Saxitoxin 3aS-(3a-α,4-α,10aR*))2,6-diamino-4- (((aminocarbonyl)oxy)methyl)-3a,4,8,9-tetrahydro- 1H,10H-pyrrolo(1,2-c)purine-10,10-diol Jascha Diemer, Stefan Dörsam, Adrian Eilingsfeld Madline Götz 1
Einleitung Bei Saxitoxin handelt es sich um ein starkes Neurotoxin (Nervengift), dass von einigen Vertretern so genannter Dinoflagellaten und Süßwasser-Cyanobakterien produziert wird. Besonders in den Sommermonaten (aufgrund höherer Temperaturen) vermehren sich diese Mikroorganismen sehr stark, sodass rötlich gefärbte Planktonteppiche auf Seen o.ä. entstehen, dieses Phänomen wird als Red Tide bezeichnet und findet bereits in der Bibel Erwähnung. Die Saxitoxin-Produzenten werden von filtrierenden Meeresorganismen, wie Austern oder Miesmuscheln aufgenommen. Auf diese Weise kann sich Saxitoxin in den Muscheln anreichern und führt nach dem Verzehr zu einer paralytischen Muschelvergiftung (Mytilismus). Im Englischen hat sich der Begriff Paralytic Shellfish Poisoning (PSP) geprägt. Aufgrund der Stärke des Toxins wurde dieses bereits als chemischer Kampfstoff in Betracht gezogen. Weiterhin wird an einer Anwendung in der Medizin geforscht. Struktur Der IUPAC-Name von Saxitoxin lautet: (3aS-(3a-α,4-α,10aR*))2,6-diamino-4- (((aminocarbonyl)oxy)methyl)-3a,4,8,9-tetrahydro-1h,10h-pyrrolo(1,2-c)purine-10,10-diol). Es handelt sich um ein Purinderivat, die toxische Aktivität wird durch die zwei Guanidingruppen begründet. Bisher wurden rund 20 PSP-Toxine isoliert, welche sich als Saxitoxin- Derivate zusammenfassen lassen, da sie von diesem strukturell abgeleitet werden können. Physikalische Eigenschaften Eigenschaften Stoffnamen Saxitoxin STX Mytilotoxin Summenformel C 10 H 17 N 7 O 4 Molare Masse 299,286 g/mol Die Löslichkeit von Saxitoxin in Wasser ist sehr hoch, die Verbindung lässt sich als stark hygroskopisch einordnen. STX besitzt auch in Methanol und Ethanol eine hohe Löslichkeit, in anderen organischen Lösungsmitteln ist es jedoch fast unlöslich. In einem schwach sauren Milieu ist die Struktur stabil und im alkalischen Bereich liegt Saxitoxin oxidiert vor. Durch Hitze wird die Struktur zerstört. 2
R- Sätze & Gefahrensymbole R/S-Sätze/Gefahrensymbole R: - 26-28 Saxitoxin weißt für den Menschen eine akute Giftigkeit auf. In den meisten Fällen gelangt SXT durch die Nahrungsaufnahme in den Körper; die Aufnahme ist jedoch ebenfalls durch Inhalation möglich. Bei dem letzteren Weg tritt fast immer der Tod durch Atemstillstand ein. chemischer Kampfstoff, Klasse 1A biologischer Kampfstoff Wirkung & Toxizität Wie schon zuvor erwähnt ist Saxitoxin ein sehr starkes Neurotoxin, da es die Nervenzellen, beziehungsweise die Reizweiterleitung hemmt. Es ist eines der stärksten Gifte (im Vergleich zu dem synthetischen Nervengift Sarin 1000-mal giftiger). Die Wirkungsweise des Toxins besteht in der Blockade der Natriumionenkanäle von Nervenzellen. Die vorangehenden Grafiken veranschaulichen, dass Eintreffen eine Erregung (Aktionspotential/Reiz) in der Zelle, wodurch eine Ausschüttung von Transmittern aus den