Treibhausgasreduktionen sondern auch Verringerungen der PM (Particle Matters), der NOx- Belastungen und der ultrafeinen Partikel. Dadurch könnte auch entlang den Verkehrskorridoren die derzeitige gesundheitliche Beeinträchtigung der Bevölkerung durch verkehrsbedingte Schadstoffe beachtlich reduziert werden. Andererseits werden zur Treibhausgasreduktion erneuerbare Energien vermehrt auch thermisch genutzt werden. Dadurch werden die Feinstaubemissionen steigen, deren negativer Einfluss auf die Gesundheit zumindest zum Teil bekannt ist. Der Feinstaub verursacht nicht nur Atemwegs- sondern auch Herz-Kreislauferkrankungen. Systemische Entzündungen können von den Partikeln induziert werden und die Selbstregulierung der Herzfunktion stören. Dies lässt sich durch epidemiologische Untersuchungen belegen. Als wichtiger Beitrag zur Treibhausgasreduktion muss unbedingt die Effizienzsteigerung forciert werden, da sie sowohl Treibhausgase als auch Luftverunreinigung verringert. Maßnahmen zur Kohlenstoffreduzierung im Rahmen des Klimaschutzes könnten aber auch die Gesundheitsauswirkungen des Feinstaubs reduzieren. Ihre Gesprächspartner/innen sind: Prof. Dr. Marianne Popp Obfrau der Kommission für Reinhaltung der Luft, Österreichische Akademie der Wissenschaften (ÖAW) Prof. Dr. Dr. Nino Künzli Universität Basel, Schweizerisches Tropen- und Public Health-Institut Basel Prof. Dr. Annette Peters Institut für Epidemiologie am Helmholtz Zentrum München, Deutsches Forschungszentrum für Gesundheit und Umwelt Dr. Jürgen Schneider, Programmleiter Wirtschaft & Wirkung, Umweltbundesamt Wien Prof. Dr. Helmuth Horvath Fakultät für Physik der Universität Wien, Mitglied der Kommission für Reinhaltung der Luft der ÖAW Kontakt: Österreichische Akademie der Wissenschaften, Büro für Öffentlichkeitsarbeit, Dr. Marianne Baumgart 1010 Wien, Dr. Ignaz Seipel-Platz 2 Tel: ++43-1-51581-1218, 1219, 1229, 1235 Fax: ++43-1-51581-1227 public.relations@oeaw.ac.at www.oeaw.ac.at/pr

Nino Künzli Prof. Dr. med. et phil. Ordinarius für Sozial- und Präventivmedizin / Public Health der Universität Basel; Vizedirektor Schweizerisches Tropen- und Public Health-Institut (Swiss TPH) Basel http://www.swisstph.ch Die Luft am Straßenrand - ein Gesundheitsrisiko? Die Auswirkungen der städtischen Luftverschmutzung auf die Gesundheit der Menschen wurde in vielen Studien dokumentiert. Messreihen von nicht routinemäßig gemessenen Schadstoffen (zum Beispiel ultrafeine Partikel) haben in den letzten Jahren belegt, dass innerhalb unserer Städte für diese verkehrsbedingten Schadstoffen große Belastungsunterschiede bestehen. Insbesondere entlang von Verkehrskorridoren erreichen die Schadstoffkonzentrationen sehr hohe Werte. Der Vortrag diskutiert den derzeitigen Wissenstand über die gesundheitlichen Auswirkungen dieser ganz lokalen Belastungssituationen. Diese sind insbesondere in Europäischen Städten von Bedeutung, da sehr viele Stadtbewohner entlang stark befahrenen Straßen wohnen. Weit über unseren Köpfen rauchen die Kamine von Industrie und Haushalt. Dank Politik und Technologie sind sie sauberer geworden. Die Abgase der Autos werden hingegen in unmittelbarer Nähe der Bevölkerung abgegeben; viele wohnen und arbeiten gewissermaßen mit der Lunge am Auspuff. Straßenfluchten, in welchen täglich mehrere tausend Autos und