Thesenpapier Chancen und Risiken der Rekommunalisierung

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Transkript:

Thesenpapier Chancen und Risiken der Rekommunalisierung Im Bereich der öffentlichen Daseinsvorsorge gibt es keinen Grundsatz Privat vor Staat. Rekommunalisierung erfordert eine sorgfältige und wirtschaftlich solide Einzelfallprüfung der Chancen und Risiken. Rekommunalisierung ist grundsätzlich auch für kleine Kommunen geeignet. Rekommunalisierung verschafft den Kommunen größere Gestaltungsmöglichkeiten bei der Erledigung ihrer Aufgaben. Rekommunalisierung eröffnet die Möglichkeit zu mehr Bürgernähe und Wirtschaftsförderung. Rekommunalisierung kann zu Kostensenkungen führen. Sie verfehlt ihr Ziel, wenn sie Kostensteigerungen verursacht. Rekommunalisierung bietet die Möglichkeit zur Kooperation mit anderen Kommunen oder privaten Dritten. Rekommunalisierung im Energiebereich bietet die Chance, erneuerbare Energien zu fördern und somit zum Klimaschutz beizutragen. Rekommunalisierung bietet die Chance, Gewinne aus der Aufgabendurchführung für andere kommunale Zwecke einzusetzen. - 1 -

1. Die Privatisierung am Wendepunkt Die rechtliche Grundlage der Daseinsvorsorge ist die Garantie der kommunalen Selbstverwaltung, alle Angelegenheiten der örtlichen Gemeinschaft im Rahmen der Gesetze in eigener Verantwortung regeln zu können. Zum Kernbereich kommunaler Daseinsvorsorge gehört insbesondere die Sicherung der örtlichen Infrastruktur und damit die Versorgung der Bevölkerung mit den leitungsgebundenen Energieträgern Strom, Gas, Fernwärme sowie mit Wasser, Nahverkehrsleistungen sowie einer ordnungsgemäßen Abwasserbeseitigung, Abfallentsorgung und Stadtreinigung. Mit Rekommunalisierung werden Prozesse bezeichnet, in denen Aufgaben der örtlichen Daseinsvorsorge oder Vermögen der örtlichen Gemeinschaft, die vormals durch Privatisierung aus der kommunalen Verwaltung ausgegliedert worden sind, wieder in die Organisationsform des öffentlichen Rechts oder eine private Rechtsform zurückgeführt werden, bei der die Kommune Einfluss auf die Aufgabenwahrnehmung hat. Das Misstrauen gegen Privatisierungen ist im Zuge der Globalisierung und infolge der größten Wirtschafts- und Finanzkrise seit Bestehen der Bundesrepublik Deutschland in allen Bevölkerungsschichten stetig gestiegen. Vielerorts besteht Unzufriedenheit über Kundennähe und Service von privaten Dienstleistungsunternehmen, seien es nun die großen Konzerne der Energiebranche oder Unternehmen der Wasserversorgung oder der Abfallwirtschaft. Die Bürger suchen wieder Sicherheit bei vertrauten und zuverlässigen öffentlichen Einrichtungen und wollen selbst Einfluss nehmen. Infolge der Kernreaktorkatastrophe in Fukushima stehen die Energieerzeugung und versorgung in Deutschland mit der von der Politik eingeleiteten Energiewende vor einer Neuausrichtung. Der Aufbau der regenerativen Energieerzeugung erfordert dezentrale Strukturen. Das Ergebnis ist ein Trend zu kleineren Einheiten sowie zu mehr Gestaltung und Entscheidung vor Ort. Dafür ist der Zeitpunkt günstig, denn in den kommenden Jahren endet ein Großteil der Konzessionsverträge in Nordrhein-Westfalen. Diese Entwicklung hat im Vergleich zur Privatisierungswelle Anfang der 1990er Jahre einer Trendwende eingeleitet, die zu einer stärkeren Betonung der öffentlichen Verantwortung führt. Daseinsvorsorge hat wieder Konjunktur und findet eine immer größere Akzeptanz bei den Bürgern. Das Verlangen der Bürger nach mehr Mitgestaltung drückt sich auch in der vom Landesgesetzgeber verabschiedeten Revitalisierung des Gemeindewirtschaftsrechts aus. Die Novellierung des 107 GO und die Einführung einer - 2 -

