INFORMATIONEN ZUM STRAFBEFEHL 2 / 7 DIE FOLGEN EINES STRAFBEFEHLS

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Transkript:

INFORMATIONEN ZUM STRAFBEFEHL 2 / 7 DIE FOLGEN EINES STRAFBEFEHLS Eine Mandanteninformation von Ihrem Fachanwalt für Strafrecht RA Albrecht Popken LL.M. Alt-Moabit 108A 10559 Berlin 030 / 330 999 990 https://strafbefehl-info.de RA Popken

Inhaltsverzeichnis: Freiheitsstrafe 2 Geldstrafe 2 Warum Tagessätze? 3 Was sind Tagessätze? 3 Wie kommt die Höhe der Tagessätze zustande? 3 Lohnt ein Einspruch gegen die Anzahl der Tagessätze? Lohnt ein Einspruch gegen die Höhe der Tagessätze? 4 5 Alternative zur Geldstrafe: gemeinnützige Arbeit 8 Wann müssen Sie die Geldstrafe zahlen? 8 Wenn Sie den Betrag nicht in einer Summe zahlen können 8 Wenn Sie die Geldstrafe nicht bezahlen 9 Fahrverbot und Entziehung der Fahrerlaubnis 9 Sind Sie jetzt vorbestraft? 10 Was steht im Bundeszentralregister? 10 Was steht im Führungszeugnis? 11 Sind Sie nun vorbestraft oder nicht? 12 Kosten des Verfahrens 13 Sonstige Folgen des Strafbefehls 14

Nachdem wir im ersten Teil des E-Mail-Kurses geklärt haben, dass ein Strafbefehl rechtlich das Gleiche ist wie ein Urteil ( 410 Abs. 3 StPO), geht es heute um die Folgen des Strafbefehls. Einige dieser Folgen ergeben sich unmittelbar aus dem Strafbefehl selbst, andere sind weniger offensichtlich. Wichtig ist, dass Sie sich als Betroffener über alle Folgen im Klaren sind, denn nur dann können Sie sinnvoll entscheiden, ob Sie Einspruch gegen den Strafbefehl einlegen wollen oder nicht. Freiheitsstrafe Die Verhängung einer Freiheitsstrafe durch einen Strafbefehl ist gesetzlich zulässig ( 407 Abs. 2 StPO), in der Praxis aber eher die Ausnahme. Die Strafe darf ein Jahr nicht übersteigen und muss zur Bewährung ausgesetzt werden. Außerdem müssen Sie als Beschuldigter einen Verteidiger haben. Wenn Ihnen also mit Ihrem Strafbefehl eine Freiheitsstrafe auferlegt wurde, dann brauchen Sie die folgenden Seiten nicht mehr zu lesen: Ihr Anwalt wird Ihnen alle Ihre Fragen beantworten, und zwar bezogen auf Ihren Fall. Geldstrafe Das Gericht verurteilt Sie nicht zu einem festen Betrag X, sondern zum Beispiel zu» 60 Tagessätzen à 50 Euro, insgesamt zu 3.000 Euro«. Warum ist das so? Was sind Tagessätze überhaupt? Und wie kommt ihre Höhe zustande? Dazu im Folgenden mehr. Anschließend erfahren Sie, wann es sinnvoll ist, gegen einen Strafbefehl allein wegen der Strafhöhe vorzugehen, welche Alternative es zur Geldstrafe gibt und was passiert, wenn Sie die Strafe nicht bezahlen. Aber der Reihe nach. Seite 2

