Einführung in die experimentelle Elementarteilchenphysik. Themen. Weiterführende Literatur. Einige nützliche Links

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Transkript:

Einführung in die experimentelle Elementarteilchenphysik Wintersemester 2001/02 Carsten Niebuhr DESY-Hamburg Notkestrasse 85 Tel: 01709234443 email: niebuhr@mail.desy.de Voraussetzungen Klassische Mechanik Hamilton/Lagrange Formalismen Elektrodynamik Maxwell Gleichungen Quantenmechanik Schrödingergleichung Spezielle Relativitätstheorie Lorentz-Transformation Metrik Historische Einführung Einheiten Quarkmodell Grundlagen Relativistische Kinematik Relativistische Wellengleichungen Kräfte/Wechselwirkungen/Teilchen Feynman-Diagramme Wechselwirkung von Teilchen und Materie Detektoren Kalorimeter Spurdetektoren Festkörperdetektoren Beschleuniger Zyklotron Synchrotron Collider Themen Das Standardmodell der Teilchenphysik Symmetrien/Eichtheorien Fermionen/Bosonen Elektroschwache Wechselwirkung Starke Wechselwirkung / QCD Higgs Mechnismus Aktuelle Themen Neutrinooszillationen CP Verletzung Higgs Suche C. Niebuhr 1 Vorlesung 1/2 C. Niebuhr 2 Vorlesung 1/2 Weiterführende Literatur Einige nützliche Links D.Griffiths: Einführung in die Elementarteilchenphysik, Akademie Verlag, Berlin 1996 Leicht verständlich und interessant geschrieben B.R. Martin, G. Shaw: Particle Physics, John Wiley 1992 Guter phänomenologischer Überblick, leicht lesbar V.D.Barger, R.J.N.Phillips: Collider Physics, Addison&Wesley, 1987 Theoretisch aber auch nahe am Experiment, setzt einige Kenntnisse voraus Donald H. Perkins: Einführung in die Hochenergiephysik, Addison&Wesley, 1987 Ein Klassiker, viel Material, Rechnungen zum Teil schwer nachvollziehbar, teilweise veraltet E. Lohrmann: Hochenergiephysik, Teubner Studienbücher Physik, 1992. Knapp und elementar F. Halzen, A. D. Martin: Quarks & Leptons: An Introductory Course in Modern Particle Physics, John Wiley, 1984 Der Klassiker unter den Textbüchern für Teilchenphysiker, sehr empfehlenswert, aber recht theoretisch, daher eher für Fortgeschrittene Nachschlagewerk Particle Data Group: Review of Particle Physics, Eur. Phys. J. C15, 1-878 (2000) Vollständiges Nachschlagewerk aller bekannten Daten und gute Zusammenfassungen der theoretischen Grundlagen. Wird alle 2 Jahre publiziert. Auch unter http://pdg.lbl.gov mit regelmässigen Aktualisierungen Detektoren K.Kleinknecht: Detektoren für Teilchenstrahlung, Teubner, 1992 W.R. Leo: Techniques for Nuclear and Particle Physics Experiments, Springer 1994 DESY-Hamburg http://www.desy.de/ http://www.desy.de/summerstudents/ CERN Genf http://welcome.cern.ch/ Fermilab Chicago http://www.fnal.gov/ SLAC Stanford http://www.slac.stanford.edu/highlighted.html Populärwissenschaftliche Behandlungen des Themas http://hands-on-cern.physto.se/hoc_v1en/main.html http://wwwpdg.cern.ch/pdg/cpep/adventure_home.html http://quarknet.fnal.gov/index_st.shtml http://www.physik.uni-erlangen.de/didaktik/grundl_d_tph/titelseite.html http://kworkquark.desy.de/ C. Niebuhr 3 Vorlesung 1/2 C. Niebuhr 4 Vorlesung 1/2

