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Transkript:

II. Berichte zur wirtschaftlichen, ökologischen, sozialen und kulturellen Lage der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer 1 Wirtschaft und Arbeitsmarkt 2 Einkommen und soziale Sicherheit 3 Umwelt 4 Bildung und Qualifizierung 5 Kultur 177

178

1.1 Sozialversicherungspflichtige Beschäftigung: weiter auf Talfahrt 1 Wirtschaft und Arbeitsmarkt 1.1 Sozialversicherungspflichtige Beschäftigung: weiter auf Talfahrt Die Zahl der sozialversicherungspflichtig Beschäftigten ist im Jahr 2005 zum vierten Mal in Folge um 4.500 Personen zurückgegangen. Weniger sozialversicherungspflichtig Beschäftigte wurden zuletzt im Jahr 1997 im Saarland verzeichnet. Für das Jahr 2006 ist eine Wende auf dem Arbeitsmarkt nicht erkennbar. Fehlende öffentliche und private Nachfrage schlagen seit Jahren bei der Beschäftigungsentwicklung durch. Trotz des höchsten realen Wirtschaftswachstums (+2,5 Prozent) im Vergleich aller Bundesländer ist im Saarland die Zahl der Erwerbstätigen (= Arbeitsplätze) nur noch wenig gestiegen (+300). Der leichte Anstieg gegenüber dem Vorjahr ist ausschließlich Folge der Zunahme der Selbstständigenzahlen (+1.500), zurückzuführen darauf, dass sich Arbeitslose aus der Arbeitslosigkeit heraus selbstständig gemacht haben. Die Zahl der Arbeitnehmer (sozialversicherungspflichtig Vollzeit- und Teilzeitbeschäftigte, geringfügig Beschäftigte, Beamte und Ein-Euro-Jobs) ist dagegen um 1.200 gesunken. Die sozialversicherungspflichtig Beschäftigten im Saarland haben im Jahr 2005 einen Rückgang von rund 4.500 Personen zu verzeichnen. Das ist der vierte Rückgang in Folge. Mit 1,3 Prozent war der Rückgang stärker als in Westdeutschland (-0,9 Prozent). 341.500 Personen waren im Jahr 2005 noch im Saarland sozialversicherungspflichtig beschäftigt, tiefer war der Stand zuletzt im Jahr 1997. Beim letzten Beschäftigungshöchststand im Jahr 2001 hatten noch knapp 360.000 Menschen im Saarland ein sozial abgesichertes Beschäftigungsverhältnis 1. Vor allem Vollzeitarbeitsplätze waren vom Beschäftigungsabbau betroffen. Die Zahl der sozialversicherungspflichtig Teilzeitbeschäftigten erhöhte sich dagegen kontinuierlich auf zuletzt 52.000 Personen. Der sprunghafte Anstieg der Zahl der ausschließlich geringfügig Beschäftigten seit 1999 setzte sich im Jahr 2005 zunächst nicht weiter fort. Rund 72.000 Menschen waren im Jahr 2005 ausschließlich als Minijobber tätig, ebenso viele wie im Jahr 2004. Die Zahl der im Nebenjob geringfügig Beschäftigten (21.000 Personen im Jahr 2005) stieg zwar weiter an, aber nicht mehr so stark wie im Jahr 2004. Neu hinzu kommen noch fast 3.500 Beschäftigte in Arbeitsgelegenheiten (Ein-Euro-Jobs), die im Jahr 2005 erstmals als Erwerbstätige gezählt wurden. Wirtschaft und Arbeitsmarkt 179

1.1 Sozialversicherungspflichtige Beschäftigung: weiter auf Talfahrt Wirtschaft und Arbeitsmarkt Grafik 1 Arbeitsplätze im Saarland 1990 2005 brutto: neue und verlorene netto = zusätzliche 16.000 12.000 8.000 4.000 0-4.000-8.000-12.000 zusätzliche neue verlorene - 16.000 1991 1990 1993 1992 1995 1994 1997 1996 1999 1998 2001 2000 2002 1) 2004 2003 2005 1) ohne Leiharbeiter Quelle: Bundesagentur für Arbeit; Statistik der sozialversicherungspflichtig Beschäftigten nach Wirtschaftsgruppen (3-Steller); jeweils 30. Juni Arbeitskammer 180

1.1 Sozialversicherungspflichtige Beschäftigung: weiter auf Talfahrt Beschäftigung: Aussichten verhalten Auch im laufenden Jahr sind die Aussichten für eine Verbesserung der Beschäftigungssituation wenig ermutigend, obwohl die Wachstumsprognosen der Wirtschaftsforschungsinstitute mit 1,8 Prozent gar nicht so schlecht sind. Tragende Säule der Konjunktur wird wie bisher die Exportwirtschaft sein. Davon wird das Saarland mit seiner starken Stahl- und Automobilindustrie weiterhin überdurchschnittlich profitieren. Sorgen macht die ungenügende Binnennachfrage. Bei den Kommunen ist z. B. kein Umlenken beim Investitionsverhalten zu erkennen, obwohl der Sanierungsbedarf von Schulen, Straßen und Kanalisation inzwischen offenkundig ist. Der private Konsum bleibt bei insgesamt nur mäßig steigenden Tarifeinkommen und weiter anziehenden Energiekosten der Schwachpunkt für die konjunkturelle Entwicklung. Lediglich Vorzieheffekte wegen der geplanten Mehrwertsteuererhöhung zum 1. Januar 2007 werden die private Nachfrage steigern. Unter diesen Bedingungen ist kaum zu erwarten, dass der weitere Abbau von sozialversicherungspflichtiger Beschäftigung zum Stillstand kommt. Die ersten Zahlen für das Jahr 2006 versprechen nichts Gutes. In den ersten drei Monaten des Jahres 2006 ist nach den vorläufigen Angaben der Bundesagentur für Arbeit die Zahl der sozialversicherungspflichtig Beschäftigten gegenüber den Vorjahresmonaten um weitere 5.600 gesunken. Die Arbeitskammer geht für das gesamte Jahr von einem weiteren Abbau von sozialversicherungspflichtig Beschäftigten erneut in einer Größenordnung von 4.000 aus. Tiefer lag die Beschäftigtenzahl zuletzt im Jahr 1988. Die Verluste seit dem letzten Höchststand im Jahr 2001 summieren sich dann auf rund 20.000 sozialversicherungspflichtige Arbeitsplätze 2. Ursprünglich waren einmal 60.000 neue Arbeitsplätze angekündigt worden. Produzierendes Gewerbe: anhaltender Arbeitsplatzabbau Wirtschaft und Arbeitsmarkt Der Rückgang der Zahl der sozialversicherungspflichtig Beschäftigten im Saarland erfolgte überwiegend im Produzierenden Gewerbe. Knapp 3.600 Arbeitsplätze wurden wieder abgebaut. Das Minus war mit 2,7 Prozent etwas größer als in Westdeutschland (-2,4 Prozent). Aber auch der Dienstleistungssektor, lange Jahre Garant für eine Überkompensation der Verluste im Produzierenden Gewerbe, verlor im Jahr 2005 nun schon zum zweiten Mal hintereinander Beschäftigte (-0,4 Prozent; -900 Beschäftigte). In Westdeutschland entwickelte sich der Dienstleistungssektor dagegen weitgehend stabil (-0,1 Prozent). Im Bergbau geht der massive Stellenabbau weiter. 6.200 Personen waren in der Branche im Jahr 2005 noch beschäftigt, 1.350 (-17,9 Prozent) weniger als 2004. 181