Warum Tagessätze? Was auf den ersten Blick unnötig kompliziert aussieht, hat einen guten Grund: Strafen sollen gerecht sein. Würde als Geldstrafe einfach eine bestimmte Summe festgelegt (»Sie werden zu einer Geldstrafe in Höhe von 3.000 Euro verurteilt«), wäre das nicht gerecht, denn für einen sehr gut verdienenden Beschuldigten sind 3.000 Euro ein Taschengeld, für einen ALG-II-Empfänger dagegen unbezahlbar. Das Gesetz berücksichtigt bei der Zumessung der Geldstrafe deshalb die Einkommensverhältnisse des Beschuldigten. Was sind Tagessätze? Die Tagessätze sind ein Mittel der Strafzumessung. Ihre Anzahl sagt etwas darüber aus, wie»hart«sie als Beschuldigter bestraft werden sollen. Will das Gericht Ihnen rund zwei Monatsgehälter wegnehmen, lautet das Urteil deshalb auf 60 Tagessätze. Wie kommt die Höhe der Tagessätze zustande? Die Höhe der Tagessätze ist von Ihrem Einkommen abhängig. Sind Sie ALG-II-Empfänger, können es 15 Euro sein, sind Sie Geschäftsführer und verdienen zum Beispiel 4.500 Euro netto, beläuft sich der Betrag auf 150 Euro. Obwohl Sie in beiden Fällen grundsätzlich gleich hart bestraft werden nämlich mit 60 Tagessätzen müssen Sie als ALG-II-Empfänger im Ergebnis 900 Euro zahlen, als Geschäftsführer hingegen 9.000 Euro. So soll sichergestellt werden, dass jeder Verurteilte, egal ob arm oder reich, vergleichbar bestraft wird. In der Praxis wird das Ideal der gerechten Strafe allerdings nicht in jedem Fall erreicht: Jemanden, der mit seinem Einkommen gerade so über die Runden kommt, trifft eine Geldstrafe immer härter als jemanden, der von seinem Einkommen etwas erübrigen oder die Strafe sogar aus seinem Vermögen zahlen kann. An dieser Tatsache ändert leider auch das Tagessatzsystem des Strafgesetzbuches nichts. Die Zumessung der Geldstrafe erfolgt in zwei Schritten: 1. Eigentliche Strafzumessung Je härter die Strafe ausfallen soll, desto mehr Tages sätze werden festgelegt. Seite 3

2. Höhe der Tagessätze Die Festlegung erfolgt in Abhängigkeit vom Einkommen des Beschuldigten. Lohnt ein Einspruch gegen die Anzahl der Tagessätze? Wie im ersten Teil dieses Kurses erläutert, beantragt der Staatsanwalt den Strafbefehl und mit diesem die konkrete Anzahl und Höhe der Tagessätze. Die Anzahl der Tagessätze muss gemäß 40 StGB zwischen 5 und 360 liegen. Bei mehreren Straftaten kann die Gesamtstrafe bis zu 720 Tagessätze umfassen. Die Spann weite einer möglichen Strafe ist also enorm. Wie hoch sie im konkreten Fall ausfällt, richtet sich nach den allgemeinen Strafzumessungsgrundsätzen. Das sind zum Beispiel: die Art der Straftat, die Schwere der Tat, eine einschlägige oder andere Vorbestrafung, die Höhe des Schadens, die Folgen der Tat für den Geschädigten, das Verhalten des Täters nach der Tat (Geständnis, Schadensersatz usw.). Da gerade im Strafbefehlsverfahren viele»standardfälle«abgeurteilt werden, entscheiden Staatsanwälte hier nach ihrer Erfahrung. Sie beantragen im konkreten Fall also die Strafe, die in vergleichbaren Fällen üblicherweise verhängt wird. Dabei muss sich der Staatsanwalt nicht allein auf seine Erfahrung verlassen. In den Staatsanwaltschaften gibt es meist Anweisungen, die behördenintern eine vergleichbare Bestrafung sicherstellen sollen. Bei der Strafzumessung gibt es deshalb auch regionale Unterschiede : Die Trunkenheitsfahrt eines Ersttäters mit 1,1 Promille ohne Personen- oder Sachschaden kann in Flensburg zu einer anderen Strafe führen als in München. Der Richter, der über den Antrag des Staatsanwaltes zu entscheiden hat, wird die beantragte Strafe nur sehr selten infrage stellen. Er wird den Strafbefehl vielmehr unterzeichnen und damit die beantragte Strafe erlassen. Bei den meisten Strafbefehlen dürften die Strafen zwischen 20 und 80 Tagessätzen liegen, wobei 30, 40 und 50 Tagessätze bei vielen Vorwürfen»normale Tarife«sind. Strafen unter 20 Tagessätzen sind zwar zulässig, in der Praxis aber eher die Ausnahme. Seite 4

