Bernhard Studlar. Me and You and the EU kleine Grenzerfahrungen (Fun & Horror)

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Transkript:

Bernhard Studlar Me and You and the EU kleine Grenzerfahrungen (Fun & Horror)

(c) henschel SCHAUSPIEL Theaterverlag Berlin GmbH 2007. Als unverkäufliches Manuskript vervielfältigt. Alle Rechte am Text, auch einzelner Abschnitte, vorbehalten, insbesondere die der Aufführung durch Berufs- und Laienbühnen, des öffentlichen Vortrags, der Buchpublikation und Übersetzung, der Übertragung, Verfilmung oder Aufzeichnung durch Rundfunk, Fernsehen oder andere audiovisuelle Medien. Werknutzungsrechte können vertraglich erworben werden von: henschel SCHAUSPIEL Theaterverlag Berlin GmbH Alte Jakobstraße 85/86 10179 Berlin verlag@henschel-schauspiel.de Tel.: 030-4431 8888

Für D.

PERSONEN Karoline eine Frau zwischen 30 und 40, die den vielfältigsten Projektionen standhält ein junger Mann Ende 20, der seine einstige Überzeugung zusammen mit seiner Uniform abgegeben hat 57, gähnender Frührentner ORT Das Kafejo Europo

Prolog / Vorwort des Autors Es gibt keine Grenzen. Nicht für die Gedanken, nicht für die Gefühle. Die Angst setzt die Grenzen. (INGMAR BERGMANN) Die folgende Geschichte ist gegebenenfalls nicht wahr. Jede Ähnlichkeit der Figuren mit lebenden Menschen ist rein zufällig, durchaus möglich und auf gewisse Weise wünschenswert. Der Ort, an dem die Geschichte spielt ist eine Utopie: Das KAFEJO EUROPO Sehr viele leere Tische und Stühle, eine mäßige Beleuchtung und eine nicht allzu frische Luft. Zwischen den Tischen, den Stühlen, der Schank und einer unsichtbaren Küche schlurft der umher. Mäandert, auch im gedanklichen Sinne. In der einen Hand ein Wischtuch, in der anderen Hand eine Fliegenklatsche. Als wäre mit etwas zu rechnen. Aber weiter. Im Hintergrund ein cremefarbenes Telefon an der Wand. Auf den ersten Blick könnte man meinen, es funktioniert sicher nicht mehr, aber da würde man sich gewaltig täuschen. Es läutet einfach nur nicht. Wie überhaupt man sagen kann, dass Stille ein wesentliches Merkmal dieser Geschichte ist. Und irgendwo sitzt dann doch jemand. Der gähnende Mann nennt sich Josef. Aber was ist schon ein Name - Gar nichts. Einmal steht der auf und wirft eine Münze in die Jukebox. Musik, die seltsam fern klingt. An manchen Stellen des Liedes singen oder summen sowohl der, als auch der leise mit. Dann wird es wieder still. Und wer von den Zuspätkommenden jetzt immer noch nicht da ist, hat Pech gehabt, denn so beginnts: 6

1. Sprechen sie europäisch? hinein in eine Stille Seit Wochen schweigen Sie. Warum? Der gähnt. Entschuldigung. Ich bin auch manchmal lebensmüde. gähnt wieder. Aber warum schweigen Sie so viel und sprechen nur dem Bier zu? Ja warum? Das frage ich mich eben. Und deshalb frage ich jetzt Sie persönlich. Weil mir nichts Besseres einfällt. Schnäuzt sich Verkühlt habe ich mich gestern. So geht es vielen Menschen in der Stadt. Das fällt mir auf. Schon länger. Die Menschen reden nicht mehr. Keiner sagt etwas. Speziell in der kalten Jahreszeit. Keine Worte, nur heiße Luft, die verdampft, wenn sie den Mund aufmachen. Und Bazillen. Und Bazillen. Stille. Wir alle kommen aus dem Nichts und kehren in das große, stinkende Nichts zurück. Das ist alles, was mir im Moment dazu einfällt. Ein Bier bitte. Groß. Groß. Der schlurft zur Schank. Der gähnt. Entschuldigung. Das kommt vom Sauerstoffmangel. Sie atmen zu wenig. Das ist chronisch bei mir. Eine Krankheit. 7

Gähnt. Vielleicht würde es auch schon reichen, wenn Sie fünf Minuten an die frische Luft gehen würden. Damit ich mich noch mehr verkühle? Das geht nicht. Außerdem warte ich. Sagen Sie jetzt nicht auf bessere Zeiten. Aber geh. So ein Blödsinn. Dann ist es ja gut. Bin ich beruhigt. Hier, das Bier. Danke. Prost. Prost. Auf was warten Sie dann? Auf das Neue Europa. Aha. Da, schau her. Da sitzts... Wo?... das Biest. Erschlägt eine Fliege Erwischt. Je länger die in einem Raum herumfliegen, desto träger werden sie. Und wenn man sie nicht vorher erwischt, fallen sie irgendwann von selber von der Wand. So einen Schreck am helllichten Tag kann ich überhaupt nicht brauchen. Tut mir leid. Das ist immer noch ein Reflex von früher beim Militär. Zeit totschlagen ist gleich Fliegen totschlagen. Und? Auf was genau warten Sie da? Beim Neuen Europa? Kein Kommentar. Schade. Es würde mich nämlich schon interessieren, was sich so in ihrem Kopf abspielt. In meinem Kopf zirkuliert das Blut. 8

In meinem Kopf ruft ab und zu jemand um Hilfe, und das bin nicht ich. Stille. Ich bin mir sicher, da draußen leben Menschen, die sind garantiert unglücklicher als wir beide. Nur wissen die das nicht. Noch nicht. Aber demnächst wird der Tag kommen, an dem es ihnen jemand sagt. Und dann werden sie kommen und sich rächen. Sie sind ein Schwarzmaler, Herr. Ich bin Realist. Schon immer gewesen. Das bewahrt einen vor gewissen Enttäuschungen. Ich erwarte mir ohnehin nicht viel. Das Neue Europa wird kommen und in unsere Gläser spucken. Es wird sich nehmen, was uns gehört, weil es dann ihm gehören wird. Und auf gewisse Weise ist das nur gerecht. Und warum sollte das Neue Europa grade Ihnen ins Bier spucken? Weil ich mich nicht wehren kann. Und die, die sich nicht wehren können, sind immer die ersten, die dran glauben müssen. Wenn Sie weiter so reden, ist es mir lieber, Sie schweigen. Sehen Sie. Noch ein Bier? Aber ja. Der schlurft zur Schank. erschlägt auf dem Weg dorthin eine Fliege Zack. Die können sich auch nicht wehren. Sie sind ein Tierfreund? Kommt auf das Tier an. Wundert sie das? Dass Sie sich so für die Fliegen hier im Café einsetzen, wundert mich schon. 9