1.1 Sozialversicherungspflichtige Beschäftigung: weiter auf Talfahrt Wirtschaft und Arbeitsmarkt Grafik 2 Beschäftigungsentwicklung nach Wirtschaftsbereichen Veränderungsraten 2005 im Vergleich zum Vorjahr in Prozent Insgesamt Landwirtschaft Bergbau Verarb. Gewerbe Energie, Wasser Baugewerbe Handel Gastronomie Verkehr Kredit Unternehmensdienstl. Öffentl. Verwaltung Bildung, Erziehung Gesundheit, Soziales Sonst. Dienstleist. Quelle: Bundesagentur für Arbeit Saarland Westdeutschland Baugewerbe: leichte Hoffnungsschimmer -22,0-17,0-12,0-7,0-2,0 3,0 Arbeitskammer Auch im Baugewerbe hält der Stellenabbau unvermindert an. Die Zahl der sozialversicherungspflichtig Beschäftigten sank um 900 (-4,6 Prozent; Westdeutschland: -5 Prozent). Rund 18.200 Personen waren in den Betrieben des saarländischen Baugewerbes im Jahr 2005 beschäftigt, rund 5.000 weniger als 1999. Leichte Hoffnungsschimmer auf ein vorläufiges Ende des Arbeitsplatzabbaus im Baugewerbe resultieren insbesondere aus Vorzieheffekten beim privaten Eigenheimbau als Folge des Auslaufens der Eigenheimzulage. Auch das von der Bundesregierung beschlossene Programm zur Forcierung von Energiesparmaßnahmen in privaten Gebäuden sowie zur Verbesserung der Verkehrsinfrastruktur könnte zunächst den Beschäftigungsabbau bremsen. 182

1.1 Sozialversicherungspflichtige Beschäftigung: weiter auf Talfahrt Tabelle 1 Beschäftigungsentwicklung in beschäftigungsstarken Branchen des Verarbeitenden Gewerbes 1 im Saarland 2005 im Vergleich zum Vorjahr Beschäftigte Veränderung 2005 in Prozent Verarbeitendes Gewerbe insgesamt 90.783-0,9 dar. Herstellung von Kfz und Kfz-Teilen 25.049-0,5 Metallerzeugung und -bearbeitung 15.765 3,3 Maschinenbau 11.797-3,6 Herstellung von Metallerzeugnissen 9.350-2,3 Ernährungsgewerbe 7.746 0,2 Herstellung von Gummi- u. Kunststoffwaren 4.993-3,2 Glasgewerbe, Keramik 3.845-3,6 Medizin-, Mess-, Steuer und Regelungstechnik 3.338-1,6 Elektrotechnik 2.453-1,1 Verlags- und Druckgewerbe 1.824-7,9 1 Betriebe von Unternehmen mit im allgemeinen 20 und mehr Beschäftigten Quelle: Statistisches Landesamt des Saarlandes Verarbeitendes Gewerbe: trotz guter Auftragslage... Arbeitskammer Trotz einer Steigerung der Auftragseingänge um 10,2 Prozent im Jahr 2005 ist die Zahl der sozialversicherungspflichtig Beschäftigten gegenüber dem Vorjahr um 1.200 gesunken. Das Minus war mit 1,2 Prozent im Saarland aber nicht so ungünstig wie in Westdeutschland (-1,9 Prozent). Die Industriestatistik zeigt, dass trotz verbesserter Auftragseingänge in den meisten Branchen bis auf Metallerzeugung und -bearbeitung die Zahl der Arbeitsplätze zurückgeht. Einzig die Stahlindustrie hat das deutliche Plus an Auftragseingängen (+13,3 Prozent) in nennenswerte Beschäftigungsgewinne umgesetzt. In der ebenfalls boomenden saarländischen Autoindustrie (Auftragseingänge: +14,3 Prozent) ist die Arbeitsplatzentwicklung negativ. Hier spielt sicher eine Rolle, dass auch der Standort Saarlouis von Ford Ende des Jahres 2005 vom weltweiten Abbau von Arbeitsplätzen im Konzern nicht verschont geblieben ist. Wirtschaft und Arbeitsmarkt...Beschäftigungsaufbau fraglich Ob dem durchweg positiven Auftragswachstum in den Betrieben des Verarbeitenden Gewerbes auch zusätzliche Beschäftigung folgt, ist allerdings eher fraglich. Länger andauernde gute Auftragslagen werden in den Unternehmen heute eher mit dem Einsatz von Leiharbeitskräften, weiterer Rationalisierung und dem flexiblen Arbeitseinsatz von Mitarbeitern abgefangen. Es gibt inzwischen eine Vielzahl von durch Tarifverträge ermöglichte Arbeitszeitmodelle, die es den Unternehmen gestatten, die regelmäßige Wochen- 183

1.1 Sozialversicherungspflichtige Beschäftigung: weiter auf Talfahrt Wirtschaft und Arbeitsmarkt arbeitszeit dauerhaft zu verlängern oder Mehrarbeit einzusetzen. Ein Höchstmaß an Flexibilität ist heute schon an der Tagesordnung. Dienstleistungssektor: Nur Unternehmensdienste können zulegen Stagnierende oder zurückgehende öffentliche und private Ausgaben hinterlassen ihre Spuren auch im Dienstleistungssektor. Die Zahl der sozialversicherungspflichtig Beschäftigten ist im Jahr 2005 zum zweiten Mal in Folge gefallen (-0,4 Prozent; Westdeutschland -0,1 Prozent). Viele Jahre konnte der Dienstleistungssektor die Beschäftigungsverluste im Produzierenden Gewerbe auffangen. Das scheint aber nur in Wachstumsphasen möglich zu sein. Im Handel sinkt die Zahl der sozialversicherungspflichtig Beschäftigten schon zum dritten Mal in Folge, zuletzt um -0,8 Prozent (-450 Beschäftigte), ebenso im Gastgewerbe. Selbst im Gesundheits- und Sozialsektor war im letzten Jahr die Beschäftigung mit einem Minus von 0,2 Prozent rückläufig. In den Jahren davor waren dort immer Zuwächse zu verzeichnen. Kostensenkungsrunden und Reorganisationsprozesse in fast allen Bereichen öffentlich finanzierter Dienstleistungen, ob Gesundheit, Bildung, Kultur oder Medien, führen dazu, dass reguläre, sozial abgesicherte Beschäftigung abgebaut oder durch Minijobs, (Schein-)Selbstständigkeit und inzwischen auch Ein-Euro-Jobs ersetzt wird. Die Arbeitsbedingungen der Beschäftigten werden mit solchen Strategien verschlechtert und die Qualität der Dienstleistungen gemindert. Allein die unternehmensbezogenen Dienstleistungen, wie Verkehr/Nachrichtenübermittlung (+0,7 Prozent), Kredit/Versicherung (+1,0 Prozent) sowie die Unternehmensdienstleistungen (+1,7 Prozent) konnten bei der Beschäftigung noch zulegen. Insbesondere Letztere mit inzwischen knapp 40.000 Beschäftigten wachsen ungebrochen weiter, wenn auch mit kleineren Zuwächsen als in Westdeutschland. Ein Teil dieses Wachstums ist allerdings auf Auslagerung von Dienstleistungstätigkeiten aus Industrieunternehmen zurückzuführen. Es sind lediglich statistische Umgruppierungen, denen kein echter Arbeitsplatzzuwachs entspricht. Ein detaillierter Blick auf die einzelnen Branchen der Unternehmensdienstleistungen zeigt, dass auch dort die Entwicklung nicht einheitlich verläuft. Branchen mit Beschäftigungszuwächsen stehen Branchen mit anhaltendem Arbeitsplatzabbau gegenüber. Der EDV-Sektor hat sich vom Platzen der Dot.com-Blase immer noch nicht erholt. Die Zahl der sozialversicherungspflichtig Beschäftigten ist vom Höchststand mit 6.500 Personen im Juni 2002 kontinuierlich bis auf 5.800 im Juni 2005 gefallen. Deutliche Einbußen hat es auch im Reinigungsgewerbe gegeben (-16,3 Prozent seit 2002), zurück- 184

1.1 Sozialversicherungspflichtige Beschäftigung: weiter auf Talfahrt Tabelle 2 Beschäftigte in Unternehmensdienstleistungen im Saarland 2002 2003 2004 2005 insgesamt 38.980 37.941 38.711 39.418 Grundstückswesen, Vermietung 2.620 2.527 2.414 2.261 EDV 6.545 6.094 5.855 5.802 Forschung und Entwicklung 1.733 1.753 1.770 1.833 Rechts-, Unternehmensberatung 7.480 7.692 7.908 8.368 Architektur-, Ingenieurbüros 4.094 3.901 3.887 3.722 Techn. Untersuchungen 843 812 870 890 Werbung 787 785 645 651 Arbeitnehmerüberlassung 5.325 5.022 6.074 6.772 Detekteien; Bewachung 822 807 841 835 Gebäudereinigung 6.215 5.729 5.390 5.204 Sonstige Dienstl. für Unternehmen 2.516 2.819 3.057 3.080 Juni-Werte Quelle: Bundesagentur für Arbeit Arbeitskammer zuführen sicherlich zu einem wesentlichen Anteil auf die Umwandlung von sozialversicherungspflichtigen in geringfügige Stellen. Deutliche Arbeitsplatzgewinne konnten dagegen Rechts- und Unternehmensberatungen (+11,9 Prozent), Arbeitnehmerverleih (+27,2 Prozent) sowie die sonstigen Dienstleistungen für Unternehmen (+22,2 Prozent) erzielen. 1 Im März 2002 wurden aus der Beschäftigtenstatistik des Saarlandes 3.850 französische Arbeitnehmer von französischen Leiharbeitsfirmen, die beim Arbeitsamt Saarbrücken gemeldet waren, herausgenommen. 2 3.850 französische Arbeitnehmer von französischen Leiharbeitsfirmen sind herausgerechnet (siehe Anmerkung 1). Wirtschaft und Arbeitsmarkt 185

