Handout zur Kreissynode Spandau am 19.3.2010 Jürgen Kroggel Armut in Spandau Gott schützt die Schwachen (Psalm 146) Die christliche Gemeinde an der Seite der Armen
Zu unterscheiden sind: Definitionen von Armut absolute und relative Armut Jürgen Kroggel 19.3.2010 physische Existenzminimum = absolute Armut Das Konzept der relativen Einkommensarmut beinhaltet, dass die Armutsrisikogrenze vom Wohlstandsniveau (Reichtum) abhängt Die Weltbank hat 2008 ihre Armutsdefinition um den Begriff der»absoluten Armut«erweitert. In dieser Definition werden alle Menschen erfasst, die weniger als 1,25 US-Dollar pro Tag (betroffen ca. 1,2 Milliarden Menschen) an lokaler Kaufkraft zur Verfügung haben. Bei den Millenniumszielen (Halbierung der Armut bis 2015) steht vor allem der Kampf gegen diese absolute Armut im Mittelpunkt. Armut bezeichnet den Mangel an Chancen, ein Leben zu führen, das gewissen Minimalstandards entspricht. Die Maßstäbe für diese Standards und die Vorstellungen über die Ursachen von Armut sind örtlich und zeitlich sehr verschieden. Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) definiert Armut nach dem Einkommen. Danach ist arm, wer monatlich weniger als die Hälfte des durchschnittlichen Einkommens seines Landes zur Verfügung hat. (relative Armutsdefinition) Verarmte Personen sind Einzelpersonen, Familien und Personengruppen, die über so geringe (materielle, kulturelle und soziale) Mittel verfügen, dass sie von der Lebensweise ausgeschlossen sind, die in dem Mitgliedsstaat, in dem sie leben, als Minimum annehmbar sind. (relative Armutsdefinition) Armutsdefinition des Europäischen Rats soziokulturelle Existenzminimum Dieses soll einer der Würde des Menschen entsprechende Teilhabe am gesellschaftlich üblichen Leben ermöglichen: Die Teilnahme am wirtschaftlichen, gesellschaftlichen, politischen und kulturellen Leben, einschließlich allgemeiner Konsumstandards. (relative Armutsdefinition) Der Arme als soziologische Kategorie entsteht nicht durch ein bestimmtes Maß von Mangel und Entbehrung, sondern dadurch, dass er Unterstützung erhält oder sie nach sozialen Normen erhalten sollte. So ist nach dieser Richtung die Armut nicht an und für sich als ein quantitativ festzulegender Zustand zu bestimmen, sondern nur nach der sozialen Reaktion, die auf einen gewissen Zustand hin eintritt. (Simmel 1958) Transitorische und strukturelle Armut Transitorisch = vorübergehend (z.b. Zeiten kurz vor der Ernte oder in einer jungen Ehe, oder auch azyklisch, zum Beispiel durch Katastrophen) Strukturell = Person gehört einer gesellschaftlichen Randgruppe an, deren Mitglieder alle unter die Armutsgrenze fallen, mit sehr kleinen Chancen, in ihrem Leben aus dieser Randgruppe auszubrechen. Beispiel.: Die Bevölkerung von Elendsvierteln. In Verbindung damit wird oft von einem Teufelskreis der Armut oder Armutskreislauf gesprochen.
Messmethoden zur Armut / Armutsgefährdung/ Armutsrisikoquote. Der Median (Zentralwert) Einkommenswert, der die Einkommen der Bevölkerung genau in zwei Hälften teilt. Damit ist die mittlere Einkommensposition die Referenzgröße. Kritik: Der Median verändert sich nicht, während das arithmetische Mittel (Addition aller Einkommen), Veränderungen von armen und reichen Einkommen abbilden würde. bedarfsgewichtetes Nettoäquivalenzeinkommen Das Nettoäquivalenzeinkommen von Alleinstehenden ist mit dem Haushaltseinkommen identisch. Bedarfsgewichtet bedeutet erstens, dass für größere Haushalte unterstellt wird, dass weitere Erwachsene und Jugendliche ab 15 Jahren nur einen zusätzlichen Bedarf von 70% eines Alleinstehenden haben. Das Gewicht ist kleiner als 100%, weil Kostenersparnisse durch gemeinsames Wirtschaften angenommen werden. Bei einem Paarhaushalt ohne Kinder wird das Haushaltseinkommen also durch 1,7 (100% plus 70%) geteilt, um das Äquivalenzeinkommen zu berechnen. Zweitens wird angenommen, dass Kinder unter 15 Jahren einen zusätzlichen Bedarf von 50% eines alleinstehenden Erwachsenen haben. Bei einem Alleinerziehendenhaushalt mit einem Kind wird das Einkommen also durch 1,5, mit zwei Kindern durch 2,0 dividiert. Anschließend wird der Durchschnitt dieser Äquivalenzeinkommen über alle Personen berechnet. Dem Risiko der relativen Einkommensarmut unterliegt, wer ein Einkommen hat, das unterhalb eines bestimmten Mindestabstands zum Mittelwert der Gesellschaft liegt. In der EU ist dies der Anteil der Personen in Haushalten, deren bedarfsgewichtetes Nettoäquivalenzeinkommen weniger als 60% des Median aller Personen beträgt (oder 50% zumeist in Deutschland) Dies beschreibt die Armutsgrenze für eine Person. Die Armutsgrenze für den Haushalt gemessen in Haushaltseinkommen kann dann errechnet werden, indem das Äquivalenzeinkommen mit der Summe der Bedarfsgewichte multipliziert wird. soziokulturelles Existenzminimum: In Deutschland wird dies durch Regelsätze definiert. Diese sollen ein menschenwürdiges Leben ermöglichen. Armutsrisikoschwellen, Armutsrisikoquoten und Stichprobengrößen nach Datenquellen Datenbasis EU-SILC 2006 Armutsrisikoschwelle (60% des mittleren Nettoäquivalenzeinkommens) Armutsrisikoquote Stichprobengröße (erfasste Haushalte) 781 Euro 13% 13.800 EVS 2003 980 Euro 14% 53.400 Mikrozensus 2005 736 Euro 15% 322.700 SOEP 2006 880 Euro 18% 11.500
Beteiligungs- und Befähigungsgerechtigkeit sind zentrale Elemente sozialer Gerechtigkeit ehem. Ratsvorsitzenden der Evangelischen Kirche in Deutschland, Bischof Wolfgang Huber. In seinen Augen erweist es sich als große Herausforderung an sozial gerechte Politik, dass vielen Menschen die Möglichkeit fehlt, durch Erwerbsarbeit für den eigenen Lebensunterhalt aufzukommen.