Holz-Beton-Verbundtechnik im Brückenbau

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Transkript:

Univ. Prof. DDI Michael Flach Vorstand des Instituts für Stahlbau, Holzbau und Mischbautechnologie, Leiter des Stiftungslehrstuhles für Holzbau, Holzmischbau und Holzverbundwerkstoffe an der Universität Innsbruck Österreich, Innsbruck Holz-Beton-Verbundtechnik im Brückenbau 1

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Holz-Beton-Verbundtechnik im Brückenbau Nachdem Holz im letzten Jahrhundert im Brückenbau immer mehr von Stahl und Beton verdrängt wurde, zeichnet sich seit einigen Jahren eine Trendwende ab. Immer mehr und immer größere Brücken werden in Holz gebaut, wobei gerade die Holz-Beton-Verbundtechnik neue Möglichkeiten bietet. In erster Linie sind es Fußgänger- und Fahrradbrücken, bei denen Holz in Leichtbauweise gerade gegenüber Beton Gewichtsvorteile aufweisen kann. Besonders bei großen Spannweiten (Abb. 1) kann es durch diesen Vorteil zu wirtschaftlich guten Lösungen kommen. Schwingungsprobleme können dabei wie bei Stahlbrücken mit Dämpfungsvorrichtungen gelöst werden, ohne dass dazu unbedingt zusätzliche Masse benötigt wird. Abb. 1: Projekt Fußgängerbrücke, über 120m Spannweite, Grenoble/F 2001 Autoverkehrsbrücken in Holz sind hingegen nach wie vor seltener, aber gerade bei Brücken, die auf Pkw-Verkehr beschränkt sind, bietet der Holzbau günstige Lösungen an. Unter den ausgeführten Beispielen sind die Holzbrücke in Thalkirchen, vor allem aber die 2001 in Frankreich gebaute Brücke in Crest (Abb. 2) zu erwähnen. Dieses Bauwerk zeichnet sich im Vergleich zu herkömmlichen Brücken durch eine besonders holzgerechte Form aus. 3

Abb. 2: Leichtverkehrsbrücke in Crest/F 2001 Bei Schwerverkehrsbrücken stößt die reine Holzkonstruktion jedoch auf gewisse Grenzen. Hohe Punktlasten, wie das genormte 100 kn Einzelrad, stellen für die Sekundär- und Tertiärtragwerke besondere Probleme dar. Begrenzte Querdruckspannungen, aber auch die relativ geringe Schubfestigkeit schränken die Anwendung von Holz ein und führen zu ungünstigen Lösungen. Die Folge sind oft übereinander gestapelte schwerfällige Nebentragsysteme, die aufwändig sind und nicht immer eine dauerhafte Haftung des Fahrbahnbelages gewährleisten. Eine weitere Beschränkung des Holzbaus ist durch die Anordnung von Leitplanken gegeben. Es ist nicht nur schwierig, die hohen Anpralllasten an eine Holzkonstruktion anzuschließen, es gibt in den meisten Ländern nur Zulassungen von genormten Leitplanken für Betonverankerungen. Aufgrund dieser Schwierigkeiten liegt es nahe, die Holz-Beton-Mischbautechnologie für Schwerverkehrsbrücken anzuwenden, wobei noch zu untersuchen ist, ob dabei mit oder ohne Verbund gearbeitet werden sollte. Beide Technologien bieten interessante Lösungen an und inzwischen gibt es einige ausgeführte Holz-Beton-Brücken, wie z.b. die Europabrücke bei Murau 1, die Crestawaldbrücke 2 bei Sufers/CH und verschiedene Brücken in Frankreich 3, die hier vorgestellt werden. Die Verwendung von Beton bei Holzbrücken ist vor allem für die Fahrbahnplatte sinnvoll. Er ermöglicht dank der mehrachsigen Tragwirkung und der hohen Schubfestigkeit eine relativ einfache Verteilung der Einzellasten. Bremskräfte, Anpralllasten und andere Horizontallasten werden sehr gut aufgenommen und weitergeleitet. Weiterhin ist eine Betonplatte ein erfahrungsgemäß guter Unterbau für den Fahrbahnbelag. Verbundsysteme in Holz und Beton bieten außerdem den Vorteil einer hohen Steifigkeit im Vergleich zu Leichtbauweisen und eine Gewichtsersparnis von etwa 50% im Vergleich zu Betonbrücken. Besonders Sinn macht die Verbundbauweise bei der geeigneten Zuordnung der Baustoffe in Bezug auf die Beanspruchungen. 4