Lastwagen passieren, prägen unsere Städte und viele Menschen leben entlang von starkbefahrenen Autobahnen und Hauptverkehrsadern. Je nach Verkehrsaufkommen können die Konzentrationen sogenannter verkehrsbedingter Schadstoffe in der Nähe von Strassenfluchten 5-10 mal höher sein als in der übrigen Nachbarschaft. Verglichen mit der Situation direkt am Straßenrand fallen die Schadstoffkonzentrationen innerhalb der ersten 100-300 Meter auf nur 10-20%. Sekundär gebildete Schadstoffe wie zum Beispiel der Feinstaub (PM2.5), sind demgegenüber weniger stark von lokalen Quellen beeinflusst. Die räumliche Verteilung ist gleichmäßiger. Experimente der letzten Jahre zeigen, dass manche verkehrsbedingte Schadstoffe zum Beispiel die mit toxischen Inhaltsstoffen befrachteten ultrafeinen Staubpartikel die Gesundheit schädigen. Im Vordergrund stehen entzündliche Reaktionen in den Atemwegen, der Lunge als auch im Herzkreislaufsystem. In Studien mit Patienten wurde beobachtet, dass die Sauerstoffversorgung des Herzmuskels unter Belastung mit Dieselpartikeln abnimmt, während das Risiko der Bildung von Blutgerinseln zunimmt. Asthmatiker, die in London zwei Stunden in der für Dieselbusse reservierten Oxfordstreet spazieren gingen, erlitten eine nachhaltige deutliche Abnahme der Lungenfunktion. Der Spaziergang durch den nahegelegenen Hydepark, wo die nächsten Straßen 100-200 Meter entfernt liegen, verursachte keine entsprechenden funktionellen Störungen. Obwohl Millionen von Stadtmenschen in direkter Nähe vielbefahrener Straßen wohnen, regeln die Gesetze die Luftqualität vor allem für die städtische Hintergrundbelastung. Die Luftqualität entlang viel befahrener Straßen wird für diese lokal hochkonzentrierten Schadstoffe wie zum Beispiel ultrafeine Partikel weltweit in keiner Verordnung geregelt. Die gesundheitlichen Folgen städtischer Hintergrundbelastung sind heute gut belegt. Die Folgen der Schadstoffmischung, welche entlang der Straßen vorherrscht, sind hingegen erst teilweise erforscht, und Schadstoffe wie zum Beispiel ultrafeine Partikel werden nicht routinemäßig gemessen. Einige Bevölkerungsstudien haben aber untersucht, ob die Häufigkeit von Krankheiten von der Distanz zwischen der Wohnung und stark befahrenen Straßen abhängt.

Am besten dokumentiert ist die Verteilung von Atemwegsproblemen sowie von Asthma bei Kindern in Abhängigkeit der Distanz zur Straße. Je näher die Kinder der Los Angeles Children s Health Study an der Autobahn aufgewachsen waren, umso häufiger entwickelten sie Asthma. Die Zunahme erfolgt nur innerhalb der ersten 100-200m und entspricht in eindrücklicher Weise der Verteilung der verkehrsbedingten Schadstoffe. Kinder, die innerhalb von 75 Metern entlang der Autobahn aufwuchsen, hatten ein um 65% erhöhtes Risiko, in den ersten Lebensjahren Asthma zu entwickeln. Kindliches Asthma bleibt oft die gesamte Jugendzeit bestehen und ist für das Kind und die ganze Familie eine erheblich Belastung und Einschränkung der Lebensqualität. Auch in Österreich leben viele Menschen in unmittelbarer Nähe zu Autobahnen und verkehrsreichen Straßen. Die Schweizer SAPALDIA Studie hat erstmals die Belastung mit verkehrsbedingten Stäuben für die Wohnadresse aller Studienteilnehmer erforscht. Das SAPALDIA Team hat dabei festgestellt, dass diese Belastungen bei Erwachsenen das