I N F O R M A T I O N zur mit Landesrat Rudi Anschober Dalibor Strasky Monika Machova-Wittingerova Pavel Vlcek am 20. September 2011 zum Thema "Die Details des in Tschechien geplanten Atomkurses"
LR Rudi Anschober Seite 2 Die Details des in Tschechien geplanten Atomkurses Tschechien will sich offensichtlich als Europas führender Atomstaat positionieren. Während halb Europa die Konsequenzen aus Fukushima zieht und aus der Kernenergie aussteigt, will Tschechien laut den verschiedenen Szenarien des Entwurfs des staatlichen Energiekonzeptes als energiepolitischer Geisterfahrer mit vollem Tempo in die Gegenrichtung und die Atomstromproduktion bis zu verfünffachen. Damit provoziert Tschechien heftigen Widerstand in ganz Europa und in Tschechien selbst. Oberösterreich arbeitet an einer breiten Allianz des Widerstandes, setzt auf Zusammenarbeit mit tschechischen Initiativen sowie mit Wien, München, Berlin und Brüssel und will alle rechtlichen und politischen Möglichkeiten nutzen. Schon jetzt exportiert Tschechien rund 1,5 TWh Strom pro Monat. Offensichtlich will Tschechien diese Exporte vervielfachen. Dazu braucht es aber neue Stromautobahnen. Sind sich die Nachbarstaaten einig, dann können diese verhindert und das tschechische Atomszenario gestoppt werden. Bereits am 17. August hat Tschechiens Regierung die Grundsätze für die zukünftige Energiepolitik beschlossen, nun liegt der Entwurf des Konzeptes in verschiedenen Varianten vor: Die staatliche Energiepolitik Tschechiens wird gemäß 3 des Gesetzes Nr. 406/2000 über Wirtschaften mit der Energie festgelegt. Das Gesetz schreibt vor, alle fünf Jahre die Energiepolitik zu überprüfen und zu aktualisieren. Die letzte gültige Energiepolitik ist im März 2004 beschlossen worden. Obwohl im Gesetz eine Aussicht für die nächsten 30 Jahre vorgeschrieben ist, ist die vorgelegte Energiepolitik bis zum Jahre 2060 zusammengestellt. Im Bereich Stromwirtschaft sind im vorliegenden Entwurf in verschiedenen Szenarien folgende Visionen bestimmt worden: - Kernenergie
LR Rudi Anschober Seite 3 - Übergang von Strom in Wärmeversorgung und Verkehr - Übergang von der Produktionsteuerung zur Verbrauchssteuerung In der Kernenergiewirtschaft sollten folgende Maßnahmen getroffen werden: - die Betriebslaufzeit der heute bestehenden KKW Blöcke auf 50 bis 60 Jahre verlängern - Genehmigungsverfahren für neue Blöcke zu beschleunigen und zwar mit hoher Effizienz einschließlich grenzüberschreitender Erörterung mit dem Ziel der baldmöglichsten Inbetriebnahme - Vorbereitung der neuen Standorte für den Ausbau der neuen KKW (neben Standorte Dukovany und Temelín) mit der Rücksicht auf Fernwärmeauskopplung - Brennstoffversorgungssicherheit durch angemessene Vorräte der frischen Brennelemente beim Betreiber der KKW (für 2 3 Jahre) - Minderung der mit den hohen Investitionen verbundenen Risiken - Betrieb des Endlagers für abgebrannte Brennstäbe oder für Überreste aus der Wiederaufbereitung bis zum Jahre 2065 - Strategische Vorräte des angereicherten Urans - Untersuchung und Abbau der Uranlagerstätte - Anlage für Bearbeitung des Urankonzentrats - Anlage für Brennelementherstellung für Mitteleuropa Im Forschungsbereich sollten die Reaktoren der sogenannten IV. Generation untersucht werden sowie Probleme, die u.a. mit der Verlängerung der Betriebslaufzeit der KKW und Endlagerung der abgebrannten Brennstäbe verbunden sind, gelöst werden. Ein Teil der Forschungsaktivitäten sollte den neuen Methoden für Uranabbau sowie der Aufbereitung der heimischen Uranerzen gewidmet werden. Im Entwurf sind drei Szenarien der Entwicklung des Energiesektors definiert worden. In allen Szenarien läuft das KKW Dukovany bis zum Jahre 2045 (Projektlaufzeit bis 2015) und das KKW Temelín bis zum