Da die Strafzumessung im Strafbefehlsverfahren so schematisch erfolgt, braucht es gute Argumente, wenn man mit dem Einspruch gegen die Anzahl der Tagessätze vorgehen will. Erklären Sie dem Richter, dass die Strafe Ihrer Meinung nach zu hoch ausgefallen ist, werden Sie höchstwahrscheinlich zu hören bekommen, dass es sich um die»übliche Strafe«für Straftaten dieser Art handelt. Das Gesetz gibt dem Richter bei seiner Entscheidung über die Höhe der Strafe einen sehr weiten Spielraum, konkrete Vorgaben finden sich im Gesetz kaum. Die meisten Strafvorschriften sehen vor, dass» Geldstrafe oder Freiheitsstrafe bis zu [...]«verhängt werden kann. Es gibt also im Strafrecht keinen Bußgeldkatalog wie im Ordnungswidrigkeitenrecht, dem man entnehmen kann, wie hoch die Buße ist, wenn jemand über eine rote Ampel fährt. Die Beleidigungstat eines Ersttäters, die zum Beispiel mit 30 Tagessätzen bestraft wird, könnte ebenso mit 20, 40 oder sogar 50 Tagessätzen bestraft werden. Solange der Richter bei der Zumessung der Strafe keine Begründungsfehler macht, ist seine Entscheidung deshalb kaum angreifbar. Trotzdem kann es in manchen Fällen sinnvoll sein, gegen die Anzahl der Tagessätze vorzugehen. Lautet der Strafbefehl zum Beispiel auf 100 Tagessätze, lässt sich mit einer Reduzierung auf 90 Tagessätze unter Umständen ein Eintrag in das Führungszeugnis (Vorstrafe) vermeiden. Eine solche Reduzierung der Strafe wird Ihnen vom Gericht allerdings nicht geschenkt. Sie müssen sie vielmehr erstreiten. Mein Rat: Nehmen Sie dafür die Hilfe eines erfahrenen Strafverteidigers in Anspruch. Lohnt ein Einspruch gegen die Höhe der Tagessätze? Aussichtsreicher als ein Einspruch gegen die Anzahl der Tagessätze ist ein Einspruch gegen ihre Höhe, denn in diesem Punkt sind Strafbefehle häufig falsch. Nach 40 Abs. 2 StGB soll die Höhe eines Tagessatzes nach den»persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen des Täters«bestimmt werden, wobei in der Regel vom durchschnittlichen Nettoeinkommen ausgegangen werden soll, das der Täter an einem Tag hat. Die Formel lautet also: Seite 5

Monatliches Nettoeinkommen geteilt durch 30 = Höhe des Tagessatzes Haben Sie ein Nettoeinkommen von 1.500 Euro, ergibt sich daraus ein Tagessatz in Höhe von 50 Euro (1.500 Euro / 30 = 50 Euro). Dabei wird in der Praxis nicht auf den Cent genau gerechnet, in der Regel wird in 5-Euro-Schritten gerundet, sodass die Tagessätze auf 20, 25, 30 Euro usw. lauten. Als Einkommen zählen alle Einkünfte, über die Sie verfügen (zum Beispiel Arbeitseinkommen, Mieteinnahmen, Kindergeld, ALG II, Bafög). Bei der Ermittlung des Tagessatzes berücksichtigt das Gericht natürlich auch, ob Sie das Einkommen für sich alleine zur Verfügung haben oder ob Sie eine Familie unterhalten müssen. Die Anrechnung solcher Unterhaltsverpflichtungen ist in der Gerichtspraxis leider nicht einheitlich. Ehepartner und Kinder, die vom Familieneinkommen leben, werden meist pauschal berücksichtigt, zum Beispiel ein nicht berufstätiger Ehepartner mit 25 % Abzug und ein Kind mit 15 % Abzug, wobei insgesamt aber nicht mehr als 50 % abgezogen werden. Häufiges Missverständnis: Nicht abziehbar vom Nettoeinkommen sind Zahlungen für Miete, Lebensunterhalt und andere wie der kehrende Belastungen. Es geht nämlich um Ihr Einkommen und nicht um den Betrag, der Ihnen nach Zahlung aller Lebenshaltungskosten monatlich noch zur Verfügung steht! Außergewöhnliche Belastungen allerdings können berücksichtigt werden. Was dazu gehört und was nicht, ist nicht immer ganz klar. Aus Platzgründen möchte ich auf die Einzelheiten an dieser Stelle nicht weiter eingehen. Möglicherweise reiben Sie sich beim Blick in Ihren Strafbefehl in Bezug auf das ermittelte Einkommen verwundert die Augen und fragen sich, auf welcher Grundlage der Staatsanwalt seine Feststellungen stützt. Sie müssen wissen: Nach 40 Abs. 3 StGB können die Einkommensverhältnisse des Beschuldigten auch geschätzt werden. Seite 6

