Das Ministerkomitee, gestützt auf Artikel 15 Buchstabe b der Satzung des Europarates -

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Transkript:

EMPFEHLUNG CM/Rec(2014)7 DES MINISTERKOMITEES AN DIE MITGLIEDSTAATEN ÜBER DEN SCHUTZ VON WHISTLEBLOWERN (angenommen vom Ministerkomitee am 30. April 2014 in der 1198. Sitzung der Stellvertreter der Minister) Das Ministerkomitee, gestützt auf Artikel 15 Buchstabe b der Satzung des Europarates - im Hinblick darauf, dass es das Ziel des Europarats ist, eine engere Verbindung zwischen seinen Mitgliedern herbeizuführen, um insbesondere die Ideale und Grundsätze, die ihr gemeinsames Erbe sind, zu wahren und zu fördern; in der Erwägung, dass die Förderung der Annahme gemeinsamer Regeln im rechtlichen Bereich zur Verwirklichung dieses Ziels beitragen kann; in Bekräftigung der Tatsache, dass die Freiheit der Meinungsäußerung und das Recht, Informationen zu suchen und zu erhalten, für das Funktionieren einer echten Demokratie unabdingbar sind; in der Erkenntnis, dass Personen, die Meldungen machen oder Informationen mitteilen über Gefahren oder Nachteile für das öffentliche Interesse ( Whistleblower ), zur Stärkung der Transparenz und der demokratischen Verantwortung beitragen können; in der Erwägung, dass die angemessene Behandlung der Mitteilungen von Informationen von öffentlichem Interesse durch die Arbeitgeber oder öffentlichen Behörden geeignet ist, Maßnahmen zu fördern, um den so mitgeteilten Gefahren oder Nachteilen abzuhelfen; eingedenk der Konvention zum Schutz der Menschenrechte und Grundfreiheiten (SEV Nr. 5) und der einschlägigen Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte, insbesondere in Bezug auf Artikel 8 (Achtung des Privatlebens) und Artikel 10 (Freiheit der Meinungsäußerung) sowie des Übereinkommens zum Schutz des Menschen bei der automatischen Verarbeitung personenbezogener Daten (SEV Nr. 108); eingedenk des Aktionsprogramms des Europarates gegen Korruption, das Strafrechtsübereinkommen über Korruption (SEV Nr. 173) und das Zivilrechtsübereinkommen über Korruption (SEV Nr. 174) des Europarats und insbesondere ihrer Artikel 22 beziehungsweise 9 sowie der Arbeiten der Staatengruppe gegen Korruption (GRECO);

in Anbetracht der Entschließung 1729 (2010) der Parlamentarischen Versammlung, in der die Versammlung die Mitgliedstaaten auffordert, ihre Vorschriften über den Schutz von Whistleblowern im Lichte einer Reihe von Leitsätzen zu überprüfen; unter Hinweis auf die Sammlung der bewährten Praktiken und Leitsätze für die Rechtsvorschriften zum Schutz von Whistleblowern, die von der OECD auf Ersuchen der Staats- und Regierungschefs der G20 auf deren Gipfeltreffen im November 2010 in Seoul erstellt wurde; in Anbetracht des Erfordernisses, die Annahme nationaler Regelungsrahmen zum Schutz von Whistleblowern auf der Grundlage gemeinsamer Grundsätze in den Mitgliedstaaten zu fördern, empfiehlt den Mitgliedstaaten, über einen normativen, institutionellen und justiziellen Regelungsrahmen zu verfügen, um Personen zu schützen, die im Rahmen ihrer Arbeitsbeziehungen Meldungen machen oder Informationen über Gefahren oder Nachteile für das öffentliche Interesse mitteilen. Zu diesem Zweck sind im Anhang zu dieser Empfehlung eine Reihe von Grundsätzen aufgeführt, welche die Mitgliedstaaten leiten sollen, wenn sie ihr jeweiliges innerstaatliches Recht überprüfen oder wenn sie Rechtsvorschriften oder Regelungen annehmen oder ändern, die im Rahmen ihres Rechtssystems erforderlich und angemessen sein können. Soweit für die Arbeitsbeziehungen Tarifverträge gelten, können die Mitgliedstaaten diese Empfehlung und die im Anhang aufgeführten Grundsätze im Rahmen dieser Verträge umsetzen. Anhang zur Empfehlung... GRUNDSÄTZE Begriffsbestimmungen Im Sinne dieser Empfehlung und seiner Grundsätze a. bedeutet Whistleblower jede Person, die im Zusammenhang mit ihrem Arbeitsverhältnis im öffentlichen oder im privaten Sektor Meldungen macht oder Informationen mitteilt über Gefahren oder Nachteile für das öffentliche Interesse; 2