Die Suche nach den elementaren Bestandteilen aller Materie ist alt: Woraus ist die Welt gemacht??? ca. 600 v. Chr. :Thales von Milet und sein Schüler Anaximander: vier Grundelemente ca. 400 v.chr. Demokrit: Atome (ατοµοσ) sind ewig, ungeworden und unzerstörbar. Sie sind von Ewigkeit her in Bewegung, nur nach Gestalt und Grösse, Anordnung und Lage verschieden. ca. 1900 Dalton/Mendelejew: Periodische System der chemischen Elemente Wasser Luft Erde Feuer einfach, ökonomisch # leider falsch! zutreffende Beschreibung # zu kompliziert für endgültige Theorie Anspruch der Teilchenphysik Elementarteilchenphysik = Hochenergiephysik untersucht die fundamentalen Bestandteile der Materie und ihre Wechselwirkungen Ziel: "Erklärung" aller experimentellen Beobachtungen aus einem Satz von wenigen Axiomen und mit einer minimalen Anzahl von Parametern (Ästhetik z.b. Symmetrie!) Vorgehensweise: Experimentell Streuvorgänge: Teilchen aufeinanderschiessen $ Messung des Ablenkwinkels Spontane Zerfälle: Beobachtung der "Bruchstücke" Gebundene Systeme: Untersuchung der Systemeigenschaften gibt Information über Bestandteile und die Wechselwirkung zwischen ihnen Theoretisch Modellbildung üblicherweise in Form einer mathematischen Beschreibung der experimentellen Befunde Idealerweise ist dies ein Satz von nur wenigen Formeln, aus denen alles abgeleitet werden kann Gültigkeit und Glaubwürdigkeit steht und fällt natürlich mit der Vorhersage weiterer bisher unbeobachteter Phänomene Gegenwärtiger Stand: Standardmodell der Elementarteilchenphysik es ist in der Lage alle gesicherten experimentellen Beobachtungen im Rahmen von Quantenfeldtheorien zu beschreiben dennoch ist es sicherlich noch nicht die endgültige Theorie, sondern nur ein Schritt dorthin (aus vielen Gründen, u.a. 25 willkürliche Parameter, die experimentell bestimmt werden müssen) C. Niebuhr 5 Vorlesung 1/2 C. Niebuhr 6 Vorlesung 1/2 Beginn der Teilchenphysik: Entdeckung des Elektrons Rutherford 1897 Joseph J. Thomson a b geladene Teichen in E und B Feldern: F = q ( E+ v B) gerade Spur in orthog. E und B Feldern: E F = q E = q v B v = --- B Ablenkung im B Feld: m v 2 r = q v B q m = v ( B r) m p q m Proton war bekannt! $ m e -----------!! 2000 c d Thomson s Experiment stellt gewissermassen den Prototyp eines Teilchenphysikexperiments dar: a) Erzeugung geladener Teilchen b) Beschleunigung gel. Teilchen im longitudinalen E-Feld (notwendige Voraussetzung: Vakuum) c) Bestimmung von v, q/m in E und B Feld d) Nachweis und Positionsbestimmung mit Fluoreszensschirm Thomson s Vermutung über die Struktur der Materie: Homogener positiv geladener Brei Elektronen wie "Pflaumen im Pudding" Rutherford s Streuung von Alpha-Teilchen an einer dünnen Goldfolie widerlegt diese Vorstellung, da die Winkel-verteilung der gestreuten Alpha-Teilchen einen Ausläufer zu großen Winkeln (Rückwärtsstreuung) aufweist: dσ ( Ze ------- 2 ) = ------------------------------ 2 (Z=Kernladung, E=Energie) dω 4E 2 sin 4 θ 2 Rutherfords Folgerung 1911: Alpha-Teilchen stossen auf etwas sehr Kleines, sehr Hartes und sehr Schweres $ positive Ladung und fast die gesamte Masse sind auf einem winzigen Teil im Inneren des Atomvolumens konzentriert. Bohr 1913: Analogie zum Planetensystem C. Niebuhr 7 Vorlesung 1/2 C. Niebuhr 8 Vorlesung 1/2