Und geschätzt wird häufig, nämlich immer dann, wenn sich aus der Akte nichts Konkretes über die Einkommensverhältnisse er gibt (zum Beispiel weil Sie gegenüber der Polizei keine Angaben gemacht haben). Und wie bei jeder anderen Schätzung auch wird im Strafverfahren mal richtig, mal zu niedrig und mal zu hoch geschätzt. Schätzt der Staatsanwalt zu niedrig, wirkt sich dies möglicherweise erheblich zu Ihren Gunsten aus. Wird zum Beispiel ein Tagessatz von 30 Euro unterstellt, obwohl tatsächlich 60 Euro angemessen wären, weil Sie über ein anrechenbares Nettoeinkommen von 1.800 Euro verfügen, fällt die Strafe im Ergebnis nur halb so hoch aus wie sie»eigentlich«hätte ausfallen dürfen. Legen Sie keinen Einspruch gegen den Strafbefehl ein, wird dieser mit der eigentlich zu niedrigen Strafe rechtskräftig Glück im Unglück für Sie. Vorsicht: Wurde das Einkommen unterschätzt, ist der Einspruch gegen den Strafbefehl mit besonderen Risiken verbunden! Wenn die Tagessätze in Ihrem Strafbefehl zu niedrig sind, können diese nach dem Einspruch in der Hauptverhandlung an das tatsächliche Einkommen angepasst werden, wenn Sie verurteilt werden. Das kann im Ergebnis zu einer höheren Strafe führen, selbst wenn der Richter bei der eigentlichen Strafzumessung (der Anzahl der Tagessätze) nicht zu Ihren Ungunsten vom Strafbefehl abweicht. Mehr zu den Risiken des Einspruchs lesen Sie im nächsten Teil des Kurses. Anders herum kann das Einkommen natürlich auch erheblich überschätzt werden. Wird es mit 30 Euro pro Tag angesetzt, obwohl Sie zum Beispiel ALG II beziehen und deshalb 15 Euro angemessen wären, fällt die Strafe im Ergebnis doppelt so hoch aus, wie sie»eigentlich«sein sollte. In diesem Fall können Sie einen beschränkten Einspruch gegen die Tagessatzhöhe einlegen. Dabei handelt es sich um ein vereinfachtes Verfahren, mit dem die Tagessatzhöhe korrigiert werden kann. Wer als Beschuldigter nicht von seinem Recht Gebrauch macht und die Tagessatzhöhe nicht mithilfe des beschränkten Einspruchs korrigieren lässt, hat das Nachsehen. Ich habe schon Strafbefehle gesehen, die einen Tagessatz von 60 Euro unterstellt haben, obwohl 10 Euro»richtig«gewesen Seite 7

wären statt 400 Euro musste der Beschuldigte 2.400 Euro zahlen! Auch wenn das sicher ein krasses Beispiel ist, lässt sich in vielen Fällen mit dem beschränkten Einspruch unter Umständen bares Geld sparen kann. Wie Sie ihn einlegen, lesen Sie im nächsten Teil des Kurses. Alternative zur Geldstrafe: gemeinnützige Arbeit In allen Bundesländern gibt es die Möglichkeit, die Geldstrafe durch gemeinnützige Arbeit»abzuarbeiten«(Stichwort: Arbeit statt Strafe). Für jeden Tagessatz der Strafe müssen Sie dann einen Tag arbeiten. Wie viele Stunden ein solcher Arbeitstag hat, ist unterschiedlich: In Berlin sind es zum Beispiel sechs Stunden, in Hamburg fünf. Einen entsprechenden Antrag können Sie nach Rechtskraft des Strafbefehls bei der Staatsanwaltschaft stellen. Informationen zur gemeinnützigen Arbeit gibt es im Internet zum Beispiel bei der Caritas, der Freien Hilfe und den Sozialen Diensten der Justiz. Wann müssen Sie die Geldstrafe zahlen? Die Geldstrafe wird fällig, wenn der Strafbefehl rechtskräftig wird, also wenn die Einspruchsfrist abgelaufen ist, ohne dass Sie Einspruch eingelegt haben. Nach Eintritt der Rechtskraft meist einige Wochen später erhalten Sie dann eine Rechnung von der Staatsanwaltschaft über die 1 Geldstrafe und die Kosten des Verfahrens. Wenn Sie den Betrag nicht in einer Summe zahlen können Mit der Rechnung bzw. Zahlungsaufforderung erhalten Sie auch Hinweise, wie Sie eine Ratenzahlung der Geldstrafe beantragen können. In dem Antrag müssen Sie Ihre Einkommensverhältnisse darlegen. Es entscheidet dann der Rechtspfleger. Das Verfahren zur Beantragung der Ratenzahlung ist vergleichsweise einfach (was aber nicht bedeutet, dass immer alles glatt geht). Ratenzahlungen können also später im Vollstreckungsverfahren, nach Abschluss des eigentlichen Strafbefehlsverfahrens beantragt werden. 1 So ist die Verfahrenspraxis in Berlin. Unter Umständen ist das in Ihrem Bundesland anders, achten Sie auf die Hinweise im Strafbefehl, wann Sie zahlen müssen! Zu den Kosten des Verfahrens lesen Sie unten mehr. Seite 8