Abb. 3: Spannungsverlauf bei Verbunddecken Um die Druckkräfte aufzunehmen ist Beton der billigste Baustoff, während Holz durch sein geringes Eigengewicht einer der leistungsfähigsten Baustoffe zur Aufnahme von Zugkräften ist (Abb. 3). Beide Baustoffe gehören in diesen Bereichen zu den wirtschaftlichsten. Da somit auch der Bewehrungsanteil im Stahlbeton reduziert werden kann, können Holz-Beton- Verbunddecken als ökologisch günstig angesehen werden. Untersuchungen 4 zeigen, dass die Emissionswerte bei der Herstellung zu den niedrigsten im Vergleich zu reinen Holz- oder Stahlbetonlösungen gehören. Obwohl die Verbundbauweise auf den ersten Blick sehr vorteilhaft erscheint, sind ihr jedoch gewisse Grenzen gesetzt. Der Hauptgrund liegt im unterschiedlichen Verhalten der beiden Baustoffe. In Bezug auf die Feuchtigkeit, das heißt bei dem Schwind- und Quellverhalten verhalten sich beide Baustoffe noch relativ ähnlich, auch wenn es hier zeitliche Verschiebungen 5 gibt. Im Bereich der Temperaturbeanspruchung verhalten sie sich jedoch deutlich anders, da die Wärmedehnzahl von Beton mehr als doppelt so hoch ist, als die von Holz! Analytische Vergleichsrechnungen zeigen, dass im Holz-Beton-Verbund durch Temperaturbelastungen innere Spannungen aufgebaut werden, die bei außenliegenden Bauteilen für große Temperaturveränderungen von mindestens + / - 25 C nicht vernachlässigt werden dürfen. Inwieweit diese Spannungen sich in Wirklichkeit aufbauen, bzw. inwieweit sie von Kriecherscheinungen und Relaxation wieder abgebaut werden, ist bislang wenig erforscht 6. Geht man von den theoretischen Werten aus, so erweist es sich, dass die inneren Spannungen infolge von Temperaturänderungen bei Verbunddecken mit großen Spannweiten im Freien so hohe Werte erreichen, dass sich der Vorteil der Verbundwirkung zum großen Teil aufhebt. Es liegt deshalb nahe, Verbunddecken nur für geringe Spannweiten als Haupttragsystem zu verwenden, bzw. sie als Sekundärsystem in Querrichtung einzusetzen. Bei kleineren Brücken, wie der abgebildeten Sannebrücke/F (Abb. 4) mit einer Spannweite von 15 m, trägt die Verbunddecke als Nebentragsystem nur 4 m, so dass die Spannungen aus Temperaturdehnung nur sehr gering sind. In Brückenlängsrichtung trägt die Brettstapeldecke dazu bei, dass die Temperaturverformungen des Betons im Holz weitestgehend von den Fugen absorbiert werden. 5

Abb. 4: Schwerverkehrsbrücke über die Sanne/F 1998 Bei der Brücke von Fayette (Abb. 5), die bereits eine Spannweite von knapp 30 m aufweist, wurde in Querrichtung eine Holz-Beton-Verbunddecke mit 7 m Spannweite eingesetzt. Um Unverträglichkeiten zu vermeiden, galt es jedoch, die Temperaturverformungen des Betons in Längsrichtung nicht durch das Holztragwerk zu behindern. Die Anordnung von Dehnungsfugen wäre eine Möglichkeit gewesen, erwies sich aber kostenmäßig und technisch als ungünstig. Da Stahl und Beton das gleiche Temperaturverhalten aufweisen, wurde der Untergurt in Stahl ausgeführt. Bedenken, dass bei einer Holz- bzw. einer Holz-Betonbrücke zuviel Stahl verwendet wird, sind unangebracht, da der Untergurt in einem Fachwerkträger im Vergleich zum Rest nur einen bescheidenen Materialanteil darstellt. Wichtig ist vielmehr, dass durch die Verwendung zweier verträglicher Baustoffe in Längsrichtung zusätzliche Spannungen vermieden werden. Abb. 5: Schwerverkehrsbrücke von Fayette/F 2000 6

Es lag auf der Hand, den Stahl-Untergurt mit der Betonplatte schubfest zu verbinden, um Gefügestörungen in der Fuge zu verhindern. Somit ergab sich eine Holz-Beton-Stahl- Verbunddecke (Abb. 6), wobei in Brückenlängsrichtung der Beton-Stahl-Verbund, und in Querrichtung der Holz-Beton-Verbund wirksam ist. Für die Fayette-Brücke, bei der das Haupttragwerk aus aufgelösten Fachwerkträgern besteht, erwies sich diese Lösung als besonders vorteilhaft, da durch die Anordnung eines Untergurtes in Stahl der Anschluss von hohen Zugkräften vereinfacht wurde, und außerdem der Untergurt schlanker ausfiel (Abb. 7). Sichtbar ist der Stahlträger nur von der unzugänglichen Unterseite her. Auf der Außenseite deckt ein BSH-Randträger mit den angehängten Holzkonsolen den Untergurt ab, um den Gehweg zu tragen. Das Erscheinungsbild entspricht einer modernen Holzbrücke im traditionellen Stil. Das Tragwerk ist aber in Wirklichkeit eine Mischbaukonstruktion in Doppelverbundtechnologie. Abb. 6: Verbunddecke Abb. 7: Untergurt 7