Risiko, neu ein Asthma zu entwickeln, erhöhen. Generell fehlen aber in Europa detaillierte Messungen und Modelle der räumlichen Verteilung verkehrsbedingter Schadstoffe innerhalb der Städte. Das gesamteuropäische Forschungskonsortium ESCAPE (www.escapeproject.org). widmet sich in über 60 Städten und Regionen Europas diesen kleinräumigen Schadstoffbelastungen. Das Europäische Projekt APHEKOM, an dem sich auch Wien beteiligt, wird sich auch dem Gesundheitsrisiko entlang der Straßen annehmen. Viele Fragen sind noch offen. Der Straßenverkehr setzt nicht nur Abgase und Verbrennungspartikel frei, sondern auch Abriebpartikel von Motor, Bremsbelägen und Asphalt In diesen Partikeln sind weitere schädliche Bestandteile wie Metalle, Fasern, Kohlenwasserstoffe etc. enthalten. Eine detaillierte Zuordnung der Gesundheitsschäden zu den einzelnen Verkehrsschadstoffen ist bisher nicht möglich. Auch reagieren nicht alle Menschen in gleicher Weise auf die Schadstoffbelastungen. Lebensstil, vorbestehende Krankheiten und genetische Faktoren haben einen Einfluss auf die individuellen Wirkungen der Schadstoffe. Dies braucht vermehrte Forschung. Heißt dies für die Politik Abwarten? Die sogenannte städtische Hintergrundbelastung mit PM10, PM2.5, NO2 oder Ozon wird in gesetzlich zum Schutz der Bevölkerung bereits geregelt. In der EU sind die einzuhaltenden Grenzwerte allerdings sehr viel höher angesetzt als in einigen Ländern Europas sowie den US und Japan. Der Schutz der Bevölkerung ist somit nicht erfüllt. Die Vorschriften müssen strenger werden und mit den wissenschaftlichen Erkenntnissen in Einklang gebracht werden. Wie die Schweizer Forschungsprojekte SAPALDIA (bei Erwachsenen) und SCAPROL (bei Kindern) als auch andere Projekte gezeigt haben, führen Verbesserung der Luftqualität auch prompt zu verbesserter Gesundheit. Nun ist die Zeit gekommen, dass sich Forschung und Politik dem Lebensraum entlang unserer Straßen annimmt. Während die Hintergrundbelastungen aus Industrie, Haushalt und Verkehr stammen, hat die schädliche Luftqualität entlang den Straßen nur einen Verursacher: es ist der Straßenverkehr, der sich in unseren verkehrsgerechten Städten mitten in der Bevölkerung breit macht. Die gesundheitlichen Probleme entlang unserer Straßen müssen weiter erforscht und die entstandenen Schäden berechnet werden. Die Politik darf die am stärksten belasteten Zonen entlang der Straßen nicht länger ausblenden. Luftreinhaltemaßnahmen müssen auch die Gesundheit jener schützen, welche in unmittelbarer Nähe des Straßenverkehrs wohnen, arbeiten, und zur Schule gehen.

Prof. Dr. Annette Peters Institut für Epidemiologie am Helmholtz Zentrum München, Deutsches Forschungszentrum für Gesundheit und Umwelt Klimaschutz und Luftreinhaltung - ein Zielkonflikt? Bei Maßnahmen zum Klimaschutz ist der Einfluss auf den Feinstaub zu beachten. Dieser verursacht nicht nur Atemwegs- sondern auch Herz-Kreislauferkrankungen. Systemische Entzündungen können von den Partikeln induziert werden und die Selbstregulierung der Herzfunktion stören. Dies lässt sich durch epidemiologische Untersuchungen belegen. Maßnahmen zur Kohlenstoffreduzierung im Rahmen des Klimaschutzes könnten aber auch die Gesundheitsauswirkungen des Feinstaubs reduzieren. Im Blickpunkt stehen dabei Beispiele aus der epidemiologischen Sicht.