Sie müssen keinen Einspruch gegen den Strafbefehl einlegen, nur weil Sie die Geldstrafe nicht in einer Summe aufbringen können. Wenn Sie die Geldstrafe nicht bezahlen Wenn Sie zu einer Geldstrafe verurteilt werden, diese Geldstrafe aber nicht bezahlen, tritt an die Stelle der Geldstrafe eine Ersatzfreiheitsstrafe. Das bedeutet, dass Sie für jeden Tagessatz, zu dem Sie verurteilt wurden, für einen Tag ins Gefängnis müssen. Lautet der Strafbefehl also auf 90 Tagessätze à 15 Euro, dauert Ihr Gefängnisaufenthalt 90 Tage die Höhe der Tagessätze (im Beispiel 15 Euro) spielt jetzt keine Rolle mehr. Keine Sorge, die Ersatzfreiheitsstrafe tritt eher selten ein. Das liegt daran, dass sie leicht vermieden werden kann, und zwar so: Vereinbaren Sie nach Rechtskraft des Strafbefehls mit der Staatsanwaltschaft Zahlungserleichterungen (Ratenzahlungen) und halten Sie sich an diese Vereinbarungen. Dann wird auch keine Ersatzfreiheitsstrafe angedroht oder gar angeordnet. Alternativ können Sie die Strafe durch gemeinnützige Arbeit ab arbeiten. Die Praxis zeigt leider, dass viele Verurteilte sehr große Schwierigkeiten haben, die entsprechenden Anträge erfolgreich zu stellen und sich vor allem an die Zahlungspläne oder die Arbeitsauflagen zu halten. In den Haftanstalten gibt es überraschend viele Inhaftierte, die dort»nur«ihre Geldstrafe absitzen müssen. Mein Rat: Nehmen Sie die Drohung der Ersatzfreiheitsstrafe ernst. Mit der Vollstreckungsabteilung der Staatsanwaltschaft ist nicht zu spaßen! Wer sich nicht kümmert oder sich nicht an Ratenzahlungsvereinbarungen hält, muss seine Strafe am Ende absitzen. Fahrverbot und Entziehung der Fahrerlaubnis Hat das Gericht Sie wegen einer Straftat im Straßenverkehr verurteilt, sind Sie womöglich mit einem Fahrverbot oder der Entziehung der Fahrerlaubnis konfrontiert. Das Fahrverbot kann bis zu drei Monate dauern, nach einer Entziehung der Fahrerlaubnis darf Ihnen für Seite 9

mindestens sechs Monate keine neue Fahrerlaubnis erteilt werden. Im Verkehrsstrafrecht werden diese Nebenfolgen häufig verhängt. Die Materie ist komplex, deshalb kann ich hier nicht auf die Einzelheiten eingehen. So viel sei jedoch gesagt: Die Chancen, sich erfolgreich gegen die Folgen eines Strafbefehls zu wehren, sind sehr unterschiedlich und hängen vom Delikt ab. So ist zum Beispiel die Sach- und Rechtslage bei einer Verkehrsunfallflucht ( 142 StGB) häufig nicht eindeutig die Chancen einer engagierten Verteidigung, ein Fahrverbot im Falle des 142 StGB aus der Welt zu schaffen, stehen deshalb oft gar nicht schlecht. Weniger gute Karten haben Sie meist, wenn Sie nach einer Trunkenheitsfahrt ( 316 StGB) die Entziehung der Fahrerlaubnis verhindern wollen. Beweis- und Rechtslage sind in diesen Verfahren oft sehr viel eindeutiger, sodass sich die anwaltliche Tätigkeit eher auf die Abmilderung der Folgen konzentriert. Mein Rat: Im Falle eines Fahrverbots sollten Sie die Erfolgsaussichten eines Einspruchs in jedem Fall von einem Fachanwalt prüfen lassen es sei denn, es macht Ihnen nichts, Ihr Auto eine Zeit stehen zu lassen. Sind Sie jetzt vorbestraft? Als Verteidiger, der tagtäglich mit Strafbefehlen zu tun hat, weiß ich, dass die Frage nach der Vorstrafe für viele Beschuldigte eine der wichtigsten und drängendsten Fragen ist. Tatsächlich ist sie nicht ganz einfach zu beantworten, weil die Begriffe Vorstrafe bzw. vorbestraft nicht immer einheitlich benutzt werden und deshalb nicht in jedem Fall dasselbe bedeuten. Grund für diese Verwirrung sind die Unterschiede zwischen dem Bundeszentralregister und dem Führungszeugnis. Während sich die Strafjuristen in erster Linie für das Bundeszentralregister interessieren, spielen im Leben außerhalb der Strafgerichte die Führungszeugnisse die wichtigere Rolle. Was steht im Bundeszentralregister? In das Bundeszentralregister werden alle strafgerichtlichen Verurteilungen eingetragen ( 3 BZRG), also auch die Verurteilung aufgrund eines rechtskräftigen Strafbefehls. Das gilt selbst dann, wenn Ihr Strafbefehl nur auf 5 Tagessätze Geldstrafe lautet. Sollten Sie später erneut straffällig Seite 10