Schwieriger erweist es sich, die Holz-Beton-Verbundtechnologie bei Primärsystemen zu verwenden, die aus Holzbalken in Längsrichtung bestehen. Obwohl sich der Holz-Beton-Verbund als Plattenbalken mit Holzrippe und Betonplatte aufdrängt, führt das unterschiedliche Temperaturverhalten ab einer gewissen Spannweite zu ungünstigen Nebenwirkungen. Würde man die Holzbalken, wie bei dem Untergurt der Fayette-Brücke durch Stahlträger ersetzen, würde nicht mehr viel Holz übrig bleiben. Als Lösung für eine Holz-Beton-Brücke verbleiben dann entweder die Anordnung von Dehnungsfugen oder die vollständige Trennung der Betonplatte vom Holztragwerk. Letztere Lösung wurde für eine Schwerverkehrsbrücke in Frankreich über die Autobahn A 89 adaptiert und wird hier vorgestellt (Abb. 8). Abb. 8: Schwerverkehrsbrücke über die A 89/F 2001 Es handelt sich um eine 56 m lange zweispurige Brücke der 1. Klasse, einschließlich der Benutzung von 1000 kn schweren Militärfahrzeugen. Eine Ausführung in reiner Holzbauweise musste ausgeschlossen werden, da die vorgesehenen Leitplanken für eine Befestigung auf einer Unterkonstruktion in Holz nicht zugelassen sind. Die Ausführung in Holz-Beton-Verbundbauweise wurde zwar in Erwägung gezogen, diese Idee wurde aber aufgegeben, da auf diesem Gebiet rückschlüssige Erfahrungen fehlen und eine Anordnung von Dehnungsfugen nicht erwünscht war. Somit orientierte sich der Tragwerksentwurf in Richtung Holz-Beton-ohne-Verbund-Brücke. Abb. 9: Querschnitt und Auflager der Brücke über die A 89 8

Das Haupttragwerk besteht aus 5 durchlaufenden BSH-Balken in splintfreier Douglasie, die von einem räumlich angeordneten Sprengwerk in BSH unterstützt sind (Abb.9). Darüber trägt eine Stahlbetonplatte aus hochfestem Beton der Klasse B 50. Da der Autobahnverkehr während der Bauzeit nicht unterbrochen werden durfte, war eine Vorfertigung der Betonplatte nicht zu umgehen. Die konsequente Trennung von Holz- und Betontragwerk erfolgte über teflonbeschichtete Gleitlager, die punktförmig in engen Abständen angeordnet wurden (Abb. 10). Um jedoch die Übertragung von Horizontallasten ohne Beeinträchtigung der Gleitfuge zwischen Beton und Holz zu gewährleisten, wurden bestimmte Auflager als richtungsorientierte Festpunkte ausgeführt. Abb. 10: Gleitlager der Brücke über die A 89 Während der Tragwerksbemessung stellte sich heraus, dass einige der Auflagerpunkte unter Lkw-Belastung zum Abheben neigen. Die Steifigkeit der Fahrbahnplatte und das Eigengewicht des Überbaus reichten offensichtlich nicht aus, um einen ständigen Kontaktdruck aufrecht zu erhalten. Angesichts der hohen Verkehrsbelastung durch Schwerverkehr musste ein Abheben der Betonplatte vermieden werden, da ein wiederholtes Schlagen der Auflager zu Ermüdungserscheinungen führen würde, die den Bestand des Bauwerks langfristig gefährden würden. Die genaue Berechnung der Übertragungskräfte konnte nur über ein ganzheitliches Computermodell erfolgen, bei dem das Holztragwerk als Stabstruktur und die Betonplatte mit Finiten Elementen simuliert wurde. Die aufwändigen Berechnungen ergaben, dass rund 20% der Auflager mit Abhebesicherungen versehen werden mussten. Diese wurden so konzipiert, dass sie einerseits millimetergenau eingestellt und ggf. nachgezogen werden konnten, andererseits erlaubten sie freie Horizontalverschiebungen zwischen Holz und Beton. Die aus diesem Bauwerk gemachte Erfahrung zeigt, dass der Rechenaufwand und die konstruktive Ausbildung einer klaren Trennung von Holz- und Betontragwerk sehr aufwändig sind und sich komplizierter gestalten als die Mischbauweise mit starrem Verbund. Zudem verzichtet man auf die Vorteile der Verbundbauweise, die es möglich machen, den Überbau in die statisch wirksame Höhe zu integrieren, um Material und Bauhöhe zu sparen. Solange jedoch keine genaueren wissenschaftlichen Untersuchungen vorliegen, ist es noch nicht möglich, die Kräfte infolge des differentiellen Verhaltens von Holz- und Beton wirklichkeitsnah anzusetzen. 9