1.2 Arbeitslosigkeit im Saarland: deutlicher Sprung nach oben Wirtschaft und Arbeitsmarkt 1.2 Arbeitslosigkeit im Saarland: deutlicher Sprung nach oben Rund 53.500 Menschen waren im Saarland im Jahr 2005 arbeitslos; ein deutlicher Sprung nach oben (+7.500) gegenüber dem Jahr 2004, der auch auf die Zusammenlegung von Arbeitslosen- und Sozialhilfe zurückzuführen ist. Das tatsächliche Ausmaß der Arbeitslosigkeit wird aber immer noch unterschätzt, weil sich viele in arbeitsmarktpolitischen Maßnahmen befinden und die Statistik beschönigen. Für das Jahr 2006 erwartet die Arbeitskammer eine leichte Verminderung (-3.000) der Arbeitslosenzahl. 53.500 Menschen waren im Schnitt des Jahres 2005 im Saarland arbeitslos gemeldet. Auch wegen der Zusammenlegung von Arbeitslosen- und Sozialhilfe zum Jahresbeginn 2005 hat die Zahl der Arbeitslosen einen deutlichen Sprung nach oben gemacht, 7.500 mehr als im Jahr 2004. Der Anstieg war im Saarland mit 16,4 Prozent etwa gleich stark wie in Westdeutschland (+16,7 Prozent). Die Arbeitslosenquote lag mit 11,7 Prozent um 0,7 Prozent über dem Niveau in Westdeutschland. Die Aussichten für den Arbeitsmarkt sind im laufenden Jahr nur sehr verhalten. Zwar prognostizieren die Wirtschaftsforschungsinstitute ein Wachstum von 1,8 Prozent. Die Konjunktur wird weiter vom Export getragen. Die Binnennachfrage wird aufgrund von Vorzieheffekten wegen der Mehrwertsteuererhöhung im Jahr 2007 leicht anziehen. Die Arbeitskammer rechnet allenfalls mit einer leichten Verminderung der Arbeitslosenzahl (-3.000). Ein-Euro-Jobs beschönigen Arbeitsmarktlage Die sozialversicherungspflichtige Beschäftigung ist in den ersten drei Monaten des Jahres 2006 um weitere 5.600 Personen im Vergleich zu den entsprechenden Vorjahresmonaten gefallen. Überraschend ist, dass die Zahl der Arbeitslosen in diesem Jahr im Schnitt gegenüber dem gleichen Vorjahreszeitraum um rund 3.400 auf 52.700 gesunken ist. Das resultiert aber nicht aus einer Verbesserung der Situation am Arbeitsmarkt, sondern aus dem verstärkten Einsatz von arbeitsmarktpolitischen Instrumenten, insbesondere von Arbeitsgelegenheiten (Ein-Euro-Jobs). Ohne den Einsatz von Ein-Euro- Jobs (3.250 mehr im Schnitt der Monate Januar bis Mai 2006 im Vergleich zum Vorjahreszeitraum) die Maßnahmeteilnehmer gelten nicht mehr als arbeitslos wäre die Arbeitslosigkeit gegenüber dem Hochstand Anfang des Jahres 2005 unverändert geblieben. Schon im Jahr 2005 hat der im Vergleich zu Westdeutschland stärkere Einsatz der arbeitsmarktpolitischen Billig -Instrumente Trainingsmaßnahmen 186

1.2 Arbeitslosigkeit im Saarland: deutlicher Sprung nach oben Grafik 1 Teilnehmer in arbeitsmarktpolitischen Maßnahmen je 100 Arbeitslose - 2005 Weiterbildung Arbeitsgelegenheiten (Ein-Euro-Jobs) Überbrückungsgeld Ich-AGs Trainingsmaßnahmen Jahresdurchschnitte Quelle: Bundesagentur für Arbeit Westdeutschland Saarland 0 1 2 3 4 5 6 7 Arbeitskammer und insbesondere Ein-Euro-Jobs dazu geführt, dass die offene Arbeitslosigkeit im Saarland überdurchschnittlich gedrückt wurde. So kamen im Saarland auf 100 Arbeitslose noch einmal 2,3 Personen in Trainingsmaßnahmen (Westdeutschland: 1,5) und 6,5 Personen in Ein-Euro-Jobs (Westdeutschland: 3,1 Personen). Beide Instrumente zusammen haben die Arbeitslosigkeit im Saarland im Schnitt des Jahres 2005 immerhin um mehr als 4.700 Personen gesenkt (Ein-Euro-Jobs allein: 3.500). Wirtschaft und Arbeitsmarkt Nicht unwesentlich haben auch die beiden Arbeitsmarktinstrumente Überbrückungsgeld mit 900 Teilnehmern und Existenzgründungszuschüsse (Ich- AGs: 2.600 Teilnehmer) dazu beigetragen, die ausgewiesene Arbeitslosenzahl zu senken. Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen spielen nach der Neuausrichtung der Arbeitsmarktpolitik keine Rolle mehr (100 Maßnahmeteilnehmer). Die lange als neues Wundermittel angesehenen Personal-Service-Agenturen haben sich mit einem Bestand von 180 Teilnehmern als Flop erwiesen. Als erfreulich muss bewertet werden, dass der steile Sinkflug bei den Weiterbildungsmaßnahmen inzwischen gestoppt scheint. Die Teilnehmerzahlen erreichten 187

1.2 Arbeitslosigkeit im Saarland: deutlicher Sprung nach oben Wirtschaft und Arbeitsmarkt mit 1.400 Personen im ersten Halbjahr 2005 Niedrigststände im Saarland, seit November 2005 liegen sie zumindest wieder in einer Größenordnung über 2.500. Hinzu kommen rund 6.000 Personen, die als Arbeitslose ohne Lohnersatzleistungen der Bundesagentur für Arbeit im Laufe des Jahres 2005 aus der Arbeitslosenstatistik verschwunden sind. Wahrscheinlich handelt es sich um ehemalige Arbeitslosenhilfebezieherinnen, die wegen verschärfter Anrechnungsbedingungen für den Bezug von Arbeitslosengeld II ihre Arbeitslosenmeldung im Laufe des Jahres nicht mehr erneuert haben, weil sie sich z.b. keine Vermittlungschance mehr ausrechnen. Tatsächliches Ausmaß der Arbeitslosigkeit: weit höher Die Zusammenlegung von Arbeitslosen- und Sozialhilfe zur Grundsicherung für Arbeitsuchende im Jahr 2005 hat offengelegt, dass insbesondere bei Frauen, jüngeren Menschen und Ausländern das Ausmaß der tatsächlichen Arbeitslosigkeit bisher deutlich unterschätzt wurde: Überdurchschnittlich gestiegen ist vor allem die ausgewiesene Arbeitslosigkeit der Frauen, plus 31,7 Prozent auf 24.600. Ihre Arbeitslosenquote hat mit 11,7 Prozent wieder mit der der Männer gleichgezogen. Der große Zuwachs hängt damit zusammen, dass sich mit der Zusammenlegung von Arbeitslosen- und Sozialhilfe die bisher nicht erwerbstätigen Ehefrauen von ehemaligen Arbeitslosenhilfebeziehern jetzt Arbeitslosengeld-II-Bezieher arbeitslos melden mussten, um selbst Arbeitslosengeld II zu bekommen, sofern sie erwerbsfähig sind. Mit 6.800 hat die Zahl der arbeitslosen jüngeren Menschen (unter 25 Jahre) einen neuen Höchststand erreicht (siehe ausführlicher in Kapitel 3.1 im Schwerpunktteil dieses Berichtes). Die Zahl der arbeitslosen Ausländer ist im Vergleich zu 2004 im Saarland um mehr als ein Viertel auf 7.200 im Jahr 2005 gestiegen. Knapp 80 Prozent des Zuwachses entfiel auf Frauen. Die Ursache liegt in der Zusammenlegung von Arbeitslosen- und Sozialhilfe. Auch hier gilt: Die nichterwerbstätigen Ehefrauen von ausländischen Arbeitslosenhilfebeziehern mussten sich arbeitslos melden, um selbst Arbeitslosengeld II beziehen zu können. Die Arbeitslosenquote der Ausländer liegt mit fast 30 Prozent weit über der aller Arbeitsloser im Saarland. Im Vergleich zu den ausländischen Arbeitslosen in Westdeutschland ist die Quote im Saarland um 6,1 Prozentpunkte höher. Die Integration von Ausländern in das Beschäftigungssystem hat bisher kaum Fortschritte gemacht. 188