neuen gemeinderechtlichen Kategorie der energiewirtschaftlichen Betätigung im neuen 107 a GO sollen die Wettbewerbsfähigkeit der Kommunalwirtschaft in Zeiten von deregulierten Märkten erhalten und wieder verbessern. 2. Pro und Contra einer Rekommunalisierung Die Rekommunalisierung ist ebenso wenig ein Allheilmittel wie es die Privatisierung war. Erheblich ist stets, was aus ökonomischer Sicht sinnvoller und für die Aufgabenerfüllung im Interesse der Bürger effektiver ist. Die kommunale Wirklichkeit zeigt, dass es eine Einzelfallentscheidung ist, die jeweils vor dem Hintergrund der konkreten Bedingungen vor Ort getroffen werden muss. Die Rekommunalisierung ist auch eine Richtungsentscheidung. Die Gemeinden müssen sich die strategische Bedeutung dieser Entscheidung bewusst machen. Die Rekommunalisierung kann in verschiedenen Varianten durchgeführt werden: von der Komplettübernahme von Aufgaben über Teillösungen bis hin zu strategischen Partnerschaften mit privaten Dritten oder öffentlich-rechtlichen Gebietskörperschaften. Kooperationen mit anderen, bereits etablierten Dritten und/oder mit anderen Gemeinden sind sinnvoll, um die für die Finanzierung notwendigen Investitionen auf mehrere Schultern zu verteilen und die Wirtschaftlichkeit zu erhöhen. Eine Partnerschaft mit etablierten Dritten hat zudem den Vorteil, dass die Kommune auf bereits vorhandene Kompetenzen in der Betriebsführung zurückgreifen kann. Grundsätzlich ist keine Gemeinde zu klein für eine Rekommunalisierung bestimmter Aufgaben die Rahmenbedingungen vor Ort müssen aber stimmen. Sie müssen individuell unter wirtschaftlichen, strategischen und politischen Gesichtspunkten geprüft und gegeneinander abgewogen werden. 3. Wirtschaftliche Aspekte Die Rekommunalisierung von Aufgaben darf nicht zu einer höheren finanziellen Belastung der Bürger führen. Eine Gemeinde sollte nur dann in eine unternehmerische Tätigkeit eintreten, wenn nach sorgfältiger Planung eine rentable Umsetzung zu erwarten ist. Gewinne aus kommunalen Unternehmen fließen nicht mehr an Dritte, sondern kommen der Kommune direkt zugute. Auch die Gewerbesteuereinnahmen und die Abführung von Konzessionsabgaben für Energie und Gas können - 3 -

für Aufgaben der Daseinsvorsorge verwendet werden. Im Gegenzug übernimmt die Gemeinde die mit einer unternehmerischen Tätigkeit verbundenen Risiken für den Personaleinsatz, die Finanzkalkulation und die stetige Aufgabenerfüllung. Bei Rekommunalisierungsprojekten der Energiewirtschaft wird ein steuerlicher Querverbund mit verlustreichen Aufgaben wie dem ÖPNV, der Parkraumbewirtschaftung oder dem Betrieb von Hallen- und Freibädern hergestellt, der einen Teil dieser Verlustgeschäfte durch die Einsparung von Gewinnsteuerzahlungen kompensiert. Im gebührenfinanzierten Bereich der Abfallentsorgung ist darauf zu achten, dass eine Rekommunalisierung im Hinblick auf den abgabenrechtlichen Grundsatz der Erforderlichkeit der Kosten nicht zu einer Mehrbelastung der gebührenzahlenden Benutzer führt. Die kommunale Aufgabenwahrnehmung kann bei entsprechender Betriebskostenoptimierung für den Bürger gleichwohl günstiger sein, da die Kommune anders als private Unternehmen - auf eine Gewinnorientierung verzichtet und die hoheitliche Aufgabenerfüllung nicht der Steuerpflicht unterliegt. Im Bereich der Abwasserbeseitigung ist die kommunale Aufgabenerfüllung ohnehin üblich. 4. Strategische Aspekte Die Rekommunalisierung stärkt die Unabhängigkeit der Kommune gegenüber privaten Unternehmen auf vielen Handlungsfeldern. Es geht nicht nur um die Ausweisung neuer Baugebiete und die Ansiedlung neuer Unternehmen, sondern auch um einen größeren Einfluss auf die Gemeinde- und Stadtentwicklung. Beispiele hierfür sind die Implementierung von Klimaschutzkonzepten, die Verwirklichung einer nachhaltigen Energieversorgung und der demographische Umbau. In all diesen Handlungsfeldern ist die Kommune künftig nicht mehr von Entscheidungen von Unternehmen abhängig, die dem Ziel der Gewinnmaximierung verpflichtet sind und keine gemeinwohlorientierten Ziele verfolgen. Gerade in Zeiten der Finanzkrise ist die Erhöhung der Steuerungsund Handlungskompetenz von nicht zu unterschätzender Bedeutung. Kommunalwirtschaft ist zudem wichtig für den lokalen Arbeitsmarkt. Kommunale Unternehmen tragen erheblich zur Steigerung der lokalen und regionalen Wertschöpfung bei, da sie regelmäßig stärker in die Region investieren als Private. Eine Vielzahl der Aufträge wird an die lokale Wirtschaft, insbesondere an das Handwerk und die Bauwirtschaft vergeben. Dies ist ein wichtiger Beitrag zur Stabilisierung der mittelständischen Wirtschaft. Auf diese Weise werden indirekt Arbeitsplätze im regionalen Umfeld gesichert und Steuermehreinnahmen generiert. - 4 -

