FAKULTÄT 09 - WIRTSCHAFTSINGENIEURWESEN Auslandssemester 2012 (01. März 08. Juni 2012) Erfahrungsbericht ITÜ Istanbul Technical University Istanbul, Türkei 05.08.2012 Dieser Bericht stellt den gesamten Prozess des Erasmussemesters in Istanbul angefangen von der Bewerbung zur Ankunft in Istanbul, das Leben an sich und die Erfahrung an der Istanbul Technical University dar. Dieser soll einen Überblick geben, mit welchen Schwierigkeiten man konfrontiert werden kann und soll bei der Entscheidung für ein Auslandssemester in Istanbul helfen und eventuell als Leitfaden dienen.
Bewerbungsprozedur Ich wollte immer schon ein Auslandssemester während dem Studium absolvieren. Es gibt sehr viele Partnerhochschulen der Hochschule München in Europa, aber es gab sehr lange Zeit meine Wunschstadt nicht auf der Liste: Istanbul. Erst gegen Ende des Sommersemesters 2011 habe ich durch einen Kommilitonen doch erfahren, dass Istanbul Technical University auch mit der Fakultät Wirtschaftsingenieurwesen eine Partnerschaft hat und man sich für ein Auslandssemester bewerben kann. Also habe ich alle Bewerbungsunterlagen der Hochschule München ausgefüllt (siehe Leitfaden auf der Webseite) und das Motivationsschreiben abgegeben. Die Renommierung seitens der Hochschule kam relativ schnell. Ungefähr 2 Monate danach erhielt ich die Zusage von der Partnerhochschule. Der nächste Schritt war es, ein Formular von der Partnerhochschule auszufüllen. In diesem Formular waren unter anderem persönliche Angaben, Sprachkenntnisse, Motivation für ein Studium in Istanbul und an der Istanbul Technical University gefragt. Mit einem Lichtbild wurde das Ganze abgerundet. Dieses Formular wurde zusammen mit einer Notenbestätigung an die zuständige Erasmus Office versendet. Lebenslauf oder Nachweis der Sprachkenntnisse waren nicht verlangt. Damit war der Bewerbungsprozedere beendet. Ich erhielt zwar rasch eine Zusage, aber für mich war die Prozedur immer noch nicht beendet. Aufgrund des Pflichtpraktikums konnte ich erst nach 4 Wochen Semesterbeginn zur dortigen Universität und ich wusste aus meinen eigenen Recherchen und den Informationen auf der Homepage der ITU, dass es eine Teilnahmepflicht von 70% an den Vorlesungen existiert, d. h. ich musste mehr oder minder die Kurse mir schon im Vorfeld aussuchen und die jeweiligen Professoren/Lehrbeauftragten anschreiben, um ihnen mitzuteilen, dass ich die ersten 4 Vorlesungen nicht besuchen kann. Danach hätte ich nicht die Zeit gehabt, mir neue Kurse auszusuchen oder die gebuchten Kurse zu droppen. Die ersten Versuche, entsprechende Kurse zu finden und jeweilige Professoren zu finden, telefonisch zu erreichen waren erfolglos, vom Erasmus-Office habe ich auch nur wenig Unterstützung bekommen. Auch aufgrund der Unklarheit darüber, zu welchem Studiengang an der ITU, Wirtschaftsingenieurwesen von der Hochschule München passt, hat es mir große Schwierigkeiten bereitet, den/die zuständige(n) Erasmuskoordinator(in) zu finden. An der ITU gibt es einen Studiengang, genannt Management Engineering, was namentlich eigentlich dem Wirtschaftsingenieurwesen entsprechen würde. Wenn man sich aber den Studienplan anschaut, decken sich die Inhalte nicht mit dem von Wirtschaftsingenieurwesen, dafür ist Management Engineering zu wirtschaftlich und planerisch ausgelegt. Fächer wie Maschinenelement oder Elektrotechnik, also reinste technische Module, gibt es in diesem Studiengang nicht. Von diesen ganzen Schlussfolgerungen, bin ich davon ausgegangen, dass ich wohl in dem anderen Studiengang Industrial Engineering unterkommen werde, d. h. mein Erasmuskoordinator ist dann wohl derjenige, der bei Industrial Engineering sitzt. Ich habe also diesen Erasmuskoordinator eine E-Mail geschrieben, aber die Antwort kam erst Anfang