1.2 Arbeitslosigkeit im Saarland: deutlicher Sprung nach oben Tabelle 1 Arbeitslose nach ausgewählten Strukturmerkmalen im Saarland Merkmale Jahreswerte 2000 2003 2004 2005 Alle Arbeitslosen absolut 47.778 47.728 45.990 53.533 Arbeitslosenquote in % 10,8 10,4 10,0 11,7 Geschlecht Männer 28.012 28.561 27.293 28.911 Arbeitslosenquote in % 11,1 11,4 11,0 11,7 Frauen 19.765 19.167 18.697 24.622 Arbeitslosenquote in % 10,4 9,1 8,9 11,7 Nationalität Deutsche 42.246 41.686 40.293 46.338 Arbeitslosenquote in % 10,1 9,5 9,3 10,7 Ausländer 5.531 6.043 5.697 7.195 Arbeitslosenquote in % 22,3 25,1 23,3 29,6 Berufsausbildung ohne abgeschlossene Berufsausbildung 1 45,2 42,2 41,7 46,3 Alter unter 25 Jahre 5.407 6.023 5.846 6.805 Arbeitslosenquote in % 10,5 10,0 9,9 11,8 30 bis unter 55 Jahre 31.983 36.477 35.272 40.470 55 bis unter 65 Jahre 10.388 5.228 4.872 6.258 Anteil 55 bis unter 65 Jahre 21,7 11,0 10,6 11,7 an allen Arbeitslosen in % Dauer der Arbeitslosigkeit unter 1 Jahr 27.221 30.799 29.009 36.033 1 Jahr und länger 20.557 16.929 16.981 17.500 1 Anteil an allen Arbeitslosen im September Quelle: Bundesagentur für Arbeit; eigene Berechnungen Arbeitskammer Wirtschaft und Arbeitsmarkt Auch die Arbeitslosigkeit Älterer steigt wieder. Knapp 6.300 Personen, die 55 Jahre und älter sind, waren im Jahr 2005 arbeitslos gemeldet, 1.500 mehr als im Jahr zuvor. Der Hauptgrund liegt sicher in der Zusammenlegung von Arbeitslosen- und Sozialhilfe. Die Steigerung von 5.800 in den letzten Monaten des Jahres 2005 auf 6.300 in den ersten Monaten des Jahres 2006 ist aber auch eine Folge davon, dass zum 31. Januar 2006 die Übergangsregelung des SGB III ausgelaufen ist, nach der ältere Arbeitnehmer bis zu 32 Monaten Arbeitslosengeld erhalten konnten. Danach sind es nur noch 18 Monate. Viele Arbeitgeber haben diese noch günstige Regelung genutzt, um kurz vor der Rente stehende Arbeitnehmer zu entlassen. 189

1.2 Arbeitslosigkeit im Saarland: deutlicher Sprung nach oben Wirtschaft und Arbeitsmarkt Stellensituation weiterhin miserabel Das Hauptproblem am Arbeitsmarkt ist weiterhin, dass es nicht genügend Arbeitsplätze gibt, trotz aller neuen Ansätze wie Fordern und Fördern oder bessere Arbeitsvermittlung. Die Zahl der ungeförderten offenen Stellen, die bei den Arbeitsagenturen gemeldet waren, ist zwar im Jahr 2005 wieder gewachsen, um rund 2.000 gegenüber dem Jahr 2004, auf 23.400. Der Bestand an offenen Stellen (ungefördert) je 100 Arbeitslose lag aber mit 5,2 auf niedrigstem Niveau. Erfreulich: Der Zugang an ungeförderten Stellen bei den saarländischen Arbeitsämtern ist in den ersten fünf Monaten dieses Jahres im Vergleich zum Vorjahreszeitraum um 14,8 Prozent gestiegen. 190

1.3 Arbeitszeiten im Saarland 1.3 Arbeitszeiten im Saarland In der Debatte um Arbeitszeit geht es inzwischen um flächendeckende Arbeitszeitverlängerung ohne Lohnausgleich und weitere massive Flexibilisierung zu Lasten der Arbeitnehmer. Arbeitszeitverlängerung auf breiter Front erhöht aber die Arbeitslosigkeit weiter. Arbeitszeitflexibilisierung hat den Beschäftigten bisher nur wenig Zeitsouveränität ermöglicht. Die Beschäftigten im Saarland arbeiten im Bundesländervergleich heute schon lange und flexibel. In der öffentlichen Debatte um Arbeitszeit sind die Arbeitnehmer in den letzten Jahren massiv unter Druck geraten. Es geht nicht mehr um Arbeitszeitverkürzung wie noch vor 20 Jahren, es geht um flächendeckende Arbeitszeitverlängerung und weitere massive Flexibilisierung zu Lasten der Arbeitnehmer. Die ersten Arbeitszeitverlängerungen sind von den Tarifparteien übergreifend für ganze Branchen vereinbart. Bei der Bahn ist zum 1. Mai 2005 die wöchentliche Arbeitszeit um eine Stunde auf 39 Stunden angehoben worden. Im Bauhauptgewerbe gilt seit Januar 2006 wieder die 40-Stunden-Woche (plus 1 Stunde). Im öffentlichen Dienst müssen die Bundesbeschäftigten West eine halbe Stunde länger arbeiten, für den kommunalen Bereich Hamburg, Baden-Württemberg) sind Tarifverträge abgeschlossen, die eine Differenzierung der Arbeitszeit zwischen 38,5 und 40 Stunden nach Alter, Kinderzahl und tariflicher Eingruppierung vorsehen. Die Arbeitszeitverlängerungen erfolgen ohne Entgeltausgleich für die Beschäftigten. Bei der Volkswagen AG wird eine Anhebung von 28 auf 35 Stunden ohne Lohnausgleich diskutiert. Aber: Es gibt auch Gegenbeispiele wie die Telekom, bei der die Arbeitszeit von 38 auf 34 Stunde je Woche gesenkt wurde bei gleichzeitiger Anpassung der Entgelttabelle auf Basis einer 35,5-Stunden-Woche. Wirtschaft und Arbeitsmarkt Begründet wird die Forderung nach einer Verlängerung mit Arbeitszeiten, die angeblich im internationalen Vergleich zu den kürzesten zählen und dadurch Wettbewerbsnachteile bewirkten. Arbeitszeitverlängerung werde so die Befürworter die Personalkosten senken, die Produktivität steigern und über die dadurch ermöglichten niedrigeren Preise die Nachfrage erhöhen. In der Folge führe dies zur Sicherung und Schaffung neuer Arbeitsplätze. Im Bereich der öffentlichen Dienste dient Arbeitsverlängerung vor allem dazu, Handlungsspielräume für Personalabbau zu öffnen und damit zur Ausgabensenkung beizutragen, wie von öffentlichen Arbeitgebern offen eingeräumt wird. Die Forderungen nach Arbeitszeitverlängerung werden auch im Saarland seit einiger Zeit mit Nachdruck erhoben. Sie gehen allerdings an der Wirklichkeit vorbei und sind wenig zielführend. 191