werden und wurde die erste Verurteilung noch nicht gelöscht (getilgt), können die Strafverfolgungsbehörden im neuen Verfahren sehen, dass Sie bereits bestraft wurden. Sie sind damit im engeren Sinne vorbestraft. Die Folgen: 1. Die Voreintragung hindert in aller Regel, dass das zweite Verfahren wegen Geringfügigkeit ( 153 StPO) oder gegen Auflagen und Weisungen ( 153a StPO) eingestellt wird. 2. Die zweite Strafe wird wegen dieser Voreintragung regelmäßig härter ausfallen. 3. Die zweite Strafe verhindert, dass die erste in der nächsten Zeit gelöscht wird. Allerdings können nur sehr wenige Stellen Einblick in das Bundeszentralregister nehmen. In erster Linie sind das die Strafverfolger selbst (Polizei, Staatsanwaltschaft, Gerichte), darüber hinaus einige Behörden, darunter oberste Bundes- und Landesbehörden, Einbürgerungs- und Ausländerbehörden, Rechtsanwaltskammern usw. (vgl. 41 BZRG). Diese Behörden nehmen natürlich nur aus besonderen Gründen Einsicht in das Register, zum Beispiel im Einbürgerungsverfahren oder bei der Zulassung zur Rechtsanwaltschaft. Das Bundeszentralregister gibt also auf der einen Seite umfassend Auskunft über Verurteilungen, auf der anderen Seite wird diese Auskunft nur an sehr wenige Stellen herausgegeben. Was steht im Führungszeugnis? Bei den Führungszeugnissen ist das grundsätzlich anders. Führungszeugnisse geben Auskunft über das, was im Bundeszentralregister eingetragen ist (aber nicht vollständig, dazu gleich mehr). Führungszeugnisse werden nur auf persönlichen Antrag des Betroffenen selbst ausgestellt. Wenn Sie also nicht persönlich den Antrag bei Ihrer Meldebehörde stellen, kriegt niemand Ihr Führungszeugnis zu Gesicht. Es liegt also allein in Ihrer Hand, wer aus welchem Grund Ihr Führungszeugnis zu sehen bekommt. Seite 11