b. bedeutet Meldung oder Mitteilung von Informationen von öffentlichem Interesse jede Meldung von Handlungen oder Unterlassungen über Gefahren oder Nachteile für das öffentliche Interesse oder Mitteilung von Informationen über solche Vorkommnisse; c. bedeutet Meldung jede Meldung entweder innerhalb einer Organisation oder eines Unternehmens oder bei einer externen Behörde, d. bedeutet Mitteilung von Informationen jede öffentliche Mitteilung von Informationen. I. Materieller Geltungsbereich 1. Der normative, institutionelle und justizielle nationale Regelungsrahmen einschließlich gegebenenfalls Tarifverträge, sollte so gestaltet und entwickelt werden, dass die Meldungen und Mitteilungen von Informationen von öffentlichem Interesse dadurch erleichtert werden, dass Regeln aufgestellt werden, um die Rechte und Interessen von Whistleblowern zu schützen. 2. Obgleich die Mitgliedstaaten zu bestimmen haben, was für die Zwecke der Umsetzung dieser Grundsätze unter den Begriff öffentliches Interesse fällt, sollten die Mitgliedstaaten ausdrücklich den Geltungsbereich des nationalen Regelungsrahmens festlegen, der zumindest die Gesetzes- und Menschenrechtsverletzungen sowie die Gefahren für die öffentliche Gesundheit und Sicherheit und für die Umwelt umfassen sollte. II. Persönlicher Geltungsbereich 3. Der persönliche Geltungsbereich des nationalen Regelungsrahmens sollte alle Personen umfassen, die entweder im öffentlichen oder im privaten Sektor arbeiten, unabhängig von der Art ihres Arbeitsverhältnisses und der Tatsache, dass sie entlohnt werden oder nicht. 4. Der nationale Regelungsrahmen sollte auch die Personen umfassen, deren Arbeitsverhältnis beendet ist oder unter Umständen noch nicht begonnen hat, wenn die Informationen über Gefahren oder Nachteile für das öffentliche Interesse im Verlauf des Einstellungsverfahrens oder in einem anderen Stadium der vorvertraglichen Verhandlung erlangt wurden. 3

5. Für Informationen über die nationale Sicherheit, die Verteidigung, die öffentliche Ordnung oder die zwischenstaatlichen Beziehungen des Staates können besondere Regelungen oder Vorschriften gelten, die insbesondere geänderte Rechte und Pflichten vorsehen. 6. Diese Grundsätze beeinträchtigen nicht die gefestigten und anerkannten Regeln, die den Schutz des Berufsgeheimnisses garantieren. III. Normativer Regelungsrahmen 7. Der normative Regelungsrahmen sollte einen umfassenden und kohärenten Ansatz widerspiegeln, um die Meldungen und die Mitteilungen von Informationen von öffentlichem Interesse zu erleichtern. 8. Einschränkungen oder Ausnahmen von Rechten und Pflichten einer jeden Person in Bezug auf Meldungen und Mitteilungen von Informationen von öffentlichem Interesse sollten nicht über das erforderliche Maß hinausgehen und auf jeden Fall nicht den Zielen der in dieser Empfehlung genannten Grundsätze zuwiderlaufen. 9. Die Mitgliedstaaten sollten dafür Sorge tragen, dass ein oder mehrere wirksame Mechanismen geschaffen werden, um auf Meldungen und Mitteilungen von Informationen von öffentlichem Interesse zu reagieren. 10. Jede Person, die durch die Meldung oder die Mitteilung unrichtiger oder täuschender Informationen unmittelbar oder mittelbar einen Nachteil erlitten hat, sollte ihren Schutz und ihre Rechtsbehelfe nicht verlieren, die ihr nach den gemeinrechtlichen Regeln zustehen. 11. Ein Arbeitgeber sollte sich nicht auf die gesetzlichen oder vertraglichen Pflichten einer Person berufen können, um diese Person an einer Meldung oder einer Mitteilung von Informationen von öffentlichem Interesse zu hindern oder um sie deswegen zu sanktionieren. IV. Wege für Meldungen und Mitteilungen von Informationen 12. Der nationale Regelungsrahmen sollte ein Umfeld begünstigen, das darin bestärkt, offen Meldungen zu machen oder Informationen mitzuteilen. Niemand sollte sich scheuen, Besorgnisse von öffentlichem Interesse frei anzusprechen. 4