Dr. Jürgen Schneider Programmleiter Wirtschaft & Wirkung, Umweltbundesamt Wien Klimaschutz und Luftreinhaltung: Unterschiedliche Probleme, gemeinsame Lösungen? Die in Österreich geltenden Immissionsgrenzwerte für Feinstaub werden an zahlreichen Standorten überschritten. Einer der wesentlichen Verursacher ist der Hausbrand, der für über 40% der primären PM 2,5 -Emissionen in Österreich verantwortlich zeichnet. Insbesondere alte, manuell bediente Kleinfeuerungsanlagen für Holz verursachen hohe PM-Emissionen. Zweitwichtigster Verursacher von primären PM-Emissionen ist der Verkehr. Hier tragen vor allem Dieselfahrzeuge ohne Partikelfilter zur PM-Belastung bei. Diese sind zudem die dominierenden Verursacher von NO x -Emissionen in Österreich. Österreich hat sich mit dem Klima- und Energiepaket der Europäischen Union dazu verpflichtet, seine Treibhausgasemissionen bis 2020 weiter zu reduzieren. Dies soll unter anderem dadurch erreicht werden, dass der Anteil erneuerbarer Energie am Brutto-Energieverbrauch von aktuell etwa 29% auf 34% gesteigert wird. Dieses Ziel soll u.a. dadurch erreicht werden, dass zusätzliche Biomasse zur energetischen Verwertung eingesetzt wird. Hier wird darauf zu achten sein, dass diese zusätzliche Biomasse nur in Anlagen in Strom und Wärme umgewandelt wird, die dem Stand der Technik entsprechen. Um generell einen Zielkonflikt zwischen Luftreinhalte- und Klimaschutzmaßnahmen zu vermeiden, sollten Maßnahmen Vorrang haben, die die Energieeffizienz steigern; dazu gehört etwa die thermische Sanierung von Gebäuden, die den Heizbedarf im Raumwärmesektor reduzieren kann. Im Verkehrsbereich bietet etwa die verstärkte Einführung von Elektromobilität v.a. in Städten und die Verlagerung von Gütertransportleistung von der Straße auf die Schiene die Möglichkeit, sowohl für Luftreinhaltung als auch im Klimaschutz Verbesserungen zu erzielen.

HINTERGRUNDINFORMATION Dr. Jürgen Schneider, Programmleiter Wirtschaft & Wirkung, Umweltbundesamt Wien Klimaschutz und Luftreinhaltung verwandte Themen Quellen von Treibhausgasemissionen und Luftschadstoffen Im Kyoto-Protokoll der UN-Klimarahmenkonvention sind folgende Treibhausgase (THG) geregelt: Kohlendioxid (CO 2 ), Methan (CH 4 ), Lachgas (N 2 O) und F-Gase, darunter fallen teilfluorierte (HFKW) und vollfluorierte Kohlenwasserstoffe (FKW) sowie Schwefelhexafluorid (SF 6 ). Die wichtigsten Verursacher von THG-Emissionen waren 2008 die Sektoren Industrie und produzierendes Gewerbe (30,5 %), Verkehr (26,1 %), Energieaufbringung (15,6 %), Raumwärme und sonstiger Kleinverbrauch (13,8 %). Aus gesundheitlicher Sicht wesentliche Luftschadstoffe sind u.a. Feinstaub, Stickoxide und Ozon. Verursachersektoren von PM10- und PM2,5-Emissionen 2008 sind Industrie (27 % bzw. 17 %), Kleinverbraucher (29 % bzw. 44 %), Verkehr (23 % bzw. 25 %) und Landwirtschaft (15 % bzw. 6 %). Bei den Stickoxiden (NO x ) sind 2008 dominierende Verursachersektoren der Verkehr (51 %), die Industrie (22 %) und der Kleinverbrauch (15 %). Nationale Emissionsziele Treibhausgase 2008 ist das erste Jahr der fünfjährigen Kyoto-Periode. Im Jahr 2008 betrugen die Treibhausgas-Emissionen Österreichs 86,6 Mio. Tonnen CO 2 -Äquivalente. Die Emissionen lagen im Jahr 2008 um 17,9 Mio. Tonnen über dem jährlichen Durchschnittswert des für 2008 bis 2012 festgelegten Kyoto-Ziels. Unter Berücksichtigung des Emissionshandels, der Projekte aus Joint Implementation und Clean Development Mechanism (JI/CDM) sowie der Bilanz aus Neubewaldung und Entwaldung beträgt die Zielabweichung rund 6,9 Mio. Tonnen CO 2 - Äquivalente. Für 2020 wurden zusätzlich zu einer Reduktion der THG auch Ziele für den Einsatz