Die Vorlage eines Führungszeugnisses ist eher selten erforderlich. Wenn man es allerdings vorlegen muss, ist es fast immer entscheidend, dass dort keine Einträge auftauchen. Manche Arbeitgeber verlangen ein Führungszeugnis von Bewerbern. So möchten Banken zum Beispiel wissen, ob der neue Angestellte in seiner Vergangenheit Eigentumsdelikte begangen hat. Einige Arbeitgeber verlangen die Vorlage eines Führungszeugnisse sogar in regelmäßigen Abständen. Wer (auch ehrenamtlich) mit Kindern und Jugendlichen arbeiten möchte (zum Beispiel als Fußballtrainer) braucht ein erweitertes Führungszeugnis. Da grundsätzlich jeder von Ihnen die Vorlage eines Führungszeugnisses verlangen kann, ist der Kreis derjenigen, die Ihr Führungszeugnis sehen können, potenziell größer als beim Bundeszentralregister. Auf der anderen Seite steht im Führungszeugnis aber nicht alles drin. Geringfügige Erst verurteilungen unter 91 Tagessätze bleiben beim Führungszeugnis außen vor. Wer sich nur einmal wegen einer Bagatelle strafbar gemacht hat, soll nicht mit den negativen Wirkungen einer Vorstrafe belastet sein. Das ist die»magische Grenze«, die viele als Grenze zur Vorstrafe kennen. Wenn Ihr Strafbefehl also auf genau 90 Tagessätze lautet (oder darunter liegt) und dies der einzige Eintrag im Bundeszentralregister ist, dann wird diese Strafe nicht im Führungszeugnis auftauchen. In Ihrem Führungszeugnis 2 wird stehen:»keine Eintragungen«. Ergänzend dazu gibt 53 BZRG Ihnen das Recht, sich als»unbestraft«zu bezeichnen, wenn in Ihrem Führungszeugnis keine Eintragungen enthalten sind. Außerhalb der Strafjustiz sind Sie deshalb nicht vorbestraft. Sind Sie nun vorbestraft oder nicht? Sie sehen, die Frage ist nicht ganz einfach zu beantworten, jedenfalls dann nicht, wenn Sie mit dem Strafbefehl das erste Mal verurteilt wurden (oder wenn frühere Verurteilungen bereits getilgt sind) und wenn der Strafbefehl auf weniger als 91 Tagessätze lautet. Denn in diesen Fällen haben Sie zwar einen Eintrag im Bundeszentralregister, Ihr Führungszeugnis bleibt aber»sauber«. Sie dürfen sich außerdem, wenn Sie gefragt werden, 2 Das gilt jedenfalls für das Führungszeugnis der sogenannten Belegart 0. Für das erweiterte Führungszeugnis (Belegart NE oder OE) gelten andere Regeln, vgl. 32 Abs. 5 BZRG. Seite 12

ausdrücklich als»unbestraft«bezeichnen (vgl. aber auch 53 Abs. 2 BZRG). Mein Rat: Auch wenn Ihr Führungszeugnis durch den Strafbefehl unberührt bleibt, sollten Sie (trotzdem) prüfen (lassen), ob in Ihrem Fall nicht eine Einstellung in Betracht kommt. Es ist nämlich erheblich einfacher, die erste Eintragung zu vermeiden als die zweite. Sollte in den nächsten Jahren eine neue Straftat hinzukommen, zum Beispiel eine fahrlässige Tat, dann hindert die Ersteintragung meistens nicht nur die Einstellung des neuen Verfahrens nach den 153 ff. StPO, sondern führt auch dazu, dass beide Eintragungen im Führungszeugnis erscheinen. Selbst wenn es sich bei beiden Vorwürfen um Bagatellen handelt, sind Sie dann vorbestraft! Das Registerrecht ist leider sehr kompliziert, Ausnahmen sind dort die Regel. Vor allem die Tilgungsfristen, also wann gelöscht wird bzw. ab wann nicht mehr in das Führungszeugnis eingetragen wird, sind schwer zu verstehen und können hier nicht im Detail erläutert werden. Viele Betroffene, die einen Strafbefehl erhalten, wissen oft gar nicht, ob es noch bestehende Eintragungen gibt oder nicht. Meine Mandanten sagen mir im Erstgespräch häufig:»da war mal was, aber wann genau, weiß ich leider nicht mehr. Ob das eine Geldauflage oder Geldstrafe war, weiß ich leider auch nicht. Vielleicht war es auch nur ein Bußgeld?«Wenn es Ihnen ähnlich geht, können Sie nicht sicher sein, ob Ihr Strafbefehl zu einem Eintrag im Führungszeugnis führt oder nicht. Solche Unklarheiten sollten ausgeräumt werden, bevor der Strafbefehl rechtskräftig wird. Viel Aufwand erfordert dies nicht: Da die Strafakte immer auch einen Auszug aus dem Bundeszentralregister enthält, kann eine Akteneinsicht schnell Klarheit hinsichtlich des Registerinhalts bringen. Mehr zur Akteneinsicht lesen Sie im vierten und fünften Teil des Kurses. Kosten des Verfahrens Der Strafbefehl selbst bzw. die Rechtsbefehlsbelehrung, die Ihnen zugeschickt wurde, gibt Ihnen schon den Hinweis, dass Sie auch die Kosten Seite 13