5. Politische Aspekte Entschließt sich eine Gemeinde, Geschäftsfelder wieder in die kommunale Aufgabenwahrnehmung zurückzuführen, gewinnt sie Einflussmöglichkeiten auf die Gestaltung der Entgelte. Außerdem kann sie durch ihre örtliche Präsenz schnell auf Bürgerwünsche und Anliegen der Wirtschaft reagieren und ihr Dienstleistungsangebot entsprechend ausbauen und optimieren. In den gebührenfinanzierten Bereichen der Abwasserbeseitigung und Abfallentsorgung hat die Gemeinde im Rahmen der Steuerung der kommunalen Aufgabenwahrnehmung Einfluss auf eine angemessene Gebührenhöhe, die Erfüllung von Kundenwünschen und die Schaffung und Sicherung von Arbeitsplätzen. Das kommunalabgabenrechtliche Kostendeckungsprinzip schließt eine Gewinnerzielung im Übrigen aus. Die Umsetzung eines Rekommunalisierungsprojekts ist maßgebend davon abhängig, dass ein verbindlicher Zeitplan und eine effiziente Projektsteuerung festgelegt werden und die entscheidenden kommunalen Beschlussgremien von der unternehmerischen Betätigung überzeugt sind. Wichtig ist, dass das Vorhaben öffentliche Akzeptanz findet und von der Bürgerschaft unterstützt wird. Dies setzt rechtzeitige und umfassende Information und Kommunikation vor Ort voraus. 6. Herausforderung einer kommunalen Energieversorgung Die Gründung kommunalwirtschaftlicher Energieversorgungsunternehmen eröffnet den Gemeinden die Chance, die lokale Steuerung volkswirtschaftlich relevanter Infrastrukturen auszubauen und damit einen noch stärkeren Einfluss auf die Gemeinde- und Stadtentwicklung auszuüben. Beispiele hierfür sind die Implementierung von Klimaschutzkonzepten, die Verwirklichung einer nachhaltigen Energieversorgung, insbesondere auch im Bereich der erneuerbaren Energien, und die Errichtung von Fernwärmegebieten. Die Frage der Übernahme eines Gas- oder Stromnetzes ist angesichts sehr hoher Übernahmepreise zuvorderst eine wirtschaftliche Frage, bei der die Gemeinde das Refinanzierungsrisiko trägt. Mit Blick auf die unterschiedlichen Interessenlagen des abgebenden und des aufnehmenden Netzbetreibers beinhaltet die Frage des Netzkaufpreises ein erhebliches Streitpotenzial. Weiterhin ist die Frage der Netzentflechtungskosten zu klären. Denn die Beteiligten stehen vor der Aufgabe, die Netze so weit zu trennen, dass klare Zuständigkeitsgrenzen geschaffen werden. Schließlich ist abzustimmen, welche Kostenbe- - 5 -

standteile des Kaufpreises refinanziert werden können. Dazu ist zwischen abgebendem Energieversorgungsunternehmen und Kommune zu eruieren, wie die Anschaffungs- und Herstellungskosten zwischen Gesamtnetzareal und dem herauszulösenden Teilnetz aufgeteilt werden. Der Bundesgesetzgeber ist dringend aufgefordert, die rechtlichen Rahmenbedingungen für einen Netzbetrieb zu verbessern. Er hat im Zuge der anstehenden Novelle des Energiewirtschaftsgesetzes die Unsicherheiten im Bezug auf die Bestimmung des Netzkaufpreises, das Recht auf Eigentumsübergang, den frühzeitigen Anspruch auf vollständige Netzinformationen vom Altkonzessionär und den Umfang der zu übertragenden Anlagenteile auszuräumen. Nur so werden die finanziellen Unwägbarkeiten aufgrund schwer kalkulierbarer Kosten beim Netzerwerb beseitigt. Der von Politik und Gesellschaft geforderte Ausbau von dezentralen Energieverteilungs- und Versorgungsstrukturen kann nur dann vorankommen, wenn die Gemeinden Rechts- und Planungssicherheit erhalten. Düsseldorf, im Mai 2011-6 -