Erneuerbarer Energieträger festgesetzt. Der Anteil Erneuerbarer Energieträger ist (berechnet am Bruttoendenergieverbrauch) auf 34 % zu steigern. Nationale Emissionsziele Luftschadstoffe Die im Emissionshöchstmengengesetz festgelegten Ziele für 2010 werden bei Schwefeldioxid (SO 2 ) und Ammoniak (NH 3 ) zum Teil deutlich unterschritten werden. Bei flüchtigen organischen Verbindungen (NMVOC) ist eine Zielerreichung möglich, bei NO x liegen die Emissionen 2008 mit 162.000 Tonnen weit über dem Ziel für 2010 von 103.000 Tonnen. Nationale Grenzwerte für Luftschadstoffe Die PM10-Belastung liegt vor allem in großen Städten und in alpinen Tal- und Beckenlagen zeitweise über den Grenzwerten gemäß IG-L. Die Grenzwerte für Umweltbundesamt www.umweltbundesamt.at 1/2

Hintergrundinformation: Klimaschutz und Luftreinhaltung verwandte Themen NO 2 (Stickstoffdioxid) werden unter anderem an vielbefahrenen Straßen in Ballungsgebieten überschritten. Handlungsfelder und Synergieeffekte Etliche Maßnahmen haben positive Effekte sowohl für die Luftreinhaltung als auch für den Klimaschutz. Dazu gehören insbesondere Maßnahmen, die die Energieeffizienz erhöhen sowie den Einsatz von Brennstoffen vermindern. Für Klimaschutz und Luftreinhaltung sinnvoll sind Im Verkehr Förderung des öffentlichen Verkehrs Förderung von Elektromobilität Tempolimits Verlagerung des Güterverkehrs auf die Bahn Der Einsatz von Biokraftstoffen hilft THG-Emissionen zu mindern, hat aber kaum Effekte auf die Luftqualität. Bei der Verbrauchsoptimierung von Kraftfahrzeugen ist auch auf die NO x -Emissionen zu achten. In der Raumwärme Erhöhung der Sanierungsrate Hohe thermische Standards im Neubau Einsatz von Solarthermie, Geothermie, Fernwärme v. a. aus industrieller Abwärme, Photovoltaik Beim Einsatz von Biomasse ist die Anwendung neuester Technologien entscheidend. Werden diese nicht angewendet, kann der Einsatz von Biomasse zu erheblichen zusätzlichen Belastungen bei Feinstaub führen. In der Industrie Erhöhung der Energieeffizienz durch Anlagenoptimierung, Nutzung von Abwärme Einsatz von Erneuerbaren Energieträgern nur bei Anwendung von neuester Filtertechnologie Energieeffizienzmaßnahmen sind zur Erreichung der Ziele der Energiestrategie unumgänglich. Wien, am 11.05.2010 Rückfragehinweis: Ingeborg Zechmann, Pressestelle Umweltbundesamt, Tel.: +43-(0)1-313 04-5413, mobil: 0664/611 90 94, E-Mail: ingeborg.zechmann@umweltbundesamt.at Umweltbundesamt www.umweltbundesamt.at 2/2

Kommission für Reinhaltung der Luft der ÖAW Die Kommission für Reinhaltung der Luft (KRL) entsprechend clean air commissions in zahlreichen anderen Staaten, wurde im Jahr 1962 an der ÖAW eingerichtet, um die aus Luftverunreinigungen resultierenden Probleme in einer interdisziplinären Vorgangsweise zu behandeln. Die Mitglieder der Kommission decken ein weites Feld von Forschungsdisziplinen (Physik, Chemie, Medizin, Meteorologie, Verfahrenstechnik, Ökologie, Psychologie, Agrar- und Forstwissenschaften, Systemanalyse u.a.m.) ab. Ein wesentliches Anliegen der KRL besteht darin, die Grundlagen für wissensbasierte Entscheidungen der Politik und anderen Interessentengruppen zur Verfügung zu stellen. Eine wichtige Rolle sieht die KRL auch darin, zu definieren, wo gesichertes Wissen bereits klare Entscheidungen erlaubt und wo dringender Forschungsbedarf besteht, um zu fundierten Folgerungen zu kommen. Kontakt: Univ.-Prof. Dr. Marianne Popp Österreichische Akademie der Wissenschaften Kommission für Reinhaltung der Luft 1010 Wien, Fleischmarkt 20 Postadresse: 1010 Wien, Dr. Ignaz Seipel-Platz 2 T +43 1 51581 2450 marianne.popp@univie.ac.at krl@oeaw.ac.at http://www.oeaw.ac.at/krl/