1.3 Arbeitszeiten im Saarland Wirtschaft und Arbeitsmarkt Tatsächliche Arbeitszeit liegt im EU-Durchschnitt Bundesweit, so zeigen seriöse Vergleiche 1, liegen die tatsächlichen Arbeitszeiten von Vollzeitbeschäftigten bei 40 Stunden je Woche und damit im EU- Durchschnitt. Seit Mitte der neunziger Jahre haben sich die tatsächlichen von den tariflichen Arbeitszeiten entkoppelt. Tatsächlich arbeiten die Beschäftigten 2,5 Stunden je Woche länger als tariflich vereinbart. Die Gründe liegen in der abnehmenden Tarifbindung der Betriebe und der verstärkten Nutzung von Öffnungsklauseln zur Arbeitszeitverlängerung in Tarifverträgen. Bundesweit geht die tatsächlich geleistete Jahresarbeitszeit von Vollzeitkräften bereits seit Anfang der 90er-Jahre nicht weiter zurück im Gegenteil: Die tatsächliche Jahresarbeitszeit von Vollzeit-Arbeitnehmern stieg in den letzten Jahren wieder an und lag 2005 mit 1.677 Stunden um rd. 25 Stunden über dem Durchschnitt der 90er-Jahre. Von einer Arbeitszeitverkürzung kann also schon lange keine Rede mehr sein. Die weiterhin sinkende Durchschnittszahl für alle Arbeitnehmer ist ausschließlich auf den vermehrten Einsatz von Teilzeitkräften zurückzuführen. Grafik 1 Stunden 2.000 1.900 1.800 1.700 Arbeitszeit 1970 2005 Deutschland Vollzeit-Arbeitnehmer 1.600 1.500 alle Arbeitnehmer Teilzeiteffekt 1.400 1.300 1.200 1970 1975 1980 1985 1990 1995 2000 2005 Quelle: Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB); eigene Berechnungen Arbeitskammer 192

1.3 Arbeitszeiten im Saarland Nach Bundesländern differenziert liefert die amtliche Statistik allerdings keine vergleichbaren Zahlen. Insbesondere wird nicht zwischen Voll- und Teilzeitbeschäftigten unterschieden. Da die Teilzeitanteile in den Bundesländern sehr unterschiedlich sind, müssen um einen seriösen Vergleich vorzunehmen entsprechende Korrekturen vorgenommen. Ergebnis: Auch bei der tatsächlich geleisteten Jahresarbeitszeit liegt das Saarland in der Spitzengruppe der Bundesländer (West). Produzierendes Gewerbe: Saarland in der Spitzengruppe bei Jahresarbeitszeit Besonders deutlich wird dies im Produzierenden Gewerbe, das einen relativ niedrigen Teilzeitanteil hat und so die Verzerrung hier relativ gering ist. Hier bildet das Saarland mit Hamburg und Niedersachsen die Spitzengruppe bei der Jahresarbeitszeit. Grafik 2 Arbeitszeit je Arbeitnehmer 2004 Jahresarbeitszeit - Produzierendes Gewerbe Hamburg Niedersachsen Saarland Bremen in Stunden 1.461 1.473 1.484 1.483 Wirtschaft und Arbeitsmarkt Nordrhein-Westfalen Rheinland-Pfalz Hessen Deutschland (West) Schleswig-Holstein Bayern 1.449 1.448 1.445 1.442 1.436 1.427 Baden-Württemberg 1.416 1.380 1.400 1.420 1.440 1.460 1.480 1.500 Quelle: Arbeitskreis Erwerbstätigenrechnung des Bundes und der Länder; eigene Berechnungen Arbeitskammer 193

1.3 Arbeitszeiten im Saarland Wirtschaft und Arbeitsmarkt Grafik 3 Wöchentliche bezahlte Arbeitsstunden 2005 Bundesländervergleich - Produzierendes Gewerbe Saarland Rheinland-Pfalz Nordrhein-Westfalen Schleswig-Holstein Deutschland (West) Hessen Hamburg Bayern Baden-Württemberg Berlin Niedersachsen Bremen in Stunden 30 32 34 36 38 40 Stunden Quelle: Statistisches Bundesamt; eigene Berechnungen 36,3 36,2 37,3 37,7 37,6 37,6 37,6 37,6 37,6 38,2 38,1 37,9 Arbeitskammer Die Wochenarbeitszeit der Vollzeitbeschäftigten im saarländischen Produzierenden Gewerbe (= Industrie, Bauwirtschaft usw.) war auch 2005 so lange, wie in keinem anderen Bundesland (West): Im Dienstleistungsbereich weist die amtliche Statistik für das Saarland eine unterdurchschnittliche Jahresarbeitszeit aus. Diese ist allerdings verzerrt durch einen hohen Anteil von Teilzeit-Beschäftigten, die den statistischen Pro-Kopf-Durchschnitt stark nach unten drücken, und damit kaum aussagekräftig ist. Dies gilt vor allem durch den hohen Anteil an geringfügig Beschäftigten an allen Arbeitnehmern: Hier hat das Saarland in 2005 mit 22,2 Prozent den höchsten Anteil aller Bundesländer (West). Die saarländischen Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer leisteten mit durchschnittlich 1,8 Stunden pro Woche auch im Jahr 2005 mit Abstand die meisten Mehrarbeitsstunden im Bundesländervergleich (West). Das gilt im Übrigen auch, wenn man die neuen Bundesländer einbezieht. 194

1.3 Arbeitszeiten im Saarland Grafik 4 Hamburg Arbeitszeit je Arbeitnehmer 2004 Jahresarbeitszeit - Dienstleistungsbereiche Hessen Bremen Bayern Deutschland (West) Baden-Württemberg Schleswig-Holstein Saarland Nordrhein-Westfalen Niedersachsen Rheinland-Pfalz in Stunden 1.274 1.263 1.287 1.283 1.281 1.296 1.150 1.200 1.250 1.300 1.350 1.400 1.450 Quelle: Arbeitskreis Erwerbstätigenrechnung des Bundes und der Länder; eigene Berechnungen 1.317 1.306 1.299 Arbeitsvolumen im Saarland: -20 Prozent seit 1970 1.356 1.400 Arbeitskammer Wirtschaft und Arbeitsmarkt Das Arbeitsvolumen, d.h. die Gesamtzahl der pro Jahr geleisteten Arbeitsstunden, lag 2005 mit rd. 710 Mio. Stunden um fast 20 Prozent unter dem von 1970. Gleichzeitig ist die Zahl der Erwerbstätigen mit 506.000 so hoch wie noch nie. Deutlich wird: Angesichts des rückläufigen Arbeitsvolumens erwies sich die Verkürzung der Arbeitszeit als die entscheidende Stellschraube, um die Arbeitslosigkeit nicht noch weiter anschwellen zu lassen. Die Arbeitszeit je Erwerbstätigen lag 2005 um 28 % unter der des Jahres 1970. Nur so lässt sich sinkendes Arbeitsvolumen mit steigenden Erwerbstätigenzahlen kombinieren. Hinter diesen Durchschnittszahlen verbergen sich allerdings gravierende Veränderungen am saarländischen Arbeitsmarkt. Diese vollzogen sich keineswegs als Selbstläufer, sondern sind Resultat vieler gesetzlicher und tariflicher häufig sehr umstrittener Entscheidungen. 195

1.3 Arbeitszeiten im Saarland Wirtschaft und Arbeitsmarkt Grafik 5 Mehrarbeit 2005 Stunden pro Woche - Produzierendes Gewerbe Saarland Nordrhein-Westfalen Schleswig-Holstein Niedersachsen Hamburg Deutschland (West) Rheinland-Pfalz Hessen Baden-Württemberg Bremen Berlin Bayern 0,7 0,7 0,7 0,8 0,9 0,6 0,8 1,0 1,2 1,4 1,6 1,8 2,0 Quelle: Statistisches Bundesamt; eigene Berechnungen Polarisierung der Arbeitszeit 1,0 1,0 1,0 1,0 1,1 Stunden Ergebnis ist eine zunehmende Polarisierung der Arbeitszeit: 1,5 1,8 Arbeitskammer Bei den Vollzeit-Arbeitsplätzen ist der langjährige Trend abnehmender Arbeitsstunden bereits seit über einem Jahrzehnt zum Stillstand gekommen Auffallend ist jedoch eine zunehmende Spreizung der geleisteten Arbeitszeit, insbesondere nach Qualifikationsstufen: Mehrarbeit häufig unbezahlt gehört immer mehr zur Tagesordnung. Bei den Teilzeit-Arbeitsplätzen ist ein Anstieg und gleichzeitig eine zunehmende Vielfalt festzustellen. Neben der seit langem steigenden Zahl sozialversicherungspflichtiger Teilzeit-Beschäftigungsverhältnisse (2005: 52.000 Beschäftigte) drückt sich dies vor allem in dem starken Anstieg von geringfügigen Beschäftigungsverhältnissen mit geringen Arbeitszeiten und/oder geringen Verdiensten aus: Mittlerweile arbeitet rd. ein Sechstel der Beschäftigten zumeist Frauen im Saarland in einem Nie- 196