synaptischen Vesikeln stattfindet. Diese würden in Abwesenheit des Neurotoxins an den Rezeptoren der Natriumionenkanäle binden, wodurch die Kanäle geöffnet würden und Natrium durch die postsynaptische Membran eindringen könnte. So würde die Erregung weitergeleitet werden. Bei Vorhandensein von Saxitoxin tritt jedoch keine Reizweiterleitung auf, da sich das Toxin anstelle der Transmitter an die Rezeptoren bindet, sie inaktiviert und somit die Natriumionenkanäle blockiert. Es findet keine Öffnung statt, die Natrium-Ionen können nicht mehr in das Zellinnere gelangen. Die Bindung von Saxitoxin an die Natriumionenkanäle ist hoch spezifisch, andere Tunnelproteine wie die Calciumionenkanäle werden nicht beeinflusst. Zur Blockade eines Kanals ist nur ein Molekül Saxitoxin notwendig, was zu der geringen letalen Dosis beiträgt. 3
Durch den beschriebenen Wirkungsmechanismus werden folgende Symptome hervorgerufen: Haupterscheinungsbild: Lähmungen jeder Art (Atemlähmung, Herzkreislaufstörungen usw.) Übelkeit, Erbrechen, Bauchschmerzen, Diarrhöe hohe Schmerzempfindlichkeit um den Mund, kribbeln Sehen von Doppelbildern, Sprachstörungen Kopfschmerzen, Schwindel Muskelschmerzen Die oben genannten Symptome treten nach dem Verzehr von kontaminiertem Muschelfleisch etwa 30 Minuten später auf. Die Ausprägung und Dauer hängt dabei jedoch von der Dosis des Toxins ab. Bei einer geringen Dosis (<1mg) halten die aufgeführten Symptome für etwa 14-18 Stunden an, wobei eine Muskelschwäche noch einige Wochen später verzeichnet werden kann. Bei Überschreitung der letalen Dosis (LD 50 ~1-2mg) tritt der Tod meist nach kurzer Zeit durch Atemlähmung und einen Ausfall der Herztätigkeit ein. Eine Therapie kann durch die Zugabe von medizinischer Kohle (1g/kg) begonnen werden, wodurch noch freies Toxin gebunden werden soll. Weiterhin muss eine Magenspülung durchgeführt werden, um das Gift aus dem Körper herauszubefördern. Eine künstliche Beatmung ist ebenfalls notwendig, damit der Patient eine Überlebenschance hat. Trotz der hohen Toxizität bleiben die Muscheln selber von dem Toxin völlig unbeschadet. Der genaue Grund dafür ist noch nicht endgültig bewiesen, es wird vermutet, dass aufgrund einer Mutation die Rezeptoren der Natriumionenkanäle so verändert wurden, dass das Gift nicht mehr binden kann. Es ist ebenfalls möglich, dass in der Muschel spezielle Proteine vorhanden sind, die Saxitoxin abfangen und binden, bevor es mit den Rezeptoren wechselwirken kann. 4
Synthese 5
Verwendung Wegen der genannten hohen Toxizität und der raschen Wirkung von Saxitoxin wurde mehrfach der Einsatz als chemischer Kampfstoff in Erwägung gezogen. So ist es auch im Chemiewaffenübereinkommen aufgeführt (Liste 1) und steht außerdem auf der Kriegswaffenliste des bundesdeutschen Kriegswaffenkontrollgesetzes. Aus ersichtlichen Gründen ist über diese Art der Verwendung von Saxitoxin nichts Näheres in Erfahrung zu bringen. Eine der wenigen zivilen Anwendungsmöglichkeiten von Saxitoxin besteht in der Nutzbarmachung der Eigenschaft als