13. Es sollten klar festgelegte Wege für die Meldung und die Mitteilung von Informationen von öffentlichem Interesse geschaffen werden, und die Inanspruchnahme dieser Wege sollte durch geeignete Maßnahmen erleichtert werden. 14. Die Wege für Meldungen und Mitteilungen von Informationen umfassen: - Interne Meldungen innerhalb einer Organisation oder eines Unternehmens (einschließlich an Vertrauenspersonen, die bestimmt wurden, um die Meldungen entgegenzunehmen), - Meldungen an öffentliche Regulierungsorgane, Strafverfolgungsbehörden und Kontrollorgane, - die öffentliche Mitteilung von Informationen, zum Beispiel an einen Journalisten oder einen Parlamentarier. Der am besten geeignete Weg ergibt sich aus den individuellen Umständen eines jeden Falles. 15. Arbeitgeber sollten ermutigt werden, interne Meldesysteme einzurichten. 16. Arbeitnehmer(innen) sowie ihre Vertreter sollten gegebenenfalls zur vorgeschlagenen Einrichtung interner Meldesysteme zu Rate gezogen werden. 17. In der Regel sollten interne Meldungen und Meldungen an öffentliche Regulierungsorgane, an Strafverfolgungsbehörden und Kontrollorgane gefördert werden. V. Vertraulichkeit 18. Vorbehaltlich von Garantien in Bezug auf ein faires Verfahren sollte die Vertraulichkeit der Identität der Whistleblower gewahrt werden. VI. Reaktion auf die Meldung und die Mitteilung von Informationen 19. Meldungen und Mitteilungen von Informationen von öffentlichem Interesse durch Whistleblower sollten rasch Untersuchungen folgen; Arbeitgeber und öffentliche Regulie- 5

rungsorgane, Strafverfolgungsbehörden und Kontrollorgane sollten gegebenenfalls effizient und effektiv auf deren Ergebnisse reagieren. 20. Ein Whistleblower, der eine interne Meldung macht, sollte in der Regel von der Person, welche die Meldung erhält, über die Maßnahmen unterrichtet werden, die als Reaktion darauf ergriffen werden. VII. Schutz gegen Repressalien 21. Whistleblowern sollten gegen jede Form von unmittelbaren oder mittelbaren Repressalien seitens ihres Arbeitgebers und Personen, die für diesen Arbeitgeber arbeiten oder in seinem Namen handeln, geschützt werden. Zu diesen Formen von Repressalien könnten Kündigung, Suspendierung, Rückstufung, Verlust von Aufstiegsmöglichkeiten, Versetzungen als Strafmaßnahme, sowie Gehaltskürzungen oder -abzüge, Mobbing oder jede andere Form von Sanktion oder diskriminierender Behandlung zählen. 22. Die Person, die eine Meldung gemacht oder Informationen mitgeteilt hat, sollte ihren Schutzanspruch nicht allein deshalb verlieren, weil sie den Sachverhalt falsch eingeschätzt hat oder weil die wahrgenommene Gefahr für das öffentliche Interesse sich nicht konkretisiert hat, unter der Voraussetzung, dass sie triftige Gründe hat, von ihrer Richtigkeit auszugehen. 23. Ein Whistleblower sollte im Rahmen eines Zivil-, Straf- oder Verwaltungsverfahrens den Umstand geltend machen dürfen, dass die Meldung oder die Mitteilung von Informationen gemäß dem nationalen Regelungsrahmen erfolgt ist. 24. Die Tatsache, dass ein Whistleblower der Öffentlichkeit Informationen mitgeteilt hat, ohne auf das vom Arbeitgeber eingerichtete interne Meldesystem zurückzugreifen, kann berücksichtigt werden, wenn es um die Entscheidung über die Rechtsbehelfe oder das dem Whistleblower zuzubilligende Schutzniveau geht. 25. Bei Rechtsstreitigkeiten, die sich auf einen von einem Whistleblower erlittenen Nachteil beziehen, und unter dem Vorbehalt, dass dieser triftige Gründe für die Annahme vorträgt, dass der Nachteil eine Form von Repressalien infolge seiner Meldung oder seiner Mitteilung von Informationen darstellt, muss der Arbeitgeber nachweisen, dass dies nicht der Grund für die Benachteiligung war. 6

26. Bis zum Abschluss des Zivilverfahrens sollten die Personen, die Repressalien erfahren haben, weil sie eine Meldung oder eine Mitteilung von Informationen von öffentlichem Interesse gemacht haben, insbesondere bei Verlust ihres Arbeitsplatzes vorläufige Maßnahmen beantragen dürfen. VIII. Beratung, Sensibilisierung und Bewertung 27. Der nationale Regelungsrahmen sollte umfassend gefördert werden, um zu bewirken, dass sich in der Öffentlichkeit und den Fachkreisen eine positive Einstellung entwickelt, und um die Mitteilung von Informationen zu erleichtern, wenn das öffentliche Interesse betroffen ist. 28. Es sollte vorgesehen werden, den Personen, die beabsichtigen, Meldungen oder Mitteilungen von Informationen von öffentlichem Interesse zu machen, unentgeltlich Zugang zu Informationen und vertraulicher Beratung anzubieten. Bestehende Strukturen, die diese Informationen und Beratung erteilen können, sollten ermittelt und die sie betreffenden Einzelheiten der breiten Öffentlichkeit zur Verfügung gestellt werden. Sofern erforderlich und soweit möglich könnten andere geeignete Strukturen mit den notwendigen Mitteln ausgestattet werden, um diese Rolle zu übernehmen, oder es könnten neue Strukturen geschaffen werden. 29. Die innerstaatlichen Behörden sollten regelmäßige Bewertungen der Wirksamkeit des nationalen Regelungsrahmens durchführen. 7