Sächsisches Landesarbeitsgericht Zwickauer Str. 54, 09112 Chemnitz PF 7 04, 09007 Chemnitz Bitte bei allen Schreiben angeben: Az.: 5 Ca 5072/09 ArbG Bautzen Verkündet am 12. März 2010 Im Namen des Volkes U R T E I L In dem Rechtsstreit hat das Sächsische Landesarbeitsgericht Kammer 2 durch den Vizepräsidenten des Landesarbeitsgerichts als Vorsitzenden und die ehrenamtlichen Richter Herrn und Herrn... auf die mündliche Verhandlung vom 12.03.2010 für R e c h t erkannt: Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Bautzen vom 03.07.2009 5 Ca 5072/09 wird auf Kosten der Klägerin Revision ist nicht zugelassen. z u r ü c k g e w i e s e n. T a t b e s t a n d : Die Parteien streiten über die Höhe des der Klägerin zu zahlenden Arbeitsentgelts. Die Klägerin ist bei der Beklagten seit 01.12.2002 als Operationsschwester tätig.
Seite 2 In dem unter dem 28.10.2002 unterzeichneten Arbeitsvertrag der Parteien heißt es auszugsweise:... Paragraph 2 Es gilt der Tarifvertrag, an den der Arbeitgeber gebunden ist. Paragraph 3 Die Angestellte ist in der Vergütungsgruppe Kr. VI der Anlage 1 b zum BAT-O eingruppiert.... Die Klägerin ist nicht Mitglied einer Gewerkschaft. Die Beklagte war zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses Mitglied im Kommunalen Arbeitgeberverband Sachsen, welche Mitgliedschaft zum 31.12.2003 durch Austritt endete. 3 Grundvergütungen, Gesamtvergütungen Abs. 1 des Vergütungstarifvertrages Nr. 7 zum BAT-O für den Bereich der Vereinigung der kommunalen Arbeitgeberverbände (VKA) vom 31.01.2003, vereinbart zwischen der Vereinigung der kommunalen Arbeitgeberverbände einerseits und ver.di sowie dbb tarifunion andererseits, bestimmt: Die Grundvergütung ( 26 Abs. 3 BAT-O) für die Angestellten der Vergütungsgruppen X bis I und Kr. I bis Kr. XIII, die das 21. bzw. 23. bzw. 20. Lebensjahr vollendet haben, betragen a) vom 1. Januar bis 31. Dezember 2003 91,0 v. H. b) vom 1. Januar 2004 an 92,5 v. H. der nach dem jeweiligen Vergütungstarifvertrag zum BAT für den Bereich der Vereinigung der kommunalen Arbeitgeberverbände (VKA) geltenden Beträge. Die Anpassung des Bemessungssatzes wird für die Angestellten der Vergütungsgruppen X bis V b und Kr. I bis Kr. VIII bis zum 31. Dezember 2007 und für die übrigen Angestellten bis zum 31. Dezember 2009 abgeschlossen.
Seite 3 Die Klägerin hat die Auffassung vertreten, dass ihr die Beklagte seit 01.01.2008 Arbeitsentgelt nach der Vergütungsgruppe Kr. VI mit einem Bemessungssatz in Höhe von 100 % des Tabellenentgelts i. S. des Vergütungstarifvertrages Nr. 7 zum BAT-O zu zahlen habe. Die Klägerin hat beantragt, festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet ist, an sie für die Zeit ab 01.01.2008 Arbeitsentgelt nach der Vergütungsgruppe Kr. VI mit einem Bemessungssatz in Höhe von 100 % des Tabellenentgelts i. S. des Vergütungstarifvertrages Nr. 7 zum BAT-O zu bezahlen. Die Beklagte hat beantragt Klageabweisung. Die Klägerin könne sich nicht auf die Anpassungsklausel des Vergütungstarifvertrages stützen. Hier fehle es bereits an einer konkreten Festlegung. Die Tarifregelung mache im Übrigen bereits dem Wortlaut nach deutlich, dass die Tarifvertragsparteien über die Anpassung noch hätten verhandeln wollen. Das von der Klägerin angegangene Arbeitsgericht Bautzen hat die Klage abgewiesen. Die Klägerin hat gegen das ihr am 22.07.2009 zugestellte Urteil des Arbeitsgerichts am 19.08.2009 Berufung eingelegt und am 21.09.2009 ausgeführt. 3 Abs. 1 Unterabs. 2 des Vergütungstarifvertrages enthalte mehr als eine bloße schuldrechtliche Verpflichtung der Tarifvertragsparteien. Sie, die Klägerin, könne daraus selbst Rechte herleiten.