Photon Entdeckung der Anti-Teilchen: das Positron 1900: M.Planck: Schwarzkörperstrahlung $ Emission und Absorption sind quantisiert 1905: A.Einstein erklärt den photoelektrischen Effekt: Maximalenergie der ausgelösten Elektronen ist unabhängig von der Intensität der Bestrahlung E < hν-w=e max (W=Austrittsarbeit) $ das elektromagnetische Feld ist quantisiert Energie des Lichtquants: E = hν Impuls des Lichtquants: p = E/c = hν/c = h/λ 1922: A.Compton weist den Korpuskelcharakter des Photons nach. Aus Energie- und Impulserhaltung folgt: λ = 2 λ e sin 2 (ϕ/2) λ e = h/m e c = 2.4262 x 10-12 m Comptonwellenlänge des Elektrons Röntgen- Quelle P.Lenard Detektor λ UV-Licht e λ' ϕ Probe e Bragg- Kristal Lösung für Dirac s Problem der Zustände mit negativer Energie. Die Gleichung für ein relativistisches Elektron lautet: E 2 = p 2 c 2 + m2 e c 4$ E = ± p 2 c 2 + m2 e c 4 d.h. es gibt Zustände negativer Energie! Problem: Was hindert Elektronen daran durch Abstrahlung von Energie in den Zustand E = überzugehen? Lösung: Im Vakuum sind bereits alle Zustände negativer Energie mit Elektronen bevölkert. Wird einem dieser Elektronen genügend Energie zugeführt, so gelangt es in einen Zustand positiver Energie. Die zurückbleibende Fehlstelle ist ein Antiteilchen (Positron) mit positiver Energie. E +m e c 2 - m e c 2 0 e - e + B-Feld 1.5 Tesla Spurkrümmung: positive Ladung p 23 MeV/c $ kein Proton! 6mm Bleiplatte $ Energieverlust Eine der ersten identifizierten Positron- Spuren in einer Wilson Nebelkammer C.D.Anderson Physical Review 43 (1933) 491 C. Niebuhr 9 Vorlesung 1/2 C. Niebuhr 10 Vorlesung 1/2 Gebräuchliche Einheiten in der Teilchenphysik Die Verwendung von üblichen Einheiten ist in der Teilchenphysik unpraktisch, da Dimension z.b. für Ladung kompliziert: [l] = M 1/2 L 2/3 T -1 Skalen sind ebenfalls nicht angepasst. Typische Grössenordnungen: Länge: 1 fm = 10-13 cm Energie: 1 ev = 1.602 x 10-19 J Masse: m e = 9.109 x 10-28 g Für Teilchen mit fester Masse m 0 sind die Einheiten L,M,T eindeutig miteinander verknüpft E = m 0 c 2 λ 0 = h/m 0 c Comptonwellenlänge t 0 = λ 0 /c = h/m 0 c 2 Diese Grössen sind verknüpft durch: h h = ----- = 6.582x10-22 MeV s 2π c = 2.998 x 10 8 m/s Zur Vereinfachung wird häufig h=c=1 gesetzt $ h c= 197.3 MeV fm = 1 Konsequenz: Energie, Impuls, Masse in GeV Abstände in GeV -1 Rezept: Mit h=c=1 rechnen und Ergebnis so lange mit h und c multiplizieren, bis die richtige Dimension herauskommt! e Feinstrukturkonstante: α = ---- 2 = hc 1 -------- 137 Phänomene in der Elementarteilchenphysik spielen sich ab in den Bereichen kleiner Distanzen sowie hoher Energien Eine adäquate Beschreibung erfordet also die Kombination von Quantenmechanik Spezielle Relativitätstheorie Quantenfeldtheorie Quantenelektrodynamik (QED, sehr erfolgreicher Prototyp) Quantenchromodynamik (QCD) C. Niebuhr 11 Vorlesung 1/2 C. Niebuhr 12 Vorlesung 1/2