des Verfahrens zu tragen haben. Aufgeführt sind dort die Gerichtskosten (meistens 60 Euro). Hinzu kommen die Kosten der Zustellung. In den meisten Verfahren bleibt es bei diesen vergleichsweise überschaubaren Verfahrenskosten. In manchen Verfahren kommt das böse Erwachen allerdings erst mit der Kostenrechnung nach Rechtskraft der Sache. Denn wenn in Ihrem Verfahren Gutachten erstellt wurden, müssen Sie als Verurteilter auch deren Kosten übernehmen. Das ist bei einer Bestimmung der Blutalkoholkonzentration (zum Beispiel bei der Trunkenheitsfahrt gem. 316 StGB) zu verschmerzen (rund 85 Euro), kann aber zum Beispiel bei der kriminaltechnischen Untersuchung eines beschlagnahmten Computers ganz erheblich sein: Wer zu einer Geldstrafe in Höhe von 1.200 Euro verurteilt wird und meint, er sei mit einem blauen Auge davongekommen, wird seine Einschätzung ändern, wenn er später zusätzlich eine Rechnung von der Staatsanwaltschaft über 1.300 Euro für»edv-auslagen«erhält. Auch wenn Sie Einspruch einlegen, sollten Sie die Verfahrenskosten im Hinterkopf behalten. Denn mit der Hauptverhandlung verdoppeln sich nicht nur die Gerichtsgebühren, es können auch weitere Kosten und Auslagen für Zeugen und Sachverständige hinzukommen. Dazu lesen Sie mehr im Abschnitt über die Hauptverhandlung (Teil 7). Sonstige Folgen des Strafbefehls Neben den mehr oder weniger offensichtlichen Folgen, die oben dargelegt wurden, kann jeder Strafbefehl weitere Folgen haben, die weniger offensichtlich sind. Manchmal leider auch schwerwiegende. Jede Aufzählung solcher Folgen an dieser Stelle wäre zwangsläufig unvollständig, weil jeder Fall anders ist und es immer auf die Einzelheiten ankommt. Was sich jedoch ohne Weiteres festhalten lässt: Bei manchen Deliktsarten sind solche Nebenfolgen häufiger als bei anderen. Damit Sie einen Eindruck haben, um was für Folgen es sich handelt, nachfolgend ein paar Anhaltspunkte: In einem Verfahren wegen Verkehrsunfallflucht ( 142 StGB) ist der (sehr teure!) Regress des Versicherers häufige Folge der Seite 14

Verurteilung. In Verkehrsstrafsachen führen Strafbefehle regelmäßig zu»punkten«in Flensburg, was nach dem Strafverfahren zu Problemen mit dem Führerschein führen kann (im Verwaltungsverfahren). Manchmal haben Strafbefehle negative Wirkungen auf Zivilverfahren (zum Beispiel wegen Schadensersatz und/oder Schmerzensgeld). Auch im Arbeitsgerichtsverfahren oder im Verwaltungsgerichtsverfahren kann ein Strafbefehl präjudizielle Wirkung haben. Das bedeutet, dass der Sachverhalt, der sich aus dem rechtskräftigen Strafbefehl er gibt, auch im späteren Verfahren vor diesen Gerichten feststeht und nicht mehr bestritten werden kann. Wer Beamter ist, wird wissen, dass ihm eine strafgerichtliche Verurteilung besondere Probleme bereiten kann. Weniger bekannt ist häufig, dass ein Strafbefehl unter Umständen auch zu erheblichen Problemen mit einer Gewerbezulassung führen kann. Auch Selbstständige können durch einen Strafbefehl also in ihrer beruflichen Existenz bedroht sein. Diese manchmal nicht so offensichtlichen mittel- oder unmittelbaren Folgen des Strafbefehls haben ihre besonderen Tücken. Wer einen Strafbefehl akzeptiert, weil er meint, einigermaßen günstig weggekommen zu sein, dabei aber zum Beispiel übersieht, dass seine Kfz-Versicherung später Leistungen verweigern kann oder dass sein Punktekonto in Flensburg»überläuft«, wird später vielleicht bereuen, dass er nicht hat prüfen lassen, ob ein Einspruch gegen den Strafbefehl die Sache unter Umständen aus der Welt geschafft hätte. Deshalb mein Rat: Bevor Sie einen Strafbefehl akzeptieren, sollten Sie sich zu 100 % sicher sein, dass Ihr Strafbefehl keine Folgen hat, die Sie übersehen. Denn nur wenn Sie genau wissen, was für Sie auf dem Spiel steht, können Sie sinnvoll entscheiden, ob ein Einspruch gegen den Strafbefehl sinnvoll ist oder nicht. Im nächsten Teil des Kurses lesen Sie mehr zum Einspruch. Seite 15