LR Rudi Anschober Seite 4 Jahre 2062 (Projektlaufzeit bis 2030). Interessant daran ist, dass die neuen, modernen, nach dem Jahre 2020 aufgebauten KKW Blöcke "nur" für eine Projektlaufzeit von 40 Jahren ausgelegt werden. Genauso sollten in Temelín in allen drei Szenarien zwei neue Blöcke ausgebaut werden und zwischen 2020 und 2025 in Betrieb genommen werden. Außerdem sollten bis zu drei neue Standorte für neue KKW "geöffnet" werden. Nach dem Jahre 2050 sollte ein Schneller Brüter aufgebaut werden. Während im Jahre 2010 in KKW insgesamt 23,96 TWh Strom erzeugt worden sind, sollte dies im Jahre 2060 schon 103,69 TWh betragen, wobei der Anteil der KKW an der Stromproduktion im Szenario A1e auf 82,2 % steigen soll (Anteil der erneuerbaren Energiequellen 8,2 %). Die installierte Leistung sollte auf 13.890 MW erhöht werden. Szenario E1e ist noch großzügiger im Jahre 2060 sollen die KKW sogar 139,43 TWh erzeugen, mit einem Anteil der KKW von 87,3 % (erneuerbare 5,3 %, wobei Solarstrom im Jahre 2035 einen Anteil von 0 % aufweist). Es ist ersichtlich, dass der Entwurf der tschechischen Energiepolitik als Gegenpol zu den gegenwärtigen Trends in fortschrittlichen Ländern konzipiert worden ist. Der Entwurf stellt ein weltweit einzigartiges Konzept dar, indem es in der Reduzierung des Anteils der erneuerbaren Energiequellen an der Stromproduktion beruht. Ähnlich ehrgeizige Pläne was Atomkraft betrifft hat jene Energiepolitik beinhaltet, die der XVII. Parteitag der tschechoslowakischen kommunistischen Partei im Jahre 1986 beschlossen hat (bzw. Regierungspläne aus dem Jahre 1978). Ziemlich bald ist damals jedoch klar geworden, dass solche Pläne unrealistisch sind, die tschechoslowakische Wirtschaft nicht imstande war, sie umzusetzen. Leider überleben derartige Pläne und sind von den politischen Regimes unabhängig. Es ist zu erwarten, dass ihre Umsetzung auch in diesem Fall so wie früher auskommt. Schade nur,
LR Rudi Anschober Seite 5 dass so viel Zeit und Energie durch die Ausarbeitung von nicht besonders sinnvollen Texten verloren geht. Diese Energie fehlt für die Zusammenstellung von wirklich modernen und zukunftsfähigen Energiekonzepten. Solche moderne Energiekonzepte sind dabei auch für Tschechien ausgearbeitet worden. In letzter Zeit wurde z.b. ein Konzept mit dem Namen "Schlaue Energie", von tschechischen NGO`s in Zusammenarbeit mit dem namhaften, international anerkannten Instituten, wie z.b. dem Wuppertal Institut, ausgearbeitet. Nach diesem Konzept kann die tschechische Wirtschaft auf die KKW verzichten die neuen Reaktoren werden nicht mehr gebaut, das letzte KKW in Temelín wird im Jahre 2045 stillgelegt werden. Ungefähr im Jahre 2030 beginnen die Stromimporte aus erneuerbaren Quellen, wie z.b. aus den Solarkraftwerken in der Sahara. Diese Importe erreichen im Jahre 2050 ungefähr 13 % des Stromverbrauchs. Die erneuerbaren Energiequellen decken im Jahre 2030 mehr als 40 % der Stromproduktion, im Jahre 2050 schon 91 %. Der Widerstand kann erfolgreich sein Über das endgültige Energiekonzept wird Tschechien bis Jahresende entscheiden und muss anschließend eine grenzüberschreitende strategische Umweltprüfung durchführen. Die wichtigste Phase des Widerstandes werden daher bereits die nächsten Monate bis Jahresende sein. In dieser Phase will Anschober einen breiten politischen Widerstand auslösen durch: - Planungstreffen mit den tschechischen und internationalen NGO - Einberufung eines oö. Antiatom-Gipfels Anfang Oktober - Initiative bei der österreichischen Bundesregierung mit dem Ziel einer raschen Direktverhandlung der Regierungschefs Österreichs und
LR Rudi Anschober Seite 6 Tschechiens und dem Umsetzen der Ankündigung des Vizekanzlers, alle rechtlichen und politischen Handlungsmöglichkeiten nützen zu wollen. - Initiative bei der bayrischen Staatsregierung und der deutschen Bundesregierung mit dem Ziel eines konsequenten Widerstandes. - Initiative bei der EU-Kommission, da die tschechischen Pläne im klaren Widerspruch zum EU-Recht stehen. Z.B. hat Tschechien schon derzeit einen Anteil von 7,1 % Prozent Erneuerbarer Energie an der Stromerzeugung, bis 2020 muss sie diesen auf 13,5 % erhöhen. Die EU plant den weiteren schrittweisen Ausbau der Erneuerbaren - der Entwurf des tschechischen Energiekonzeptes sieht hingegen einen Abbau auf bis zu 5,3 Prozent vor. - Unterbinden weiterer Exportmöglichkeiten für tschechischen Atomstrom durch das Verweigern neuer Stromautobahnen aus Tschechien. Entscheidend wird allerdings auch, wie glaubwürdig und schnell Deutschland und Oberösterreich die Energiewende umsetzen. Denn geschieht dies, dann gibt es null Bedarf und keine Exportchance für tschechischen Atomstrom. Die Regierungen in Wien und Berlin müssen jetzt dafür die Weichen stellen.