Wechselwirkung in Quantenfeldtheorien Kräfte werden übertragen durch Emission und Absorption von Teilchen. Austauschteilchen der QED ist das Photon, das Feldquant des elektromagnetischen Feldes. Damit Impulserhaltung und Energieerhaltung am Vertex gültig sein können, kann das Photon nicht die Masse 0 haben, es ist virtuell. Oft benutzter Ausdruck: es ist "off-shell "oder es "befindet sich nicht auf der Massenschale E 2 p 2 c 2 m 2 c 4 " Im allgemeinen Fall, wenn das Austauschteilchen X massiv ist, gilt für die Energiedifferenz zwischen Anfangs- und End-zustand: E = E X + E A M A c 2 M X c 2. Solch eine Verletzung der Energieerhaltung kann nach der Heisenbergschen Unschärferelation nur für eine kurze Zeitdauer τ h E andauern. Damit ergibt sich sofort eine maximale Reichweite von R h M X c Zeit A A X (z.b. γ) Bei der schwachen Wechselwirkung sind die Austauschbosonen W +/, Z massiv: M W = 80.3 GeV/c 2 M Z = 91.2 GeV/c 2 $ Reichweite R 2 x 10-3 fm Das Potential eines solchen Feldes wird durch das Yukawa - Potential dargestellt:v() r e r R r B B Prozesse höherer Ordnung in der QED O(α 2 em ) Moller Streuung Bhaba Streuung Paarvernichtung O(α 4 em ) Vakuumpolarisation Für die exakte Berechnung müssen alle möglichen Diagramme mit den entsprechenden äußeren Linien berechnet werden α=1/137 => Störungsrechnung Theorie ist sehr genau getestet: (g e -2)/2 QED: (1 159 652.4 ± 0.4) 10-9 Exp : (1 159 652.193 ± 0.01) 10-9 C. Niebuhr 13 Vorlesung 1/2 C. Niebuhr 14 Vorlesung 1/2 Wie konstant sind Kopplungskonstanten wirklich? Nachweis von Muon und Pion in der Höhenstrahlung q - + Konsequenz der Vakuumpolarisation: punktförmige Ladung q wird durch die Polarisation der Umgebung teilweise abgeschirmt (Analogie Moleküle in einem dielektrischen Medium) : e ν ν Aus der Beobachtung vieler solcher Ereignisse ergibt sich, dass die Energie des Elektrons nicht konstant ist $ es kann sich nicht um einen reinen Zwei- Körperzerfall handeln µ e+ 2ν q q eff = q / ε r α em (r ) 1/137 α em (r=2.5x10-18 m) 1/128 (getestet at LEP!) 0.6 mm µ Das neue Teilchen zerfällt in Ruhe. Das Zerfallsmuon ist stets monoenergetisch $ es handelt sich um einen Zweikörperzerfall: π µ + ν q/ε r ν π r o r Photografische Emulsion in kosmischer Höhenstrahlung Powell et al, Nature 159 (1947) 694 C. Niebuhr 15 Vorlesung 1/2 C. Niebuhr 16 Vorlesung 1/2

Neutrinos Eigenschaften der Leptonen Problem beim nuklearen Beta-Zerfall: (Z,A) > (Z+1,A) + e - 40 40 (z.b. 19 K 20 Ca ) Falls es sich um einen Zwei-Körperzerfall handelt sollte die Elektronenergie konstant sein. Tatsächlich gemessen: Ereignisse E kin (e - ) Zwei- Körper Lösung: Pauli postuliert 1930 ein neues, drittes Teilchen - das Neutrino. Eigenschaften: neutral, wechselwirkt nur schwach, nicht elektromagnetisch, Spin 1/2 Direkter Nachweis durch Cowans und Reines 1958 in einem Wassertank an einem Reaktor über die Messung der "inversen" Reaktion: ν e + p e + + n 5x10 13 Teilchen/cm 2 s trotzdem nur ca. 2-3 Ereignisse pro Stunde (Reichweite in Eisen: 100 Lichtjahre!) Frage: gilt ν e ν e? Falls ja, dann sollte die Umkehrreaktion ν e + n e - + p mit etwa derselben Rate auftreten. Davis konnte zeigen, dass diese Reaktion nicht vorkommt. Was unterscheidet ν e von ν e? Antwort: Leptonzahl L, die erhalten sein muss. L = 0 für alle