Januar: ich durfte 4 Wochen später zu den Vorlesungen, unter der Voraussetzung, dass ich an alle verbliebenen Vorlesungen teilnehme. Kurswahl Die Partnerhochschule ITU verfügt über ein sehr großes Kursangebot an verschiedenen Fakultäten, die Erasmus-Studenten dürfen beliebige Kurse von jedem Studiengang (einschließlich Joint-Degree-Programme) auswählen. Anfangs wusste ich nicht, welche Kurse ich besuchen kann und welche im Sommer- oder Wintersemester angeboten werden. Bei sogenannten Joint-Degree-Programmen werden die Studienprogramme von mehreren Institutionen gemeinsam entwickelt und anerkannt. Auf der Homepage der ITU stehen leider nicht genügend Informationen, die einem bestätigen, dass Erasmusstudenten alle Kurse besuchen dürfen. Aber auch dieses Problem habe ich durch den E-Mail-Verkehr mit den zuständigen Professoren lösen können. Die Studiengänge an der ITU sind entweder 30% Englisch und 70% Türkisch oder zu 100% auf Englisch gestaltet. Da ich mich im Endstadion vom Studium befinde und im Sommersemester 2012 nur noch 4 Module hatte, um mein Studium zu beenden, tat ich mich etwas schwierig, kompatible Module zu finden. Es kam hinzu, dass innerhalb des Studienplans für das folgende Semester sehr viele Änderungen gab: einige von mir ausgewählte Module waren in Englisch dann nicht mehr angeboten, bei einigen änderte sich die Zeit, zu dem die Vorlesung stattfinden sollten. Dies hat natürlich das Programm mehrfach auf den Kopf gestellt, so dass ich erneut alternative Kurse suchen musste. Zu jedem Kurs gab es entweder Projektarbeiten, Präsentationen oder Hausaufgaben. Außerdem hat man mindestens eine Zwischenprüfung und eine Endprüfung geschrieben. Es kam vor, dass man in einer Woche eine Zwischenprüfung, 2 Präsentationen, 2 Projektabgaben und zugleich Hausaufgaben erledigen musste. Ganz der dortigen Mentalität wurden diese natürlich auf den letzten Drücker erledigt. Ich habe im Sommersemester 2012 folgende Kurse besucht: 1. Production Planning & Control: hier lernt man, wie man die Produktion gestalten kann (Bedarfsprognose, Lagermanagement, Kapazitätsplanung, Just-in-Time Produktion, Kanban...), das Erlernte hat man gleich bei den Hausaufgaben eingesetzt. Dies hat natürlich den Effekt, dass man später bei der Endprüfung weniger Lernen braucht. Unterrichtssprache war in Türkisch, ab nächstem Semester wird dieses auch auf Englisch unterrichtet. Dieses Modul wird höchstwahrscheinlich für PML II angerechnet. 2. Facility Planning: : Dieser Kurs bietet einen Einblick in die Anlagenplanung. Es identifiziert die Grundsätze der Anlagenort, Layout und Materialfluss-Systemen, d. h. dieser Kurs ermöglicht es einem angefangen vom Standort einer Anlage bis hin zur Layoutplanung und wie man mit kleinen Modifikationen sehr viel bewirken kann. Zu
diesem Modul gab es einen Projekt: Layoutoptimierung mit verschiedenen Tools für ein mittelstädisches Unternehmen. 3. Material Handling & Warehouse Systems: verschiedene Systeme und Anlagen wurden vorgestellt, um Materialien von A nach B zu transportieren (sowohl im Unternehmen als auch die Lieferung zum und vom Unternehmen). Außerdem wurden unterschiedliche Lagerhäuser und Lagerstandorte ausführlich behandelt. 4. Industrial Pollution Control: ein Kurs aus dem Joint-degree Programm. Verschiedene Arten der Abfälle aus der Industrie, deren Einstufung und deren Behandlung wurden vorgestellt. Am Ende des Semester musste man ein Unternehmen finden, um das Erlernte anzuwenden und spezifische Werte des Unternehmens in Form von einer Präsentation und einem Bericht vorzustellen. Dieser Kurs wurde mir als Technischer Umweltschutz angerechnet. Anreise und die tägliche Fahrt zur Uni Die Anreise von München zur Partnerhochschule war mittels Flugzeug, Kosten um die 250, bei Turkish Airlines für hin und zurück. Vorteil von der Turkish Airlines ist, dass die Flieger auf der europäischen Seite in Atatürk Havalimani landen und man ein Freigepäck von 30 kg hat. Von der dortigen Unterkunft zur ITU waren mehrere Varianten möglich: 5 Minuten von der Wohnung entfernt gab es eine Bus-, Omnibus- und Tramhaltestelle mit denen man sich beliebige Routen zusammenstellen kann. Je nach Verkehr und Kostensituation ist es besser, hin und wieder auf die Omnibusse (schneller aber teurer) auszuweichen. Die Partnerhochschule hat es auch uns, den Erasmusstudenten ermöglicht, mit einer Istanbul Kart kostengünstig die öffentlichen Verkehrsmittel zu nutzen (ohne Omnibus). Istanbul Kart ist eine magnetische Karte, die wie bei einem Handyguthaben funktioniert. Wenn man im Monat 70 TL, umgerechnet 30 auf die Karte lädt, hat man 200 Freifahrten, was sich natürlich für diejenigen lohnt, die kein Omnibus fahren und mindestens mehr als 70 mal die öffentlichen Verkehrsmittel nutzen. Ansonsten hat man auch die Möglichkeit beliebige Summen aufzuladen und bei jeder Nutzung 1 TL (umgerechnet 0,40 ) zu zahlen.