Seite 4 Die Klägerin beantragt, unter Abänderung des Urteils des Arbeitsgerichts Bautzen vom 03.07.2009 5 Ca 5072/09 festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet ist, ihr für die Zeit ab 01.01.2008 Arbeitsentgelt nach der Vergütungsgruppe Kr. VI mit einem Bemessungssatz in Höhe von 100 % des Tabellenentgelts i. S. des Vergütungstarifvertrages Nr. 7 zum BAT-O zu bezahlen. Die Beklagte beantragt die Zurückweisung der Berufung. Die Beklagte verteidigt das arbeitsgerichtliche Urteil unter Ausführung ihrer bereits erstinstanzlich vorgetragenen Argumente. Wegen der Einzelheiten des Vorbringens beider Parteien und der von ihnen geäußerten Rechtsansichten wird auf den gesamten Akteninhalt Bezug genommen. E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e : I. Die zulässige Berufung ist unbegründet. Das Arbeitsgericht hat die Klage zu Recht abgewiesen. 1. Allerdings ist die Klage nicht unzulässig. Denn die sich aus der begehrten Verpflichtung der Beklagten ergebende Rechtsfolge betrifft im Wesentlichen die Zukunft. Die Tarifentwicklung lässt sich nicht absehen (wie figura ja auch plastisch zeigt). Zahlenangaben sind nicht möglich. Deshalb kann die Klägerin ihr Klagebe-
Seite 5 gehren im Wege eines Feststellungsantrages verfolgen, für den das besondere Rechtsschutzinteresse des 256 Abs. 1 ZPO zu bejahen ist. 2. Hingegen ist die Klage unbegründet, weil der Klägerin der Klageanspruch nicht zusteht. Es ist nicht festzustellen, dass der Beklagte verpflichtet ist, an die Klägerin für die Zeit ab 01.01.2008 Arbeitsentgelt nach der Vergütungsgruppe Kr. VI mit einem Bemessungssatz in Höhe von 100 % des Tabellenentgelts i. S. des Vergütungstarifvertrages Nr. 7 zum BAT-O zu bezahlen. a) Aus dem angezogenen Vergütungstarifvertrag ergeben sich bereits die beanspruchten 100 % nicht. Möglicherweise ist aus dem Sinnzusammenhang (der Erwähnung des BAT) ein Bezug zu dort geltenden 100 % hergestellt, wie dies deutlicher in 3 Lohntabelle Absatz 1 Unterabsatz 2 Satz 1 des allerdings nicht klagegegenständlichen Monatslohntarifvertrages Nr. 7 zum MTArb-O vom 31.01.2003 insofern erfolgt, als es dort heißt: Die Anpassung des Bemessungssatzes Ost wird für alle Arbeiter bis zum 31. September 2007 abgeschlossen. Denn jedenfalls dadurch wird deutlicher auf das Lohngefälle zwischen den Tarifbereichen West und Ost abgehoben. 100 % ergeben sich aber auch dadurch nicht. Die Rede ist lediglich von Anpassung des Bemessungssatzes. Wie die Anpassung zu welchem Zeitpunkt auf welche Höhe erfolgen soll, ist offen. Vorstellbar ist eine Anhebung auf 100 %. Vorstellbar ist aber auch eine Absenkung West. Denkbar ist auch eine Kompensation an anderer Stelle. Die Tarifvertragsparteien haben hier einen weithin unbeschränkten Gestaltungsspielraum, in den jedenfalls nicht der Staat durch seine Gerichte eingreifen
Seite 6 darf oder gar einzugreifen hätte, um eine nicht vorgekommene Anpassung durchzusetzen, die möglicherweise überhaupt nicht oder nicht so verhandelt wurde oder aus welchen Gründen auch immer jedenfalls nicht oder nicht so durchgesetzt wurde oder nicht oder nicht so durchgesetzt werden konnte. b) Auch ist eine Anpassung in dem von der Klägerin verstandenen Sinne bis heute im Rahmen des in ihrem Arbeitsvertrag allein in Bezug genommenen BAT-O nie erfolgt. Insbesondere ist kein Grund ersichtlich, der erklärtermaßen nicht tarifgebundenen Klägerin durch Richterspruch zu einem durch die Gewerkschaft