Es gibt zwar bereits 4-dimensionale FE-Programme, die den Verlauf und die Entwicklung der inneren Spannungen in Abhängigkeit von Klimazyklen, Feuchtigkeit, Temperatur und Lasten bestimmen können 6 und bestätigen, dass Zwangspannungen abgebaut werden. Es fehlen aber konkrete Messungen, die die theoretischen Annahmen belegen, um in Zukunft realistische Werte für Belastungen durch Temperatur- und Feuchtigkeitsänderungen ansetzen zu können. An der Autobahnbrücke der A 89 wurden bereits Messeinrichtungen installiert, die es erlauben werden, die Entwicklung der Holzfeuchte und der Spannungen im Holz langfristig zu verfolgen (Abb. 11). Nach ersten Schätzungen wird die Ausgleichsfeuchte im Kernbereich in etwa 8 10 Jahren erreicht. Abb. 11: Messeinrichtung an der A 89/F Aufbauend auf diese Erfahrung plant das Institut für Stahlbau, Holzbau und Mischbautechnologie der Universität Innsbruck an Pilotprojekten, wie z.b. der geplanten Brücke in Kössen (Abb. 12), einer Schwerverkehrsbrücke mit über 50 m Spannweite, Messungen durchzuführen, um das Potenzial von Holz bzw. Holz-Beton-Verbundbrücken in Zukunft besser zu nutzen. 10

Abb. 12: Modell der Schwerverkehrsbrücke bei Kössen Dadurch eröffnen sich dem Holzbau bei Brücken neue Dimensionen und mehr Wettbewerbsfähigkeit. Als Beispiel sei nur die Wettbewerbsstudie für eine 200 m lange Holz-Beton- Verbundbrücke bei St.Gervais/F erwähnt, die für Busverkehr ausgelegt ist und eine Spannweite von 130 m aufweist. Resumee: Die Holz-Beton-Verbundtechnik ermöglicht die Erstellung von wirtschaftlich und technisch leistungsfähigen Schwerverkehrsbrücken in Holz. Sie ist heute jedoch infolge des unterschiedlichen Temperaturverhaltens von Holz und Beton auf geringe Spannweiten beschränkt. Interessante Lösungen ergeben sich bei der Verwendung von Holz-Beton-Stahl- Verbunddecken in Verbindung mit Sekundärtragsystemen. Darüber hinaus sind Messungen an ausgeführten Holz-Beton-Verbundbrücken und weiterführende Untersuchungen erforderlich, um das Tragverhalten in Bezug auf Lastverteilung, Zwangspannungen und Schwingungsverhalten zu untersuchen. Erst dann wird es möglich sein, in Zukunft immer leistungsfähigere Holzbrücken für Schwerverkehr anzubieten, die sich gegenüber Stahlbetonbrücken behaupten können. Literaturangaben: [1] Steurer, Anton: Holz/Beton-Verbund im Brückenbau In: Tragende Verbundkonstruktionen mit Holz, 31. SAH-Fortbildung Kurs. Weinfelden: 1999 [2] Schickhofer, Gerhard: Vorstellung der Murbrücke, St. Georgen/St. Lorenzen Europa- Holzbrücke im Rahmen des Holzbrückenbauseminares der TU Wien, Seminarfolder, Mai 1993 [3] Flach, Michael; Frenette, Caroline: Le retour du bois. Tracés, Lausanne, 128. Jg, (2002) 12, S. 18-23 [4] Kappeli, Thomas: Energie- und Stoffflussanalyse für Deckensysteme in Holz und Beton, Diplomarbeit, SISH Biel, 1993 11

[5] Kuhlmann, Ulrike; Schänzlin, Jörg: Erweiterung des Anwendungsbereichs von Holz- Beton-Verbunddecken durch Erfassung von Kriechen und Schwinden am Beispiel der Brettstapel-Beton-Verbunddecke. AIF-Forschungsbericht, Stuttgart, 2002 [6] Bou Said, Elias: Constribution a` la modélisation des effets différés du bois et du béton sous conditions climatiques variables, Application aux structures mixtes Bois-Béton, Thèse de doctorat, INSA de Lyon, France, 2003 12