1.3 Arbeitszeiten im Saarland Grafik 6 1970 120 = 100 Erwerbstätige und Arbeitsvolumen im Saarland 1970 2005 115 110 105 Erwerbstätige 100 95 90 85 80 Arbeitsvolumen 75 70 1970 1975 1980 1985 1990 1995 2000 2005 Quelle: Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung: Volkswirtschaftliche Gesamtrechnung der Länder; eigene Berechnungen Arbeitskammer Wirtschaft und Arbeitsmarkt 197

1.3 Arbeitszeiten im Saarland Wirtschaft und Arbeitsmarkt driglohnbereich, den es vor 30 Jahren praktisch noch gar nicht gegeben hat. Dies geschieht häufig nicht freiwillig, sondern ist Ergebnis von Rahmenbedingungen, z.b. der angebotenen Arbeitsmöglichkeiten, aber auch des Steuer- und Sozialversicherungsrechts, der Kinderbetreuung oder der Studienfinanzierung, die häufig keine andere Wahl lassen. Die tatsächlich geleisteten Arbeitszeiten weichen allerdings häufig von den Arbeitzeitwünschen der Beschäftigten ab. So kommt das Institut zur Erforschung sozialer Chancen Köln (ISO) bei einer Arbeitszeituntersuchung 2 im Jahr 2003 zu dem Ergebnis, dass die Arbeitszeitwünsche der vollbeschäftigten Männer auf eine vollständige Reduzierung der geleisteten Mehrarbeit zielen. Vollzeitbeschäftigte Frauen wünschen zusätzlich eine Reduzierung der vertraglichen Arbeitszeit. Teilzeitbeschäftigte hätten demgegenüber gerne eine vertragliche und tatsächliche Verlängerung der Arbeitszeit bei entsprechend höherem Entgelt. 3 Auch deshalb steht eine neue Diskussion über Arbeitszeitverkürzung an. Arbeitszeitverlängerung = Beschäftigungsabbau Arbeitszeitverlängerung ohne Lohnausgleich, wie derzeit schon vielfach durchgesetzt, bedeutet für den einzelnen Arbeitnehmer eine direkte Senkung des Stundenverdienstes. Gesamtwirtschaftlich wird damit die Zahl der Beschäftigten noch weiter reduziert, da bei gleicher Produktivität weniger Beschäftigte bei höherer Arbeitszeit die gleiche Produktionsmenge wie vorher erzeugen können. Zusätzliche Beschäftigung entsteht erst, wenn die Produktionsmenge überproportional im Vergleich zur Arbeitszeit ansteigt. Bei der derzeitigen Nachfrageschwäche auf dem Binnenmarkt ist aber kaum davon auszugehen, dass die Unternehmen die Risiken einer wenig kalkulierbaren Produktionsausweitung eingehen. In der Konsequenz bedeutet Arbeitszeitverlängerung also den Abbau von Beschäftigung. Die ohnehin schon hohe Arbeitslosigkeit wird weiter nach oben getrieben mit der Folge einer weiteren Schwächung der Binnenkonjunktur. Eine pauschale Verlängerung der Wochen-Arbeitszeit um 2 Stunden würde im Saarland die Zahl der Beschäftigten um 32.000 vermindern, wenn die Wertschöpfung unverändert bleibt (zum Vergleich: 53.300 Arbeitslose im März 2006), erst dann beschäftigungsneutral sein können, wenn gleichzeitig die Wertschöpfung um + 7,7 Prozent (!) steigen würde (zum Vergleich: das Saar-BIP-Wachstum 2005 betrug +2,5 %), 198

1.3 Arbeitszeiten im Saarland erst dann zusätzliche Arbeitsplätze bringen, wenn die Produktion um mehr als diese 7,7 Prozent zulegen würde: Dies mag für einzelne Betriebe z.b. bei echter Standortverlagerung ins Saarland denkbar sein, von einem gesamtwirtschaftlichen Regelfall kann jedoch nicht ausgegangen werden. Hinzu kommt: Die Arbeitnehmer gehen schon heute in einem Höchstmaß flexibel auf die betrieblichen Arbeitsanforderungen ein. Inzwischen finden sich in den meisten Tarifverträgen flexible Arbeitszeitregelungen, die alle nur denkbaren Arbeitszeitmodelle auf betrieblicher Ebene zulassen. 4 So kann die Arbeitszeit für bestimmte Mitarbeitergruppen dauerhaft verlängert werden. Betriebliche Vereinbarungen zur Standortsicherung lassen Arbeitszeitreduzierungen (oder -verlängerungen) ohne Lohnausgleich zu. Arbeitszeitkonten für die Mitarbeiter in den unterschiedlichsten Gestaltungsvarianten sind inzwischen fast die Regel. Auch im Saarland wird in sehr breitem Umfang von unterschiedlichen betrieblichen Flexibilisierungsstrategien Gebrauch gemacht. 5 So verwundert es kaum, dass bei betrieblichen Mitbestimmungsfragen der Regelungsbereich Arbeitszeit auch im Saarland ganz oben auf der Tagesordnung steht. 6 Von der im Zuge der Arbeitszeitflexibilisierung versprochenen Zeitsouveränität für die Arbeitnehmer ist allerdings in der Praxis wenig zu merken. Kaum planbare Arbeitszeiten belasten die Beschäftigten. Arbeitsguthaben verfallen, weil sie nicht abgebaut werden können. Insbesondere in Phasen starker Arbeitbelastung wirken Zeitkonten zum Nachteil der Beschäftigten, weil sie Arbeitzeiten nicht begrenzen, was erheblichen Gestaltungsdruck im Alltag erzeugt. Auch aus diesem Grund ist eine neue Diskussion um die Balance von Arbeit und Leben erforderlich. Wirtschaft und Arbeitsmarkt 1 Z.B. St. Lehndorff (2003), Wie lang sind die Arbeitszeiten in Deutschland? IAT-Report 2003 07 oder Eurostat Jahrbuch 2005. 2 Bauer, Frank; Munz, Eva (2005), Arbeitszeiten in Deutschland: 40plus und hochflexibel; in WSI- Mitteilungen 1/2005. 3 Vgl. dazu auch Statistisches Bundesamt (2006), Unterbeschäftigung nimmt zu: Jeder siebte Erwerbstätige möchte mehr Arbeit; Pressemitteilung vom 24. März 2006. 4 Boecklerimpuls 11/2005. 5 Zu saarländischen Beispielen für flexible Arbeitszeitregelungen siehe: Arbeitszeitmodelle Wie es gerade passt; in: arbeitnehmer, Heft 3/2005; S. 12/13. 6 Arbeitskammer und BEST Saarland (2005), AK-Betriebsbarometer 2005. 199