für ihre Mitglieder erkämpften Lohn zu verhelfen (Trittbrettfahrerei). c) Unabhängig von dem Vorstehenden und selbständig tragend ergäbe sich ein Anspruch der Klägerin auch dann nicht, wenn die von ihr angezogene Regelung ihr Klageziel betragsmäßig decken würde. Denn selbst Verträge, durch die sich die Tarifvertragsparteien schuldrechtlich zur tariflichen Normierung bestimmter Vereinbarungen verpflichten, sind keine Tarifverträge und begründen keine tariflichen Ansprüche (BAG vom 26.01.1983 4 AZR 224/80 JURIS). Hier fehlt es bereits an einer schuldrechtlichen Verpflichtung. Kundgetan wird bestenfalls eine Absicht oder ein Programm. Bestenfalls wären die Tarifvertragsparteien selbst verpflichtet, auf der genannten rechtlichen Grundlage die Anpassung des Bemessungssatzes (im Übrigen ggf. auch in weiteren Stufen) tarifvertraglich abzuschließen (vgl. etwa Scheuring/Steingen/Banse/Thivessen MTArb-O III/1 Manteltarifvertrag Nr. 7 ** Anmerkung zu 3 Lohntabelle Abs. 1 Unterabs. 2). Auch insoweit gilt übrigens, dass die von der Klägerin angezogene Regelung ohne ausführende Tarifnorm schon aus rechnerischen Gründen nicht realisierbar und zur Begründung tariflicher Ansprüche nicht geeignet ist (BAG vom 26.01.1983 a. a. O.). Für die Annahme einer auch nur schuldrechtlich wirkenden Verpflichtung fehlt es schlicht am zentralen Vertragsgegenstand (der essentialia negotii ).
Seite 7 d) Damit stellt sich die schriftliche Vereinbarung der Tarifvertragsparteien als sog. Vorvertrag dar, durch den sich (unter dem Vorbehalt beiderseitiger Zustimmung) die Tarifvertragsparteien hier: bestenfalls schuldrechtlich zur Normierung bestimmter tariflicher Regelungen verpflichtet haben (BAG a. a. O.). e) Mangels tauglicher tarifrechtlicher Grundlage im engeren Sinne führt die lediglich statisch wirkende Bezugnahmeklausel in 3 des Arbeitsvertrages der Parteien ins Leere. f) Ein anderes Ergebnis ergibt sich auch nicht unter der Annahme, wonach die von der Klägerin angezogene Tarifregelung einen Vertrag zugunsten Dritter nach 328 ff. BGB darstellte. Denn im Zweifel muss davon ausgegangen werden, dass die Tarifvertragsparteien sich der in jenen Normen vorgesehenen Gestaltungsmöglichkeiten nicht bedienen wollen, nachdem sie im Rahmen der Tarifautonomie die Möglichkeit zur unmittelbaren Rechtsetzung nach dem TVG besitzen. Das ist schon deswegen anzunehmen, weil eine derartige Regelung die Bevollmächtigung der Arbeitgeber für entsprechende verpflichtende Regelungen voraussetzt und die entstehenden Ansprüche keine tariflichen, sondern vertragliche wären. Außerdem müssten die Modalitäten des 328 Abs. 2 BGB Beachtung finden (vgl. erneut BAG vom 26.01.1983 a. a. O.). g) Zum anderen würde selbst die Annahme der Verabredung eines Vertrages zugunsten Dritter keine taugliche Anspruchsgrundlage für den streitgegenständlichen Anspruch gegen die Beklagte darstellen. Denn dann hätte die Klägerin allenfalls einen Anspruch gegen eine der den Tarifvertrag schließenden Partei des Inhalts erworben, nunmehr in Verhandlungen (mit der anderen Partei, nicht mit der Klägerin) einzutreten. Dies ist aber weder Streitgegenstand noch ist die Beklagte Partei des Vergütungstarifvertrages.
Seite 8 II. Die Klägerin hat aufgrund der Regelung in 97 Abs. 1 ZPO die Kosten ihrer ohne Erfolg gebliebenen Berufung zu tragen. Gegen dieses Urteil ist kein Rechtsmittel gegeben. Die Revision ist nicht zuzulassen, weil es an Gründen hierfür fehlt.