Nicht-Leptonen L = -1 (+1) für ν e, e + (ν e, e - ) Später: ν e ν µ $ Leptonflavourzahlen L e, L µ sind separat erhalten Generation 1 2 3 1 2 3 Teilchen Masse (MeV) Lebensdauer (s) L τ L µ L e L Ladung e 0.511 stabil 0 0 1 1 1 ν e < 10-6 0 0 1 1 0 µ 105.66 2.197x10-6 0 1 0 1 1 ν µ < 0.17 0 1 0 1 0 τ 1777.0 2.90x10-13 1 0 0 1 1 ν τ < 18.2 1 0 0 1 0 Antiteilchen e + 0.511 stabil 0 0 1 1 1 ν e < 10-6 0 0 1 1 0 µ + 105.66 2.197x10-6 0 1 0 1 1 ν µ < 0.17 0 1 0 1 0 τ + 1777.0 2.90x10-13 1 0 0 1 1 ν τ < 18.2 1 0 0 1 0 Bei allen Teilchenreaktionen gelten strikte Erhaltungssätze : L i = const. i Le i = const i Lµ i = const i Lτ i = const i C. Niebuhr 17 Vorlesung 1/2 C. Niebuhr 18 Vorlesung 1/2 Die schwache Wechselwirkung - W und Z Bosonen Anzahl von leichten Neutrinos Dem Kern-β-Zerfall liegt die Reaktion n p e ν e zugrunde ganz analog dazu erfolgt der Zerfall des Muons: µ e ν e ν µ oder via Crossing Neutrino-Elektron-Streuung ν µ e ν µ e Geladener Strom: ν ν e e µ ν e µ LEP: e + e Hadronen Mögliche Zerfallskanäle: q q l + l ν ν die schwache Wechselwirkung wird ebenfalls durch eine Quantenfeldtheorie beschrieben, d.h. Wirkung erfolgt durch den Austausch von Teilchen in der vereinheitlichten elektroschwachen Theorie von Glashow, Weinberg und Salam (1967) wurden die intermediären Bosonen W +,W, Z 0 vorhergesagt in dem speziell für ihren Nachweis gebauten CERN p-p Speicherring wurden diese Teilchen 1983 experimentell nachgewiesen: m W = 80.419 ± 0.056 GeV m Z = 91.1882 ± 0.0022 GeV W W µ e Neutraler Strom: µ + µ Z 0 e e + ν µ σ e + e Γ( Z ( X) 0 e + e )Γ( Z 0 X) --------------------------------------------------------------- ( E2 CM M2 Z ) 2 + M 2 Z Γ2 Z Z o Z o Z o e e + e e + e e + Γ tot = Γ( Z 0 Hadr) + 3Γ( Z 0 l + l ) + N ν Γ( Z 0 vv) => es gibt nur 3 Neutrinoarten leichter als das Z 0, und damit auch nur 3 Generationen C. Niebuhr 19 Vorlesung 1/2 C. Niebuhr 20 Vorlesung 1/2

Wechselwirkungen und Austauschteilchen Stärke und Reichweiten der vier Wechselwirkungen Wechselwirkung elektromagnetisch Austauschteilchen Name Masse (GeV/c 2 ) γ Photon 0 1 schwach W +, W, Z 0 intermediäre Vektorbosonen stark g (fundamental) Gluon (8 versch.) gravitativ π (residual a la vanderwaals) G (noch nicht nachgewiesen) Pion 80, 80, 91 1 0 0.14 Graviton 0 2 Spin 1 Wesentliche Erkenntnis: Alle WWen können mit Eichtheorien beschrieben werden. Austauschteilchen sind die Eichbosonen. Die Reichweite der WW hängt von der Masse der Eichbosonen ab: Für EM und Schwerkraft: m Photon =m Graviton =0 $ 1/r 2 Verhalten & unendliche Reichweite Schwache WW: m W/Z 100 GeV $ scharfer Abfall @ 2x10-16 cm Starke WW: sehr unterschiedliches Verhalten für d > 10-15 cm Quarks konst. Kraft : Gluon (masselos!) Hadronen steiler Abfall : Pion Leptonen, Quarks? Proton Kern Atom $ Effekt der "Farbe" der Quarks (später) C. Niebuhr 21 Vorlesung 1/2 C. Niebuhr 22 Vorlesung 1/2 Der Elementarteilchenzoo Teilchenzerfälle Der Zerfall von Elementarteilchen oder Zuständen ist ein statistischer Prozess. keine Vorhersage für einzelnes Teilchen, sondern nur Mittelwert für Ensemble von N Teilchen Teilchen haben kein Gedächtnis