2.1 Wieder deutlicher Rückgang der Realeinkommen Einkommen und soziale Sicherheit 2 Einkommen und soziale Sicherheit 2.1 Wieder deutlicher Rückgang der Realeinkommen Im Saarland sind die gesamtwirtschaftlichen Bruttolöhne und -gehälter aller Arbeitnehmer (Voll- und Teilzeitbeschäftigte) im vergangenen Jahr im Durchschnitt real um 1,8 Prozent zurückgegangen. Dabei hat auch die steigende Zahl von Minijobs und anderen Teilzeitbeschäftigungsverhältnissen eine Rolle gespielt. Aber auch die Bruttomonatsverdienste der Vollzeitbeschäftigten im Produzierenden Gewerbe sowie im Handel und im Bankund Versicherungsgewerbe sanken real um 0,5 Prozent. Hier machte sich der weitere Abbau übertariflicher Leistungen bemerkbar. Die saarländischen Bruttojahresverdienste der Vollzeitbeschäftigten lagen zuletzt um 9,3 Prozent unter dem Bundesdurchschnitt. Im Jahr 2005 schlossen die DGB-Gewerkschaften in ganz Deutschland Lohnund Gehaltstarifverträge für 7,3 Mio. Beschäftigte ab. Für weitere gut 5,7 Mio. Beschäftigte traten Erhöhungen in Kraft, die bereits früher vereinbart worden waren. Die tarifliche Abschlussrate belief sich im Durchschnitt auf 1,8 Prozent. Die kalenderjährliche, also auf das Jahr 2005 bezogene Tarifsteigerung, welche die Auswirkungen aus der oft unterschiedlichen Lage und Laufzeit der Tarifabkommen berücksichtigt und die im Berichtsjahr wirksam werdenden Abschlüsse aus den Vorjahren sowie zusätzliche Einmalzahlungen und Pauschalzahlungen mit einbezieht, betrug für insgesamt 13,1 Mio. Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer in ganz Deutschland 1,6 Prozent. 1 Damit wurde erneut der kostenneutrale Verteilungsspielraum aus Preissteigerung (+2,0 %) und Produktivitätszuwachs (+1,5 % je Arbeitsstunde) nicht ausgeschöpft. Die effektiven Bruttolöhne und -gehälter je beschäftigten Arbeitnehmer stiegen sogar nur um 0,4 Prozent. Das Zurückbleiben der Effektivverdienste hinter der Tariflohnsteigerung geht auf mehrere Faktoren zurück: eine weiterhin leicht rückläufige Tarifbindung, eine zunehmende Zahl von tariflichen Öffnungsklauseln, ein weiterer Abbau übertariflicher Leistungen, wachsender Lohndruck auch durch die Arbeitsmarktreformen. Auch die steigende Zahl von Minijobs und anderen Teilzeitbeschäftigungsverhältnissen trug mit dazu bei, das Niveau der effektiven Bruttoeinkommen im Durchschnitt zu senken. 200

2.1 Wieder deutlicher Rückgang der Realeinkommen Verdienstabstand zum Bund hat zugenommen Im Saarland sind die Bruttolöhne und -gehälter je Arbeitnehmer im vergangenen Jahr im Durchschnitt um 0,2 Prozent gestiegen. Durch den Anstieg der Verbraucherpreise hat sich die Lebenshaltung auch im Saarland um 2,0 Prozent verteuert. Somit mussten die saarländischen Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer im Durchschnitt einen realen Rückgang ihrer Verdienste um 1,8 Prozent hinnehmen. Das Verarbeitende Gewerbe bildet trotz der Ausdehnung des Dienstleistungssektors nach wie vor den Kern der Wirtschaft bildet und hat als Auftraggeber z.b. auf die Entwicklung der Unternehmensdienstleistungen maßgeblichen Einfluss. Hier liegen sowohl die laufenden Bruttomonatsverdienste (ohne Sonderzahlungen) wie auch die Bruttojahresverdienste (einschl. aller Sonderzahlungen) der vollzeitbeschäftigten Saarländer im Bundesländervergleich auf dem letzten Rang (vergl. Grafik 2). Grafik 1 0-2 -4-6 -8-10 -12-14 -16 Entwicklung des Verdienstabstandes zum Bundesgebiet (West) Minderverdienste in Prozent -4,5-4,9-4,7-5,0 Arbeiter Angestellte -3,7-6,6-4,5-10,5-2,4-13,8-1,7-1,8-2 -15,5-14,1-14,1 Einkommen und soziale Sicherheit -18 1980 1985 1990 1995 2000 2003 2004 2005 Bruttostundenverdienst der Arbeiter im Produzierenden Gerwerbe (strukturbereinigt) Bruttomonatsverdienst der Angestellten im Produzierenden Gewerbe, Handel, Bank- und Versicherungsgewerbe (strukturbereinigt) Quelle: Statistisches Bundesamt, Statistisches Landesamt Saarland, eigene Berechnungen Arbeitskammer 201

2.1 Wieder deutlicher Rückgang der Realeinkommen Einkommen und soziale Sicherheit Tabelle 1 Abstand der Bruttoverdienste Saarland und Bundesgebiet (West) im Jahr 2005 Wirtschaftszweig Bruttojahresverdienste 1 Bruttomonatsverdienste Bruttomonatsverdienste Bruttostundenverdienste Arbeitnehmer insgesamt Arbeitnehmer insgesamt Angestellte Arbeiter Saar Bund (West) Abstand Saar Saar Bund (West) Abstand Saar Saar Bund (West) Abstand Saar Saar Bund (West) Abstand Saar zu zu zu zu Bund Bund Bund Bund Euro Euro in % Euro Euro in % Euro Euro in % Euro Euro in % Verarbeitendes Gewerbe 37.725 41.373-8,8 2.974 3.153-5,7 3.678 4.004-8,1 16,94 16,21 4,5 Ernährungsgewerbe 30.054 35.755-15,9 2.494 2.726-8,5 3.307 3.489-5,2 12,69 13,82-8,2 Textil- und Bekleidungsgewerbe 2 19.430 32.001-39,3 1.879 2.438-22,9 2.657 3.133-15,2 10,10 12,20-17,2 Holzgewerbe (ohne Möbel) 39.290 32.503 20,9 2.883 2.487 15,9 3.591 3.198 12,3 15,14 13,32 13,7 Chemische Industrie 33.703 46.612-27,7 2.596 3.451-24,8 3.263 4.035-19,1 12,39 16,59-25,3 Gummi- u. Kunststoffwaren 35.801 35.206 1,7 2.716 2.710 0,2 3.530 3.596-1,8 14,94 14,11 5,9 Metallerzeugung und -bearbeitung 38.977 40.457-3,7 3.091 3.085 0,2 3.804 3.961-4,0 17,69 17,32 2,1 Metallerzeugnisse 36.874 36.587 0,8 2.791 2.772 0,7 3.570 3.655-2,3 15,43 14,80 4,3 Maschinenbau 39.490 43.020-8,2 3.013 3.279-8,1 3.739 4.019-7,0 17,20 17,02 1,1 Elektrotechnik, Feinmechanik usw. 35.838 43.695-18,0 2.763 3.357-17,7 3.666 4.189-12,5 13,12 15,26-14,0 Kraftwagen und Kraftwagenteile 39.227 45.399-13,6 3.270 3.544-7,7 4.146 4.670-11,2 19,54 19,91-1,9 Möbel 30.625 33.031-7,3 2.361 2.578-8,4 3.228 3.416-5,5 13,09 14,18-7,7 Energie- und Wasserversorgung 46.144 47.498-2,9 3.358 3.564-5,8 3.803 3.825-0,6 17,12 18,93-9,6 Hoch- und Tiefbau 32.411 34.135-5,1 2.618 2.705-3,2 3.473 3.576-2,9 14,23 14,69-3,1 Produzierendes Gewerbe insgesamt 37.536 40.986-8,4 2.970 3.129-5,1 3.691 3.972-7,1 16,60 16,09 3,2 Großhandel 37.777 42.045-10,2 2.802 3.196-12,3 2.802 3.196-12,3 - - - Einzelhandel (oh. Kfz u. Tankst.) 29.195 31.446-7,2 2.264 2.433-6,9 2.264 2.433-6,9 - - - Kreditgewerbe 44.617 47.309-5,7 3.362 3.430-2,0 3.362 3.430-2,0 - - - Versicherungsgewerbe 43.432 49.328-12,0 3.168 3.541-10,5 3.168 3.541-10,5 - - - Produzierendes Gewerbe; Handel; Kredit- u. Versicherungsgewerbe insgesamt 37.245 41.068-9,3 2.924 3.118-6,2 3.208 3.538-9,3 - - - 1 Daten von 2004 (Bruttojahresverdienste einschl. Sonderzahlungen), bei Handel, Banken u. Versicherungen jeweils Angestellte 2 bei Bruttojahresverdiensten nur Textilgewerbe Bruttomonatsverdienste und Bruttostundenverdienste ohne Sonderzahlungen (wie Weihnachtsgeld, zusätzliches Urlaubsgeld, Gewinnbeteiligungen, Jahresprämien usw.) Quelle: Statistisches Bundesamt, Statistisches Landesamt Saarland, eigene Berechnungen Arbeitskammer 202