selektiver Natriumkanal-Blocker. Bisher scheint Saxitoxin keine anderen Wirkungen zu besitzen, allerdings stehen betreffende Untersuchungen noch aus. In der medizinischen Forschung wird an der Nutzung von Saxitoxin als Lokalanästhetika geforscht. Erste Versuche an Mäusen scheinen vielversprechend zu sein. Allerdings ist bei der Anwendung aufgrund der Toxizität Sorgfalt walten zu lassen, da minimale Abweichungen in der Dosierung (bei den Mäusen um 0,1 µg) bereits zum Tode führen und somit ein extrem kleiner Grad in der Dosierung zwischen Anästhetikum und letaler Dosis aufzufinden ist. Bedeutung Auf Grund der hohen Toxizität liegt der Schwerpunkt der auf Saxitoxin verwendeten Arbeiten auf der Prävention und vor allem der Erkennung und Neutralisation der toxischen Wirkung. Da Saxitoxin von Organismen des Planktons produziert wird, lässt sich die Bildung nicht vermeiden. Wie in der Einleitung erwähnt, reichern sich Saxitoxin und andere Neurotoxine in Muscheln an, wodurch sie somit Ursache der Muschelvergiftung sind. Die Mortalität "Todesrate" wird weltweit mit 8,5 % angegeben. Somit handelt es sich bei dem PSP um ein international beobachtetes und vor allem im Rahmen der Klimaerwärmung zunehmendes Problem. So gibt es ein großes Angebot an PSP-Kits zum Nachweis von Saxitoxin, wie auch von dem in Darmstadt ansässigen Unternehmen R-Biopharm AG. 6
Quellen Datenblatt bei CbInfo (http://www.cbwinfo.com/biological/1. Toxins/Saxitoxin.html) (http://www.cbwinfo.com/biological/toxins/saxmarkush.html) Saxitoxin in der Dinoflagellaten Art Gonyaulax catenella (http://www.biologie.unihamburg.de/b-online/d44/44f.htm#09) PSP in Alaska (http://www.uaf.edu/seagrant/issues/psp/psp.pdf) scinexx.de (http://www.scinexx.de/index.php?cmd=focus_detail2&f_id=106&rang=11) Gesetze-im-internet.de (http://www.gesetze-iminternet.de/krwaffkontrg/anlage_46.html) Molecule of the Month: SAXITOXIN (http://www.chm.bris.ac.uk/motm/stx/saxi.htm) Bundesamt für Bevölkerungsschutz BABS (http://www.laborspiez.ch/de/dok/fa/pdf/fact_sheet_saxitoxin_www.pdf) H. Russmann; Toxine: Biogene Gifte und potenzielle Kampfstoffe; Springer-Verlag Heidelberg; Band 46, Nummer 11; p. 989-996; 2003. Uni Hamburg (http://www.chemie.uni-hamburg.de/claks/gefahrstoffe/35523-89- 8.htm) Sax. Derivate (http://www.cbwinfo.com/biological/toxins/saxmarkush.html) (Journal American Chemical Society. 1984, 106, 5594) (J. American Chemical Society. 1977, 99, 2818) (http://books.google.com/books?id=hwgondio8k0c&pg=pa303&lpg=pa303&dq= saxitoxin+letale+dosis&source=bl&ots=ievvecfjci&sig=yzqxm2pcwecywtazg onbs2hgdcm&hl=de&ei=qpunss7hmoupsabdib3bbq&sa=x&oi=book_result&c t=result&resnum=6) [20.06.2009] (http://books.google.com/books?id=j9is3c7eqeuc&pg=pa428&lpg=pa428&dq=sa xitoxin+letale+dosis&source=bl&ots=g8vhjzb2x1&sig=5d81ykax1coe25rkzaauk AfggvM&hl=de&ei=QPUnSs7hMouPsAbDib3bBQ&sa=X&oi=book_result&ct=resul t&resnum=3) [20.06.2009] Uni Greifswald - Bakterien (http://www.medizin.uni-greifswald.de/pharmako/ tox/kurs/2_11_tiere_und_bakterien.pdf) [21.06.2009] 7