Zerfallswahrscheinlichkeit unabhängig von t Für N Teilchen gilt: dn = NΓdt N() t = N 0 exp( Γt) Γ heißt Zerfallsrate oder Zerfallsbreite (s -1 ) Breit-Wigner Resonanzkurve: und viele mehr... ν Osz. ν τ g Ν(ν)=3 Mittlere Lebensdauer: τ = 1 / Γ Wenn es mehrere Zerfallskanäle gibt gilt: Γ tot = Γ i i Das Verhältnis Γ i / Γ tot bezeichnet man als Verzweigungsverhältnis für den entsprechenden Kanal NW ( ) Γ 2π = --------------------------------------------- ( W W r ) 2 + Γ 2 4 in Analogie zur erzwungenen Schwingung: W r Resonanzmasse Γ Halbwertsbreite C. Niebuhr 23 Vorlesung 1/2 C. Niebuhr 24 Vorlesung 1/2

Zusammenhang Zerfallsbreite und Lebensdauer Seltsame Teilchen Beispiel für starke Wechselwirkung: Reaktion π p $ π + π n W = p 2 + + p 2 ist die invariante Masse des Pionsystems Heisenberg: Energie/Zeit Unschärfe W 1/τ = Γ WW Zerfallsbreite Γ Lebensdauer τ Beispiel τ stark O( 10-10 3 MeV) O( 10-22 -10-24 s) ρ 0 π + π 10-24 s e.m. O( 10-2 -10 3 kev) O( 10-16 -10-21 s) π 0 γγ 10-17 s schwach O( 10-2 -10 4 µev) O( 10-7 -10-13 s) Κ 0 π + π 10-10 s Meson und Nukleonresonanzen Γ 0.2 GeV Um 1947 scheinbar konsistentes Bild der Teilchenphysik. Rochester und Butler beobachten in der kosmischen Höhenstrahlung seltsame Teilchen, die nicht so recht in das Schema passen. 1952 wurde der erste moderne Teilchenbeschleuniger (Brookhaven Cosmotron) in Betrieb genommen $ die neuartigen Teilchen können sehr viel besser studiert werden. Sie werden reichlich erzeugt (innerhalb ca. 10-23 s), sind dann aber relativ "stabil" (typisch ca. 10-10 s) Vermutung: Erzeugungsmechnismus verschieden von Zerfallsmechanismus Die seltsamen Teilchen werden immer paarweise erzeugt Erklärungsversuch: neue Teilcheneigenschaft "Strangeness" oder "Seltsamkeit" ist (wie Ladungs-, Lepton-, Baryonenzahl) in der starken Wechselwirkung erhalten, nicht aber in der schwachen Wechsewirkung Produktion: es werden beobachtet: π - + p + > K + + Σ - (0 + 0 > 1-1) π - + p + > K 0 + Σ 0 π - + p + > K 0 + Λ nicht beobachtet werden dagegen: π - + p + > π + + Σ - (0 + 0 > 0-1) Zerfall: Strangeness ist nicht erhalten: Λ > p + + π - (-1 > 0 + 0) Σ + > p + + π 0 C. Niebuhr 25 Vorlesung 1/2 C. Niebuhr 26 Vorlesung 1/2 Gell-Mann: der Achtfache Weg Entdeckung des Ω S=0 n p S=1 K o K + π e Σ 0 S= 1 Σ Σ + Λ S= 2 Ξ - Ξ 0 Q=1 Q= 0 Q= 1 S=0 Baryon Oktett S=0 S= 1 0 + ++ π K - π 0 π + η K o Q=1 Q= 1 Q= 0 Meson Nonett e + γ Κ + p Λ 0 e + e S= 1 Σ Σ 0 Σ + Q=2 γ S= 2 S= 3 Baryon Dekuplett Ξ Ξ 0 Q=1 Ω Q=0 Q= 1 Κ 0 Ξ 0 Κ Ω π BNL 1964 : K - p > Ω K 0 K + Bilanz : -1+0 ->? + 1+ 1 S Ω = -3 C. Niebuhr 27 Vorlesung 1/2 C. Niebuhr 28 Vorlesung 1/2

Das Quarkmodell Hadronen-Multipletts Die aus drittelzahlig geladenen Quarks bestehende Substruktur liefert den tieferen Grund für die beobachtete Ordnung: (Anti-)Baryonen bestehen aus drei (Anti-)Quarks : qqq Mesonen setzen sich aus einem Quark und einem Antiquark zusammen: qq Baryon Dekuplett qqq Q S Baryon uuu 2 0 ++ Meson Nonett qq Q S Meson uu 0 0 π 0 Probleme des Quarkmodells: 1) Trotz intensivster Suche wurden nie freie Quarks beobachtet. 