Unterkunft Vor dem Antritt des Semesters habe ich versucht auf Internetseiten (istanbul.craiglist.com.tr, odanibul.com, sahibinden.com ) und durch Bekannten für eine Unterkunft fündig zu werden. Entweder haben die Preise nicht gepasst, der Standort oder die Wohnung selbst. Als Lösung blieb nur noch, dass ich während des Semesters bei Bekannten unterkomme. Die Idee war, falls es mit den Bekannten nicht klappen sollten, vor Ort etwas Neues zu finden. Einige Tage nach der Ankunft habe ich etliche Wohnungen besichtigt, aber da war leider nicht das Richtige für mich dabei. Also habe ich bei den Bekannten weitergewohnt. Für die Unterkunft musste ich nichts zahlen, da es eine Eigentumswohnung ist, aber im Gegenzug habe ich mich bei den Strom-, Wasser-, Gaskosten beteiligt und einen großen Teil des Einkaufs übernommen. Die Qualität von der Wohnung war hoch, ich hatte mein eigenes Zimmer und genügend Platz für meine persönlichen Gegenstände und zum Lernen. Dazu war die Wohnung ziemlich zentral, es gab 24 Stunden Verkehrsmittel. Freizeitaktivitäten Ein Studentenverband organisiert von diversen Universitäten hat regelmäßig Ausflüge veranstaltet: Bosporus-Tour, Kappadokien, Pamukkale und nach Izmir. An diesen Ausflügen habe ich nicht teilgenommen, da ich überall auf diesen Plätzen schon einmal war. Ich war mehr mit anderen einheimischen Studenten und Bekannten auf anderen Ausflügen: Sehenswürdigkeiten in der Stadt (Hagia Sophia, Blaue Moschee, Galataturm, Topkapi Palast, großer Basar, Kirchen etc.) Museen (archäologischer Museum, Museum für islamische Wissenschaften und Technologien) Konzerte (diverse Gruppen und Künstler) und Theateraufführungen. Für die Besuche an Museen empfiehlt es sich, eine Museumkarte (http://www.muzekart.com/en/museum-pass) auszustellen. Mit diesem hat man kostenlosen Zugang zu den wichtigsten Museen und zahlt für die Karte nur 15 TL (ca. 7 ) als Student. Wem die Sehenswürdigkeiten in der Stadt nicht reichen, der kann zu den Prinzeninseln rüberfahren oder Kurztrips zu den nahegelegenen Orten wie Agva, Bursa etc. organisieren. Integration Die Integration und Kontakt zu einheimischen Studierenden war etwas schwierig: diese waren bereits seit mehreren Jahren in derselben Klasse und neu hinzugekommene Studenten wollten sie nicht so gerne in ihre Gruppe aufnehmen. Aber sie waren stets freundlich, zuvorkommend und hilfsbereit. Mit wenigen von ihnen habe ich mich privat
getroffen und eben Ausflüge unternommen. Mit den Austauschstudierenden war es hingegen besser. Wir haben uns privat getroffen und sehr viel unternommen. Fazit An sich empfiehlt es sich ein Auslandssemester in Istanbul zu absolvieren. Man sollte jedoch bereit sein, sich sehr gut zu organisieren und zu informieren, bei Problemen einen kühlen Kopf zu bewahren und auch mal penetrant zu sein, d. h. keine Hemmungen zu haben, die Verantwortlichkeiten mehrmals anzuschreiben, bis man eine Antwort auf die Fragen bekommt. Die ITÜ zusammen mit ODTÜ (OrtaDogu Teknik Üniversitesi) ist die beste Universität in der Türkei, jedoch sollte man die Qualität der Lehre, was an sich sehr hoch ist, nicht mit der von der Hochschule München vergleichen. Auch die Mentalität, die Arbeit auf den letzten Drücker zu erledigen sollte dem einen oder dem anderen keine Kopfschmerzen bereiten. Auf die spätere Arbeitswelt, wo man eventuell mit vielen internationalen Unternehmen arbeiten wird, war dieses Semester für mich eine sehr gute Vorbereitung.