2.1 Wieder deutlicher Rückgang der Realeinkommen Tabelle 2 Entwicklung der Bruttoverdienste im Jahr 2005 Wirtschaftszweig Bruttomonatsverdienste Bruttomonatsverdienste Bruttomonatsverdienste Arbeitnehmer insgesamt Angestellte Arbeiter Saarland Bund (West) Saarland Bund (West) Saarland Bund (West) 2005 2005 2005 2005 2005 2005 2005 2005 2005 2005 2005 2005 zu zu zu zu zu zu 2004 2004 2004 2004 2004 2004 Euro in % Euro in % Euro in % Euro in % Euro in % Euro in % Verarbeitendes Gewerbe 2.974 1,2 3.153 1,8 3.678 1,3 4.004 1,8 2.780 1,3 2.629 1,3 Ernährungsgewerbe 2.494 3,5 2.726 1,9 3.307 2,0 3.489 2,0 2.193 4,2 2.388 1,5 Textil- und Bekleidungsgewerbe 1.879 2,2 2.438 1,1 2.657 2,5 3.133 0,9 1.692 1,6 2.014 0,8 Holzgewerbe (ohne Möbel) 2.883 1,2 2.487 0,8 3.591 2,2 3.198 0,9 2.690 0,7 2.292 0,6 Chemische Industrie 2.596-1,2 3.451 1,8 3.263 1,0 4.035 1,7 2.097-1,0 2.745 1,6 Gummi- u. Kunststoffwaren 2.716 1,5 2.710 1,8 3.530 1,8 3.596 1,6 2.509 1,3 2.370 1,6 Metallerzeugung und -bearbeitung 3.091 1,1 3.085 1,3 3.804 1,7 3.961 1,3 2.900 1,2 2.801 1,2 Metallerzeugnisse 2.791 0,7 2.772 1,2 3.570 1,0 3.655 1,2 2.577 1,1 2.442 1,0 Maschinenbau 3.013 2,1 3.279 1,8 3.739 1,4 4.019 1,6 2.754 2,1 2.744 1,7 Elektrotechnik, Feinmechanik usw. 2.763-1,3 3.357 2,3 3.666-2,3 4.189 2,0 2.143-0,1 2.441 1,8 Kraftwagen und Kraftwagenteile 3.270 0,5 3.544 1,7 4.146 1,3 4.670 2,1 3.165 0,3 3.026 0,7 Möbel 2.361-0,2 2.578 1,6 3.228 2,9 3.416 1,3 2.248-0,9 2.234 1,4 Energie- und Wasserversorgung 3.358 1,1 3.564 3,2 3.803 2,2 3.825 2,8 2.888 1,8 3.156 3,3 Hoch- und Tiefbau 2.618 1,3 2.705-0,1 3.473 3,1 3.576-0,4 2.450 0,7 2.479-0,4 Produzierendes Gewerbe insgesamt 2.970 1,4 3.129 1,8 3.691 1,3 3.972 1,8 2.759 1,5 2.626 1,2 Großhandel 2.802 0,6 3.196 1,4 2.802 0,6 3.196 1,4 - - - - Einzelhandel (oh. Kfz u. Tankst.) 2.264 1,7 2.433 1,7 2.264 1,7 2.433 1,7 - - - - Kreditgewerbe 3.362 1,4 3.430 2,8 3.362 2,1 3.430 1,8 - - - - Versicherungsgewerbe 3.168 2,8 3.541 1,7 3.168 2,8 3.541 1,7 - - - - Produzierendes Gewerbe; Handel; Kredit- u. Versicherungsgewerbe insgesamt 2.924 1,5 3.118 1,8 3.208 1,7 3.538 2,0 - - - - Quelle: Statistisches Bundesamt, Statistisches Landesamt Saarland, eigene Berechnungen Arbeitskammer Einkommen und soziale Sicherheit 203

2.1 Wieder deutlicher Rückgang der Realeinkommen Einkommen und soziale Sicherheit Die Bruttojahresverdienste als umfassendste Einkommensgröße zeigen im Saarland in den letzten Jahren eine bedenkliche Entwicklung: Bereits 2002 betrug der Rückstand zum Bundesgebiet (West) im Verarbeitenden Gewerbe schon -5,3 Prozent. Binnen zwei Jahren, bis 2004, ist er auf -8,8 Prozent gestiegen. Nimmt man noch die Energie- und Wasserversorgung, das Baugewerbe sowie den Handel und das Bank- und Versicherungsgewerbe hinzu, so beläuft sich der Rückstand sogar auf -9,3 Prozent (letzter verfügbarer Wert von 2004). Offensichtlich sind im Saarland in weiten Bereichen durch den Abbau übertariflicher Leistungen Sonderzahlungen (wie Weihnachtsgeld, zusätzliches Urlaubsgeld, Gewinnbeteiligungen, Jahresprämien usw.) stärker zurückgegangen als bundesweit. Hinzu kommt, dass der längerfristige Einsatz von Zeitarbeitspersonal (mit schlechteren Entlohnungsbedingungen) vielfach die Einkommen gedrückt hat. Reallohneinbußen auch bei Vollzeitbeschäftigten... Die Bruttomonatsverdienste der vollzeitbeschäftigten saarländischen Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer im Produzierenden Gewerbe sowie im Handel und im Bank- und Versicherungsgewerbe sind im Jahr 2005 im Durchschnitt um 1,5 Prozent gestiegen. Der Zuwachs war damit um 0,3 Prozentpunkte geringer als im westdeutschen Durchschnitt (1,8 %). Da die Verbraucherpreise 2005 auch im Saarland um 2 Prozent gestiegen sind, mussten die saarländischen vollzeitbeschäftigten Arbeitnehmer im Durchschnitt einen realen Rückgang ihrer laufenden Bruttomonatsverdienste um rund ein halbes Prozent hinnehmen. Zu erinnern ist hier, dass in den laufenden Verdiensterhebungen wichtige Verdienstbestandteile (wie Weihnachtsgeld, zusätzliches Urlaubsgeld, Gewinnbeteiligungen, Jahresprämien usw.) nicht erfasst werden. Im Verarbeitenden Gewerbe (ohne Bergbau, Bauindustrie und Energie- und Wasserversorgung) war der Anstieg im Saarland mit nur 1,2 Prozent noch schwächer. Hier drückte vor allem der geringe Verdienstzuwachs in der Kfz- Industrie von nur 0,5 Prozent (Bund: 1,7 %) das Gesamtergebnis. Aber auch in der Metallerzeugung und -bearbeitung und bei den weiterverarbeitenden Herstellern von Metallerzeugnissen insgesamt war der Zuwachs hierzulande mit 1,1 Prozent insgesamt nur unterdurchschnittlich (wenngleich er knapp an das westdeutsche Ergebnis von 1,2 % heranreichte). Während die Arbeitnehmer in den genannten Bereichen vielfach deutliche Realeinkommenseinbußen hinnehmen mussten, konnten die Arbeitnehmer im Ernährungsgewerbe mit einem deutlichen Verdienstplus von 3,5 Prozent (Bund: 1,9 %) und im Papier-, Verlags- und Druckgewerbe mit einem Zuwachs von 3,2 Prozent (Bund: 1,3 %) auch real noch einen spürbaren Anstieg ihrer laufenden Bruttomonatsverdienste erreichen. 204

2.1 Wieder deutlicher Rückgang der Realeinkommen Grafik 2 Baden-Württemberg Früheres Bundesgebiet Nordrhein-Westfalen Schleswig-Holstein Verdienste im Verarbeitenden Gewerbe Bruttomonatsverdienste der Arbeitnehmer im Verarbeitenden Gewerbe im Jahresdurchschnitt 2005 (Vollzeitbeschäftigte) Hamburg Bremen Berlin-West Bayern Hessen Rheinland-Pfalz Niedersachsen Saarland 3.071 3.054 3.011 2.995 2.974 3.209 3.179 3.153 3.132 3.309 3.292 3.695 1.500 2.000 2.500 3.000 3.500 4.000 Euro Bruttojahresverdienste der Arbeitnehmer im Verarbeitenden Gewerbe Jahr 2004 (Vollzeitbeschäftigte) Hamburg Berlin Baden-Württemberg Bayern Bremen Hessen Bundesgebiet (West) Rheinland-Pfalz Nordrhein-Westfalen Schleswig-Holstein Niedersachsen Saarland 39.393 38.744 37.725 41.373 41.086 40.144 42.135 42.029 41.380 43.636 42.809 Arbeitskammer 48.848 Einkommen und soziale Sicherheit 25.000 30.000 35.000 40.000 45.000 50.000 Euro Quelle: Statistisches Bundesamt, eigene Berechnungen Arbeitskammer 205