2) Das Pauliprinzip scheint verletzt zu sein S=0 S=-1 d Quarks s u Q=2/3 S=0 S=-1 Antiquarks u s d uud 1 0 + udd 0 0 0 ddd -1 0 uus 1-1 Σ* + uds 0-1 Σ* 0 dds -1-1 Σ* uss 0-2 Ξ* 0 dss -1-2 Ξ* sss -1-3 Ω ud 1 0 π + du -1 0 π dd 0 0 η us 1 1 K + ds 0 1 K 0 su -1-1 K sd 0-1 K 0 ss 0 0?? Ausweg: Quark-Einschluss (quark confinement) Einführung des Konzepts der Farbe R G B (QCD später). Konsequenz: alle natürlich auftretenden Teilchen sind farblos (Baryonen R+G+B, Mesonen zb R+Anti-Rot ) Spätere Experimente analog zu Rutherford SLAC, CERN, DESY: Tiefunelastische Streuung bestätigt Partonstruktur des Protons Q=-1/3 Q=-2/3 Q=1/3 C. Niebuhr 29 Vorlesung 1/2 C. Niebuhr 30 Vorlesung 1/2 QED vs QCD Kann man Quarks "sehen"? Quantenelektrodynamik: el. Ladung q, e γ Es gibt nur eine Ladungssorte Photonen sind neutral und wechselwirken nicht miteinander q Quantenchromodynamik: Farbladung g Es gibt 3 Ladungen R, B, G (R, B, G) Gluonen sind zweifarbig und können daher miteinander wechselwirken... nicht wirklich, aber wenn sie durch einen starken Stoß aus dem Proton herausgeschlagen werden, bilden sie einen farblosen Jet von geladenen Teilchen, zb bei HERA: e Jet Stärke der WW nimmt mit zunehmendem Abstand ab Selbstwechselwirkung führt dazu, dass die Stärke der WW mit demabstand zunimmt (es gibt sogar 4-g Vertizes) e Jet Kopplungskonstante ist klein: α em =1/137 Störungsrechnungen können mit sehr hoher Präzision durchgeführt werden Infrared slavery: keine freien Quarks Kopplungskonstante wird so groß, dass Störungstheorie nicht anwendbar q q "Gluon-Schlauch" Zeit e p Jet C. Niebuhr 31 Vorlesung 1/2 C. Niebuhr 32 Vorlesung 1/2

Ende der Zweifel am Quarkmodell: Die Entdeckung des J/Ψ Der Weg zur umfassenden Theorie "Novemberrevolution" 1974: C.C.Ting (Brookhaven) und B.Richter (SLAC) entdecken nahezu gleichzeitig ein elektrisch neutrales, äußerst schweres Meson, dreimal so schwer wie das Proton. Außergewöhnlich lange Lebensdauer von ca. 10-20 Sekunden ( 1000 mal länger als vergleichbare Teilchen) Plausibelste Erklärung: J/Ψ ist gebundener Zustand eines neuen (vierten) Quarks (c für Charm) und des zugehörigen Antiquarks. Damit ist Symmetrie zwischen Leptonen und Quarks auch wieder hergestellt Leptonen (e ν e ), (µ ν µ ) Quarks (d u ), (s c ) Konsequenz: viele neue Mesonen und Baryonen mit unterschiedlich vielen Charm-Quarks sollten möglich sein. Nachweis von open charm: 1974: Λ + c = udc und Σ ++ c = uuc 1976: D 0 = c u und D + = c d Super Multipletts pseudoskalare Mesonen Baryonen Elektrizität Magnetismus Licht Betazerfall Neutrino Wechselwirkung Protonen Neutronen Pionen Erdanziehungskraft Himmelsmechanik schwache Wechselwirkung starke Wechselwirkung allgemeine Gravitation Geometrie der Raumzeit elektroschwache Wechselwirkung Elektromagnetismus Standard- Model Allgemeine Relativitäts theorie? C. Niebuhr 33 Vorlesung 1/2 C. Niebuhr 34 Vorlesung 1/2 Das Standard Modell "in a nut shell" Teilchenphysik und Kosmologie: Astroteilchenphysik Hadronen - Mesonen: qq - Baryonen: qqq Michael Turner @ Lepton-Photon 2001 wwwpdg.cern.ch/pdg/cpep/standardchart_large.html C. Niebuhr 35 Vorlesung 1/2 C. Niebuhr 36 Vorlesung 1/2

Teilchenphysik und Astrophysik C. Niebuhr 37 Vorlesung 1/2